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Urteilskopf

114 Ib 67


10. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 8. März 1988 i.S. J. gegen Kantonales Steueramt Zürich und Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

Regeste

Fristwiederherstellung nach Art. 35 OG.
1. Wahrung der Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses bei Benutzung des Sammelauftragsdienstes der PTT (E. 1).
2. Für die Frage der Fristwiederherstellung ist das Verhalten von Hilfspersonen - hier einer Bank - der Partei selbst zuzurechnen (E. 2 und 3).

Sachverhalt ab Seite 67

BGE 114 Ib 67 S. 67
Am 9. Juli 1987 erhob J. gegen einen Entscheid der Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich vom 29. April 1987 Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Dieses forderte den Vertreter des Beschwerdeführers auf, bis spätestens am 17. August 1987 zur Sicherstellung der mutmasslichen Gerichtskosten einen Vorschuss von Fr. 8'000.-- zu bezahlen; bei Säumnis werde auf die Rechtsvorkehr nicht eingetreten.
Der Vertreter des Beschwerdeführers erteilte den Zahlungsauftrag am 12. August 1987 einer Bank in Zürich mit dem Vermerk "Valuta 16.8.1987 dringend". Die Bank belastete den Betrag von Fr. 8'000.-- dem Auftraggeber am Freitag, 14. August 1987. Zur Vergütung benutzte sie den Sammelauftragsdienst der PTT und
BGE 114 Ib 67 S. 68
leitete den Datenträger gleichentags an die Postcheckdienste der Generaldirektion PTT in Bern weiter. Dort ist der Datenträger am Montag, 17. August 1987 um 08.00 Uhr eingetroffen. Da als Fälligkeitsdatum seitens der Bank der 18. August 1987 angegeben worden war, wurde der Betrag dem Postcheck-Konto des Bundesgerichts am 18. August 1987 gutgeschrieben.
Der Beschwerdeführer stellte - vom Bundesgericht auf die erst am 18. August 1987 erfolgte Gutschrift aufmerksam gemacht - am 16. September 1987 ein Fristwiederherstellungsgesuch. Das Bundesgericht weist dieses ab und tritt auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ein aus folgenden

Erwägungen

Erwägungen:

1. Gemäss Art. 32 Abs. 3 OG gilt eine Frist nur dann als eingehalten, wenn die Handlung innerhalb derselben vorgenommen wird. Schriftliche Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist an die Stelle, bei der sie einzureichen sind, gelangen oder zu deren Handen der Schweizerischen Post übergeben sein, Analog gilt diese Regelung auch für die fristgemässe Einzahlung eines Kostenvorschusses. Auch hier wird die Frist nur gewahrt durch Einzahlung beim Bundesgericht oder bei der Schweizerischen Post, wobei im letzten Fall die Postaufgabe des - herkömmlichen - Giromandates genügt (BGE 110 V 220 E. 2; BGE 96 I 472 E. 1). Hingegen wird die Frist nicht schon gewahrt durch den Zahlungsauftrag an eine Bank oder irgendwelche Buchungsmassnahmen derselben, sondern nur, wenn diese ihrerseits die Zahlung nach den obgenannten Regeln rechtzeitig an das Bundesgericht oder die Post weiterleitet (BGE 96 I 472 E. 1). Bedient sie sich dabei des Sammelauftragsdienstes gemäss Art. 133d der Verordnung (1) zum Postverkehrsgesetz (PVV, SR 783.01), muss jeder einzelne Zahlungsauftrag ein Fälligkeitsdatum aufweisen, worunter bei Überweisung (Giro) der Tag der Gutschrift auf dem Empfängerkonto zu verstehen ist. Der Teilnehmer am Sammelauftragsdienst kann also den Tag der Gutschrift selber festlegen, womit er die Möglichkeit hat, zu bestimmen, auf welchen Zeitpunkt er die Leistung an die Post bzw. das dort verwaltete Empfängerkonto erbringen will. Dieser wesentliche Unterschied bei der Benutzung des Sammelauftragsdienstes hat zur Folge, dass die Fristwahrung an andere Voraussetzungen zu knüpfen ist, als beim herkömmlichen Giromandat. Erforderlich ist dabei, dass als Fälligkeitsdatum
BGE 114 Ib 67 S. 69
spätestens der letzte Tag der Frist eingesetzt und der Datenträger so rechtzeitig der Post übergeben wird, dass die Gutschrift auf dem Empfängerkonto nach dem ordentlichen postalischen Gang spätestens am bezeichneten Tag noch erfolgen kann (BGE 110 V 219 /20 E. 1 und 2).
Nach diesen Kriterien erfolgte die für die Fristwahrung erforderliche Gutschrift auf das Konto der Bundesgerichtskasse erst am 18. August 1987, also verspätet. Die Bank bestreitet das auch nicht, sondern macht lediglich geltend, im Gegensatz zu den Ausführungen der Post könne sie bei Benutzung des Sammelauftragsdienstes das Fälligkeitsdatum, an welchem der Betrag dem Postcheck-Konto des Begünstigten gutgeschrieben wird, nicht frei bestimmen. Das trifft insofern zu, als die Bank nicht ein Fälligkeitsdatum einsetzen kann, auf das die Gutschrift auf dem Empfängerkonto nach dem ordentlichen postalischen Gang gar nicht mehr erfolgen kann. Die Bank bestreitet jedoch die Darstellung der PTT nicht, dass sie als Fälligkeitsdatum den 18. August 1987 angegeben hatte, was zur - verspäteten - Gutschrift auf dem Postcheck-Konto des Bundesgerichts an diesem Tag führte. Die Verantwortung dafür schiebt die Bank dem Auftraggeber zu, da sie weder gewusst habe noch vom Auftraggeber ins Bild gesetzt und ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass die Zahlung dem Postcheck-Konto der Bundesgerichtskasse spätestens am 17. August 1987 hätte gutgeschrieben werden müssen.

2. Die Frage, wen die Verantwortung trifft, kann offenbleiben, wenn der Beschwerdeführer bzw. der von ihm beauftragte Prozessvertreter auch für einen Fehler der Bank einzutreten haben, die sie mit der Erfüllung einer ihnen obliegenden Prozesshandlung beauftragten.
a) Gemäss Art. 35 Abs. 1 OG kann Wiederherstellung gegen die Folgen der Versäumung einer Frist nur dann erteilt werden, wenn der Gesuchsteller oder sein Vertreter durch ein unverschuldetes Hindernis abgehalten worden ist, innert der Frist zu handeln. Der französische Text übersetzt den Begriff "Vertreter" mit "mandataire", der italienische Text mit "difensore". Ob die Bank als Vertreter im Sinne dieser Bestimmung gilt, oder ob sie als blosse Hilfsperson zu betrachten ist, für deren Handlungen sich der Beschwerdeführer oder dessen Vertreter allenfalls exkulpieren kann, ist in der Praxis kontrovers.
b) In BGE 96 I 471 ff. wurde erwogen, eine Bank, deren sich der Prozessvertreter des Beschwerdeführers für die Bezahlung des
BGE 114 Ib 67 S. 70
Kostenvorschusses bediente, sei nicht Vertreter des Beschwerdeführers im Sinne von Art. 35 OG. Das ergebe sich aus dem italienischen Text, der präziser und logischer sei (als der deutsche und französische) und darum den Vorzug verdiene. Demnach habe der Begriff des Vertreters (mandataire) in Art. 35 OG den gleichen Sinn wie in Art. 29 OG, wo von "Parteivertretern" die Rede ist (auf französisch "mandataires", auf italienisch "difensori"). Wenn ein Parteivertreter sich eines Dritten bediene sei er verantwortlich für die Sorgfalt, mit der er diesen auswählt, instruiert und überwacht. Wenn es um eine Fristwahrung gehe, begehe er keinen Fehler, sofern er unter Bekanntgabe der Frist dem Dritten den Auftrag früh genug erteile, so dass dieser ihn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge fristgemäss ausführen könne.
Die Einschränkung des Begriffs "Vertreter" in Art. 35 OG auf den Begriff "Parteivertreter" gemäss Art. 29 OG ist indessen fragwürdig. Art. 29 und Art. 35 OG regeln grundverschiedene Fragen. Art. 29 Abs. 2 OG legt fest, dass in Zivil- und Strafsachen vor Bundesgericht lediglich patentierte Anwälte sowie Rechtslehrer an schweizerischen Hochschulen als Parteivertreter auftreten können. Art. 35 OG handelt dagegen von der Wiederherstellung gegen Versäumnis, die durch die Partei selber oder durch deren Vertreter verursacht sein kann. Der deutsche Text unterscheidet klar zwischen dem engen Begriff "Parteivertreter" in Art. 29 OG und dem weiten Begriff "Vertreter" in Art. 35 OG, während der italienische und der französische Text keinen Unterschied machen. Der französische Text verwendet beide Male den weiten Begriff "mandataire", der italienische den engen Begriff "difensore". In Art. 24 Abs. 1 VwVG, der wörtlich die gleiche Bestimmung wie Art. 35 Abs. 1 OG enthält, wurde der Begriff "difensore" aber nicht beibehalten, sondern durch "rappresentante" ersetzt. Damit vermag die sich auf den engen Begriff "difensore" stützende Schlussfolgerung in BGE 96 I 472 kaum mehr zu überzeugen, wonach die Bank nicht als Vertreter im Sinne von Art. 35 Abs. 1 OG anzusehen ist.
c) Der genannte Entscheid setzt sodann voraus, dass Partei und Parteivertreter für das Verschulden ihrer Hilfspersonen nicht in gleicher Weise einzustehen haben wie für ihr eigenes Verschulden. Diese Auffassung wird aber von der Praxis im allgemeinen nicht geteilt und in einem neueren Entscheid (BGE 107 Ia 168 f.) auch klar verworfen (im nämlichen Sinne hinsichtlich der Wiedereinsetzung in den früheren Stand gemäss Art. 47 Abs. 1 Patentgesetz
BGE 114 Ib 67 S. 71
BGE 111 II 506 f. und BGE 108 II 158 f.). Danach ist das Verhalten einer Hilfsperson, deren sich die Partei oder ihr Vertreter zur Erfüllung der Kostenvorschusspflicht bedient, ihr bzw. dem Anwalt wie ein eigenes zuzurechnen (Art. 101 OR); denn wer den Vorteil habe, Pflichten durch eine Hilfsperson erfüllen zu lassen, der solle auch die Nachteile daraus tragen. Das Bundesgericht stellte zwar im konkreten Fall fest, der Anwalt habe seiner Sorgfaltspflicht bei der Instruktion des Erfüllungsgehilfen (nicht einer Bank, sondern einer Versicherung) nicht genügt, fügte aber ausdrücklich bei, dass das Ergebnis auch bei Aufwendung gehöriger Sorgfalt kein anderes gewesen wäre, weil sich diesfalls der Anwalt das in Missachtung einer klaren Anordnung bestehende Verhalten der Hilfsperson wie sein eigenes hätte anrechnen lassen müssen.
d) Die Rechtsprechung, auf die in BGE 107 Ia 169 hingewiesen wird, enthält folgende Äusserungen zur Problematik:
BGE 94 I 248 ff. bestätigt bezüglich der Wiedereinsetzung des Patentinhabers in den früheren Stand (Art. 47 Patentgesetz) die Praxis des Bundesgerichts, wonach dem Verschulden des Patentinhabers ein solches seiner Hilfsperson, namentlich eines bevollmächtigten Stellvertreters, gleichzusetzen ist. Diese Praxis stütze sich nicht nur auf Art. 101 OR, sondern auch auf die sinngemässe Anwendung von Art. 35 OG und Art. 13 BZP. Damit sei der Einwand widerlegt, die Haftung für Hilfspersonen gemäss Art. 101 OR sei ein Fall der Kausalhaftung, die im Obligationenrecht die Ausnahme bilde und daher nicht durch sinngemässe Anwendung auf Verhältnissse des öffentlichen Rechts ausgedehnt werden dürfe. Art. 101 OR wolle im übrigen nicht die Verschuldenshaftung durch eine Kausalhaftung ersetzen. sein Grundgedanke gehe vielmehr dahin, wer sich zur Ausübung von Rechten oder Erfüllung von Pflichten einer Hilfsperson bediene, statt selber zu handeln, müsse sich deren Tun und Unterlassen anrechnen lassen, wie wenn er selber gehandelt hätte. Es werde stets geprüft, ob dem Geschäftsherrn eine Verletzung seiner Pflichten vorgeworfen werden könnte, wenn er sich selber so verhalten hätte wie die Hilfsperson. Wer den Vorteil habe, seine Pflichten und Rechte durch Hilfspersonen erfüllen bzw. ausüben zu dürfen, solle auch die Nachteile daraus tragen.
In BGE 90 II 21 wurde zur Haftung für Hilfspersonen gemäss Art. 101 OR ausgeführt, der Schuldner habe für das Verhalten seiner Hilfsperson einzustehen, als ob es sein eigenes wäre, selbst
BGE 114 Ib 67 S. 72
wenn er es bei der Auswahl und Überwachung der Hilfsperson nicht an Sorgfalt habe fehlen lassen.
Nach BGE 87 IV 150 E. 2 ergibt sich aus Art. 35 OG, dass die Partei die Konsequenzen nicht nur ihrer eigenen Fehler, sondern auch jener ihres Vertreters oder eines Angestellten desselben zu tragen habe. Praktisch wurde aber dann in jenem Fall ein eigener Fehler des Anwalts selbst darin erblickt, dass dieser sich damit begnügte, am Tage vor dem Fristablauf die Beschwerdeschrift in das Diktiergerät zu sprechen und die Sekretärin schriftlich anzuweisen die Rechtsschrift am Tag des Fristablaufs zu schreiben und durch einen Büroteilhaber unterschreiben zu lassen.
In BGE 85 II 48 stellte das Bundesgericht fest, Wiederherstellung gemäss Art. 35 Abs. 1 OG sei nicht zu bewilligen, wenn die Versäumnis der Frist durch den Fehler eines Angestellten der Partei oder ihres Vertreters verursacht sei. Es obliege dem Anwalt, sein Büro so zu organisieren, dass die Frist gewahrt werde, selbst in seiner Abwesenheit. Dass diese Obliegenheit im konkreten Fall nicht erfüllt worden sei, wurde dann - in einer Art petitio principii - daraus geschlossen, dass das Büropersonal einfach vergesslich oder irrtümlich handelte, ohne in seiner Arbeit gehindert gewesen zu sein.
In BGE 78 IV 133 führte das Bundesgericht aus, die Versendung der Beschwerdebegründung in einem für eine andere Eingabe bestimmten Umschlag an die unrichtige Amtsstelle könne nicht entschuldigt werden; sie beruhe auf reiner Nachlässigkeit. Freilich sei diese nicht durch den Verteidiger selbst, sondern durch dessen Angestellte begangen worden. Da jedoch gemäss Art. 35 Abs. 1 OG der Partei das Verschulden ihres Vertreters anzurechnen sei, müsse sie auch für das Verschulden ihrer eigenen Angestellten und für jenes der Angestellten ihres Vertreters einstehen (vgl. BGE 20, 400). Das Gesetz widerspräche sich selbst, wenn es die Wiederherstellung bei Verschulden eines Angestellten gestattete, während es sie bei Verschulden des Vertreters verbiete. Entgegen BIRCHMEIER (Bundesrechtspflege, Anm. 3 zu Art. 35 OG) könne sich der Vertreter auch nicht in Analogie zu Art. 55 OR durch den Nachweis entlasten, dass er in der Auswahl und Belehrung seines Angestellten alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet habe, sonst müsste folgerichtig auch der Entlastungsbeweis zugelassen werden, dass die Partei in der Auswahl des Vertreters sorgfältig gewesen sei, was indessen dem Wortlaut des Art. 35 OG widerspräche. Wäre das Obligationenrecht im Verhältnis zwischen Partei
BGE 114 Ib 67 S. 73
und Gericht analog anzuwenden, so könnte übrigens wie im Verhältnis zwischen der Partei und ihrem Anwalt nur auf Art. 101 Abs. 1 abgestellt werden. Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechts aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson vornehmen lasse, habe nach dieser Bestimmung dem andern gegenüber für den Schaden einzustehen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursache. Einen Entlastungsbeweis sehe Art. 101 OR nicht vor.
In BGE 96 I 164 schliesslich wurde gegen den - nicht näher bewiesenen - Einwand der Prozessvertreterin, die von ihr beschäftigte Lehrtochter sei dringend angewiesen worden, die Eingabe noch am gleichen Tag der Post zu übergeben, festgehalten, die Einsprachefrist sei erst drei Tage später abgelaufen, und an diesem Tag hätte die Treuhandgesellschaft noch überprüfen können, ob die Sendung tatsächlich abgegangen sei. Da die Vertreterin der Beschwerdeführerin ihre Aufsichtspflicht nicht erfüllt habe, könne von einer unverschuldeten Hinderung, innert der Frist zu handeln, keine Rede sein.
e) Soweit in der bundesgerichtlichen Praxis zur Fristwiederherstellung untersucht wird, ob die Partei oder der Vertreter bei der Hilfsperson, welche die Fristversäumnis verursachte, die nötige Sorgfalt hinsichtlich Auswahl, Instruktion und Überwachung angewandt hat, handelt es sich um eine analoge Anwendung von Art. 55 Abs. 1 OR. Nach dieser Bestimmung haftet der Geschäftsherr für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.
Art. 55 OR bezieht sich allerdings auf die Haftung für unerlaubte Handlungen, während Art. 35 OG die unmittelbaren prozessualen Folgen der Fristversäumnis und nicht Haftungsfragen regelt. Zwar kann die Fristversäumnis durch den Vertreter zu einem Schadenersatzanspruch der Partei für den Verlust des Rechtsmittels führen, weshalb naheliegend erscheint, die dafür massgebliche Haftungsbestimmung analog für die Beurteilung der Fristversäumnis bei der Fristwiederherstellung beizuziehen, um zu verhindern, dass eine "Haftungslücke" entsteht. Der Vertreter haftet indessen gegenüber der Partei nicht aus unerlaubter Handlung, sondern aus Vertragsverletzung. In diesem Bereich besteht, anders
BGE 114 Ib 67 S. 74
als bei der Haftung aus unerlaubter Handlung, keine Exkulpationsmöglichkeit. Art. 101 Abs. 1 OR statuiert vielmehr eine umfassende Haftung für das Verhalten von Hilfspersonen. Hat aber der Vertreter der Partei den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht hat (Art. 101 Abs. 1 OR), ohne dass es darauf ankäme, ob er selber die nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat (Art. 55 Abs. 1 OR), ist nicht ersichtlich, warum für die Frage der Fristwiederherstellung nach Art. 35 OG das Verhalten von Hilfspersonen nicht dem Vertreter bzw. der Partei zugerechnet werden sollte. Entsprechend wird aber die in BGE 96 I 472 vorgenommene Einschränkung des Begriffs "Vertreter" in Art. 35 OG auf den Begriff "Parteivertreter" irrelevant.

3. Damit ergibt sich, dass die Wiederherstellung gegen die Folgen der Versäumung einer Frist gemäss Art. 35 OG auch dann nicht in Frage kommt, wenn die verspätete Zahlung des Kostenvorschusses weder durch die Partei noch deren Parteivertreter, sondern ausschliesslich durch die von diesem beauftragte Bank auf eine Weise verursacht wurde, die nicht als unverschuldetes Hindernis bezeichnet werden kann. Im vorliegenden Fall braucht daher nicht geprüft zu werden, ob die Frist infolge mangelhafter Instruktion durch den Parteivertreter oder mangelhafter Ausführung des Auftrags durch die Bank versäumt wurde.

Inhalt

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Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 1 2 3

Referenzen

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