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Urteilskopf

142 II 411


36. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Kantonales Steueramt Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_827/2015 / 2C_828/2015 vom 3. Juni 2016

Regeste

Eröffnung einer Verfügung an einen im Ausland domizilierten Schweizer durch Ablage in den Akten. Art. 116 Abs. 2, Art. 118 DBG; § 6b des Verwaltungsrechtspflegegesetzes des Kantons Zürich vom 24. Mai 1959; § 128 StG/ZH; § 3 der Verordnung des Kantons Zürich vom 1. April 1998 zum Steuergesetz.
Das Kantonale Steueramt konnte den Beschwerdeführer rechtsgültig zur Bezeichnung eines schweizerischen Zustellungsdomizils verpflichten (Art. 118 DGB; § 128 StG/ZH; E. 2.3). Für eine rechtsgültige Eröffnung durch Ablage in den Akten fehlt die dafür erforderliche formell-gesetzliche Grundlage (Art. 116 Abs. 2 DBG e contrario ; § 3 der Verordnung des Kantons Zürich vom 1. April 1998 zum Steuergesetz; E. 4.2).

Erwägungen ab Seite 412

BGE 142 II 411 S. 412
Aus den Erwägungen:

2. (...)

2.3 Zu prüfen ist vorab, ob das kantonale Steueramt den Beschwerdeführer rechtsgültig zur Bezeichnung eines schweizerischen Zustellungsdomizils verpflichten konnte.

2.3.1 Direkte Bundessteuer
Gemäss Art. 118 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) kann die Steuerbehörde von einem Steuerpflichtigen mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland verlangen, dass er einen Vertreter in der Schweiz bezeichnet.

2.3.2 Staats- und Gemeindesteuer
Ebenso sieht § 128 des Steuergesetzes des Kantons Zürich vom 8. Juni 1997 (StG/ZH; LS 631.1) in zulässiger kantonaler Erweiterung der harmonisierungsrechtlich verankerten Verfahrenspflichten des Steuerpflichtigen (Art. 1 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR 642.14]; Urteile 2C_99/2015 / 2C_100/2015
BGE 142 II 411 S. 413
vom 2. Juni 2015 E. 4.5; MARTIN ZWEIFEL, in: Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 2002, N. 47 zu Art. 42 StHG) vor, dass ein Steuerpflichtiger mit Sitz oder Wohnsitz im Ausland zur Bezeichnung eines Vertreters in der Schweiz verpflichtet werden kann.

2.3.3 Die mit Schreiben vom 5. März 2013 an den Beschwerdeführer als Eigentümer einer Liegenschaft in der Schweiz durch das kantonale Steueramt versandte Aufforderung zur Bezeichnung eines schweizerischen Zustellungsdomizils beruht demnach auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage (zur Notwendigkeit einer genügenden gesetzlichen Grundlage für die Verpflichtung zur Bezeichnung eines schweizerischen Zustellungsdomizils: Gutachten der Direktion für Völkerrecht vom 10. April 2000, Ziff. 2, Verwaltungspraxis der Bundesbehörden [VPB] 66 Nr. 128; zur Entstehungsgeschichte von Art. 11b VwVG Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4404).
(...)

4.

4.1 Zu prüfen ist, ob das kantonale Steueramt dem Beschwerdeführer, der entgegen der Aufforderung vom 5. März 2013 kein schweizerisches Zustellungsdomizil bezeichnete, die Veranlagungs- und Einschätzungsentscheide vom 16. April 2013 rechtsgültig durch Ablage in den Akten eröffnen konnte (offengelassen in den Urteilen 2C_99/ 2015 / 2C_100/2015 vom 2. Juni 2015 E. 4.5).

4.2 Auszugehen ist davon, dass ein Urteil oder eine Verfügung erst mit der Mitteilung an die Parteien rechtliche Existenz erlangt. Vor seiner Mitteilung ist es ein Nichturteil, was von Amtes wegen zu berücksichtigen ist ( BGE 122 I 97 E. 3a/bb S. 99). Dementsprechend vermögen auch Verfügungen, welche den Parteien nie mitgeteilt worden sind, keinerlei Rechtswirksamkeit zu entfalten (LORENZ KNEUBÜHLER, in: Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], 2008, N. 1 zu Art. 34 VwVG; UHLMANN/SCHILLING-SCHWANK, in: Praxiskommentar Verwaltungsverfahrensgesetz [VwVG], 2. Aufl. 2016, N. 2 zu Art. 34 VwVG; YVES DONZALLAZ, La notification en droit interne suisse, 2002, N. 141). Unter diesem Gesichtspunkt ist die ausserordentliche Eröffnung (durch Veröffentlichung im Amtsblatt oder durch Ablage in den Akten) wegen unterlassener Bezeichnung eines schweizerischen
BGE 142 II 411 S. 414
Zustellungsdomizils eine die Rechtsstellung des Betroffenen empfindlich tangierende Säumnisfolge, weshalb sie eine vorgängige Androhung und eine ausreichend bestimmte, genügende gesetzliche Grundlage voraussetzt (Urteil 6A.92/2006 vom 21. Februar 2007 E. 6.3 und 6.4; URS PETER CAVELTI, Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, 2008, N. 8 zu Art. 23 VwVG; PATRICIA EGLI, Praxiskommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, 2. Aufl. 2016, N. 7 zu Art. 23 VwVG).

4.2.1 Direkte Bundessteuer 2011
Gemäss Art. 116 Abs. 2 DBG kann bei unbekanntem Aufenthalt eines Steuerpflichtigen oder bei fehlender notwendiger Vertretung eine Verfügung oder ein Entscheid rechtswirksam durch Publikation im kantonalen Amtsblatt eröffnet werden. Eine Regelung, wonach die Eröffnung stattdessen unterbleiben kann (wie dies z.B. in Art. 39 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht [BGG; SR 173.110] vorgesehen ist, vgl. Urteil 2D_18/2009 vom 22. Juni 2009 E. 2.1), kennt das DBG nicht. Eine rechtswirksame Eröffnung durch Ablage in den Akten ist daher nicht möglich (PETER LOCHER, Kommentar zum DBG, Bd. III: 3. Teil, 2015, N. 53 zu Art. 116 DBG; a.M. RICHNER/FREI/KAUFMANN/ULRICH MEUTER, Handkommentar zum DGB, 2. Aufl. 2009, N. 48 zu Art. 116 DBG). Verzichtet die Behörde - wie vorliegend geschehen - auf eine Publikation in einem amtlichen Blatt, besteht keine unwiderlegbare Vermutung dafür, dass ein Steuerpflichtiger Kenntnis von den betreffenden Verfügungen oder Entscheiden erlangt hat. Diesfalls beginnen die Rechtsmittelfristen erst mit der tatsächlichen Kenntnis zu laufen (zum Beginn der Rechtsmittelfrist KNEUBÜHLER, a.a.O., N. 5 zu Art. 36 VwVG [Fn. 12]).

4.2.2 Staats- und Gemeindesteuer 2011
Das formell-gesetzliche Steuerrecht des Kantons Zürich enthält keine mit den zitierten bundesrechtlichen Bestimmungen vergleichbare Regelung, und auf eine Verordnungsbestimmung (vorliegend § 3 der Verordnung des Kantons Zürich vom 1. April 1998 zum Steuergesetz [LS 631.11]) kann angesichts der Schwere der Säumnisfolge nicht abgestellt werden (oben, E. 4.2). Nach § 6b des Verwaltungsrechtspflegegesetzes des Kantons Zürich vom 24. Mai 1959 (VRG/ ZH; LS 175.2), der bei fehlender spezialgesetzlicher Regelung auf Verwaltungsverfahren vor Behörden der Gemeinden, der Bezirke und des Kantons und damit auf das Veranlagungsverfahren Anwendung findet (§ 4 VRG/ZH; vgl. dazu KASPAR PLÜSS, Kommentar
BGE 142 II 411 S. 415
zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3. Aufl. 2014, N. 3 ff. zu § 4 VRG/ZH), können in einem Veranlagungsverfahren Zustellungen an Verfahrensbeteiligte mit Sitz oder Wohnsitz im Ausland, die entgegen einer ausdrücklichen Aufforderung kein Zustellungsdomizil bezeichnet oder keinen Vertreter bestellt haben, durch amtliche Veröffentlichung ersetzt werden oder kann auf eine Eingabe nicht eingetreten werden. Verzichtet die Behörde - wie vorliegend geschehen - indessen auf eine Publikation in einem amtlichen Blatt, besteht keine unwiderlegbare Vermutung dafür, dass der Beschwerdeführer Kenntnis von den Veranlagungs- und Einschätzungsentscheiden vom 16. April 2013 betreffend die Staats- und Gemeindesteuern 2011 erlangt hat, weshalb diese Entscheide mangels Ablaufs der Rechtsmittelfrist (vgl. oben, E. 4.2.1) nicht spätestens am 25. Juni 2013 in Rechtskraft erwachsen sind (zur Zustellungsfiktion und zum Eintritt der formellen Rechtskraft KNEUBÜHLER, a.a.O., N. 2 und N. 5 zu Art. 36 VwVG). (...)

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Erwägungen 2 4

Referenzen

BGE: 122 I 97

Artikel: Art. 116 Abs. 2, Art. 118 DBG, § 128 StG, Art. 34 VwVG, Art. 23 VwVG mehr...