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Urteilskopf

98 IV 188


36. Urteil des Kassationshofes vom 4. September 1972 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau gegen Marty.

Regeste

Art. 153, 154 StGB; Warenfälschung und Inverkehrbringen gefälschter Waren.
Unter diese Bestimmungen fallen das Herstellen und das Feilhalten von Birnenweggen,
- deren Füllung teilweise aus zur Tierfütterung bestimmtem Birnentrester besteht (Erw. 1, 2);
- deren Fettsubstanz nur zu 22,7% in Butter besteht, unter der Bezeichnung "Feinste Butter- und Birnenspezialität" (Erw. 4).

Sachverhalt ab Seite 189

BGE 98 IV 188 S. 189

A.- Im Jahre 1960 begann das Ehepaar Franz und Gertrud Marty mit der Herstellung und dem Grosshandel von Birnenweggen und Lebkuchen. Als Füllung der Birnenweggen, von denen sie jährlich 50'000-100'000 absetzten, wurde nach einem von Franz Marty entwickelten Rezept neben Trockenbirnen, Zucker und Gewürzen auch Futtertrester (Birnentrester) verwendet, und zwar im Verhältnis von einem Drittel bis zur Hälfte der Gesamtfüllung.
Von Mai 1961 bis Juni 1964 wurde das Geschäft von Frau Marty allein geführt, da sich der Ehemann im Strafvollzug befand. Nach der Scheidung der Ehe im Oktober 1967 bezog sie von Dezember 1967 bis Mai 1968 für ihr eigenes Geschäft von ihrem frühern Ehemann die genannte Füllmasse und verwendete sie zur Herstellung von Birnenweggen.
Nachdem Franz Marty im März 1967 in Waltenschwil die Firma Marwey AG gegründet hatte, brachte er ab Ende 1967 Birnenweggen mit dem Qualitätshinweis "Feinste Butter- und Birnenspezialität" in den Handel, die zwar keinen Trester mehr enthielten, deren Teig aber u.a. mit einem Fettgemisch hergestellt war, das nur zu 22,7% aus reiner Butter bestand.

B.- Auf Anzeige des Chemischen Laboratoriums des Kantons Aargau klagte die Staatsanwaltschaft Franz und Gertrud Marty der gewerbsmässigen Warenfälschung und des gewerbsmässigen Inverkehrbringens gefälschter Waren an.
Das Bezirksgericht Muri verurteilte die beiden Angeklagten wegen Widerhandlung gegen Art. 149 Abs. 2 und 160 LMV zu Bussen von je Fr. 1'000.--.
Auf Berufung der Staatsanwaltschaft sprach das Obergericht des Kantons Aargau am 20. April 1972 Franz und Gertrud Marty von der Anklage der gewerbsmässigen Warenfälschung und des gewerbsmässigen Inverkehrbringens gefälschter Waren frei. Franz Marty erklärte es der Widerhandlung gegen Art. 149
BGE 98 IV 188 S. 190
Abs. 2 LMV
schuldig, stellte jedoch das Verfahren wegen Eintritts der absoluten Verjährung ein.

C.- Die Staatsanwaltschaft führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache an dieses zurückzuweisen zur Bestrafung beider Beschwerdegegner wegen gewerbsmässiger Warenfälschung und gewerbsmässigen Inverkehrbringens gefälschter Waren nach Art. 153 und 154 StGB.
Gertrud Marty hat sich mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde vernehmen lassen. Franz Marty hat innert Frist keine Gegenbemerkungen eingereicht.

Erwägungen

Der Kassationshof zieht in Erwägung:

1. Nach dem angefochtenen Urteil steht fest, dass die Beschwerdegegner zum Zwecke des Weiterverkaufs während Jahren in grossen Mengen Birnenweggen hergestellt oder durch ihre Angestellten haben herstellen lassen, deren Füllung zum Teil aus Birnentrester bestand, der für die Tierfütterung bestimmt war. Die Vorinstanz hat, was von der Staatsanwaltschaft übersehen wird, in diesem Verhalten objektiv insoweit eine Warenfälschung und ein Inverkehrbringen gefälschter Waren gesehen, als sie eine Wertverringerung der Ware angenommen hat. Ein Nachahmen oder Verfälschen hat sie dagegen verneint.
a) Zur Wertverringerung führt die Vorinstanz aus, die Beschwerdegegner hätten ihren Birnenweggen keinen besonderen Qualitätsanschein gegeben, aus dem auf die ausschliessliche Verwendung ganzer gedörrter Birnen hätte geschlossen werden können. Wenn Obsttrester auch minderwertige Nebenprodukte seien, so bedeute ihre Verwendung in Backwaren doch nur dort eine Wertverringerung, wo der Konsument mit solchen Zutaten nicht rechnen müsse. Es sei indessen nicht dargetan, dass nach der Verkehrsauffassung die Füllung gewöhnlicher Birnenweggen ausser gedörrten Birnen nicht auch Stoffe minderer Qualität enthalten dürfe, namentlich wenn, wie im vorliegenden Fall, die Ware verhältnismässig billig sei. Indessen sei dennoch eine Wertverringerung zu bejahen, weil der für die Tierfütterung bestimmte Birnentrester nach den Erhebungen des Kantonschemikers direkt getrocknet worden sei, welches Vorgehen die Gefahr gesundheitsschädlicher Verunreinigungen berge. Da der von den Beschwerdegegnern
BGE 98 IV 188 S. 191
verwendete Trester für die menschliche Ernährung nicht zu empfehlen sei, habe die Birnenweggenfüllung einer vom Publikum als selbstverständlich vorausgesetzten Anforderung nicht genügt und sei somit in ihrem Wert verringert gewesen.
Mit dieser Begründung kann eine Wertverringerung im Sinne der Art. 153 und 154 StGB nicht bejaht werden. Wie der Kassationshof in BGE 81 IV 99 und 161 entschieden hat, wollen diese Bestimmungen nicht der öffentlichen Gesundheit oder sonstwie dem menschlichen Wohlbefinden dienen, mit anderen Worten, vor dem Gebrauch oder Verbrauch mit sachlichen Mängeln behafteter Waren schützen. Schutzobjekt der Art. 153 und 154 ist vielmehr das Vermögen. Sie sollen gewährleisten, dass der Erwerber nicht eine Ware erhält, die er nur zu geringerem Preise oder überhaupt nicht erstehen würde, wenn er wüsste, dass ihre Beschaffenheit nicht dem entspricht, was ihr Aussehen, ihre Bezeichnung oder ihre Aufmachung vortäuscht. Entscheidend ist deshalb nicht, ob die Ware für die Gesundheit bekömmlich ist, sondern ob ihr Handelswert mit dem vorgetäuschten Wert übereinstimmt. Das hat die Vorinstanz verkannt. Dennoch ist ihr - mit anderer Begründung - im Ergebnis beizupflichten.
Die Vollwertigkeit einer Ware hängt ab von den Eigenschaften, die der Käufer gemäss herrschender Verkehrsauffassung nach Aussehen, Bezeichnung oder Aufmachung der Ware voraussetzen darf (ebenso DÜRR, Kommentar zum eidg. Lebensmittelgesetz nebst Verordnungen, S. 59; SCHWANDER, Das Schweiz. StGB, 2. Aufl., S. 356). Dem Obergericht ist insoweit zuzustimmen, dass bei verhältnismässig billigen Backwaren der Käufer damit rechnen muss, dass sie auch Rest- und Nebenprodukte, wie sie in einer Bäckerei anfallen können, enthalten. Das berechtigt jedoch den Hersteller solcher Waren nicht, Abfallprodukte, die ihrer Natur nach überhaupt nicht für die Verwendung in Bäckereien bestimmt sind, heranzuziehen, um die Gestehungskosten zu senken und einen grösseren Gewinn zu erzielen. Das aber haben die Beschwerdegegner getan. Sie haben zur Herstellung der Füllmasse, die für Birnenweggen charakteristisch ist und weitgehend deren Handelswert bestimmt, ausser Zucker und Gewürzen nicht nur gedörrte Birnen verwendet, die üblicherweise den Hauptbestandteil der Füllung bilden (Auskunft der Fachschule Richemont des Schweiz. Bäcker-Konditorenmeisterverbandes), sondern in erheblichem
BGE 98 IV 188 S. 192
Masse die Birnen durch Birnentrester ersetzt, der nach der eigenen Feststellung der Vorinstanz zur Tierfütterung bestimmt war und übrigens von den Beschwerdegegnern selber auch den Schweinen gefüttert wurde. Mit der Beimischung eines derart minderwertigen Abfallproduktes aber muss der Kunde nicht rechnen. Er darf sich darauf verlassen, dass eine als Birnenweggen angebotene Backware aus Stoffen zusammengesetzt ist, die zur Herstellung dieses menschlichen Nahrungsmittels allgemein verwendet werden, und deshalb den dafür geforderten handelsüblichen Preis wert ist. Indem die Beschwerdegegner die gedörrten Birnen, die ihnen auf Fr. 250.-- die 100 kg zu stehen kamen, in Umfang von 30% bis 50% der Weggenfüllung durch Tierfutter ersetzt haben, für das sie bloss Fr. 24.92 je 100 kg bezahlten, haben sie Birnenweggen hergestellt, deren Füllung im genannten Masse zehnmal weniger wert war als der Käufer in guten Treuen nach der Bezeichnung der Ware und ihrem Preis erwarten durfte. Diese war deshalb, auch wenn sie keine besondere Qualitätsbezeichnung trug, in ihrem Werte verringert.
b) Das Verhalten der Beschwerdegegner erfüllt objektiv überdies den Tatbestand der Warenverfälschung. Die Vorinstanz hat eine solche verneint, weil die Lebensmittelgesetzgebung nicht vorschreibe, wie die Füllung von Birnenweggen zusammengesetzt sein müsse. Die Auffassung des Kantonschemikers, wonach sie aus ganzen gedörrten Birnen bestehen müsse, könne sich auf keine gesetzliche Vorschrift stützen. Vielmehr werde in Art. 243 Abs. 1 LMV für Konditoreiwaren, die nach einer bestimmten Frucht bezeichnet seien, vorgeschrieben, dass sie mindestens 5% der betreffenden Frucht enthalten müssten. Analog müsse auch bei Backwaren die Beigabe von anderen Stoffen erlaubt sein. Das entspreche, soweit es um Birnenweggen gehe, der Verkehrsauffassung. Das Publikum "dürfte" sich denn auch bewusst sein, dass die verschiedensten Rest- und Nebenprodukte eines Bäckereibetriebes bei der Herstellung der Füllmasse für Birnenweggen mitverwertet würden. Im vorliegenden Fall sei die Füllung zu 50-66% aus gedörrten Birnen und zu 33-50% aus Birnentrester, dem Rückstand gepresster Birnen, hergestellt worden, so dass die Ware den Namen Birnenweggen verdient habe. Obsttrester seien zwar, was ihren Nährwert für den Menschen betreffe, minderwertig, aber nicht gesundheitsschädlich. Schliesslich sei nicht erstellt, dass die Verwendung von Obsttrester als Zusatz zur Füllmasse von Birnenweggen
BGE 98 IV 188 S. 193
nicht im Rahmen der Vorstellung liege, die sich das Publikum über die für eine solche Füllung mitverwendeten Rest- und Nebenprodukte machen dürfte.
Dass sich die Lebensmittelgesetzgebung über die Zusammensetzung der Füllmasse von Birnenweggen nicht im einzelnen ausspricht, trifft zu. Auch ist richtig, dass nach Art. 243 Abs. 1 LMV Konditoreiwaren, die nach einer bestimmten Frucht benannt sind, "mindestens" 5% der betreffenden Frucht enthalten müssen. Abgesehen davon, dass es zweifelhaft ist, ob diese Vorschrift mangels einer Verweisung auf die unter einem anderen Titel der LMV geregelten Backwaren Anwendung findet, handelt es sich dabei jedoch um eine Mindestvorschrift, mit deren Einhaltung die Frage, ob eine bestimmte Backware im Sinne von Art. 153 StGB in ihrer natürlichen Beschaffenheit verfälscht worden sei, noch nicht beantwortet wäre. Denn niemandem würde es beispielsweise einfallen, eine Backware, die nur 5% Äpfel enthält, als Apfelstrudel oder Apfelkuchen zu bezeichnen. In welchem Umfang und in welcher Form (frisch, gedörrt usw.) eine nach einer Frucht benannte Backware diese enthalten muss, bestimmt sich deshalb auch hier nach der Verkehrsauffassung. Nach dieser aber wird der Kunde, der Birnenweggen kauft, von der Vorstellung ausgehen, dass er eine Backware erhält, deren Füllung zum grössten Teil Birnen enthält; denn das eigentliche Birnenweggenaroma entsteht durch den Dörrprozess bei den Birnen. Dabei spielt die sog. Karamelisierung des Fruchtzuckers eine wesentliche Rolle, welcher Vorgang bei der Verwendung von Trestern entfällt. Weiter wird der Käufer erwarten, dass dieser Fruchtanteil nicht ein Abfallprodukt sei, das bei einer anderweitigen Verwertung der Frucht zurückgeblieben ist und im Handel allgemein nur noch als Tierfutter gilt. Denn wer eine Bäckerei betritt, um Birnenweggen zu erstehen, wünscht nicht Tierfutter zu kaufen, sondern eine Ware, die den Anforderungen genügt, welche üblicherweise an ein für Menschen bestimmtes Nahrungsmittel der betreffenden Art gestellt werden. Ein Gemisch, das ausser gedörrten oder gekochten Birnen, Zucker, Feigen und Gewürzen zu einem erheblichen Teil für die Tierfütterung bestimmten Birnentrester enthält, liegt deshalb ausserhalb des Rahmens der Vorstellung, die sich das Publikum über die Zusammensetzung der Füllmasse von Birnenweggen macht und machen muss. Wer demnach eine Backware herstellt, deren Füllung in einem
BGE 98 IV 188 S. 194
solchen Gemisch besteht, und sie als Birnenweggen anbietet, verfälscht entgegen der Meinung des Obergerichtes objektiv die Ware und täuscht den Kunden über deren natürliche Beschaffenheit, unbekümmert darum, ob das verfälschte Erzeugnis ebenso gut ist wie das unverfälschte und ob seine Veränderung eine Gefahr für das menschliche Wohlbefinden schafft (BGE 97 IV 65 mit Zitaten). Daran ändert nichts, dass während des zweiten Weltkrieges Obsttrester auch für die menschliche Nahrung verwendet wurden; denn damit ist nicht gesagt, dass auch unter den heutigen Verhältnissen Birnentrester, der wegen seiner Behandlung zur Tierfütterung bestimmt ist, menschlichen Nahrungsmitteln und namentlich Birnenweggen als Füllmasse beigegeben werden darf. Einmal ist nicht jeder irgendwie hergestellte Obsttrester als menschliches Nahrungsmittel geeignet, und des weitern kann bezüglich der Beschaffenheit eines Lebensmittels die Verkehrsauffassung in Kriegszeiten eine andere sein als in Friedenszeiten. Tatsächlich stellt der Kunde erfahrungsgemäss in Notzeiten an die Zusammensetzung eines Nahrungsmittels weniger hohe Anforderungen als in Zeiten allgemeinen wirtschaftlichen Wohlergehens.

2. Die Vorinstanz hat die Beschwerdegegner von der Anklage der Warenfälschung und des Inverkehrbringens gefälschter Waren wegen Fehlens des Vorsatzes freigesprochen. Es sei nicht nachgewiesen, dass sie von der möglichen Verunreinigung des Tresters infolge der Trocknung durch direkte Feuerung Kenntnis hatten. Es liege auch nichts vor, was den Schluss zulasse, Futtertrester fielen nur in Mostereien an, die über eine Trocknungsanlage mit direkter Feuerung verfügten, so dass sie stets "die Gefahr einer Gesundheitsgefährdung" für den Menschen in sich trügen. Hätte die Obstverwertung Hitzkirch, von welcher die Beschwerdegegner den Trester bezogen hatten, diesen mittels indirekter Feuerung getrocknet, so wäre der Birnentrester nicht zu beanstanden gewesen.
Damit geht die Vorinstanz erneut von dem unzutreffenden Gesichtspunkt der Gesundheitsschädlichkeit aus. Wie bereits ausgeführt (Erw. 1a), kommt darauf nach Art. 153 und 154 StGB nichts an. Der Gesundheitsschutz ist Gegenstand der Lebensmittelgesetzgebung, während die genannten Bestimmungen auf den Schutz des Vermögens angelegt sind. Soweit daher im vorliegenden Fall eine Wertverringerung der Ware in Frage steht, ist das Verhältnis von tatsächlichem Wert und Preis massgebend
BGE 98 IV 188 S. 195
Die Vorinstanz hätte deshalb prüfen sollen, ob sich die Beschwerdegegner einerseits bewusst waren, dass sie mit der erheblichen Beimischung des Futtertresters eine Ware herstellten, die wertmässig nicht dem entsprach, was der Kunde nach ihrer Bezeichnung, ihrem Aussehen oder ihrer Aufmachung und nach dem für sie geforderten handelsüblichen Preis erwarten durfte, und ob sie anderseits eine solche Täuschung des Publikums auch wollten. Gegebenenfalls wäre abzuklären gewesen, ob sich den Beschwerdegegnern die Möglichkeit einer Täuschung nicht derart aufdrängen musste, dass ihr Handeln als Billigung derselben erscheint (BGE 89 IV 67). Da die Vorinstanz dies nicht getan hat, ist die Sache an sie zurückzuweisen, damit sie feststelle, wie es sich damit verhielt. Dabei wird sie zur Vorsatzfrage auch unter dem Gesichtspunkt der Warenverfälschung Stellung beziehen müssen, nachdem feststeht, dass die Beschwerdegegner die Birnenweggen nicht nur in ihrem Wert verringert, sondern auch in ihrer natürlichen Beschaffenheit unzulässigerweise verändert haben.

3. (...).

4. Nach der verbindlichen Feststellung des Obergerichtes hat Franz Marty ab Dezember 1967 für die Marwey AG Birnenweggen unter der Bezeichnung "Feinste Butter- und Birnenspezialität" hergestellt und vertrieben, wobei die in der Backware verarbeitete Fettsubstanz nur zu 22,7% in Butter bestand. Dennoch hat es auch in diesem Falle eine Warenfälschung und ein Inverkehrbringen gefälschter Waren objektiv und subjektiv verneint. Art. 149 Abs. 2 LMV schreibe zwar vor, dass Backwaren, deren Bezeichnung auf einen Buttergehalt schliessen lasse, mit reiner Butter und ohne Zusatz anderer Fette hergestellt werden müssten. Diese Bestimmung habe Marty eindeutig verletzt. Eine Warenfälschung habe er sich aber deswegen nicht zuschulden kommen lassen, weil das Publikum dem Qualitätshinweis "Feinste Butter- und Birnenspezialität" nur entnehme, dass bei der Herstellung der Birnenweggen auch Butter mitverwendet worden sei. Dass die Birnenweggen bei solcher Berühmung keine anderen Fette enthalten dürften, wisse der Durchschnittskäufer nicht. Er erwarte dies auch nicht, jedenfalls dort nicht, wo der Buttergehalt der Backware eine untergeordnete Rolle spiele wie bei Birnenweggen. Eine Täuschung durch die beanstandete Bezeichnung sei daher zu verneinen. Dazu komme dass Marty "die Bezeichnung" nicht zum Zwecke der Täuschung
BGE 98 IV 188 S. 196
gewählt habe, sondern zur Verbesserung des Geschmacks! Schliesslich erscheine die Behauptung des Beschwerdegegners, er habe Art. 149 Abs. 2 LMV nicht gekannt, nicht unglaubhaft, da es sich um eine ausgesprochene Spezialvorschrift handle. Diese beziehe sich wohl auf die Branche Martys; doch sei nicht anzunehmen, dass dieser bei Kenntnis der Rechtslage das Risiko einer neuen Verurteilung mit Widerruf seiner 1964 erfolgten bedingten Entlassung aus der Strafanstalt eingegangen wäre. Sei ihm aber die Unzulässigkeit der Bezeichnung "Feinste Butter-Spezialität" nicht bewusst gewesen, dann könne er diese auch nicht mit der Absicht, Handel und Verkehr zu täuschen, verwendet haben. Jedenfalls aber fehle für dieses subjektive Tatbestandsmerkmal der rechtsgenügende Beweis.
a) Dass der Beschwerdegegner mit dem Qualitätshinweis "Feinste Butter-Spezialität" gegen Art. 149 Abs. 2 LMV verstossen hat (welche Übertretung verjährt ist), anerkennt auch das Obergericht. Diese Bestimmung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Reihe anderer Vorschriften der LMV, welche auf die Verwendung des Wortes Butter Bezug haben (z.B. Art. 98 Abs. 3, 99 Abs. 1, 102 Abs. 1, 104 Abs. 1, 106 Abs. 2, 109) und aus denen sich ergibt, dass der Gesetzgeber dieses Wort allein oder in Verbindung mit anderen Bezeichnungen grundsätzlich nur zulassen wollte, wo die im betreffenden Nahrungsmittel enthaltene Fettsubstanz ausschliesslich in Milchfett, d.h. in reiner Butter besteht (nicht veröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 2. Juni 1972 i.S. Schaerer betr. "Kräuterbutter"). Dass sich der Gesetzgeber hierbei nicht nur von gesundheitspolizeilichen Überlegungen hat leiten lassen, sondern dass er auch der Täuschungsgefahr hat einen Riegel schieben wollen (s. auch Art. 54 Abs. 1 LMG, Art. 8, 15 und 18 LMV), erhellt ohne weiteres aus dem Sinn der genannten Vorschriften. Wer deshalb für ein Nahrungsmittel eine Sachbezeichnung, einen Phantasienamen oder einen Qualitätshinweis verwendet, der das Wort "Butter" oder ihm ähnliche Ausdrücke enthält, obschon die betreffende Ware hinsichtlich ihres Fettanteils nicht vollständig aus reiner Butter beteht, der begeht objektiv eine Warenfälschung gemäss Art. 153 StGB, indem er dem Publikum eine Eigenschaft des betreffenden Erzeugnisses vortäuscht, die dieses nicht hat. Das gilt entgegen der Auffassung der Vorinstanz insbesondere auch im vorliegenden Fall. Die Bezeichnung der Birnenweggen als
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"Feinste Butter-Spezialität" beinhaltete für den Durchschnittskäufer keineswegs nur die Angabe eines blossen Butterzusatzes neben anderen Fetten. Vielmehr musste jene Bezeichnung bei ihm den Eindruck erwecken, dass die betreffende Backware hinsichtlich ihres Fettanteils ausschliesslich mit Butter hergestellt wurde. Darin musste ihn die Tatsache bestärken, dass auf der Verpackung von "Feinster Butter-Spezialität" die Rede war. Inwiefern der Umstand, dass der Buttergehalt bei Birnenweggen im allgemeinen nur eine untergeordnete Rolle spielt, zu einem andern Schluss führen sollte, ist nicht ersichtlich. Gegenteils musste gerade dieses von der Vorinstanz herangezogene Moment bewirken, dass der ausdrückliche Hinweis auf die feinste Butter-Spezialität dem Käufer besonders auffiel und ihm die Vorstellung, dass es sich um ein ausschliesslich mit Butter hergestelltes Gebäck handle, erst recht aufdrängte. Dass schliesslich der Durchschnittskäufer nicht weiss, dass Birnenweggen bei der genannten Berühmung keine andern Fette als Butter enthalten dürfen, ist entgegen der Meinung des Obergerichts nach Art. 153 und 154 StGB belanglos. Nach diesen Bestimmungen kommt es nicht auf die Gesetzeskenntnis des Publikums an, sondern einzig darauf, welche Eigenschaften es aufgrund der Bezeichnung, des Aussehens oder der Aufmachung einer Ware dieser in guten Treuen beimessen darf. So betrachtet aber unterliegt es keinem Zweifel, dass im vorliegenden Fall Herstellung und Vertrieb der als "Feinste Butter-Spezialität" bezeichneten Birnenweggen nach Art. 153 und 154 StGB unzulässig war, weil dadurch beim Kunden der Eindruck erweckt wurde, es würden ihm Backwaren angeboten, deren Fettanteil ausschliesslich aus Butter bestehe, während in Wirklichkeit die Butter nur 22,7% der gesamten Fettsubstanz ausmachte. Die von Marty hergestellte und feilgebotene Backware entsprach somit nicht dem, was der Käufer nach der genannten Bezeichnung erwarten durfte. Das aber genügt zur Erfüllung des objektiven Tatbestandes (BGE 97 IV 65 mit Zitaten und das angeführte Urteil des Kassationshofes i.S. Schaerer). Die Rüge der Staatsanwaltschaft, wonach die Vorinstanz insoweit Art. 153 und 154 StGB verletzt habe, ist somit begründet.
b) Was den subjektiven Tatbestand anbelangt, so hat das Obergericht die Täuschungsabsicht verneint mit der Begründung, Marty habe die vorgenannte "Bezeichnung" nicht zum Zweck der Täuschung gewählt, wie dies der Tatbestand erheische,
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sondern zur "Verbesserung des Geschmacks". Mit dieser missglückten Formulierung wollte die Vorinstanz offenbar zum Ausdruck bringen, der Beschwerdegegner habe bei der Herstellung von Birnenweggen ein Gemisch von Butter und anderen Fetten verwendet, um dem Gebäck einen besseren Geschmack zu verleihen, und es ergebe sich daraus, dass er auch mit der gewählten Bezeichnung nicht eine Täuschung von Handel und Verkehr gewollt habe. Damit aber hat sie eine tatsächliche Feststellung getroffen, die den Kassationshof bindet, auch wenn sie im gegebenen Fall deswegen nicht voll zu überzeugen vermag, weil die Herstellung der Ware und deren Bezeichnung zweierlei sind. Der Bäcker, der einen Birnenweggen statt mit reiner Butter mit einem Fettgemisch herstellt - was an sich zulässig ist -, kann dies in der wohlgemeinten Absicht tun, dem Gebäck einen besseren Geschmack zu verleihen. Das schliesst aber nicht notwendig aus, dass derselbe Bäcker sodann bei der Bezeichnung seines Erzeugnisses wissentlich und willentlich Angaben macht, die der inneren Zusammensetzung desselben nicht entsprechen und deswegen eine Täuschungsgefahr schaffen. Man könnte sich angesichts dessen fragen, ob der Richter den Begriff der Täuschungsabsicht nicht verkennt, wenn er diese bei einer unzulässigen Warenbezeichnung einzig deswegen verneint, weil das Motiv, welches den Täter zu einer bestimmten Zusammensetzung seiner Ware veranlasst hat, nicht eine Täuschung von Handel und Verkehr gewesen ist. Indessen hielte auch bei Bejahung der Frage das angefochtene Urteil in diesem Punkte stand, weil das Obergericht es nicht bei jener zu Zweifeln Anlass gebenden Erwägung hat bewenden lassen, sondern am Schluss seiner Ausführungen zur Frage der Täuschungsabsicht allgemein festgestellt hat, es fehle jedenfalls für "dieses subjektive Tatbestandsmerkmal der rechtsgenügende Beweis". Damit ist die Sache für den Kassationshof von der tatsächlichen Seite her endgültig erledigt, und es kann deshalb auch dahingestellt bleiben, ob das weitere in diesem Zusammenhang angeführte und von der Beschwerdeführerin beanstandete Argument der Vorinstanz, wonach der Beschwerdegegner die Spezialvorschrift des Art. 149 Abs. 2 LMV nicht gekannt habe, ihm deshalb die Unzulässigkeit der Bezeichnung "Feinste Butter-Spezialität" nicht bewusst gewesen sei und er diese infolgedessen auch nicht mit Täuschungsabsicht habe verwenden können, rechtlich haltbar sei (s. BGE 97 IV 66 E. 3).
BGE 98 IV 188 S. 199

Dispositiv

Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 1 2 3 4

Dispositiv

Referenzen

BGE: 97 IV 65, 81 IV 99, 89 IV 67, 97 IV 66

Artikel: Art. 153, 154 StGB, Art. 149

BGE 98 IV 188 S. 190, Art. 243 Abs. 1 LMV, Art. 153 StGB mehr...