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Urteilskopf

127 V 129


21. Auszug aus dem Urteil vom 8. August 2001 i.S. E. gegen IV-Stelle Luzern und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern

Regeste

Art. 28 Abs. 2 und 3 IVG; Art. 27 und 27bis IVV; Art. 18 Abs. 1 UVG: Genauigkeit der Invaliditätsgradbestimmung.
Die einzelnen für die Berechnung des Invaliditätsgrades massgebenden Faktoren (wie hypothetisches Validen- und Invalideneinkommen, Einschränkung in den einzelnen Betätigungsbereichen) müssen mit grosser Sorgfalt festgelegt werden.
Der hernach errechnete Invaliditätsgrad ist ein mathematisch exakter Prozentwert, der grundsätzlich nicht noch auf- oder abgerundet werden darf.

Sachverhalt ab Seite 129

BGE 127 V 129 S. 129

A.- Mit Verfügung vom 15. Oktober 1998 sprach die IV-Stelle Luzern der 1943 geborenen E. bei einem Invaliditätsgrad von 60% eine halbe Invalidenrente ab 1. September 1998 zu.

B.- Die dagegen erhobene Beschwerde mit dem Antrag auf Gewährung einer ganzen Rente wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern nach Einholen eines Berichts von Dr. med. A., Facharzt FMH für Allgemeinmedizin, vom 17. November 1999 mit Entscheid vom 28. Dezember 1999 ab, da E. selbst bei wohlwollender Beurteilung nur einen Invaliditätsgrad von höchstens 65,6% erreiche.

C.- E. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und das im kantonalen Prozess gestellte Begehren erneuern. Eventuell sei die Sache an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit sie nochmals eine Abklärung im Haushalt durchführe.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während sich das Bundesamt für Sozialversicherung nicht vernehmen lässt.
BGE 127 V 129 S. 130

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Es ist nicht bestritten, dass die Beschwerdeführerin in einer Erwerbstätigkeit zu 100% arbeitsunfähig ist. Streitig und zu prüfen ist lediglich die Einschränkung im Haushalt. Dabei ist von der Annahme auszugehen, dass die Versicherte ohne ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen weiterhin zu 50% erwerbstätig wäre, hat sie doch gemäss Auskunft des letzten Arbeitgebers vom 13. Januar 1998 seit dem 1. März 1977 stets in diesem Ausmass gearbeitet.

3. Die Vorinstanz ermittelte im Haushalt einen Invaliditätsgrad von insgesamt 31,1%, welchen sie zur Hälfte berücksichtigte. Dadurch ergab sich ein Gesamtinvaliditätsgrad von 65,6%, weshalb das kantonale Gericht den Anspruch auf eine ganze Rente verneinte.
Demgegenüber lässt die Beschwerdeführerin einwenden, es sei überspitzt formalistisch, ihr wegen eines einzigen fehlenden Prozentes eine ganze Rente zu versagen. Es sei nicht möglich, die Behinderung in der Haushaltstätigkeit auf ein Prozent genau zu berechnen. Wie schon der Kreisarzt der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) festgehalten habe, sei sie ein Mensch, der seine Leiden demütig ertrage und deshalb die gesundheitlichen Einschränkungen zu wenig deutlich geltend gemacht habe. Dr. A. habe im Bericht vom 17. November 1999 die Arbeitsunfähigkeit im Haushalt mit 50% angegeben, was durchaus der Realität entspreche.

4. Die Vorbringen der Beschwerdeführerin lassen sich in dem Sinn verstehen, dass eine exakte Berechnung des Invaliditätsgrades stets nur zu einem scheingenauen Resultat führe. Daher könne es sich unter Umständen rechtfertigen, bei einem Invaliditätsgrad, der den Grenzwert für die nächsthöhere Rentenstufe knapp nicht erreicht, aufzurunden und die entsprechend höhere Rente zuzusprechen. Deshalb ist vorab zur Frage des Aufrundens grundsätzlich Stellung zu nehmen.
a) Das Eidg. Versicherungsgericht hatte sich wiederholt mit Fällen zu befassen, in welchen Invaliditätsgrade auf-, ab- oder aber gar nicht gerundet wurden. Teilweise erfolgten die Rundungen stillschweigend, teilweise nahm das Gericht ausdrücklich Stellung dazu. In einigen Fällen waren es Verwaltung oder kantonale Gerichte, welche Invaliditätsgrade auf- oder abrundeten, die das Eidg. Versicherungsgericht bestätigte. Im Folgenden werden zunächst Urteile aus der jüngsten Rechtsprechung aufgeführt, in welchen das Gericht es abgelehnt hat, den einmal errechneten Invaliditätsgrad aufzurunden.
BGE 127 V 129 S. 131
aa) In AHI 2000 S. 302 Erw. 3c wies das Gericht darauf hin, dass der Bundesgesetzgeber mit der in Art. 28 Abs. 1 festgelegten Rentenabstufung klare und unmissverständliche Eckwerte gesetzt hat. An diese sind die Rechtsanwender, darunter auch das Eidg. Versicherungsgericht, kraft Bundesverfassung gebunden (vgl. Art. 191 der am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen neuen Bundesverfassung vom 18. April 1999; Gleiches galt nach Art. 113 Abs. 3 und Art. 114bis Abs. 3 der bis Ende 1999 gültig gewesenen Bundesverfassung; dazu RKUV 2000 Nr. K 118 S. 152 Erw. 2a). Daraus folgerte das Gericht, wenn der Gesetzgeber prozentgenaue Eckwerte für die Zusprechung von Renten vorsehe, stehe es nicht im Belieben der Rechtsanwender, bei Unterschreiten derselben in Missachtung des klaren und unmissverständlichen Gesetzeswortlauts eine Rente für einen höheren, im konkreten Fall nicht erreichten Invaliditätsgrad zuzusprechen. Gegenteiliges lasse sich dem Aufsatz von MEYER-BLASER, Zur Prozentgenauigkeit in der Invaliditätsschätzung (in: SCHAFFHAUSER/SCHLAURI [Hrsg.], Rechtsfragen der Invalidität in der Sozialversicherung, Luzern 1999, S. 9 ff.), nicht entnehmen. Dieser Autor knüpfe an das Ergebnis an, dass auf Grund aller von Gesetzes wegen zu berücksichtigenden Wertungsgesichtspunkte die Annahme von Prozentgenauigkeit ausscheide. Daher spreche er sich dafür aus, es sei aus der Sicht der richterlichen Überprüfung unerlässlich, dass die einzelnen Schritte der Invaliditätsbemessung mit aller Sorgfalt erfolgten. Das Ergebnis des Verfahrens laute letztlich rechnerisch auf einen Invaliditätsgrad, der in einer einzelnen Prozentzahl oder sogar in einem Bruchteil davon zu Buche schlage. Dies sei unvermeidlich, und dagegen sei nichts einzuwenden, solange mit dem rechnerisch genauen Ergebnis nicht der Eindruck erweckt werden wolle, dem Resultat liege eine Genauigkeit zu Grunde, die es gar nicht haben könne. Die Aussage ("Folgerung"), wonach Differenzierungen des Invaliditätsgrades im Bereich +/-1% nicht feststellbar seien und die Erfassbarkeit allenfalls bei +/-10% beginne, sei in diesem Zusammenhang zu sehen. Dementsprechend lehnte es das Gericht in diesem Urteil ab, bei einem Invaliditätsgrad von 59,2% eine ganze Rente zuzusprechen.
bb) Im Urteil V. vom 12. Oktober 2000 (I 344/99) verwies das Gericht auf eine Vernehmlassung der am Recht stehenden IV-Stelle, welche sich ihrerseits auf den genannten Aufsatz von MEYER-BLASER abstützte, und wies das Begehren um Zusprechung einer halben Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 46,5% ab. Die IV-Stelle zitierte neben den bereits erwähnten Passagen zusätzlich
BGE 127 V 129 S. 132
Rz 27 des Aufsatzes von MEYER-BLASER (a.a.O., S. 26), wonach Rundungen auf einzelne Prozentzahlen (oder Teile davon) abzulehnen sind, da gerundeten Werten keine höhere Überzeugungskraft eigne als einzelnen Prozent- oder Bruchzahlen.
cc) Im Urteil S. vom 4. September 2000 (I 551/99) lehnte es das Gericht unter Hinweis auf die in AHI 2000 S. 302 Erw. 3c angestellten Erwägungen ab, bei einem Invaliditätsgrad von 48% auf 50% aufzurunden und eine halbe Rente zu gewähren. Die fehlende Prozentgenauigkeit, die der Invaliditätsberechnung innewohne, sei nicht als Aufforderung an die Rechtsanwender zu verstehen, bei Unterschreiten der gesetzlichen Eckwerte eine Rente für einen höheren, im konkreten Fall nicht erreichten Invaliditätsgrad zuzusprechen.
dd) Im Urteil C. vom 23. Februar 2001 (I 284/00) sah das Gericht angesichts des Wesens der Invaliditätsbemessung - fehlende Prozentgenauigkeit auf Grund der von Gesetzes wegen zu berücksichtigenden Wertungsgesichtspunkte bei rechnerisch genauem Ergebnis - wegen der gesetzlich festgehaltenen Eckwerte keinen Spielraum, bei einem Invaliditätsgrad von rund 65% eine ganze Rente zu gewähren.
ee) In AHI 1999 S. 243 Erw. 4d und im Urteil R. vom 11. Februar 2000 (I 225/99) ermittelte das Gericht einen Invaliditätsgrad von 38% bzw. "rund" 38% und verneinte einen Anspruch auf eine Invalidenrente, ohne sich weiter dazu zu äussern, dass der genannte Invaliditätsgrad nahe an einem der Eckwerte gemäss Art. 28 Abs. 1 IVG liegt.
ff) Im Zusammenhang mit der Konstellation des vorliegenden Falles ist auch das nicht veröffentlichte Urteil B. vom 28. September 1998 (I 164/98) von Interesse. Dort ging es ebenfalls um eine Versicherte, die teilweise erwerbstätig war und teilweise im Haushalt arbeitete. Dabei erwog das Gericht, dass der Gesamtinvaliditätsgrad bei der für die Versicherte günstigsten Berechnungsvariante höchstens 65,6% (also exakt gleichviel wie im vorliegenden Fall) betragen könne, weshalb stets nur Anspruch auf eine halbe Rente bestehe.
b) Demgegenüber hat das Gericht in andern Fällen - ausdrücklich oder stillschweigend - selber eine Auf- oder Abrundung vorgenommen oder eine Rundung im vorinstanzlichen Entscheid bestätigt.
aa) In BGE 125 V 162 Erw. 6 hat es bei einem Invaliditätsgrad von "aufgerundet 50%" eine halbe Invalidenrente zugesprochen.
BGE 127 V 129 S. 133
Das genaue rechnerische Resultat hatte einen Invaliditätsgrad von 49,68% ergeben. Die Aufrundung selbst begründete das Gericht nicht.
bb) Im Urteil L. vom 19. September 2000 (U 66/00) bestätigte das Gericht eine Invalidenrente der Unfallversicherung von 20% bei rechnerisch exakt ermitteltem Invaliditätsgrad von 22%. Dazu führte das Gericht aus, der von dieser Abrundung betroffene Versicherte wende an sich zu Recht ein, dass grundsätzlich keine Auf- und Abrundungen des Invaliditätsgrades auf die nächste runde Zahl zu erfolgen habe, wenn die massgebenden Einkommen ziffernmässig festständen. Im vorliegenden Fall bestehe indessen kein Grund zu einer entsprechenden Korrektur des Invaliditätsgrades, weil das kantonale Gericht dem Beschwerdeführer einen unter den gegebenen Umständen sehr weit gehenden Abzug vom Invalideneinkommen zugestanden habe.
cc) In RKUV 1998 Nr. U 304 S. 373 Erw. 3 ermittelte die SUVA einen Invaliditätsgrad von mathematisch exakt 45,88% und sprach der versicherten Person eine Rente von 50% zu. Das Gericht bestätigte diese Rente, ohne sich zur Frage des (Auf-)Rundens zu äussern.
dd) In der in RKUV 1992 Nr. U 145 S. 85 nicht veröffentlichten Erw. 3c/cc hiess das Gericht eine Rüge gut, mit der ein zu hoher Invaliditätsgrad beanstandet wurde, und setzte diesen von 20% auf 18% herab, wobei das rechnerisch exakte Ergebnis 17,7% betrug.
ee) In RKUV 1988 Nr. U 59 S. 438 f. Erw. 5c bestätigte das Gericht ohne nähere Begründung betreffend das Runden eine von der SUVA wiedererwägungsweise von 33 1/3% auf 10% herabgesetzte Rente, obschon der massgebende Erwerbsvergleich nur noch einen Invaliditätsgrad von 3,85% ergeben hatte.
ff) Im Urteil J. vom 18. Oktober 2000 (I 665/99) bejahte das Gericht einen Anspruch auf berufliche Massnahmen bei einem Invaliditätsgrad von 18,52%, obwohl die üblicherweise geltende Mindestlimite bei etwa 20% liegt (BGE 124 V 110 Erw. 2b). Bei diesem Eckwert handelt es sich allerdings nicht um eine gesetzlich festgelegte, sondern um eine von der Rechtsprechung eingeführte Grösse. Zudem begründete das Gericht die Zusprechung der beruflichen Massnahmen trotz Unterschreiten des Grenzwertes mit den besonderen Umständen des konkreten Einzelfalles.
gg) In einem andern Fall (nicht veröffentlichtes Urteil A. vom 13. November 1986, I 272/86) reichten hingegen 17,61% Invalidität nicht zur Gewährung beruflicher Massnahmen, da der am Recht
BGE 127 V 129 S. 134
stehende Versicherte im Verweisungsberuf, in welchem diese Erwerbseinbusse resultierte, als in zumutbarer Weise eingegliedert erachtet wurde.
hh) In dem in Plädoyer 2001/1 S. 65 veröffentlichten Urteil Z. vom 13. Oktober 2000 (U 181/99) bestätigte das Gericht eine SUVA-Rente von 10% gestützt auf einen von der Unfallversicherungsanstalt durchgeführten Erwerbsvergleich, welcher je nach Variante zwischen 85% und 93% des vor dem Unfall erzielten Lohnes ergab, somit einem Invaliditätsgrad von zwischen 7% und 15% entsprach, ohne sich näher zur Auf- oder Abrundung zu äussern.
c) Diese Rechtsprechung zeigt auf, dass die Frage, ob bei einem rechnerisch exakt ermittelten Invaliditätsgrad auf einen als geeignet erscheinenden "runden" Wert auf- oder abgerundet werden dürfe, bisher nicht in letzter Konsequenz einheitlich beantwortet worden ist. Während in IV-Fällen (mit Ausnahme von BGE 125 V 162 Erw. 6, siehe Erw. 4b/aa hievor) ein Aufrunden auf die nächsthöhere Rentenstufe in der Regel ausdrücklich abgelehnt wurde, liess das Gericht in einigen UV-Fällen (Erw. 4b/bb, cc, ee, hh hievor) Auf- oder Abrundungen um mehrere Prozent unbeanstandet. Es drängt sich daher auf, diese Problematik in Zukunft einheitlich und nach klaren Richtlinien zu lösen. Dabei ist im Bereich der Invalidenversicherung von der in AHI 2000 S. 302 (Erw. 4a/aa hievor) angestellten Überlegung auszugehen, dass der Gesetzgeber fixe, unmissverständliche Eckwerte bestimmt hat, an welche die Rechtsanwender gebunden sind. Somit besteht auch bei knappem Verfehlen des für die nächsthöhere Rentenstufe nötigen Mindestinvaliditätsgrades kein Spielraum für Aufrundungen, sobald das rechnerische Resultat einmal feststeht. Dagegen müssen die im jeweiligen Einzelfall massgebenden Faktoren zur Bestimmung des Invaliditätsgrades, wie hypothetisches Validen- und Invalideneinkommen (gegebenenfalls prozentualer Abzug von den Tabellenlöhnen nach den dafür relevanten Gesichtspunkten gemäss BGE 126 V 75) beim Erwerbsvergleich, Einschränkung in den verschiedenen massgebenden Arbeiten beim Betätigungsvergleich, mit grosser Sorgfalt festgesetzt werden, wobei hier je nach den Umständen des Falles ein Ermessensspielraum vorhanden ist. Stehen aber diese einzelnen Faktoren einmal fest, hat gestützt darauf die Berechnung des Invaliditätsgrades zu erfolgen, deren Ergebnis notwendigerweise ein mathematisch bis auf die Kommastellen exakter Prozentwert ist. An diesem kann anschliessend nicht mehr gerundet werden, auch wenn eine auf Kommastellen genaue Invaliditätsbemessung
BGE 127 V 129 S. 135
naturgemäss eine gewisse Scheingenauigkeit beinhaltet. Dieses Rundungsverbot ist selbst dann in Kauf zu nehmen, wenn ein Eckwert für eine höhere Rentenstufe nur knapp verpasst wird und das Ergebnis für die Betroffenen hart erscheint.
d) Was für die Invalidenversicherung gesagt wurde, muss auch für die Unfallversicherung und für sämtliche anderen Sozialversicherungszweige gelten, soweit der jeweilige Invaliditätsgrad auf Grund eines Einkommens- oder Betätigungsvergleichs ermittelt wird. Zwar bestehen etwa in der Unfallversicherung zur Zeit noch keine gesetzlichen Eckwerte, wie sie die Invalidenversicherung in Art. 28 Abs. 1 IVG kennt. Indessen ist Art. 18 Abs. 1 UVG in dem Sinne ergänzt worden, dass Anspruch auf eine Rente erst ab einem Invaliditätsgrad von mindestens 10% besteht (BBl 2000 6110). Diese Gesetzesänderung ist allerdings noch nicht in Kraft (vgl. BBl 2000 6111). Wie die Rechtsprechung sodann wiederholt betont hat, stimmt der Invaliditätsbegriff in der Invalidenversicherung mit demjenigen in der obligatorischen Unfallversicherung (und in der Militärversicherung) grundsätzlich überein, weshalb die Schätzung der Invalidität, auch wenn sie für jeden Versicherungszweig grundsätzlich selbstständig vorzunehmen ist, mit Bezug auf den gleichen Gesundheitsschaden im Regelfall zum selben Ergebnis führen muss (BGE 126 V 291 Erw. 2a, BGE 119 V 470 Erw. 2b mit Hinweisen; vgl. auch BGE 123 V 271 Erw. 2a). Die Rechtsprechung hält hinsichtlich der Invaliditätsbemessung an der koordinierenden Funktion des einheitlichen Invaliditätsbegriffs in den verschiedenen Sozialversicherungszweigen fest (BGE 126 V 292 Erw. 2c). Daher ist danach zu trachten, unterschiedliche Invaliditätsannahmen verschiedener mit dem selben Fall befasster Versicherer zu vermeiden. Zwar darf sich ein Versicherer nicht ohne weitere eigene Prüfung mit der blossen Übernahme des von einem andern Versicherer festgelegten Invaliditätsgrades begnügen, soll aber auf der andern Seite die eigene Invaliditätsbemessung auch nicht einfach völlig unabhängig von bereits getroffenen Entscheiden anderer Versicherer festlegen (BGE 126 V 293 Erw. 2d). Nach der Rechtsprechung sind Abweichungen zwar nicht zum Vornherein ausgeschlossen (BGE 126 V 292 Erw. 2b, BGE 119 V 471 Erw. 2b mit Hinweisen). Nicht als massgeblich zu betrachten ist die Invaliditätsschätzung des einen Sozialversicherungsträgers etwa dann, wenn ihr ein Rechtsfehler oder eine nicht vertretbare Ermessensausübung zu Grunde liegt. Ohne Bindungswirkung hat der von einem Unfallversicherer angenommene Invaliditätsgrad auch zu bleiben, wenn dieser bloss auf
BGE 127 V 129 S. 136
einem gerichtlichen Vergleich beruht (BGE 126 V 292 Erw. 2b, BGE 112 V 175 f. Erw. 2a). Andererseits ist zu beachten, dass eine präzise Bestimmung des Invaliditätsgrades für die Belange der Invalidenversicherung nicht immer nötig ist, genügt es doch wegen der gröberen Rentenabstufung (nur ganze, halbe und Viertelsrenten) für die Leistungsfestsetzung unter Umständen schon, dass das Erreichen der für die Höhe des Anspruches ausschlaggebenden Grenzwerte von 40%, 50% oder 66 2/3% eindeutig feststeht oder aber klar ausgeschlossen werden kann (BGE 126 V 292 Erw. 2b, BGE 119 V 473 Erw. 3d; BGE 104 V 137 Erw. 2b). In solchen Fällen kommt der von den Organen der Invalidenversicherung vorgenommenen Invaliditätsbemessung für andere Sozialversicherungsträger nur in beschränktem Masse Bedeutung zu. Soweit aber in einem konkreten Einzelfall keine Gründe für ein Abweichen von der Schätzung eines andern Versicherers vorliegen, muss die Invaliditätsbemessung bei allen Versicherern übereinstimmen. Dies aber bedingt, nachdem in der Invalidenversicherung nicht auf die nächsthöhere Rentenstufe aufgerundet werden darf, dass auch die Unfallversicherung das einmal mathematisch exakt ermittelte Resultat der Invaliditätsbemessung so stehen lassen muss. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, der Unfallversicherung dort ein Auf- (oder Ab-)runden zu erlauben, wo es der Invalidenversicherung nicht gestattet ist. Zudem eignet aufgerundeten Werten in der Tat keine höhere Überzeugungskraft als exakt berechneten (MEYER-BLASER, a.a.O., S. 26 Rz 27).
e) Angesichts der Tatsache, dass die Invalidenversicherung eine bloss grobe Rentenabstufung kennt (40%, 50%, 66 2/3%), kann in IV-Fällen, in welchen das Erreichen des für die Höhe des Anspruchs ausschlaggebenden Grenzwertes eindeutig feststeht oder aber klar ausgeschlossen ist (BGE 119 V 473 Erw. 3d; BGE 104 V 137 Erw. 2b), aus praktischen Gründen darauf verzichtet werden, den jeweiligen Invaliditätsgrad auf die Kommastelle genau zu ermitteln. Sobald jedoch der Invaliditätsgrad in die Nähe eines Grenzwertes rückt, ist eine genaue Berechnung erforderlich, deren Ergebnis anschliessend nicht noch aufgerundet werden darf. In der Unfallversicherung hingegen, in welcher ein Invaliditätsgrad von selbst ganz wenigen Prozenten die schlussendlich ausgerichtete Rente beeinflusst, hat eine exakte Berechnung des Invaliditätsgrades zu erfolgen, an die sich ein konsequentes Rundungsverbot anschliesst.
f) Zusammenfassend ergibt sich, dass an einem einmal auf Grund von korrekt bestimmten Faktoren mathematisch exakt berechneten Invaliditätsgrad nicht mehr gerundet werden darf. Soweit sich
BGE 127 V 129 S. 137
einzelnen in Erw. 4a und b hievor genannten Urteilen etwas anderes ableiten lässt, kann daran nicht festgehalten werden.
g) Das Gesagte bezieht sich auf den für einen Anspruch auf Renten massgebenden Invaliditätsgrad. Ob das Rundungsverbot auch bei beruflichen Massnahmen der Invalidenversicherung gilt, bei welchen kein vom Gesetzgeber vorgeschriebener, sondern lediglich ein von der Rechtsprechung geschaffener Eckwert von etwa 20% zur Diskussion steht (Erw. 4b/ff und gg), kann im Rahmen des vorliegenden Falles offen gelassen werden.

5. Im Lichte dieser Ausführungen ist der vorliegende Fall zu prüfen.
a) Die Ermittlung des Invaliditätsgrades im Haushalt erfolgt durch eine Abklärung an Ort und Stelle. Sie beruht weit gehend auf dem Verhalten und den Angaben der versicherten Person selber, welche bis zu einem gewissen Grad durch die Erfahrung der Abklärungsperson kontrolliert werden. Das Ergebnis ist notwendigerweise eine Schätzung, welche von der Verwaltung (und im Beschwerdefall vom Gericht) im Lichte der ärztlichen Stellungnahme zur Arbeitsunfähigkeit im Haushalt zu würdigen ist (MEYER-BLASER, a.a.O., S. 23 Ziff. 3.4). Aus der Sicht der richterlichen Überprüfung kann nicht mehr, aber auch nicht weniger gefordert werden, als dass die einzelnen Schritte der Invaliditätsbemessung mit aller Sorgfalt erfolgen (vgl. auch BGE 114 V 313 Erw. 3a letzter Absatz). Das Ergebnis lautet rechnerisch unvermeidlicherweise auf eine Prozentzahl oder einen Bruchteil davon. Auch dieses Resultat darf nicht mehr gerundet werden.
b) Vorliegend hat die Vorinstanz ausführlich dargelegt, wie sie versucht hat, die verbliebene Arbeitsfähigkeit im Haushalt so exakt wie möglich zu bestimmen. Es lässt sich nicht sagen, das kantonale Gericht habe dabei sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Für die Einschätzung der einzelnen massgebenden Faktoren, die sich nicht beanstanden lassen, wird auf den kantonalen Entscheid verwiesen. Als rechnerisches Schlussergebnis ermittelte die Vorinstanz - zusammen mit dem Anteil der Erwerbstätigkeit - einen Invaliditätsgrad von 65,6%. Die Frage, ob die Beschwerdeführerin statt dessen "richtigerweise" zu 66 2/3% invalid einzustufen sei, ist nach dem Gesagten zu verneinen. Es muss deshalb dabei sein Bewenden haben, dass nur Anspruch auf eine halbe Invalidenrente besteht.

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Sachverhalt

Erwägungen 2 3 4 5

Referenzen

BGE: 126 V 292, 125 V 162, 119 V 473, 104 V 137 mehr...

Artikel: Art. 18 Abs. 1 UVG, Art. 28 Abs. 1 IVG, Art. 28 Abs. 2 und 3 IVG, Art. 27 und 27bis IVV