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Urteilskopf

91 II 412


58. Urteil der II. Zivilabteilung vom 10. Dezember 1965 i.S. der Eheleute P.

Regeste

Eheschutz, Art. 169 ff. ZGB. Ist die Sperrung eines Grundbuchblattes als Sicherungsmassnahme zulässig?
1. Eheschutzmassnahmen nach Art. 169 ff. ZGB unterliegen nicht der Berufung an das Bundesgericht, wohl aber der Nichtigkeitsbeschwerde aus einem der in Art. 68 OG vorgesehenen Gründe. (Erw. 1).
2. Welche Massnahmen kann der Richter im Verfahren nach Art. 169 ff. ZGB treffen? (Erw. 2).
3. Kann der Richter die Sperrung eines Grundbuchblattes verfügen:
a) als vorsorgliche Massnahme im Scheidungsprozess, gemäss Art. 145 ZGB? Frage offen gelassen;
b) als Eheschutzmassnahme nach Art. 169 ff. ZGB, um einem Ehegatten die Benutzung einer ihm zugewiesenen Wohnung im Hause des andern Ehegatten zu sichern? Frage verneint. (Erw. 3).
4. Kann der Richter das einem Ehegatten im Verfahren nach Art. 169 ff. ZGB zuerkannte Recht auf Benutzung einer solchen Wohnungals persönliches Recht nach Art. 959 ZGB im Grundbuch vormerken lassen? (Erw. 4).
5. Kassatorische Wirkung der Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 68 Abs. 1 lit. a OG. (Erw. 5).

Sachverhalt ab Seite 414

BGE 91 II 412 S. 414

A.- In dem im Mai 1963 von der Ehefrau eingeleiteten Eheschutzverfahren bewilligte ihr der Einzelrichter des Bezirks Bülach am 23. Oktober 1963 das Getrenntleben, wies ihr die eheliche Wohnung samt Hausrat in dem im Eigentum des Ehemannes stehenden Hause zur Benützung zu, setzte dem Ehemann eine Frist zum Verlassen des Hauses und stellte die Kinder unter die Obhut der Ehefrau; dem Ehemann räumte er ein Besuchsrecht ein und verpflichtete ihn zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen von Fr. 900.--. Die Ehefrau hatte in ihrem Gesuch auch eine über die Wohnliegenschaft zu verhängende Kanzleisperre verlangt. Der Richter traf diese Massnahme vorsorglich, hob sie aber wieder auf, da das dahingehende Begehren im Laufe des Verfahrens zurückgezogen wurde.

B.- Das Obergericht des Kantons Zürich, an das der Ehemann rekurrierte, bestätigte am 20. Januar 1964 in der Hauptsache den erstinstanzlichen Entscheid. Es verlegte den vom Ehemann einzuhaltenden Auszugstermin und ermässigte die von ihm in bar zu leistenden Unterhaltsbeiträge auf monatlich Fr. 450.--. Das Haus blieb der Ehefrau zugeteilt, jedoch mit der Massgabe, dass sie die Mietzinseinnahmen aus einer ihr zugemuteten Vermietung eines Teils des Hauses selber einziehen könne, was ihr bei der Bemessung des Unterhaltsbeitrages des Mannes angerechnet wurde.

C.- Am 16. März 1964 ersuchte die Ehefrau den Richter neuerdings um Anordnung einer Grundbuchsperre. Sie wies darauf hin, dass der Ehemann das Haus zum Verkauf ausgeschrieben habe. Der Einzelrichter des Bezirks Bülach verfügte die Sperre sogleich vorsorglich und bestätigte sie am 11. Mai 1964 als Kanzleisperre im Sinne von § 29 der kantonalen Grundbuchverordnung.

D.- Den gegen diese Verfügung gerichteten Rekurs des Ehemannes wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 19. März 1965 ab, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Allerdings wurde es bisher als unzulässig bezeichnet, im Eheschutzverfahren Massnahmen zur Sicherstellung eines Vorschlagsanteils zu treffen; die Grundbuchsperre wurde "teilweise" überhaupt verpönt. Im vorliegenden Falle geht es jedoch um die Sicherung eines in einem vorausgegangenen Eheschutzverfahren bereits rechtskräftig anerkannten Anspruchs der Ehefrau und des darauf beruhenden Besitzes. Die Zuweisung der Wohnung an sie ist zwar an und für sich bereits vollzogen; der Ehemann
BGE 91 II 412 S. 415
hat das Haus verlassen. Nachher ist aber die Ehefrau in ihrem Wohnungsbesitz durch das Vorhaben des Ehemannes, über die Liegenschaft zu verfügen, gestört worden. Gegen eine solche Gefährdung sind richterliche Schutzmassnahmen zulässig, insbesondere kann eine Grundbuchsperre verhängt werden. Voraussetzung hiefür ist die Glaubhaftmachung einer Gefährdung oder eines widerrechtlichen Eingriffes. Die Gefahr eines Hausverkaufes ist im vorliegenden Falle hinreichend glaubhaft gemacht. - Die Ehefrau hat einen ihr rechtskräftig zuerkannten Anspruch auf die heutige eheliche Wohnung. Dieser Anspruch wird nicht grundlos gemacht durch das Angebot des Ehemannes, ihr und den Kindern, falls sie ausziehen müssten, eine andere Wohnung zu beschaffen. Die bestehende Regelung könnte nur durch einen neuen Eheschutzentscheid geändert werden. - Auch die auf Einschränkung der Sperre gehenden Eventualanträge des Ehemannes sind einstweilen nicht zu schützen. Würde ihm auch nur die Aufnahme weiterer Grundpfanddarlehen gestattet, so wäre das Wohnrecht der Ehefrau bereits gefährdet. Und ob ein Verkauf des Hauses dann zu bewilligen wäre, wenn der Käufer die Verpflichtung einginge, das Wohnrecht der Ehefrau des Verkäufers zu respektieren, könnte der Richter nur auf Grund eines ihm vorgelegten bestimmten Vertrages prüfen. - Unbegründet ist endlich die Einrede des Ehemannes, der Anordnung einer Grundbuchsperre stehe die rechtskräftige Erledigung des im frühern Verfahren von der Ehefrau gestellten dahingehenden Begehrens durch Rückzug entgegen. Seither haben sich die Verhältnisse geändert. Das neue Begehren stützt sich auf einen andern Sachverhalt.
E. - Gegen diesen Entscheid hat der Ehemann folgende Rechtsmittel ergriffen: eine Nichtigkeitsbeschwerde des kantonalen Rechtes, die vorliegende Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht und eine staatsrechtliche Beschwerde.
a) Das kantonale Kassationsgericht hat die bei ihm eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde am 27. September 1965, soweit darauf einzutreten war, abgewiesen. Die Begründung geht im wesentlichen dahin: Ob der Ehefrau durch die Zuweisung der ehelichen Wohnung an sie, laut Verfügung im vorausgegangenen Eheschutzverfahren, Ansprüche erwachsen seien, die den Rechten des eingetragenen Grundeigentümers vorgehen, ist eine Frage des eidgenössischen Zivilrechts, auf welche das Kassationsgericht nicht eintreten kann. Sollte sie zu bejahen sein
BGE 91 II 412 S. 416
(worüber das Bundesgericht im Verfahren der bei ihm erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde wird befinden können), so verletzt der angefochtene Entscheid das kantonale Prozessrecht nicht. Dieses sieht zum Schutz des Besitzes Anordnungen vor, welche die Verfügung über bestimmte Vermögensstücke verhindern; dazu gehört auch die Grundbuchsperre. Dem tatsächlichen Besitzer steht der Besitzesschutz auch gegen den im Grundbuch Eingetragenen zu (Homberger, N 17 zu Art. 937 ZGB).
b) Das staatsrechtliche Verfahren ist eingestellt worden.
c) Mit der vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 68 OG stellt der Ehemann die Anträge: 1. der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Angelegenheit an das Obergericht zurückzuweisen; 2. das Grundbuchamt Bassersdorf sei anzuweisen, die bestehende Kanzleisperre, lastend auf der Liegenschaft..., sofort zu löschen und aufzuheben.
Die Ehefrau trägt auf Abweisung der Beschwerde an.

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Das Obergericht lässt offen, ob sich die nach formell rechtskräftigem Abschluss eines Eheschutzverfahrens verfügte Grundbuchsperre ebenfalls noch als (zusätzliche) Eheschutzmassnahme oder aber als Vollstreckungsmassnahme (des kantonalen Prozessrechts) kennzeichne. Jedenfalls handelt es sich nicht um eine Zivilrechtsstreitigkeit, und daher ist der angefochtene Entscheid kein der Berufung an das Bundesgericht unterliegender Endentscheid im Sinne von Art. 48 OG. In der Tat ist das Eheschutzverfahren nach Art. 169 ff. ZGB, wie mehrmals entschieden wurde, keine Streitigkeit solcher Art; wohl aber ist es eine nach Massgabe von Art. 68 OG der Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht unterliegende Zivilsache (BGE 72 II 56, BGE 80 I 308 Erw. 2, BGE 85 II 288 Erw. 1; nicht veröffentlichtes Urteil vom 6. Juli 1965 i.S. Joseph). Auch die vom Obergericht bewilligte Grundbuchsperre ist richtigerweise als Eheschutzmassnahme zu betrachten, gleichgültig ob sie in einem eigentlichen (zweiten) Eheschutz- oder in einem sog. Befehlsverfahren angeordnet wurde. Denn sie bedeutet einen zusätzlichen Eingriff in das Vermögen des Ehemannes zur Sicherung der als Eheschutzmassnahme beschlossenen Zuweisung der ehelichen Wohnung an die Ehefrau. Somit hat man es mit einer neuen (ergänzenden) Eheschutzmassnahme zu tun.

2. Als Grund zur vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerde
BGE 91 II 412 S. 417
wird Art. 68 Abs. 1 lit. a OG angerufen (Anwendung kantonalen statt des massgebenden eidgenössischen Rechtes): Das Obergericht habe statt der bundesrechtlichen Normen der Art. 169 ff. ZGB (Eheschutz) kantonales Prozessrecht angewendet, nämlich § 372 (betreffend Vollstreckung eines gerichtlich festgestellten Anspruchs) in Verbindung mit § 292 Ziff. 3 der Zürcher ZPO (betreffend Schutz des Besitzes). Diese Rüge ist begründet, wenn die vom angefochtenen Entscheid bewilligte Grundbuchsperre sich nicht unter die nach Art. 169 ff. ZGB zulässigen Massnahmen einreihen lässt.
Im Unterschied zu Art. 192 Abs. 2 des Vorentwurfs des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes stellt das ZGB es in der Tat nicht in das Ermessen des Richters, im Eheschutzverfahren nach fruchtloser Mahnung des pflichtvergessenen Ehegatten schlechthin "die zum Schutze der Gemeinschaft erforderlichen Massregeln" zu treffen. Vielmehr lässt Art. 169 Abs. 2 ZGB nur die "vom Gesetz vorgesehenen Massregeln" zu. Dadurch wird das richterliche Ermessen, entsprechend dem Beschluss des Nationalrates (Sten.Bull. 15 S. 652), bewusst eingeschränkt (vgl. EGGER, 2.A., N 7, GMÜR, 2.A., N 29, und LEMP, N 17 Art. 169 ZGB). Wenn und solange keine auf Ehescheidung oder -trennung gehende Klage hängig und daher Art. 145 ZGB nicht anwendbar ist, soll danach der Richter möglichst wenig in das persönliche Eherecht eingreifen. Es ist ihm untersagt, einfach alles vorzukehren, was ihm zum Schutz irgendwelcher Ansprüche eines Ehegatten gegenüber dem andern als geeignet und angemessen erscheinen möchte. Der Eheschutz ist grundsätzlich vom Gesetz in abschliessender Weise geordnet (vgl. auch BGE 91 II 76 mit Literaturhinweis).
Immerhin sind die in Art. 170 und 171 ZGB aufgestellten Normen nicht erschöpfend. Es kann nicht Wille des Gesetzes sein, dass der Richter bei Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes nach Art. 170 Abs. 1 ZGB sich darauf beschränke, die Beiträge des einen Ehegatten an den Unterhalt des andern nach Abs. 3 daselbst festzusetzen. Er muss auch die weitern Anordnungen treffen, welche die neue Lage gebieterisch erfordert; Zuweisung der Kinder, Festsetzung der Unterhaltsbeiträge für sie, Zuteilung von Mobiliar, und dergleichen mehr (vgl. EGGER, a.a.O.; GMUR, a.a.O. N 29 a; LEMP a.a.O., der mit Recht bemerkt, solche Massnahmen seien durch Auslegung der Art. 169 ff. ZGB nach Art. 1 Abs. 1 ZGB gedeckt).
BGE 91 II 412 S. 418
Im übrigen kann das Eheschutzverfahren Anlass zu Massnahmen bieten, die zwar ausserhalb des Rahmens dieser Normen selbst stehen, jedoch in andern Bestimmungen des ZGB vorgesehen sind. So etwa die Entziehung der Vertretungsbefugnis der Ehefrau (Art. 164 ZGB), die ihr zu erteilende Bewilligung, einen Beruf oder ein Gewerbe auszuüben (Art. 167), die Sicherstellung des Frauengutes (Art. 205 Abs. 2). Der Richter darf solche Massnahmen mit den eigentlichen Eheschutzmassnahmen verbinden, sofern die für jene geltenden besonderen Voraussetzungen erfüllt sind und er hiezu nach kantonalem Recht, sei es ohnehin oder eben in Verbindung mit Eheschutzmassnahmen, ebenfalls zuständig ist (vgl. LEMP, N 18 zu Art. 169 ZGB mit Hinweisen).

3. Die vorliegende Grundbuchsperre wird im angefochtenen Entscheide ausschliesslich auf kantonales Prozessrecht gestützt. Der Entscheid erklärt, das von der Ehefrau eingeleitete Verfahren betreffe "einen Besitzesschutz im Rahmen von Vollstreckungsmassnahmen, bzw. eine ergänzende Massnahme zur Sicherung des schon festgestellten Rechtes." Als solche Massnahme falle - bei Glaubhaftmachung einer Gefährdung oder eines widerrechtlichen Eingriffes, was hier zutreffe - auch die Grundbuchsperre in Betracht. Diese Ansicht erweckt Bedenken.
a) Daraus, dass der Ehefrau die eheliche Wohnung im Haus des Ehemannes im frühern Eheschutzverfahren bereits (formell) rechtskräftig zugewiesen wurde (mit dem solchen Schutzmassnahmen anhaftenden Vorbehalt der Aufhebung oder Änderung beim Eintritt neuer Verhältnisse; Art. 172 ZGB), lässt sich nichts für die Rechtsbeständigkeit der verfügten Grundbuchsperre herleiten. Die Frage geht dahin, ob diese zusätzliche Massnahme zulässig sei, wobei es keinen Unterschied ausmacht, ob sie gleichzeitig oder in einem neuen Verfahren getroffen wird. Die Zuweisung der bisher von den Eheleuten und den Kindern gemeinsam benutzten Wohnung an die Ehefrau war im neuen Verfahren nicht mehr streitig. Ob die Ehefrau aber zur Sicherung dieses ihr im Rahmen des Eheschutzes zuerkannten Wohnungsbesitzes und -genusses eine Grundbuchsperre verlangen dürfe, ist eine Frage für sich.
b) Als Grundbuchsperre wird im allgemeinen, und so auch im angefochtenen Entscheid, eine unmittelbar an das Grundbuchamt gehende richterliche Anweisung verstanden, auf einem bestimmten Hauptbuchblatt bis auf weiteres oder während bestimmter
BGE 91 II 412 S. 419
Zeit oder bis zum Eintritt eines bestimmten Ereignisses überhaupt keine Eintragung vorzunehmen (sog. Kanzleisperre) oder eine einzelne Anmeldung oder Anmeldungen bestimmter Art nicht durch Eintragung in das Hauptbuch zu vollziehen. Eine vollständige Kanzleisperre ist dem eidgenössischen Zivilrecht unbekannt; dagegen sieht es eine teilweise Grundbuchsperre in besondern Fällen vor (vgl. HOMBERGER, N 2 ff. zu Art. 960 ZGB mit Hinweis auf die Spezialbestimmungen von Art. 841 ZGB, Art. 42/43 des eidg. Enteignungsgesetzes, Art. 7 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1930 über die Sicherstellung von Ansprüchen aus Lebensversicherung inländischer Gesellschaften und Art. 137 SchKG). Von solchen gesetzlichen Ausnahmefällen abgesehen, gewährt das ZGB einem Dritten Schutz vor grundbuchlichen Verfügungen lediglich durch das Mittel der Vormerkung gemäss Art. 959-961. Die Vormerkung sperrt das Grundbuch nicht, verleiht aber den betreffenden persönlichen Rechten und den in solcher Weise gesicherten Verfügungsbeschränkungen "Wirkung gegenüber jedem später erworbenen Rechte" (Art. 959 Abs. 2 und Art. 960 Abs. 2 ZGB), und bei vorläufiger Eintragung wird "das Recht für den Fall seiner spätern Feststellung vom Zeitpunkte der Vormerkung an dinglich wirksam" (Art. 961 Abs. 2 ZGB). Ob das kantonale Recht befugt sei, als weitergehende Sicherung vormerkbarer Rechte, oder sogar darüber hinaus als Sicherung anderer Rechte, eine bundesrechtlich nicht vorgesehene Kanzleisperre einzuführen, ist umstritten. Die Zürcher Grundbuchverordnung vom 26. März 1958 anerkennt die Einrichtung der "Kanzleisperre" in § 29, lautend:
"Von Strafverfolgungs- und Gerichtsbehörden erlassene Kanzleisperren nach kantonalem Prozessrecht sind im Grundbuch anzumerken und im Eigentümerverzeichnis zu erwähnen. Sie schliessen im Umfange der Anordnung jede Verfügung über das Grundstück aus."
Die Zürcher ZPO ihrerseits bestimmt in § 293, dass im Befehlsverfahren Anordnungen getroffen werden können, "durch welche der Beklagte in der Verfügung über bestimmte Vermögensobjekte gehindert wird", und als Mittel hiezu kann nach der Gerichtspraxis auch die Sperrung des Grundbuches dienen (STRÄULI/HAUSER, Kommentar, 2.A., N 7 zu § 293 mit Hinweis auf BlZR 18 Nr. 29). Namentlich wenden die Zürcher Gerichte (und ihnen folgend das Thurgauer Obergericht, ZBGR Bd. 28 S. 210) die Grundbuchsperre als vorsorgliche Massregel nach
BGE 91 II 412 S. 420
Art. 145 ZGB im Ehescheidungsprozess an, um auf solche Weise die güterrechtlichen Ansprüche desjenigen Ehegatten zu sichern, der das eheliche Vermögen nicht in Händen hat. Dieser Betrachtungsweise stehtBGE 78 II 89ff. gegenüber, wonach es nicht zulässig ist, auf Grund von Art. 145 ZGB zur Sicherung einer Forderung der Ehefrau aus ehelichem Güterrecht eine Verfügungsbeschränkung nach Art. 960 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB auf einem Grundstück des Ehemannes vormerken zu lassen; denn darin liege ein verschleierter Arrest, der beim Fehlen der Voraussetzungen des Art. 271 SchKG zu verpönen sei. Wenn es sich so verhält, darf vollends die weitergehende Sicherungsmassnahme einer Grundbuchsperre nicht zugelassen werden. Dies hebt auch die redaktionelle Bemerkung zum soeben erwähnten Entscheid in ZBGR 35 S. 112 hervor. Sie nimmt im übrigen kritisch zum Entscheide Stellung und wirft die Frage auf, ob es nicht doch im Sinne von Art. 145 ZGB liege, zur Sicherung von Güterrechtsansprüchen eine Verfügungsbeschränkung und darüber hinausgehend, wo es als angemessen erscheint, eine Grundbuchsperre anzuordnen. So betrachtet, würde nach der erwähnten Bemerkung Art. 145 ZGB eine, nicht an die Voraussetzungen der Arrestnahme nach Art. 271 SchKG gebundene bundesrechtliche Sondernorm darstellen. Auf diesem Gedanken beruht auch die aargauische Gerichtspraxis zu Art. 145 ZGB (Aarg. Gerichts- und Verwaltungsentscheide 1957 S. 39/40 mit Hinweis auf SJZ 1950 S. 110). HINDERLING (Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 2.A., S. 110) hält eine richterliche Verfügungsbeschränkung als Massnahme nach Art. 145 ZGB ebenfalls für zulässig; dagegen verwirft er die Kanzleisperre als eine dem Grundbuch fremde Einrichtung (Fussnote 79 daselbst). Gegen die Einführung einer Kanzleisperre durch das kantonale Prozessrecht haben sich auch die Behörden verschiedener Kantone ausgesprochen (angeführt bei H.E. MÜLLER, Zur Frage der Grundbuchsperre im geltenden schweizerischen Recht, Diss. Zürich 1942, S. 56; im gleichen Sinn der neuere Entscheid des Luzerner Obergerichts, der die frühere Praxis bestätigt, in ZBGR Bd. 28 S. 242, sowie u.a. WIELAND, N 2 zu Art. 960 ZGB und LEUCH, N 4 zu Art. 326 der Berner ZPO). Die gegenteilige Zürcher Praxis entspricht in ihrem Grundgedanken der Auffassung von LEEMANN (SJZ 23/1927, S. 209 ff., Grundbuchsperren nach kantonalem Prozessrecht), der erklärt, die richterlich verfügte Grundbuchsperre habe als prozessuale Massnahme den gleichen Zweck wie die nach Art. 960 ZGB im Grundbuch
BGE 91 II 412 S. 421
vorzumerkende Verfügungsbeschränkung. Sie bilde daher keine Abänderung, sondern eine Verstärkung des bundesrechtlichen Instituts der Vormerkung; sie diene einfach in noch wirkungsvollerer Weise zur Erhaltung des bestehenden Zustandes hinsichtlich des Streitgegenstandes. Unzulässig sei es nur, sie zur Sicherung einer Geldforderung zu verwenden (weshalb dieser Autor die Anordnung einer Grundbuchsperre als Massregel nach Art. 145 ZGB zur Sicherung güterrechtlicher Ansprüche nicht billigt). Die zürcherische Praxis zu Art. 145 ZGB geht, wie gesagt, weiter. Dagegen hat sie bisher die Zulässigkeit einer Grundbuchsperre zur Sicherung von Eheschutzmassnahmen als ausserhalb der Schranken des Art. 169 Abs. 2 ZGB liegend abgelehnt (vgl. BlZR 49 Nr. 192, 51 Nr. 170, 55 Nr. 86, 57 Nr. 101 und 102). Im vorliegenden Fall erklärt nun aber das Obergericht, diese im Eheschutzverfahren geübte Zurückhaltung gegenüber der Grundbuchsperre sei "je und je als unbefriedigend empfunden worden."
c) Das Bundesgericht hat die Frage, ob eine Grundbuchsperre ausserhalb der besonderen bundesrechtlich vorgesehenen Fälle zulässig sei, in BGE 87 I 479 ff. nicht umfassend geprüft. Damals wurde (speziell S. 488 ff.) ausgesprochen, das Grundbuchamt habe eine vom Richter verfügte teilweise Grundbuchsperre (nämlich das Verbot der Eintragung eines bestimmten vom Grundeigentümer angemeldeten Kaufvertrages bis zur rechtskräftigen Austragung eines Prätendentenstreites) zu beachten; eine solche Sperre gehe weniger weit als ein - ebenfalls möglicher - richterlicher Befehl an den Eigentümer, die betreffende Meldung einstweilen überhaupt zurückzuziehen. (Grundsätzlich zustimmend H. HUBER, Redaktor der ZBGR, in Bd. 44 S. 119; ablehnend die kritische Besprechung von LIVER, ZbJV 98 S. 429 ff.: die Regelung des Art. 960 ZGB sei abschliessend; "irgendwelche kantonalrechtlichen Ergänzungen oder Verstärkungen sind dadurch ausgeschlossen"). HOMBERGER, N 2 und 7-9 zu Art. 960 ZGB, nimmt eine vermittelnde Stellung ein. Er unterscheidet von der eigentlichen Grundbuchsperre (völlige oder teilweise Schliessung des Hauptbuchblattes) die materiellrechtliche Beschränkung, welche eine sonst verfügungsberechtigte Person hindert, eine grundbuchliche Verfügung zu treffen. Eine solche "materielle Hinderung" wegen beschränkter Verfügungsbefugnis des Berechtigten verpflichte den Grundbuchführer, eine dennoch erfolgte Anmeldung abzuweisen, und wirke sich daher wie eine Grundbuchsperre aus. Unter diesem
BGE 91 II 412 S. 422
Gesichtspunkt sei zu beachten, dass eine Verfügungsbeschränkung nach Art. 960 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB auch zur Sicherung von Ansprüchen auf ein Unterlassen angeordnet werden könne. Der genannte Autor nennt als Hauptanwendungsfall den durch die meisten Prozessgesetze eingeräumten Anspruch auf Entzug der freien Verfügung über den Streitgegenstand nach Klageanhebung. In solchen Fällen lasse sich ein Verfügungsverbot vormerken, das auch der Grundbuchführer selbst zu beachten habe. "In diesem Sinne" sei der zürcherischen Praxis und den Ausführungen von H. LEEMANN, a.a.O., zuzustimmen.
d) Zu diesen Literaturmeinungen braucht hier nicht Stellung genommen zu werden. Es kann offen bleiben, ob es dem kantonalen Prozessrecht zustehe, neben der richterlichen Verfügungsbeschränkung im Sinne von Art. 960 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB ein stärkeres Sicherungsmittel in Gestalt einer richterlich anzuordnenden Grundbuchsperre vorzusehen (besonders zur Verhinderung der Veräusserung oder Veränderung des Streitgegenstandes), und es ist hier auch nicht zu entscheiden, ob auf Grund von Art. 145 ZGB ohne Rücksicht auf die der Arrestnahme durch Art. 271 SchKG gezogenen Schranken eine Verfügungsbeschränkung oder sogar eine Grundbuchsperre zur Sicherung fälliger oder erst in Zukunft fällig werdender Geldforderungen verfügt werden dürfe. Der auf der Anwendung kantonalen Prozessrechts beruhende angefochtene Entscheid hält jedenfalls aus folgenden Gründen nicht vor dem Bundesrechte stand:
Vom besondern Falle der im Scheidungsprozesse zu treffenden Massregeln nach Art. 145 ZGB abgesehen, besteht auch bei den Befürwortern der kantonalen Grundbuchsperre Einigkeit darüber, dass ihr nur die Aufgabe einer verstärkten Verfügungsbeschränkung zukommt; sie soll die betreffenden Verfügungen wirklich hindern, nicht nur die in Art. 960 Abs. 2 ZGB vorgesehene Rangfolge eintreten lassen. Die Sperre ist also ebenso wie die nach Art. 960 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB vormerkbare Verfügungsbeschränkung, wenn überhaupt, so doch nur "zur Sicherung streitiger oder vollziehbarer Ansprüche" zulässig. Sie ist an die Voraussetzungen der nach dieser bundesrechtlichen Norm vormerkbaren Verfügungsbeschränkung gebunden (vgl. namentlich LEEMANN, a.a.O., und H. HUBER in ZBGR 35 S. 112, der ausdrücklich erklärt, eine solche Kanzleisperre könne nur in jenen Fällen angeordnet werden, wo auch eine Verfügungsbeschränkung vormerkbar ist; vgl. auch Obergericht Aargau, Gerichtsentscheide 1963 S. 54 ff., insbesondere S. 61 oben).
BGE 91 II 412 S. 423
Nun hat aber Art. 960 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB persönliche Ansprüche im Auge, die das betreffende Grundstück zum Gegenstand haben: so namentlich Ansprüche auf Eigentumsübertragung, auf Dienstbarkeits- oder Grundlasterrichtung, auf Vormerkung persönlicher Rechte gemäss Art. 959 ZGB; Ansprüche also, die sich, wenn endgültig anerkannt, grundbuchlich auswirken müssen. Blosse obligatorische Nutzungs- und Benutzungsrechte, insbesondere Miete und Pacht, für welche die Vormerkung gemäss Art. 959 ZGB nicht vereinbart ist, können sich auch bei endgültiger Durchsetzung nicht grundbuchlich auswirken und fallen deshalb ausser Betracht (HOMBERGER, N 11 zu Art. 960 ZGB). Um nichts anderes aber handelt es sich im vorliegenden Falle. Der Ehefrau ist lediglich ein persönliches Recht auf Nutzung und Benutzung der dem Ehemann gehörenden Wohnliegenschaft eingeräumt worden. Ein Anspruch auf Unterlassung jeglicher Verfügung des Eigentümers, wie Verkauf, Dienstbarkeitseinräumung oder Grundpfandbelastung, steht ihr nicht zu. (Ein solcher Anspruch wäre übrigens nicht einmal mit einem dinglichen Wohnrecht verbunden). Die vom Obergericht angeordnete vollständige Kanzleisperre liegt somit ausserhalb des Rahmens einer Verfügungsbeschränkung nach Art. 960 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB, und es hat daher die Anwendung der ihr zu Grunde liegenden Bestimmungen des kantonalen Prozessrechts vor der derogatorischen Kraft des Bundesrechts zu weichen.
Die umstrittene Frage sodann, ob sich aus Art. 145 ZGB für die Dauer eines Scheidungsprozesses Sicherungsansprüche besonderer Art herleiten lassen, ist hier nicht zu erörtern (vgl. die Teile III und IV der Sammlung Praxis zum schweizerischen Ehescheidungsrecht, bearbeitet von R. KEHL, S. 57 ff.). Wie bereits dargelegt, gilt das dem Ehescheidungsrichter nach Art. 145 ZGB zustehende freie Ermessen nicht im Bereich des Eheschutzes. Dieser soll gerade auch dazu dienen, einen endgültigen Bruch zwischen den Ehegatten zu vermeiden, und es ist das richterliche Eingreifen eben deshalb durch Art. 169 Abs. 2 ZGB auf "die zum Schutz der Gemeinschaft erforderlichen, im Gesetz vorgesehenen Massregeln" beschränkt. Darin ist kein Raum für die Sicherung eines persönlichen Nutzungs- und Benutzungsrechtes an einem Grundstück durch Vormerkung einer Verfügungsbeschränkung oder durch eine Grundbuchsperre.

4. Eine Frage für sich bildet es, ob der Richter im Eheschutzverfahren befugt sei, das einem Ehegatten zuerkannte Recht zur Benutzung der ehelichen Wohnung (und unter besondern
BGE 91 II 412 S. 424
Umständen, wie sie hier vorliegen, zur darüber hinausgehenden Nutzung der dem andern Ehegatten gehörenden Wohnliegenschaft mit Anrechnung der Erträgnisse auf den Unterhaltsanspruch) im Sinne von Art. 959 ZGB als vormerkbar zu erklären, und ob der Grundbuchführer verpflichtet wäre, eine dahingehende Verfügung zu befolgen. Eine solche richterliche Anordnung müsste sich als analoge Anwendung der Bestimmungen über den Mietvertrag rechtfertigen lassen, in dem Sinne, dass das dem einen Ehegatten zuerkannte Recht auf Benutzung der ehelichen Wohnung einem Mietverhältnis besonderer Art gleichgeachtet und ausserdem angenommen würde, der Richter könne die in Wirklichkeit fehlende Vereinbarung der Vormerkung durch eine dahingehende amtliche Verfügung ersetzen. Im vorliegenden Falle wurde nicht so vorgegangen, so dass es sich erübrigt, die Möglichkeit einer solchen Regelung zu erörtern. Sollte in einem Eheschutzverfahren eine richterliche Anordnung solchen Inhalts getroffen werden, der Grundbuchführer die Vormerkung aber als ausserhalb des Art. 959 ZGB stehend ablehnen, so könnte darüber auf dem Beschwerdeweg eine Entscheidung herbeigeführt werden. Selbst wenn eine solche Vormerkung als zulässig befunden würde, könnte aber eine Verfügungsbeschränkung nach Art. 960 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB nur eben zur Sicherung des in Frage stehenden Nutzungs- und Benutzungsrechtes selbst, solange dessen Vormerkung noch nicht rechtskräftig bewilligt wäre, Platz greifen, und zwar ebenfalls in Gestalt einer Vormerkung. Diese hätte den Gegenstand des zu sichernden Rechtes anzugeben und ihm Wirkung gegenüber jedem später erworbenen Rechte zu verschaffen (vgl. Art. 74 Abs. 1 GBV; HOMBERGER, N 7 a.E. zu Art. 959 ZGB), jedoch nicht etwa anderweitige Verfügungen über das Grundstück, welche sehr wohl mit Vorbehalt jenes vorgemerkten Rechtes erfolgen können, zu verhindern.

5. Die auf Art. 68 Abs. 1 lit. a OG gestützte Nichtigkeitsbeschwerde hat, wenn sie gutgeheissen wird, kassatorische Wirkung. Das Bundesgericht kann daher nicht in der Sache selbst entscheiden (BGE 83 II 200 Erw. 3).

Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichtes des Kantons Zürich vom 10. März 1965 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an das Obergericht zurückgewiesen.

Inhalt

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Sachverhalt

Erwägungen 1 2 3 4 5

Dispositiv

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