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Urteilskopf

112 II 300


50. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. September 1986 i.S. S. gegen W. und Mitbeteiligte (Berufung)

Regeste

Anteil der Miterben am Gewinn (Art. 619 ZGB).
Über den Anteil am Gewinn im Sinne von Art. 619 ZGB kann der gewinnberechtigte Miterbe innerhalb der allgemeinen erbrechtlichen Schranken der Verfügungsfreiheit letztwillig verfügen. Insbesondere kann der Gewinnanteil durch Erbeinsetzung auch auf familienfremde Dritte übertragen werden (E. 3).
Vererblich ist auch die Anwartschaft auf den gesetzlichen Gewinnanteil nach Art. 619 ZGB und nicht nur der bereits realisierte Gewinn (E. 4).

Erwägungen ab Seite 300

BGE 112 II 300 S. 300
Aus den Erwägungen:

3. Die Beklagten sehen Art. 619 ZGB dadurch verletzt, dass die Vorinstanz annahm, der persönliche Anspruch der A. W. von 3/28 am Gewinn, der aus den vom verstorbenen M. W. in den Jahren 1969 und 1977 getätigten Grundstückgeschäften möglicherweise resultierte, sei auf den Kläger S. als Universalerbe der A. W. übergegangen. Sie teilen die Auffassung des Amtsgerichts,
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dass der Kreis der möglichen Ansprecher unter Ausschluss familienfremder Dritter auf die Miterben des Übernehmers und deren Nachkommen beschränkt sei.
a) Unbestrittenermassen geht es bei diesem Anspruch um den Anteil am Gewinn im Sinne von Art. 619 ZGB - um eine Forderung also, die A. W. zu Lebzeiten erworben hatte, sofern aus den Tauschgeschäften des M. W. überhaupt ein Gewinn entstanden war. Letzteres sowie die Frage der Gültigkeit des Testaments der A. W. wird das Amtsgericht aufgrund des Rückweisungsentscheides zu prüfen haben, wenn der Übertragung einer solchen Forderung keine gesetzlichen Schranken entgegenstehen.
Noch zu Lebzeiten erworbene Forderungen gehören zum Vermögen des Berechtigten (BGE 105 II 175 E. 2b e contrario) und können demzufolge durch letztwillige Verfügungen in den gesetzlichen Schranken und Formen übertragen werden (Art. 467 und 481 ZGB). Die Verfügungsmacht des Erblassers ist durch eine Reihe von Bestimmungen des Erbrechts, des übrigen Privatrechts und des öffentlichen Rechts, aber auch durch bereits bestehende erbvertragliche Bindungen beschränkt (vgl. die Beispiele bei Kommentar TUOR, N. 11 zu Art. 467 ZGB). Der gesamten Rechtsordnung lässt sich indessen keine Bestimmung entnehmen, die eine testamentarische Übertragung einer solchen Forderung auf einen ausserhalb der Familie stehenden Dritten ausdrücklich verbieten würde. Nach der Auffassung der Beklagten soll sich der Ausschluss von Dritten von der Gewinnbeteiligung nach bäuerlichem Erbrecht durch Auslegung von Art. 619 ZGB ergeben, weil das Sonderrecht den Bestimmungen des allgemeinen Erbrechts derogiere.
b) Das bäuerliche Erbrecht ist insofern ein Sonderrecht, als es aus zwingenden agrarpolitischen Gründen, die hier nicht im einzelnen zu erörtern sind (vgl. BGE 110 II 331 E. 3c, BGE 97 II 313 E. 3b), vom allgemeinen Erbrecht abweicht und um dieser Ziele willen die ungeteilte Zuweisung statuiert (Art. 620 Abs. 1 ZGB) und damit notwendigerweise den Grundsatz der Gleichberechtigung gleichrangiger Erben bei der Teilung (Art. 607 Abs. 1 und 610 Abs. 1 ZGB) preisgibt. Die mit der Zuweisung eines landwirtschaftlichen Gewerbes zum Ertragswert verbundene Privilegierung des Übernehmers und Hintansetzung seiner Miterben hat so lange ihre Berechtigung, als der Übernehmer das Gewerbe landwirtschaftlich nutzt, ohne daraus einen nicht aus der Landwirtschaft resultierenden Gewinn zu ziehen. Die Rechtfertigung für die Hintansetzung der Miterben entfällt, wenn der Übernehmer die in der Differenz
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zwischen dem Ertragswert und dem Realisierungswert des Grundstücks liegende Gewinnmöglichkeit wahrnimmt, indem er durch dessen Veräusserung oder auf andere Weise als durch landwirtschaftliche Nutzung daraus einen geldwerten Vorteil erzielt. Solchen nicht aus der Landwirtschaft erschaffenen Gewinn muss der Übernehmer nach Massgabe von Art. 619 ZGB mit seinen Miterben teilen, sofern der Gewinn innerhalb 25 Jahren seit der Zuteilung des landwirtschaftlichen Grundstücks angefallen ist. Dadurch soll der den Miterben bei der Erbteilung entstandene Nachteil im Rahmen der weiteren gesetzlichen Vorschriften (Art. 619bis ff. ZGB) ausgeglichen werden.
Diese nachträgliche Korrektur bezweckt somit die Wiederherstellung der Gleichberechtigung unter sämtlichen Erben gleichen Ranges. Dabei beschränkt sich das Gesetz nicht auf eine blosse Verteilung des errechneten Gewinnes (Art. 619bis Abs. 1 ZGB), sondern nimmt eine neue und verfeinerte Interessenabwägung vor, die einerseits dem Zeitablauf Rechnung trägt (Art. 619bis Abs. 2 ZGB) und anderseits berechtigte Anliegen des Übernehmers, die mit der agrarpolitischen Zielsetzung im Einklang stehen, berücksichtigt (Art. 619ter und 619quater ZGB). Das mag im einzelnen Fall zu einer Fortdauer der Privilegierung des Übernehmers führen, weil er unter bestimmten Voraussetzungen - Erwerb eines Ersatzgrundstückes bzw. Ausbesserung von Gebäuden - einen kleineren oder grösseren Teil des erzielten Gewinnes nicht mit den Miterben zu teilen braucht. Doch lassen diese besonderen Fälle nicht den Schluss zu, der Gesetzgeber habe ganz allgemein eine weitere Privilegierung des Übernehmers beabsichtigt. In Abs. 2 sowohl von Art. 619ter als auch von Art. 619quater ZGB greift denn auch eine Korrektur wiederum zugunsten der nicht übernehmenden Miterben Platz. Durch Art. 619bis Abs. 2 ZGB schliesslich, wonach für jedes Jahr, während dessen das Grundstück im Eigentum des Übernehmers stand, zwei Hundertstel des Gewinnes von der Anteilsberechtigung der Miterben abzuziehen sind, wird der Geldentwertung Rechnung getragen und der Übernehmer vor übersetzten Gewinnansprüchen der Miterben geschützt. Das gesetzliche Gewinnbeteiligungsrecht führt also eine Gewinnverteilung unter grundsätzlich gleichberechtigten Erben im Rahmen der agrarpolitischen Zielsetzung herbei. Insofern folgt das bäuerliche Erbrecht denselben Grundsätzen wie das allgemeine Erbrecht. Zutreffend hat deshalb das Obergericht festgestellt, wenn mit einem gewinnbringenden Rechtsgeschäft auch im weiteren Sinne kein
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dem landwirtschaftlichen Betrieb dienender Zweck verfolgt werde, habe die vermögensrechtliche Bevorzugung des Übernehmers zu weichen und müsse der das materielle Erbrecht beherrschende Grundsatz der Gleichstellung aller Erben zum Durchbruch kommen. Was die Beklagten hiegegen vorbringen, hält nicht Stich.
Mit den Bestimmungen zum bäuerlichen Erbrecht, vorab mit Art. 620 ZGB, hat der Gesetzgeber die Grundsätze des allgemeinen Erbrechts verlassen. Art. 619 ZGB demgegenüber führt vom Sonderrecht zurück zum allgemeinen Erbrecht, indem er die nicht übernehmenden Erben wieder in den Stand einsetzt, den sie gehabt hätten, wenn nicht die ungeteilte Zuweisung nach bäuerlichem Erbrecht stattgefunden hätte, sondern es zur Realteilung oder Verwertung des Erbes gekommen wäre. Die Miterben gewinnen nun aber ihre im allgemeinen Erbrecht begründete Gleichberechtigung erst wieder zurück, wenn sie über den ihnen nach Art. 619 ZGB zustehenden Gewinnanteil so verfügen können, wie wenn das bäuerliche Erbrecht gar nicht zum Zuge gekommen wäre. Das kann im Ergebnis nichts anderes bedeuten, als dass die Miterben über den Gewinnanteil frei müssen verfügen können. Durch das bäuerliche Erbrecht werden demnach nur der grundsätzliche Anspruch auf den Anteil am Gewinn, der durch die Veräusserung eines ungeteilt zugewiesenen landwirtschaftlichen Gewerbes erzielt worden ist, und die Berechnung dieses Gewinnanteils geregelt; inwiefern der am Gewinn berechtigte Miterbe darüber verfügen kann, bestimmt sich alsdann nach der übrigen Privatrechtsordnung.
c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Gesetz keineswegs lückenhaft. Bäuerliches und allgemeines Erbrecht greifen lückenlos ineinander über, und dem Gesetz lässt sich der wahre Sinn entnehmen, ohne dass es unter Beiziehung anderer, nicht erbrechtlicher Rechtsquellen des Landwirtschaftsrechts (EGG) ausgelegt zu werden braucht.
Fehl geht auch die Meinung der Beklagten, das bäuerliche Erbrecht bezwecke vornehmlich den Schutz familiärer Bindungen. Gewiss liegt die Korrektur der Folgen der ungeteilten Zuweisung durch das Gewinnanteilsrecht nicht nur im persönlichen Interesse der Miterben, sondern auch in dem der gesamten Familie; denn es mag mitunter viel Hader ausgeräumt werden, wenn die benachteiligten Miterben nach Jahren, wenn der Grund zur Privilegierung des Übernehmers weggefallen ist, ihren Gewinnanteil ausbezahlt bekommen. Auch ist die Überlegung durchaus richtig, dass eine solche Konsolidierung der familiären Beziehungen gefährdet
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werden mag, wenn ein ausserhalb der Familie stehender Ansprecher hinzutritt. Indessen lässt sich daraus kein genügender Grund dafür ableiten, um dem zur Familie gehörenden Miterben das Recht zu versagen, seinen Gewinnanteil an einen Dritten zu übertragen. Dieser Miterbe mag aus durchaus achtenswerten Gründen - so gerade zur Wahrung des Familienfriedens - davon absehen wollen, selber sein Gewinnanteilsrecht gegenüber dem Übernehmer oder dessen Rechtsnachfolgern durchzusetzen; doch hat er sich damit nicht des Rechts begeben, seinen Anspruch zu veräussern. Hätte der Gesetzgeber eine Verfügungsbeschränkung im Sinne des Standpunktes der Beklagten gewollt, so hätte er sie im Gesetz ausdrücklich verankert. Indessen ergeben sich - soweit aus den Materialien ersichtlich - keinerlei Hinweise dafür, dass eine solche Schranke der Verfügungsmacht auch nur ins Auge gefasst worden wäre.
d) Daraus folgt, dass A. W. innerhalb der Schranken der Art. 467 und 481 ZGB durch letztwillige Verfügung frei über den ihr aufgrund von Art. 619 ZGB zugefallenen Gewinnanteil verfügen und somit an den Kläger als von ihr eingesetzten Erben übertragen konnte. Die Berufung der Beklagten erweist sich demnach als unbegründet.

4. Der Kläger forderte vor den kantonalen Gerichten eine Gewinnbeteiligung von 3/28, die auf den Anteil zurückgeht, den das Obergericht des Kantons Luzern mit Urteil vom 24. März 1965 V. W. persönlich zuerkannt hatte, den sie durch Erbeinsetzung auf ihre Schwester A. W. übertragen habe und der schliesslich durch deren letztwillige Verfügung auf den Kläger übergegangen sei. Die beiden kantonalen Instanzen haben entschieden, das Gewinnbeteiligungsrecht der V. W. sei mit ihrem Tod untergegangen, weil nicht realisierte Ansprüche auf Gewinnbeteiligung als blosse Anwartschaften weder vererbbar noch sonstwie frei übertragbar seien. Dem Kläger könne daher keine Forderung zustehen, die auf den Gewinnanteil der V. W. zurückgehe. Gegen diese Auffassung richtet sich die Berufung des Klägers, mit welcher der Vorinstanz eine Verletzung von Art. 619 ZGB vorgeworfen wird, weil sie die Vererblichkeit des Anspruchs auf Gewinnbeteiligung verneine und damit dem Kläger dessen Geltendmachung verwehre.
a) Die kantonalen Gerichte stützen ihre Auffassung, dass der Anspruch auf Gewinnbeteiligung erst vererbt und übertragen werden könne, nachdem der Gewinn durch den Übernehmer erzielt worden ist und damit der Anspruch der Miterben die Gestalt einer
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konkreten Forderung angenommen hat, auf BGE 105 II 172 ff., dem sie eine entscheidende präjudizielle Bedeutung zumessen. In jenem Fall war - vertraglich - ein Gewinnbeteiligungsrecht in der Weise vereinbart worden, dass die Käuferin zweier nicht landwirtschaftlicher Grundstücke dem Verkäufer (ihrem Vater) und nach dessen Ableben ihren drei Geschwistern bei teilweiser oder gesamthafter Weiterveräusserung der Kaufobjekte eine Gewinnbeteiligung zusicherte. Die aufgrund jenes Vertrages gezogene Schlussfolgerung des Bundesgerichts, der Anspruch auf Gewinnbeteiligung entstehe nur und erst, wenn der Gewinn realisiert sei (und werde erst damit vererbbar), kann nun aber nicht in so allgemeiner Weise gelten, dass sie ohne weiteres auch für das - gesetzliche - Gewinnanteilsrecht nach Art. 619 ZGB wegleitend wäre. Vielmehr ruft die Frage einer besonderen Prüfung.
b) Die Erben - gesetzliche wie eingesetzte - erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tod des Erblassers kraft Gesetzes. Unter Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen gehen die Forderungen, das Eigentum, die beschränkten dinglichen Rechte und der Besitz des Erblassers ohne weiteres auf sie über, und die Schulden des Erblassers werden zu persönlichen Schulden der Erben (Art. 560 Abs. 1 und 2 ZGB).
Gegenstand der Erbfolge ist der Nachlass als der Inbegriff der nicht an die Person des Erblassers gebundenen Rechtsverhältnisse (Kommentar ESCHER, N. 5 zur Einleitung). Die Aufzählung der Aktivbestandteile im Gesetz (Art. 560 Abs. 2 ZGB) ist unvollständig (Kommentar TUOR/PICENONI, N. 4 zu Art. 560 ZGB). Als grundsätzlich vererblich werden deshalb in der Literatur ausser den Rechtsverhältnissen des Obligationenrechts die Immaterialgüterrechte, gewisse vermögens- und nichtvermögensrechtliche Verhältnisse aus Familien- und Erbrecht, ferner Anwartschaften, Wahlrechte und sog. Rechtslagen bezeichnet (Kommentar ESCHER, N. 5b zur Einleitung; Kommentar TUOR/PICENONI, N. 4 zu Art. 560 ZGB). Insbesondere bilden auch bedingte und befristete Ansprüche aktiv und passiv Gegenstand des Nachlasses (Kommentar ESCHER, N. 5b zur Einleitung; Kommentar TUOR/PICENONI, N. 3 zu Art. 560 ZGB).
Dass das Gewinnanteilsrecht gemäss Art. 619 ZGB vermögensrechtlicher Natur ist, steht ausser Frage. Es handelt sich um eine Forderung, die insofern suspensiv bedingt ist, als sie erst mit der Veräusserung oder Enteignung des nach bäuerlichem Erbrecht übernommenen Grundstücks entsteht, und die insofern auch
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resolutiv bedingt ist, als der Anspruch nach 25 Jahren von Gesetzes wegen dahinfällt. Weshalb dieser bedingte, von Gesetzes wegen bestehende Anspruch nicht vererbbar sein sollte, ist nicht einzusehen. ESCHER (Ergänzungslieferung zum landwirtschaftlichen Erbrecht, N. 12 zu Art. 619 ZGB) nimmt denn auch die Vererblichkeit des auf Art. 619 ZGB gestützten Gewinnanspruchs in der Weise an, dass an die Stelle der inzwischen verstorbenen Erben ihre Erben zu jenem Anteil treten, der ihnen zugefallen wäre, wenn ihr Vorgänger schon im Zeitpunkt des Erbfalles vorverstorben gewesen wäre. Ebenso bejahen die anderen, vom Kläger angerufenen Autoren (LIVER, Zum Gewinnanteilsrecht der Miterben, ZBGR 54/1973, S. 5 f.; PIOTET, L'annotation au registre foncier d'une créance pécuniaire et la nature des restrictions au droit d'aliéner, ZBGR 61/1980, S. 273 f.; HANS PETER BECK, Das gesetzliche Gewinnanteilsrecht der Miterben, Zürcher Diss. 1967, S. 34; PIERRE GASSER, Le droit des cohéritiers à une part de gain, Diss. Lausanne 1967, S. 80 f.) ausdrücklich oder sinngemäss die Vererblichkeit des Gewinnanteilsrechts. Keiner dieser Autoren vertritt auch nur andeutungsweise die Auffassung, die Vererblichkeit sei auf die bereits entstandenen Forderungen beschränkt.
c) Zu demselben Ergebnis gelangt man im Zusammenhang mit dem vergleichbaren Gewinnanteilsrecht des Art. 218quinquies OR (sog. Kindskauf). Bei dieser 1973 in Kraft getretenen Bestimmung geht es darum, dem Vater, der bei Lebzeiten ein landwirtschaftliches Grundstück unter dem Verkehrswert an einen Nachkommen veräussert hat, den Gewinn in dem Fall zukommen zu lassen, wo der Nachkomme die Liegenschaft weiterveräussert oder wo sie enteignet wird (BBl 1970 I, S. 821 f.). Gegenüber der zunächst vorgeschlagenen Regelung, wonach der Gewinn den Erben zustehen sollte, wenn der Vater auf seinen Anspruch verzichte, ihn binnen Jahresfrist nicht geltend mache oder sterbe, erhoben sich Bedenken. Sie wurde daher in der Ergänzungsbotschaft (BBl 1971, S. 755 f.) als unnötig bezeichnet mit der Begründung, aus den allgemeinen Grundsätzen des Erbrechts gehe schon hervor, dass im Falle des Todes der Gewinn auf die Erben übergehe; der Fall des Verzichts auf den Gewinnanspruch anderseits sei sehr fragwürdig.
Aus dem Zusammenhang und dem Hinweis auf Art. 560 Abs. 2 ZGB in der Ergänzungsbotschaft erhellt, dass keinesfalls die Meinung bestand, nur der bereits erzielte Gewinn sei vererblich. Mit der Gesetzesrevision sollte nämlich der Veräusserer, der bis dahin
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keinen Gewinnanspruch hatte, bessergestellt und sollten nicht etwa seine Erben benachteiligt werden. Genau diese Folge aber würde eintreten, wenn mangels Vererblichkeit der Anwartschaft auf den Gewinn nur der bereits erzielte, jedoch vom Veräusserer zu Lebzeiten noch nicht geforderte Gewinn in seinen Nachlass fiele. Bei allen gewinnbringenden Grundstückgeschäften, die erst nach dem Tod des Vaters getätigt werden, würden dessen übrige Erben leer ausgehen. Das war nicht das mit der Gesetzesrevision angestrebte Ziel; vielmehr sollten die bisherigen Rechte der Erben gewahrt bleiben. Wenn dies in der geltenden Fassung von Art. 218quinquies OR nicht ausdrücklich festgehalten wurde, so deshalb, weil von der Vererblichkeit des Gewinnanspruchs ausgegangen wurde - und zwar unbesehen darum, ob es sich um einen zu Lebzeiten des Verkäufers erzielten Gewinn oder nur um eine Anwartschaft darauf handelt. Verzichtet der Verkäufer auf den ihm zustehenden Gewinn, kommen im Erbfall die Bestimmungen über die Herabsetzung und die Ausgleichungspflicht der Erben (Art. 527 bzw. 626 ff. ZGB) zum Zug, wodurch von Miterben allenfalls erlittene Benachteiligungen beseitigt werden.
Die Lehre geht einhellig von der Vererblichkeit des Gewinnanspruchs gemäss Art. 218quinquies OR im dargelegten Sinn aus (ESCHER, Ergänzungslieferung zum landwirtschaftlichen Erbrecht, N. 7 der Einleitung zum Gewinnanteilsrecht der Miterben, S. 14 f.; PIOTET, Schweizerisches Privatrecht IV/2, S. 982; REINHOLD HOTZ, Bäuerliches Grundeigentum, ZSR 98/1979 II, S. 170 f.), und auch zu dieser Bestimmung wurde - soweit ersichtlich - nie die Auffassung geäussert, nur der bereits erzielte Gewinn sei auf die Erben übertragbar.
d) Ist die Anwartschaft auf den Gewinnanteil gemäss Art. 619 ZGB vererblich und steht damit fest, dass der Anteil der V. W. gemäss Art. 560 Abs. 2 ZGB auf ihre als Alleinerbin eingesetzte Schwester A. W. und von dieser auf den Kläger als deren Universalerbe übergehen konnte, so ist die Berufung begründet. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern ist somit insofern aufzuheben, als entschieden wurde, der Anspruch auf Gewinnbeteiligung von 3/28 der V. W. sei mit deren Tod untergegangen und habe nicht auf ihre Schwester A. W. und von dieser auf den Kläger vererbt werden können. Die kantonalen Instanzen werden zu prüfen haben, ob der Anspruch in den Schranken der Verfügungsfreiheit der Erblasserinnen und nach Massgabe der gesetzlichen Formvorschriften tatsächlich vererbt wurde.

Inhalt

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Erwägungen 3 4

Referenzen

BGE: 105 II 175, 110 II 331, 97 II 313, 105 II 172

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