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Urteilskopf

145 V 333


32. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Kinderspital Zürich - Eleonorenstiftung gegen IV-Stelle des Kantons Aargau und Mitb., vertreten durch IV-Stelle des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_521/2019 vom 16. Oktober 2019

Regeste

Art. 13 f., 27 Abs. 1 und 3, Art. 27bis Abs. 1 und 2 IVG; Art. 47 Abs. 6 Satz 1 RVOG; Art. 24 Abs. 2 Teilsatz 1 IVV; Zuständigkeit des Schiedsgerichts in Sozialversicherungsstreitigkeiten (Invalidenversicherung).
Es ist nicht Aufgabe der kantonalen Schiedsgerichte in Sozialversicherungsstreitigkeiten, die Änderung einer bestehenden Tarifstruktur auf ihre Rechtmässigkeit hin zu überprüfen (E. 6). Dieser Grundsatz hat erst recht zu gelten, wenn es wie im vorliegenden Fall darum geht, sich zu Tarifpositionen wie etwa die anwendbare Tarifordnung zu äussern, bezüglich welcher es sowohl an einer konkret vorhandenen tariflichen Grundlage (vertragsloser Zustand) als auch an generell-abstrakten Grundsätzen zu deren Ermittlung fehlt. Das vorinstanzliche Schiedsgericht ist daher zu Recht auf die Klage nicht eingetreten (E. 7).

Sachverhalt ab Seite 334

BGE 145 V 333 S. 334

A. Das Universitäts-Kinderspital Zürich erbrachte im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2012 Leistungen in Form von stationären Behandlungen im Sinne medizinischer Massnahmen bei Geburtsgebrechen nach Art. 13 f. IVG. Nachdem sich dessen Trägerschaft, die Kinderspital Zürich - Eleonorenstiftung (nachfolgend: Stiftung), und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf vertraglichem Weg nicht über die Höhe der entsprechenden Vergütungen hatten einigen können, verständigten sie sich darauf, diese durch das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) festlegen zu lassen. Zudem kamen sie überein, zur Abrechnung der laufenden Fälle während der Dauer des EDI-Verfahrens einen vorläufigen Arbeitstarif auf der Basis des SwissDRG (Swiss Diagnosis Related Groups [Tarifsystem für stationäre akutsomatische Spitalleistungen]) im Betrag von Fr. 11'400.- (Baserate, cost weight 1.0) für die Zeit vom 1. Januar bis 5. November 2012 bzw. von Fr. 12'800.- (Baserate, cost weight 1.0) für die Zeit vom 6. November bis 31. Dezember 2012 anzuwenden. Dieser Ansatz entsprach dem Tarif, den der Regierungsrat des Kantons Zürich im damals parallel hängigen Tariffestsetzungsverfahren vor dem EDI betreffend die stationären Tarife der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) 2012 für alle universitären Spitäler provisorisch festgelegt hatte. Das EDI sistierte in der Folge das von Stiftung und BSV anhängig gemachte Verfahren, um die Pilotentscheide zur Tariffestsetzung im OKP-Bereich unter der neuen Spitalfinanzierung abzuwarten. Mit Urteil C-6392/2014 vom 27. April 2015 (E. 4) gelangte das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis, dass Kinderspitäler - und damit auch das Kinderspital Zürich - auf Grund ihrer besonderen Leistungen im KVG-Bereich einen Anspruch auf eine höhere SwissDRG-Baserate hätten als Erwachsenenspitäler. Am 10. Dezember 2014 entschied das Bundesverwaltungsgericht ferner, dass eine Tariffestsetzung mittels
BGE 145 V 333 S. 335
Verfügung durch das EDI mangels generell-abstrakter Grundsätze der Tarifbestimmung im IVG respektive in der IVV derzeit nicht möglich sei; solche seien vorab durch den Bundesrat festzulegen ( BVGE 2014/51). Das von Stiftung und BSV initiierte EDI-Tariffestsetzungsverfahren ist bis heute sistiert.

B. Am 30. Dezember 2016 erhob die Stiftung Klage gegen sämtliche 26 kantonalen IV-Stellen, gegen die IV-Stelle für Versicherte im Ausland und gegen die Liechtensteinische AHV-IV-FAK mit dem Rechtsbegehren, jede Beklagte sei zu verpflichten, den ihr individuell zugeordneten Teilbetrag einer Gesamtforderung von Fr. 9'772'724.20, zuzüglich Zins zu 5 % seit Klageerhebung, zu bezahlen. Ferner sei das BSV dem Verfahren beizuladen. In der Folge zog die Stiftung in Änderung ihres Antrags die Klage insoweit zurück, als diese im Umfang eines Teilbetrags von Fr. 66'362.20 gegen die Liechtensteinische AHV-IV-FAK gerichtet war. Das angerufene Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Zürich trat mit Entscheid vom 27. Juni 2019 auf das Rechtsmittel nicht ein.

C. Die Stiftung lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei die Sache zur materiellen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht mit der Begründung auf die Klage der Beschwerdeführerin nicht eingetreten ist, diese ziele mit ihrem Rechtsbegehren auf die - nicht in den schiedsgerichtlichen Zuständigkeitsbereich fallende - Änderung bzw. Festsetzung eines Tarifs für die Abgeltung der Kosten stationärer Heilbehandlungen bei der Durchführung medizinischer Massnahmen der Invalidenversicherung im Sinne von Art. 13 f. IVG ab.

4.

4.1 Die Beschwerdeführerin machte vorinstanzlich geltend, es bestehe in der im Streite stehenden Vergütungsfrage ein vertragsloser Zustand. Da davon auszugehen sei, dass das EDI das bei ihm diesbezüglich anhängig gemachte, sistierte Tariffestsetzungsverfahren nicht in absehbarer Zeit an die Hand nehmen bzw. sich letztendlich - gestützt auf BVGE 2014/51 - als in der Sache nicht zuständig einstufen
BGE 145 V 333 S. 336
werde, habe das zürcherische Schiedsgericht die Gesetzeslücke zu füllen respektive den angemessenen Tarif zu bestimmen und die massgebliche SwissDRG-Baserate im Sinne eines Höchstbetrags gemäss Art. 27 Abs. 3 IVG auf Fr. 13'276.- festzulegen. Indem es - so die Stiftung vor dem Bundesgericht - angesichts dieser Sachlage auf die Angelegenheit nicht eingetreten sei, habe es Bundesrecht verletzt.

4.2 Demgegenüber hielten die beklagten IV-Stellen samt beigeladenem BSV im kantonalen Verfahren, bestätigt durch die Vorinstanz, zur Hauptsache dafür, das angerufene Schiedsgericht sei weder zur Festsetzung eines Tarifs noch zur Bemessung der Höhe der SwissDRG-Baserate zuständig.

5.

5.1 Nach Art. 27 IVG ("Zusammenarbeit und Tarife") ist der Bundesrat befugt, mit der Ärzteschaft, den Berufsverbänden der Medizinalpersonen und der medizinischen Hilfspersonen sowie den Anstalten und Werkstätten, die Eingliederungsmassnahmen durchführen, Verträge zu schliessen, um die Zusammenarbeit mit den Organen der Versicherung zu regeln und die Tarife festzulegen (Abs. 1). Soweit kein Vertrag besteht, kann der Bundesrat die Höchstbeträge festsetzen, bis zu denen den Versicherten die Kosten der Eingliederungsmassnahmen vergütet werden (Abs. 3). Die Verträge nach Art. 27 Abs. 1 IVG werden vom Bundesamt abgeschlossen (Art. 24 Abs. 2 Teilsatz 1 IVV [SR 831.201]). Geschäfte des Bundesrats gehen von Rechts wegen auf das in der Sache zuständige Departement über, soweit Verfügungen zu treffen sind, die der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht unterliegen (Art. 47 Abs. 6 Satz 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997 [RVOG; SR 172.010]). Die bundesrätliche Zuständigkeit zur hoheitlichen Festsetzung eines Tarifs nach gescheiterten Vertragsverhandlungen durch Erlass einer Verfügung liegt beim EDI (vgl. Teilentscheid BVGE 2013/58 E. 6.2 f. S. 901 f.).

5.2 Die Tarifverhandlungen zwischen der Beschwerdeführerin und dem BSV sind unbestrittenermassen gescheitert, weshalb für den vorliegend relevanten Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2012 keine Vereinbarung gemäss Art. 27 Abs. 1 IVG vorliegt. Das in der Folge beim EDI anhängig gemachte Verfahren zur Tariffestsetzung im Sinne von Art. 27 Abs. 3 IVG (in Verbindung mit Art. 47 Abs. 6 Satz 1 RVOG) ist bis heute sistiert (siehe Sachverhalt Bst. A hiervor).
BGE 145 V 333 S. 337
Es herrscht daher ein vertragsloser Zustand ohne Festlegung eines konkreten Tarifs bzw. Höchstbetrags durch das zuständige Departement.

6.

6.1 Nach Art. 27bis IVG entscheiden über Streitigkeiten zwischen der Versicherung und Leistungserbringern die von den Kantonen bezeichneten Schiedsgerichte (Abs. 1). Zuständig ist das Schiedsgericht am Ort der ständigen Einrichtung oder der Berufsausübung des Leistungserbringers (Abs. 2).
Die im Rahmen der 4. IV-Revision im Gesetz verankerte Schiedsgerichtsbarkeit in Tarifstreitigkeiten nach Art. 27bis IVG - welche im Kanton Zürich durch das dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich angegliederte Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Zürich ausgeübt wird (§§ 35 f. des Gesetzes des Kantons Zürich vom 7. März 1993 über das Sozialversicherungsgericht [GSVGer; LS 212.81]) - sollte der verbesserten Koordination der Invalidenversicherung mit anderen Sozialversicherungszweigendienen. Insbesondere wurde eine Harmonisierung mit der Unfall- und der Militärversicherungsgesetzgebung als wünschenswert erachtet, "weil die Invalidenversicherung Tarifverträge im Bereich der medizinischen Massnahmen zusammen mit der Unfall- und der Militärversicherung abschliesst. Die Schiedsgerichtsbarkeit wäre für alle drei Versicherungen einheitlich geregelt, und die Invalidenversicherung müsste keine vertraglichen Sonderregelungen vorsehen" (Urteil 9C_657/2016 vom 13. Februar 2017 E. 3.2 u.a. mit Hinweis auf die Botschaft vom 21. Februar 2001 über die 4. Revision des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung, BBl 2001 3205 ff., insb. 3261 Ziff. 2.5.2).

6.2 Der Unterhalt bzw. die Pflege von bestehenden Tarifstrukturen obliegt primär den Tarifpartnern. Entscheidend dafür ist, dass die Gesichtspunkte, welche der Strukturierung eines Tarifs zugrunde liegen, als nicht oder schwer justiziabel betrachtet werden. Beim Eingriff in eine gesamtschweizerische Einzelleistungstarifstruktur wie etwa TARMED stellen sich komplexe technische, wirtschaftliche, rechtliche und zeitliche Fragen, die durch die Tarifpartner zu beantworten sind (Urteil 9C_524/2013 vom 21. Januar 2014 E. 4). Dementsprechend ist es nicht Aufgabe der kantonalen Schiedsgerichte oder des Bundesgerichts, eine Änderung der Tarifstruktur zu prüfen (BGE 144 V 138 E. 6.4.4 S. 149 f.; Urteile 9F_3/2013 vom 23. April 2013 E. 2 und 9C_252/2011 vom 14. Juli 2011 E. 5.5 am Ende, in:
BGE 145 V 333 S. 338
SVR 2012 KV Nr. 2 S. 4). Demgegenüber fallen Fragen der Tarifinterpretation in deren Zuständigkeitsbereich (vgl. die vorgenannte Rechtsprechung). Zusammenfassend gilt somit folgender Grundsatz: Können sich die Tarifpartner nicht einigen, soll zunächst der Verordnungsgeber tätig werden; die Gerichte sollen erst später zum Zuge kommen, wenn bei der Anwendung eines durch die Vertragsparteien oder subsidiär durch den Bundesrat angepassten Tarifs die Frage strittig ist, ob die erbrachten Leistungen tarifkonform in Rechnung gestellt wurden oder ein Rückerstattungsanspruch besteht (Urteile 9C_ 524/2013 vom 21. Januar 2014 E. 4 und 9C_252/2011 vom 14. Juli 2011 E. 1, in: SVR 2012 KV Nr. 2 S. 4).
Diese Präjudizien sind für die Belange der Krankenversicherung nach KVG ergangen. Es besteht indessen kein Anlass, für die hier zur Diskussion stehende Tarifierung bezüglich Art. 13 f. IVG anders zu entscheiden (Urteil 8C_62/2015 vom 26. August 2015 E. 5.2 mit Hinweisen).

7.

7.1 Wie bereits vorstehend ausgeführt, liegt für das Jahr 2012 in Bezug auf die hier fragliche Vergütung medizinischer Massnahmen gemäss Art. 13 f. IVG in Form stationärer Behandlungen weder eine tarifliche Vereinbarung im Sinne von Art. 27 Abs. 1 IVG noch eine bundesrätliche bzw. departementale Festsetzung von Höchstbeträgen nach Art. 27 Abs. 3 IVG vor.

7.2

7.2.1 Das Bundesverwaltungsgericht hat im zuvor zitierten BVGE 2014/51 erwogen (E. 9.2), dass das IVG (wie auch das UVG und MVG) keine inhaltlichen Vorgaben zur Bemessung der entsprechenden Tarife enthalte. Es fehlten - anders als im KVG - generell-abstrakte Grundsätze zur Tarifordnung und zur Kostenermittlung für die Leistungsabgeltung, und zwar sowohl auf Gesetzes- wie auch auf Verordnungsebene. Ebenso wenig ergäben sich aus den Materialien konkrete Hinweise auf im vertragslosen Zustand anzuwendende Tarifstrukturen, Tarifberechnungsmodelle oder Tarifgestaltungsgrundsätze. Der Bundesrat werde aber immerhin, so das Gericht im Weiteren, gesetzlich verpflichtet, die Tarifordnungen der verschiedenen Sozialversicherer zu koordinieren. In der Praxis stützten sich die vertraglich vereinbarten Entschädigungen der UV/MV/IV-Leistungserbringer für medizinische Heilbehandlungen auf die gleichen Tarifstrukturen, die im Krankenversicherungsrecht gemäss KVG gälten.
BGE 145 V 333 S. 339
Im besagten Urteil wurde nachfolgend präzisierend festgehalten (E. 9.4), dass es zwar durchaus sachgerecht erscheine, die Medizinaltarife im Bereich der UV/MV/IV nicht nach einem anderen Modell zu berechnen als im Tarifrecht der Krankenversicherung. Die öffentliche Hand sei bei der Tarifierung aber nicht frei, sondern habe sich auch in diesem Bereich an die allgemeinen Grundprinzipien staatlichen Handelns zu halten. So müsse sich die Tarifordnung auf eine gesetzliche, genügend bestimmte Grundlage stützen können, sodass das Handeln der Behörde im Einzelfall voraussehbar und rechtsgleich sei. Eine Blankettermächtigung, die der Behörde völlig freie Hand lasse und es ihr erlaube, von Fall zu Fall zu entscheiden, sei unzulässig. Liege also ein vertragsloser Zustand vor, so sei es im Lichte der gesetzlichen Konzeption am Bundesrat, in generell-abstrakter Weise die Grundsätze der Tarifbestimmung und dabei insbesondere die Tarifordnung zu regeln. Solle dabei die Tarifordnung des KVG zur Anwendung gelangen, sei dafür zumindest auf Verordnungsstufe ein derartiger Vermerk anzubringen (vgl. etwa Art. 26 Abs. 2 MVG). Gestützt auf die entsprechenden generell-abstrakten Grundsätze habe hernach das EDI mittels - gegebenenfalls beim Bundesverwaltungsgericht anfechtbarer - Verfügung einen konkreten Tarif im engeren Sinne, das heisst die Höhe des Taxpunktwertes oder des Basisfallwertes im konkreten Einzelfall, festzulegen.
Sodann erkannte das Bundesverwaltungsgericht in E. 9.6 seines Urteils, dass der Mangel der fehlenden generell-abstrakten Regelung der Tarifgestaltungsgrundsätze durch den Bundesrat nicht durch das EDI mittels analoger Anwendung der KVG-Tarifgrundsätze im Rahmen der zu erlassenden Verfügung behoben werden könne. Es sei gestützt auf Art. 47 Abs. 6 RVOG lediglich für die verfügungsweise Festlegung der Höhe des Tarifs im engeren Sinne, bei bereits vorhandener diesbezüglicher generell-abstrakter Regelung, zuständig. Der Delegationsautomatismus nach Art. 47 Abs. 6 RVOG greife nur in Bereichen, in denen eine Verfügung zu erlassen sei. Die Festlegung der Eckwerte für die Tarifgestaltung habe aber wie erwähnt in generell-abstrakter Form in dem dafür vorgesehenen Verfahren und unter Einbezug der Tarifpartner zu geschehen und sei Aufgabe des Bundesrats. Dieser kleide seine rechtsetzenden Erlasse in die Form der Verordnung. Die Übertragung von rechtsetzenden Befugnissen vom Bundesrat an ein Departement habe nach Massgabe von Art. 48 Abs. 1 RVOG zu erfolgen, wonach der Bundesrat unter Berücksichtigung der Tragweite der betreffenden Rechtssätze die Zuständigkeit
BGE 145 V 333 S. 340
zum Erlass derselben auf die Departemente übertragen könne. Eine derartige Delegation in der Gestalt einer Verordnung oder eines Beschlusses des Bundesrats liege hier nicht vor.
Zusammenfassend sei festzuhalten - so das Bundesverwaltungsgericht abschliessend (E. 9.9) -, dass es bereits an den Grundsätzen für die Ermittlung des umstrittenen Tarifs mangle, die zumindest auf Verordnungsstufe generell-abstrakt festgelegt werden müssten. Es fehle dem Departement daher die generell-abstrakte Regelung der Tarifermittlungsgrundsätze in Form gesetzlicher respektive verordnungsmässiger Bestimmungen, um den konkreten Tarif im Einzelfall verfügungsweise festzusetzen. Solche Grundsätze könnten weder als zwischen den Parteien (stillschweigend) vereinbart gelten, noch liege deren Erlass in der Zuständigkeit der Gerichte. Vielmehr habe der Gesetz- bzw. der Verordnungsgeber die generell-abstrakten Tarifermittlungsgrundsätze im vertragslosen Zustand zu definieren, ehe das Departement einen Tarif im Einzelfall mittels Verfügung festsetzen könne.

7.2.2 Es besteht keine Veranlassung, von diesen - in Rechtskraft erwachsenen - Schlussfolgerungen des Bundesverwaltungsgerichts abzuweichen. Weder bringen die Verfahrensbeteiligten im vorliegenden Verfahren entsprechende Einwände vor, noch sind Gründe ersichtlich, weshalb darauf nicht abzustellen sein sollte.

7.3 Ist es dem Schiedsgericht im Sinne von Art. 27bis IVG nach dem Dargelegten (vgl. E. 6.2 hiervor) verwehrt, Änderungen bestehender Tarifstrukturen auf ihre Rechtmässigkeit hin zu überprüfen, sieht es sich erst recht ausserstande, sich zu Tarifpositionen wie etwa die anwendbare Tarifordnung in Fällen zu äussern, in welchen (noch) gar keine tarifliche Grundlage vorhanden ist. Dies gilt im vorliegenden Bereich von Art. 27 IVG umso mehr, als es, wie aus den bundesverwaltungsgerichtlichen Ausführungen in BVGE 2014/51 zutreffenderweise hervorgeht, bereits an einer generell-abstrakten Regelung zur Tarifordnung und Kostenermittlung für die Leistungsabgeltung im vertragslosen Zustand fehlt und daher auch das EDI nicht befugt ist, diesbezüglich gestützt auf Art. 27 Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 47 Abs. 6 Satz 1 RVOG mittels Verfügung tätig zu werden. Ferner ist mit der Vorinstanz darauf hinzuweisen, dass das Invalidenversicherungsrecht - anders als UV, MV und KV (vgl. Art. 15 Abs. 2 UVV, Art. 14 Abs. 2 MVV, Art. 41 Abs. 1bis KVG) - auch keine generell-abstrakte Grundlage für die Anwendung eines Referenztarifs enthält, wenn das EDI bzw. der Bundesrat den ihnen in einem
BGE 145 V 333 S. 341
vertragslosen Zustand obliegenden Verpflichtungen, dafür zu sorgen, dass entweder ein Tarifvertrag vorliegt oder der Tarif gemäss Art. 27 Abs. 3 IVG hoheitlich festgesetzt wird, nicht nachkommen. Dem zürcherischen Schiedsgericht war es somit auch nicht gestattet, einen diesbezüglichen Referenztarif zu bestimmen bzw. anzuwenden, zumal ein Verfahren zur (hoheitlichen) Festsetzung der Tarife des Jahres 2012 formell immer noch beim EDI hängig ist und ein derartiges Vorgehen sich - unzulässigerweise (vgl. BGE 131 V 133 E. 12.3 S. 145 f.) - präjudizierend ausgewirkt hätte.
Der Vorinstanz kann daher, indem sie nicht auf die Klage der Stiftung eingetreten ist, keine Bundesrechtsverletzung vorgeworfen werden.

7.4 Was vor Bundesgericht dagegen vorgebracht wird, vermag zu keinem anderen Ergebnis zu führen.

7.4.1 Soweit in der Beschwerde geltend gemacht wird, unter den Parteien bestehe Einigkeit darüber, dass die Entschädigung in Form einer Pauschale basierend auf der Tarifstruktur SwissDRG (Version 1.0) zu erfolgen habe, weshalb von einem Konsens hinsichtlich der anwendbaren Tarifstruktur auszugehen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Wie hiervor unter Verweis auf BVGE 2014/51 ausgeführt wurde, fehlt es vorliegend an generell-abstrakten Grundsätzen für die Festsetzung des umstrittenen Tarifs. Auch wenn es sachgerecht erscheinen mag, die Medizinaltarife auch im Bereich der Invalidenversicherung mittels analoger Anwendung des im KVG geltenden Tarifrechts festzulegen - im Bereich der Akutsomatik wurde diesbezüglich per 1. Januar 2012 ein Systemwechsel vollzogen und mit SwissDRG eine schweizweit einheitliche Tarifstruktur eingeführt, welche die Vergütung der stationären Spitalleistungen nach Fallpauschalen regelt (vgl. Art. 49 Abs. 2 KVG) -, steht es den Parteien nicht frei, die entsprechenden Eckwerte der Tarifgestaltung eigenständig zu bestimmen. Derartige Tarifpositionen können nicht als zwischen den Parteien (stillschweigend) vereinbart angenommen werden. Daran ändert nichts, dass die 2012 laufenden Fälle während der Dauer des beim EDI hängigen Tariffestsetzungsverfahrens nach einem vorläufigen Arbeitstarif auf der Basis des SwissDRG abgerechnet wurden. Vor diesem Hintergrund kann es entgegen der Betrachtungsweise der Beschwerdeführerin auch nicht Aufgabe des Schiedsgerichts sein, die konkret anwendbare SwissDRG-Baserate anhand einer vorfrageweisen Eruierung des hypothetischen Parteiwillens der Beteiligten zu ermitteln.
BGE 145 V 333 S. 342

7.4.2 Da zurzeit nicht absehbar ist, wann und in welcher Weise das EDI das bei ihm hängige und formell sistierte Tariffestsetzungsverfahren wieder aufnehmen und erledigen wird, erweist sich ferner auch der Einwand in der Beschwerde, der vorinstanzliche Klageprozess hätte bis zum Vorliegen der Verfügung des EDI ausgesetzt werden müssen, als unbehelflich.

7.4.3 Ebenso wenig führt schliesslich das Argument der Beschwerdeführerin, es handle sich beim vorliegenden Verfahren letztendlich um einen blossen, auf Grund konkret erbrachter medizinischer Leistungen resultierenden Forderungsstreit, der zwingend (schieds)gerichtlich überprüfbar sein müsse, zu abweichenden Schlussfolgerungen. Die Beschwerdeführerin räumt denn auch selber ein, dass die entsprechenden Forderungsansprüche "im Licht des jeweils anwendbaren Tarifs" zu beurteilen seien. Da ein solcher hier aber gerade nicht vorliegt - auch nicht in Form von hoheitlich festgesetzten Höchstansätzen gemäss Art. 27 Abs. 3 IVG -, war die Vorinstanz nicht in der Lage, "die Ansprüche der Beschwerdeführerin einer gerichtlichen Klärung" zuzuführen.

7.5 Es sind somit keine Anhaltspunkte auszumachen, welche auf eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts oder auf eine Verletzung von Bundesrecht, namentlich Art. 27bis Abs. 1 IVG bzw. Art. 29 Abs. 1 BV (Anspruch auf ein faires [Gerichts-]Verfahren),schliessen liessen.
Immerhin ist der Beschwerdeführerin - mit Blick auf die Verjährungsfolge - insofern beizupflichten, als es sich um eine rechtlich unbefriedigende Situation handelt, die baldmöglichst durch den Erlass entsprechender generell-abstrakter (Verordnungs-)Grundlagen durch den Bundesrat geregelt werden sollte.

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Sachverhalt

Erwägungen 3 4 5 6 7

Referenzen

BGE: 144 V 138, 131 V 133

Artikel: Art. 27 Abs. 3 IVG, Art. 47 Abs. 6 Satz 1 RVOG, Art. 27 Abs. 1 IVG, Art. 27bis IVG mehr...