Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Urteilskopf

87 I 227


39. Urteil vom 13. Juli 1961 i.S. Schweizerische Uhrenkammer gegen Brac AG und Eidg. Volkswirtschaftsdepartement.

Regeste

Art. 4 Abs. 2 lit. a UB.
Umgestaltung eines Betriebes: Einer Roskopf-Uhrenfabrik (Manufaktur) wird bewilligt, ausser fertigen Uhren Uhrenzifferblätter aus Kunststoff herzustellen und zu verkaufen.

Sachverhalt ab Seite 227

BGE 87 I 227 S. 227

A.- Die Brac AG in Breitenbach betreibt eine Roskopf-Uhrenfabrik (Manufaktur), die seit über 50 Jahren besteht und in der sie 450 Arbeiter beschäftigen darf. Daneben fabriziert sie seit 1922 verschiedene Artikel aus natürlichen und künstlichen Hartmaterialien. In den Jahren 1928-1939 hat sie auch Uhrenzifferblätter aus Kunststoff hergestellt. Sie hat dann auf diese Tätigkeit verzichtet und infolgedessen das Recht dazu verloren. Heute möchte sie den aufgegebenen Fabrikationszweig wieder aufnehmen.

B.- Das eidg. Volkswirtschaftsdepartement hat dem Gesuch der Firma entsprochen und ihr die Bewilligung erteilt, Zifferblätter aus plastischem Material nach ihrem eigenen Verfahren für ihren eigenen Bedarf und für den Verkauf zu fabrizieren (Entscheid vom 30. März 1961).
Die Bewilligung stützt sich auf Art. 4 Abs. 2 UB. In der Begründung des Entscheides wird ausgeführt, die Gesuchstellerin besitze die technischen und kaufmännischen Kenntnisse und Erfahrungen, die für die beabsichtigte
BGE 87 I 227 S. 228
Fabrikation erforderlich seien. Es bestehe ein grosser Bedarf nach den billigen Zifferblättern, welche die Brac AG herzustellen in der Lage sei. Das Vorhaben der Gesuchstellerin sei geeignet, die Wettbewerbsstellung der schweizerischen Uhrenindustrie auf dem Gebiete der billigen Uhren zu verstärken. Es lägen daher besondere Umstände vor, welche die Erteilung der erbetenen Bewilligung rechtfertigten.

C.- Auf Ersuchen des Schweizerischen Verbandes der Fabrikanten von Metallzifferblättern erhebt die Schweizerische Uhrenkammer gegen den Entscheid des Departementes Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Anträgen, die erteilte Bewilligung aufzuheben, eventuell auf die Fabrikation für den eigenen Bedarf der Brac AG zu beschränken.
Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass besondere Umstände vorliegen, welche die Erteilung der streitigen Bewilligung rechtfertigen, und macht geltend, der angefochtene Entscheid führe zu einer unerwünschten, den Interessen der Zifferblattfabrikanten abträglichen Aufblähung des Produktionsapparates.

D.- Die Brac AG und das eidg. Volkswirtschaftsdepartement schliessen auf Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die Brac AG will der bestehenden Manufaktur, in der sie Roskopf- und Genre-Roskopf-Uhren herstellt, die Fabrikation von Uhrenzifferblättern aus Kunststoff angliedern. Sie beabsichtigt damit eine Umgestaltung ihres Betriebes, für die nach Art. 3 UB eine Bewilligung erforderlich ist. Es ist unbestritten, dass die in Art. 4 Abs. 1 lit. b und c UB für den Fall der Umgestaltung aufgestellten Erfordernisse hier nicht erfüllt sind. Fragen kann sich nur, ob die erbetene Bewilligung auf Grund von Art. 4 Abs. 2 lit. a UB erteilt werden durfte, worauf sich der angefochtene Entscheid denn auch stützt.
BGE 87 I 227 S. 229
Nach dieser Bestimmung kann, sofern nicht überwiegende Interessen der gesamten Uhrenindustrie entgegenstehen, eine Umgestaltung bewilligt werden, wenn der Gesuchsteller sich über genügende technische oder kaufmännische Kenntnisse oder Erfahrungen ausweist. Von dieser Möglichkeit macht das eidg. Volkswirtschaftsdepartement nach ständiger, vom Bundesgericht gebilligter Praxis nur Gebrauch, wenn ausserdem besondere Umstände die Bewilligung rechtfertigen und der gute Gang des neuen Betriebs als gewährleistet erscheint (BGE 84 I 256 /7).

2. Es ist nicht bestritten, dass die Brac AG in technischer wie in kaufmännischer Beziehung Kenntnisse und Erfahrungen besitzt, welche für die geplante Herstellung von Zifferblättern aus Kunststoff genügen. Sie ist für diesen Fabrikationszweig sogar besonders gut ausgewiesen, da sie seit Jahrzehnten ausser Uhren allerlei Artikel aus Kunststoff fabriziert und in den Jahren 1928-1939 bereits auch Zifferblätter aus diesem Material hergestellt hat. Sie ist ohne weiteres in der Lage, die Fabrikation solcher Zifferblätter wieder aufzunehmen.
Das Departement findet, dass ihr ermöglicht werden sollte, in diesem Fabrikationszweig einen neuen Versuch zu machen. Dies liege im Interesse der schweizerischen Uhrenindustrie; denn deren Konkurrenzfähigkeit auf dem Gebiete der Uhren der unteren Preisklassen werde verstärkt, wenn es gelinge, im Inland billige Kunststoffzifferblätter in befriedigender Qualität herzustellen.
Die Uhrenkammer wendet ein, das Vorhaben der Brac AG sei von vornherein zum Scheitern verurteilt. Sie behauptet, es bestehe kein genügender Bedarf nach Zifferblättern aus Kunststoff, wie Versuche zu deren Fabrikation, die bereits von anderer Seite unternommen worden seien, gezeigt hätten. Die Uhrenfabrikanten hätten mit Zifferblättern aus diesem Material schlechte Erfahrungen gemacht; sie zögen solche aus Metall vor, die nicht teurer und binnen nicht allzu langer Frist erhältlich seien. Der Firma Brac werde es kaum gelingen, Zifferblätter aus
BGE 87 I 227 S. 230
Kunststoff zu den von ihr genannten tiefen Preisen herauszubringen.
Diese Darstellung ist nicht überzeugend. Die Erklärungen von Zifferblattfabrikanten, worauf sie sich stützt, sind mit Vorsicht aufzunehmen. Das Departement führt aus, dass die Firmen, welche die von der Beschwerdeführerin erwähnten Versuche unternommen haben, in der Herstellung von Zifferblättern aus Kunststoff weniger erfahren als die Brac AG sind und bei ihren Versuchen wohl auch die vorhandenen Möglichkeiten nicht voll ausgeschöpft haben, um ihre eigene Produktion von Metallzifferblättern nicht zu gefährden. Der Gerichtshof hat keinen Grund, diese Würdigung des Departementes in Zweifel zu ziehen. Dies umsoweniger, als der Schweizerische Roskopf-Verband und die - an der Streitigkeit nicht direkt interessierte - Ebauches SA sich dafür einsetzen, dass der Firma Brac ermöglicht wird, den von ihr geplanten Versuch zu machen. Es kann nicht zum vornherein gesagt werden, dass dieser Versuch aussichtslos ist. Erst bei seiner Durchführung wird sich zeigen, ob die Erwartungen, die in ihn gesetzt werden, begründet sind, namentlich was die Preise anbelangt.
Auf jeden Fall entspricht es dem wohlverstandenen Interesse der gesamten schweizerischen Uhrenindustrie, dass der Versuch von der dazu bestens qualifizierten Brac AG ausgeführt werden kann. Das ist ein besonderer Umstand, der die angefochtene Bewilligung hinlänglich rechtfertigt, und zwar im vollen Umfange, auch in bezug auf den Verkauf an Dritte; denn ohne solchen Verkauf könnte die Firma Brac ihren Versuch nicht unter günstigen Bedingungen unternehmen, weil sie nur beschränkte Mengen von Kunststoffzifferblättern herstellen könnte und die für diese Produkte in Betracht fallenden Verkaufspreise, auf die es vor allem ankommt, sich mangels eines Marktes nicht feststellen liessen.
Da der geplante Versuch nach dem Urteil von Fachleuten ernsthafte Aussichten bietet und die Brac AG
BGE 87 I 227 S. 231
dafür sehr gut ausgewiesen ist, darf auch angenommen werden, dass genügend Gewähr für den guten Gang des neuen Fabrikationszweiges besteht, den sie ihrem Betrieb angliedern will.

3. Die Befürchtung der Uhrenkammer, dass die der Brac AG erteilte Bewilligung eine übermässige Ausweitung des Produktionsapparates in der Zifferblattbranche zur Folge haben könnte, ist unbegründet. Der angefochtene Entscheid schafft keinen gefährlichen Präzedenzfall. Es handelt sich um eine Ausnahmebewilligung, die mit Rücksicht auf die ganz besonderen Verhältnisse bei der Brac AG erteilt worden ist. Zudem wird diese Firma, wie das Departement feststellt, Zifferblätter nur an die Roskopf-Uhrenfabriken liefern können, welche der Kollektivkonvention nicht angehören. Sie wird also ihren Versuch auf einem begrenzten Sektor durchführen. Anderseits ist an diesem Versuch, wie erwähnt, die Gesamtheit der schweizerischen Uhrenindustrie interessiert, weil er geeignet ist, ihre Stellung im Wettbewerb mit dem Ausland zu festigen. Daher kann keine Rede davon sein, dass der Erteilung der angefochtenen Bewilligung "überwiegende Interessen der gesamten Uhrenindustrie" entgegenstehen (Ingress von Art. 4 Abs. 2 UB).

Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.