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Urteilskopf

107 Ib 346


61. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 20. November 1981 i.S. Bommer und Mitbeteiligte gegen Eidg. Volkswirtschaftsdepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

Regeste

Milchwirtschaftsbeschluss 1977 (Art. 15 Abs. 2, Art. 16 Abs. 2).
Umteilungen in die Siloverbotszone: Während durch Umteilungen gemäss Art. 15 Abs. 2 MWB 1977 ein Absinken der strukturpolitisch erwünschten Käsefabrikation in quantitativer oder qualitativer Hinsicht verhindert werden soll, dient eine Umteilung gemäss Art. 16 Abs. 2 MWB 1977 der Vermehrung oder Verbesserung der strukturpolitisch erwünschten Käseherstellung (E. 4b). Voraussetzungen der Umteilung nach Art. 15 Abs. 2 MWB 1977 im vorliegenden Fall erfüllt (E. 4c).

Sachverhalt ab Seite 346

BGE 107 Ib 346 S. 346
Das Einzugsgebiet der Käserei Bettwiesen-Station ist der Silozone zugeteilt. In der Käserei Bettwiesen-Station wird während der Sommermonate Emmentaler-Käse hergestellt; diese Käsefabrikation muss jeweils während der Wintermonate unterbrochen werden, weil die Milchlieferanten Silofutter verwenden (vgl. Art. 23 Milchlieferungsregulativ, MLR, in SR 916.351.3). Um eine
BGE 107 Ib 346 S. 347
ganzjährige Emmentalerkäse-Fabrikation in der Käserei Bettwiesen-Station zu ermöglichen, strebte das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) erstmals im Jahre 1978 eine Umteilung des Einzugsgebietes der Genossenschaft Bettwiesen-Station in die Siloverbotszone an; diese Bemühungen scheiterten am Widerstand der Genossenschafter.
Am 9. Januar 1981 verfügte das BLW gestützt auf Art. 15 Abs. 2 des Milchwirtschaftsbeschlusses 1977 (MWB 1977), das Einzugsgebiet der Käserei Bettwiesen-Station werde der Siloverbotszone zugeteilt. Für die Genossenschafter Theophil Hug, Alois Diethelm, Louis Eisenegger, Bernhard Hollenstein und Hans Christener soll die Zonenumteilung nach dieser Verfügung auf den 1. Mai 1982, für Hans Bommer, Thomas Brunschwiler, Anton Bommer und Bernhard Weibel auf den 1. Mai 1984 in Kraft treten. Eine Beschwerde gegen diese Verfügung beim Eidg. Volkswirtschaftsdepartement blieb erfolglos. Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der betroffenen Genossenschafter ab, soweit es darauf eintritt, aus folgenden

Erwägungen

Erwägungen:

1. Nach Art. 103 lit. a OG ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Die Beschwerdeführer als betroffene Genossenschafter sind grundsätzlich zur Beschwerde legitimiert, da sie an der Weiterführung ihrer bisher betriebenen Silowirtschaft und damit an der Aufhebung des angefochtenen Entscheides zweifellos ein schutzwürdiges Interesse haben. Aus den Akten geht indessen hervor, dass der Beschwerdeführer Diethelm bei der Ausrichtung von Meliorationsbeiträgen zur silofreien Betriebsführung verpflichtet worden ist. Da er deshalb in seinem Betrieb auch dann kein Silofutter wird verwenden dürfen, wenn der angefochtene Entscheid aufgehoben werden sollte, hat er an dessen Aufhebung kein eigenes schutzwürdiges Interesse. Auf die Beschwerde Diethelms kann daher nicht eingetreten werden.
Auf die übrigen Beschwerden ist einzutreten, da sämtliche formellen Voraussetzungen erfüllt sind.

2. Der geltende Milchwirtschaftsbeschluss vom 7. Oktober 1977 (MWB 1977 in SR 916.350.1) ist bis zum 31. Oktober 1987 befristet (Art. 30 MWB 1977) und löste entsprechende frühere
BGE 107 Ib 346 S. 348
Erlasse, letztmals aus dem Jahre 1971, ab (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 22. Dezember 1976 in BBl 1977 I 78 ff.). Beim Erlass des MWB 1977 stand das Anliegen im Vordergrund, die Milchüberschüsse durch die Eindämmung der Milchproduktion einerseits und durch die Lenkung der Milchverwertung anderseits möglichst gering zu halten (BBl 1977 I 75). Zur Milchverwertung führte der Bundesrat in seiner Botschaft zum MWB 1977 insbesondere aus, es gelte nach wie vor, möglichst viel Milch verlustfrei als Frischmilch oder Frischmilchspezialitäten abzusetzen. Soweit ein derartiger Absatz nicht möglich sei, müsse die Milch so verarbeitet werden, dass sie möglichst verlustarm verkauft werden könne. Dabei verursache die Verwertung von Käse immer noch geringere Verluste als die Butterverwertung. Eine Ausdehnung der Käseproduktion sei deshalb erwünscht. Um aber einen grösseren Käseabsatz zu guten Preisen auch tatsächlich realisieren zu können, werde es unerlässlich sein, eine absolut natürliche Herstellungsweise, dass heisst eine Fabrikation ohne chemische Zusätze irgendwelcher Art - auf der Basis silofreier Milch - aufrechtzuerhalten bzw. anzustreben. Die schweizerischen Hartkäsesorten würden seit jeher aus silofreier Milch und ohne chemische Zusätze hergestellt. Es sei aber erwünscht, künftig auch alle schweizerischen Halbhartkäsefabrikanten in die Lage zu versetzen, möglichst ohne Nitratzusatz, also mit silofreier Milch, zu arbeiten. Eine der wesentlichsten Massnahmen werde deshalb darin bestehen, für die Fabrikation von Halbhartkäse vermehrt silofreie Milch zu beschaffen. Aus diesen Gründen sei der Abteilung für Landwirtschaft die Kompetenz einzuräumen, nötigenfalls Silogenossenschaften in die Siloverbotszone umzuteilen. Dieser Eingriff in bisherige Produktionsgewohnheiten möge zunächst hart erscheinen; er erweise sich aber als unumgänglich, gehe es doch darum, die Produktion von Käse den Wünschen der Konsumenten anzupassen und das Ansehen des Schweizer Produktes zu erhalten oder zu heben (BBl 1977 I 103 ff./105; 112 und 158/9). Die neuen Bestimmungen über die Umteilung örtlicher Produzentenorganisationen oder Produzentengruppen in die Siloverbotszone gaben in den Räten kaum zu Bemerkungen Anlass (vgl. betr. Art. 14 Abs. 2 des bundesrätlichen Entwurfes, welcher Art. 15 MWB 1977 entspricht, sowie zu Art. 15 Abs. 2 des Entwurfes, der zu Art. 16 Abs. 2 MWB 1977 wurde: Amtl. Bull. NR 1977 102/SR 1977 434).

3. Die Beschwerdeführer rügen zunächst, der angefochtene Entscheid sei bundesrechtswidrig, weil er erstinstanzlich vom
BGE 107 Ib 346 S. 349
Bundesamt für Landwirtschaft erging; sie sehen darin eine Verletzung des Milchlieferungsregulativs.
Nach Art. 27 Abs. 1 des Milchlieferungsregulativs (MLR in SR 916.351.3) verfügen die regionalen Milchproduzentenverbände nach Anhören der Beteiligten Einteilungen in die Silo- bzw. in die Siloverbotszone. Gegen ihre Entscheide kann beim Bundesamt für Landwirtschaft Beschwerde geführt werden (Art. 27 Abs. 2 MLR). Das MLR wurde gestützt auf Art. 3 des Beschlusses der Bundesversammlung vom 29. September 1953 über Milch, Milchprodukte und Speisefette (Milchbeschluss in SR 916.350) von der Schweizerischen Milchkommission am 18. Oktober 1971 erlassen und vom Bundesrat am 22. November 1972 genehmigt. Der spätere MWB 1977 wurde dagegen als allgemeinverbindlicher Bundesbeschluss vom Gesetzgeber erlassen und unterstand dem fakultativen Referendum (Art. 30 MWB 1977). Art. 15 Abs. 2 und Art. 16 Abs. 2 MWB 1977 weisen dem Bundesamt für Landwirtschaft die ausschliessliche Befugnis zu, erstinstanzlich Umteilungen in die Siloverbotszone zu verfügen. Für eine Kompetenz der Regionalverbände, gemäss Art. 27 MLR weiterhin entsprechende Umteilungen anzuordnen, bleibt daneben kein Raum (Urteil vom heutigen Tag i.S. Willi). Das Bundesamt für Landwirtschaft, dessen Verfügung nach dem Inkrafttreten des MWB 1977 erging, war aus diesem Grunde entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer zuständig, die Umteilung der Käsereigenossenschaft Bettwiesen-Station in die Siloverbotszone zu verfügen.

4. Die angefochtene Verfügung über die Umteilung der Käsereigenossenschaft Bettwiesen-Station in die Siloverbotszone stützt sich auf Art. 15 Abs. 2 MWB 1977. Die Beschwerdeführer bestreiten, dass die Voraussetzungen für eine Umteilung ihrer Genossenschaft in die Siloverbotszone nach dieser Bestimmung erfüllt seien.
a) Sowohl Art. 15 wie Art. 16 MWB 1977 ermächtigen das Bundesamt für Landwirtschaft, Umteilungen in die Siloverbotszone vorzunehmen. Diese Bestimmungen lauten wie folgt:
Art. 15 Förderung der Käseproduktion
1) Der Bundesrat kann Massnahmen treffen zur Erhaltung und Förderung der Käseproduktion, insbesondere in der Siloverbotszone.
2) Wird die Käsefabrikation oder die Käsequalität durch die Verwendung von Silofutter gefährdet, so kann die Abteilung für Landwirtschaft örtliche Milchproduzentenorganisationen oder Produzentengruppen in die Siloverbotszone umteilen.
BGE 107 Ib 346 S. 350
3) Die Kosten werden der Milchrechnung belastet; bei der Umteilung in die andere Zone kann der Bundesrat den Zentralverband verpflichten, einen angemessenen Beitrag zu leisten.
Art. 16 Strukturverbesserung
1) Der Bundesrat kann zur Strukturverbesserung in der Käsereiwirtschaft an kostensparende, qualitätsfördernde und organisatorische Massnahmen, Betriebsaufhebungen sowie bauliche und technische Einrichtungen Beiträge gewähren.
2) Die Strukturverbesserungen sind nach dem Kataster des Zentralverbandes über Milchsammelstellen und Milchverwertungsbetriebe zu planen und durchzuführen. Die Abteilung für Landwirtschaft kann nach diesem Kataster Betriebszusammenlegungen und nötigenfalls Umteilungen in die Siloverbotszone verfügen.
3) Beträge werden nur ausgerichtet, sofern Meliorationsbeiträge, Investitionskredite und andere Zuwendungen zusammen mit eigenen Mitteln für Strukturverbesserungen nach Absatz 1 nicht ausreichen.
4) Die Kosten werden der Milchrechnung belastet; bei der Umteilung in die andere Zone kann der Bundesrat den Zentralverband verpflichten, einen angemessenen Beitrag zu leisten.
b) Umteilungen von Milchproduzentengenossenschaften in die Siloverbotszone dienen der Förderung der Käsequalität; denn die Hart- und Halbhartkäsesorten können nur mit silofreier Milch ohne chemische Zusätze hergestellt werden (Botschaft zum MWB 1977, BBl 1977 I 104/158). Umteilungen in die Siloverbotszone sind deshalb sowohl nach Art. 15 Abs. 2 MWB 1977 wie auch nach Art. 16 Abs. 2 MWB 1977 nur im Hinblick auf die Förderung der Fabrikation von Käse zulässig, dessen Qualität durch die Verwendung von Silofutter gefährdet würde. Voraussetzung für eine Umteilung örtlicher Produzentenorganisationen in die Siloverbotszone ist nach Art. 15 Abs. 2 MWB 1977 eine Gefährdung der Käsefabrikation oder der Käsequalität durch die Verwendung von Silofutter; eine Umteilung nach Art. 16 Abs. 2 MWB 1977 setzt anderseits voraus, dass diese Massnahme für eine Strukturverbesserung in der Käsereiwirtschaft notwendig ist und dass die Strukturverbesserung im Rahmen der Planung nach dem Kataster des Zentralverbandes über Milchsammelstellen und Milchverwertungsbetriebe erfolgt. Aus dem Vergleich beider Bestimmungen ergibt sich, dass mit der Umteilung nach Art. 15 Abs. 2 MWB 1977 unerwünschten Entwicklungen gegenüber bestehenden Verhältnissen in der Milchverwertung bzw. Käsefabrikation begegnet, namentlich ein Absinken der Käsefabrikation in quantitativer oder qualitativer Hinsicht verhindert, werden soll. Die Voraussetzung für eine Umteilung nach Art. 15 Abs. 2 MWB 1977 ist deshalb
BGE 107 Ib 346 S. 351
gegeben, wenn in einem rationell geführten Käsereibetrieb die Gefahr besteht, dass die Fabrikation auf kürzere oder längere Sicht nicht mehr im bisherigen Umfang oder in bisheriger Qualität weitergeführt werden kann, sofern das Einzugsgebiet der Milchlieferanten nicht der Siloverbotszone zugeteilt wird. Eine Umteilung in die Siloverbotszone ist dagegen im Rahmen der Strukturverbesserungsmassnahmen nach Art. 16 Abs. 2 MWB 1977 vorzunehmen, wenn eine Vermehrung oder Verbesserung der strukturpolitisch erwünschten Käseherstellung nur durch entsprechende Umzonungen verwirklicht werden kann (vgl. Art. 3 der Verordnung über Beiträge für Strukturverbesserungen in der Käsereiwirtschaft, SR 916.350.171.1).
Für eine Intervention gestützt auf Art. 15 Abs. 2 MWB 1977 genügt es, dass bei deren Unterlassung eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für ein zukünftiges Absinken der Käsefabrikation in qualitativer oder quantitativer Hinsicht besteht. Trifft dies zu, so konnte die Umzonung auf Art. 15 Abs. 2 MWB 1977 abgestützt werden, ohne dass zu prüfen wäre, ob die gleiche Massnahme beim Fehlen der Voraussetzungen von Art. 15 Abs. 2 MWB 1977 auf Art. 16 Abs. 2 MWB 1977 abgestützt werden könnte.
c) Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen zu Recht darauf hingewiesen, dass Halbjahreskäsereien wirtschaftlich stark benachteiligt seien und dass ihre langfristige Erhaltung deshalb oftmals in Frage gestellt sei; namentlich könnten diese Käsereien grössere Investitionen nicht verkraften. Ausserdem falle es schwer, für Halbjahreskäsereien tüchtige Käser zu finden, und es bestehe insbesondere bei der Aufnahme der Käsefabrikation im Frühjahr ein erhebliches Qualitätsrisiko. Auch seien die Absatzmöglichkeiten bei ganzjähriger Produktion günstiger.
Wesentlich ist zudem, das einzelne der im Einzugsgebiet der Käserei Bettwiesen-Station gelegenen Milchproduzenten gezwungen sind oder beabsichtigen, während des ganzen Jahres silofreie Verkehrsmilch zu produzieren. Es ist zu erwarten, dass diese Genossenschafter ihre Milch in eine andere Sammelstelle liefern wollen, sofern das Einzugsgebiet der Käserei Bettwiesen-Station in der Silozone verbleiben sollte; nur in diesem Falle würden sie die entsprechende Zulage auf dem Milchpreis erhalten (vgl. Art. 1 der Verordnung über die Förderung der Käseproduktion in SR 916.356.11). Ein Gesuch um Milchsammelstellen-Wechsel müsste grundsätzlich im Interesse einer prioritätsgerechten Milchverwertung bewilligt werden (BGE 97 I 475 E. 3, 4). Dadurch würde
BGE 107 Ib 346 S. 352
indessen die Käsefabrikation in der Käserei Bettwiesen-Station überhaupt oder doch im bisherigen Umfang nicht mehr aufrechterhalten werden können. Eine Gefährdung der Käsefabrikation im Sinne von Art. 15 Abs. 2 MWB 1977 ist somit von der Vorinstanz zu Recht angenommen worden. Die Beschwerdeführer bringen dagegen nichts vor, das diese Annahme zu entkräften vermöchte.

Inhalt

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Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 1 2 3 4

Referenzen

BGE: 97 I 475

Artikel: Art. 103 lit. a OG, Art. 27 Abs. 2 MLR, Art. 27 MLR