Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Urteilskopf

93 III 11


3. Entscheid vom 16. Januar 1967 i.S. G.

Regeste

Beneficium excussionis realis (Art. 41 SchKG).
Bestellung eines Faustpfandes für die Forderungen mehrerer Gläubiger.
Verzicht eines einzelnen Gläubigers auf das Pfandrecht.
Beschwerde des Schuldners gegen die von diesem Gläubiger angehobene Betreibung auf Pfändung oder Konkurs.
Abgrenzung der Entscheidungsbefugnis der Betreibungsbehörden und der ordentlichen Gerichte mit Bezug auf die Frage, ob das Pfand die Forderungen der einzelnen Gläubiger oder nur die den Gläubigern gemeinsam zustehenden Forderungen sichere und ob der vom betreibenden Gläubiger erklärte Verzicht auf das Pfandrecht gültig sei.
Aufhebung der streitigen Betreibung.

Sachverhalt ab Seite 12

BGE 93 III 11 S. 12

A.- Fräulein G. in Zürich geriet während des Umbaues ihres Hauses in Zahlungsschwierigkeiten und in Streit mit den Bauhandwerkern und Lieferanten, zu denen die Firma Sch. & Co. gehörte. Am 13. Dezember 1957 unterzeichneten Fräulein G., der von ihr beigezogene Sachwalter W. und Architekt H. folgende Vereinbarung:
"Zur Sicherstellung der Forderungen sämtlicher Bauhandwerker und Lieferanten, welche für den Umbau ... Arbeit geleistet oder Material geliefert haben, liess Fräulein G. einen Inhaberschuldbrief per Fr. 180'000.-- im 3. Rang, mit Vorgang von Fr. 189'700.-- und mit Nachrückungsrecht bis auf Fr. 130'000.--, auf ihre Liegenschaft errichten. Als Vertreter der Gesamtheit der Gläubiger, welche eine einfache Gesellschaft bilden, haben die Herren H. und W. den Pfandvertrag unterzeichnet.
Nach gerichtlicher Mitunterzeichnung des Schuldbriefes per Fr. 180'000.-- wird dieser Titel der Zürcher Kantonalbank zugestellt zur Aufbewahrung in einem Treuhand-Depot, über welches die Herren H. und W. gemeinsam verfügungsberechtigt sind, der erstere als Treuhänder der Gläubiger und der letztere als Treuhänder der Schuldnerin."
Gemäss einer weitern, vom 5. Februar 1958 datierten Vereinbarung, die von W. im Namen und mit Vollmacht von Fräulein G., von H. als Treuhänder der Unternehmer und von Rechtsanwalt Dr. M. als Vertreter des Unternehmerausschusses unterzeichnet wurde, übergaben W. und H. den Schuldbrief,
BGE 93 III 11 S. 13
der in der Folge in den 2. Rang vorrückte, Dr. M. als Faustpfand.

B.- Am 13. Februar 1959 verurteilte der Einzelrichter für das ordentliche Verfahren beim Bezirksgericht Zürich Fräulein G., der Firma Sch. & Co. Fr. 900.-- nebst 5% Zins seit 31. Oktober 1958 und eine Prozessentschädigung von Fr. 200.-- zu bezahlen.
Hieraufbetrieb die Gläubigerin die Schuldnerin mit Zahlungsbefehl Nr. 8839 für die ihr zugesprochenen Beträge auf Faustpfandverwertung. Am 7. Juni 1960 wurde ihr für die Forderung auf Grund des Urteils vom 13. Februar 1959 definitive Rechtsöffnung erteilt, nicht dagegen für das Pfandrecht, weil dafür kein Rechtsöffnungstitel vorliege.
Statt beim ordentlichen Richter auf Feststellung des Faustpfandrechtes zu klagen,leitete die Gläubigerin gegen die Schuldnerin am 25. Juni 1962 die Betreibung Nr. 8273 auf Pfändung oder Konkurs ein. Auf Beschwerde der Schuldnerin hob die obere kantonale Aufsichtsbehörde diese Betreibung am 19. Februar 1963 auf, weil die Gläubigerin selbst die Bestellung eines Faustpfandes für die Betreibungsforderung behauptet und auf das Pfandrecht erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens verzichtet habe, so dass sich die Schuldnerin nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes (insbesondere nachBGE 77 III 100ff. und BGE 83 III 63 Erw. 3) auf das beneficium excussionis realis berufen könne.

C.- Am 28. Juli 1966 liess die Gläubigerin durch ihre Vertreterin (die das Büro des inzwischen gestorbenen Dr. M. weiterführt) der Schuldnerin eine an diese gerichtete Erklärung vom 14. Mai 1966 zustellen, wonach die Gläubigerin "auf das ihr zustehende Pfand, einen Schuldbrief über Fr. 180'000.--. .., für ihre Forderung im Umfange von Fr. 900.-- nebst Zins und Kosten verzichtet." Gleichen Tages stellte sie gegen die Schuldnerin unter Hinweis auf diesen Verzicht das Betreibungsbegehren für die erwähnte Forderung. Da der hierauf erlassene Zahlungsbefehl Nr. 7444 den Pfandverzicht nicht erwähnte, stellte das Betreibungsamt der Schuldnerin am 12. August 1966 unter Nr. 7575 einen neuen, die Verzichterklärung enthaltenden Zahlungsbefehl zu.
Die Schuldnerin erhob Rechtsvorschlag und führte Beschwerde mit dem Begehren, die Betreibung aufzuheben, weil der Schuldbrief der Gesamtheit der Bauunternehmer als einer
BGE 93 III 11 S. 14
einfachen Gesellschaft verpfändet worden sei und die Firma Sch. & Co., die sich einer Aufteilung des Pfandes widersetze und dieses zurückbehalte, für sich allein nicht gültig erklären könne, sie verzichte auf das Pfandrecht.
In Übereinstimmung mit der ersten Instanz wies die obere kantonale Aufsichtsbehörde die Beschwerde am 14. November 1966 ab, im wesentlichen mit der Begründung, die akzessorische Natur des Pfandrechtes verlange die Identität von Forderungs- und Pfandgläubiger. Ob die Forderungen der Bauunternehmer auf eine einfache Gesellschaft übergegangen seien, könne im Beschwerdeverfahren nicht geprüft werden. Die Aufsichtsbehörden hätten davon auszugehen, dass die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführerin für eine nach ihren Behauptungen ihr allein zustehende Forderung betreiben wolle, und nur zu prüfen, welche Betreibungsart anwendbar sei. Wenn eine der Beschwerdegegnerin allein zustehende Forderung pfandgesichert gewesen sei, habe die Beschwerdegegnerin auch allein auf das Pfand verzichten können. Wenn dagegen nur ein Pfandrecht zugunsten einer einfachen Gesellschaft bestellt worden sei, habe die Beschwerdeführerin vielleicht nicht allein darauf verzichten können, doch wäre in diesem Falle die von der Beschwerdegegnerin allein geltend gemachte Forderung nicht pfandgesichert und müsste der Beschwerdeführerin das beneficium excussionis realis aus diesem Grunde verweigert werden. Die Betreibungsbehörden seien nicht befugt, der Beschwerdegegnerin jede Betreibungsmöglichkeit zu verwehren, wie es die Absicht der Beschwerdeführerin sei. Sollte die Vereinbarung vom 13. Dezember 1957 den Sinn gehabt haben, die Bauunternehmer hätten vorerst das Ergebnis eines freihändigen Verkaufs des Schuldbriefes oder der Einziehung der Grundpfandforderung abzuwarten und seien erst nachher berechtigt, die Beschwerdeführerin für den auf diese Weise nicht gedeckten Teil ihrer Forderungen zu betreiben, so hätte die Beschwerdeführerin im Forderungsprozess einwenden sollen, die Forderung sei gestundet, bis die einfache Gesellschaft den Schuldbrief liquidiert und den Erlös verteilt habe. Die Aufsichtsbehörden hätten über diese Einrede nicht zu urteilen. Der Beschwerdegegnerin könne nicht vorgeworfen werden, ihr Vorgehen verstosse gegen Treu und Glauben; der Schuldbrief werde nicht von ihr, sondern von den andern Gläubigern zurückbehalten.

D.- Gegen diesen Entscheid rekurriert die Beschwerdeführerin
BGE 93 III 11 S. 15
an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung der Betreibung Nr. 7575, eventuell die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz.
In Gutheissung des Rekurses hebt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer die Betreibung Nr. 7575 auf.

Erwägungen

Erwägungen:

1. Von den Fällen der Wechselbetreibung und der Betreibung für grundpfändlich gesicherte Zinsen und Annuitäten abgesehen, hat der auf Pfändung oder Konkurs betriebene Schuldner nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes zu Art. 41 SchKG unter Vorbehalt entgegenstehender Abmachungen die Möglichkeit, durch Beschwerde die Aufhebung der Betreibung zu erreichen, wenn er in liquider Weise darzutun vermag, dass die Forderung pfandgesichert ist (sog. beneficium excussionis realis;BGE 77 III 101mit Hinweisen; vgl. auch BGE 83 III 61, BGE 84 III 69, BGE 86 III 43). Das gleiche gilt auch dann, wenn der Schuldner das Bestehen eines Pfandrechtes zwar bestreitet, aber klar nachweist, dass der Gläubiger ihm gehörende Vermögensstücke als Pfand beansprucht und ihn so an der freien Verfügung über diese Gegenstände hindert (BGE 77 III 102f.). Der Gläubiger, der sich ein Pfand bestellen liess, kann sich den Weg der Betreibung auf Pfändung oder Konkurs dadurch öffnen, dass er in der gesetzlichen Form auf das Pfandrecht verzichtet, was dem Schuldner spätestens im Zahlungsbefehl mitgeteilt werden muss (BGE 77 III 103mit Hinweisen, BGE 83 III 63 Erw. 3, BGE 87 III 53).

2. In Anwendung dieser Rechtsprechung hob die Vorinstanz die ordentliche Betreibung Nr. 8273/1962 auf, weil die Beschwerdegegnerin erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens erklärt hatte, sie verzichte auf das nach ihrer eigenen Darstellung seinerzeit errichtete Pfandrecht. Dagegen erachtet die Vorinstanz die vorliegende, ebenfalls auf Betreibung oder Konkurs gerichtete Betreibung Nr. 7575/1966 als zulässig, und zwar im wesentlichen deswegen, weil das Pfandrecht je nachdem, ob es zugunsten der einzelnen Gläubiger oder zugunsten einer einfachen Gesellschaft der Bauunternehmer bestellt worden sei, die von der Beschwerdegegnerin in Betreibung gesetzte Forderung infolge gültigen und rechtzeitig erklärten Verzichts nicht mehr sichere oder mangels Identität von Forderungs- und Pfandgläubiger nicht zu sichern vermöge.
BGE 93 III 11 S. 16
Es versteht sich von selbst, dass eine Forderung nur dann im Sinne von Art. 41 SchKG als pfandgesichert gelten kann, wenn ihr Gläubiger selber Pfandgläubiger ist. Ferner ist richtig, dass die Beschwerdegegnerin auf Grund eines rechtskräftigen Gerichtsurteils, das die Beschwerdeführerin zur Zahlung von Fr. 900.-- nebst Zins und Kosten an sie verpflichtet, eine ihr allein zustehende Forderung gegen die Beschwerdeführerin geltend macht, während die Vereinbarung vom 13. Dezember 1957 sagt, die Baugläubiger, deren Forderungen durch den zunächst in ein "Treuhand-Depot" gelegten und später dem Vertreter der Gläubiger als Faustpfand übergebenen Schuldbrief sichergestellt werden sollten, bildeten eine einfache Gesellschaft. Hieraus durfte die Vorinstanz jedoch nicht ableiten, die in Betreibung gesetzte Forderung sei nicht oder infolge der Verzichterklärung der Beschwerdegegnerin nicht mehr pfandgesichert. Aus den Vereinbarungen vom 13. Dezember 1957 und 5. Februar 1958 sowie aus der Sachdarstellung beider Parteien geht nämlich klar hervor, dass für die Forderungen der Baugläubiger, zu denen die streitige Forderung gehört, der auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin zu diesem Zweck errichtete Schuldbrief verpfändet werden sollte. Der Prozess der Beschwerdegegnerin gegen die Beschwerdeführerin bezog sich nur auf die Forderung. Mit dem Pfandrecht hatte sich der Richter nicht zu befassen. Er stellte namentlich nicht etwa fest, es bestünden nur die beiden von der Vorinstanz erwähnten Möglichkeiten: entweder sei das Pfandrecht zur Sicherung der Forderungen der einzelnen Baugläubiger errichtet worden und könne jeder derselben unabhängig von den andern für seine Forderung darauf verzichten, oder es sichere ausschliesslich die der Gesamtheit der Baugläubiger gemeinschaftlich zustehenden Ansprüche. Eine solche materiellrechtliche Feststellung von sich aus zu treffen, wären die Betreibungsbehörden höchstens dann befugt, wenn die Rechtslage in diesem Punkte ebenso liquid wäre wie hinsichtlich der - vorstehend bejahten - grundsätzlichen Frage, ob überhaupt ein Pfandrecht zugunsten der Baugläubiger bestellt worden sei. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, sondern es können auch andere als die von der Vorinstanz genannten Möglichkeiten in Betracht kommen.
a) Es ist z.B. denkbar, dass jeder einzelne Gläubiger das Pfand auf dem Betreibungswege für seine Forderung in Anspruch nehmen darf, dass aber bei der Verteilung des Pfanderlöses
BGE 93 III 11 S. 17
auf die Ansprüche der übrigen Baugläubiger Rücksicht zu nehmen ist und dass der einzelne Gläubiger nach dem Sinn der getroffenen Vereinbarungen nicht für sich allein gültig auf das Pfandrecht verzichten und gestützt darauf die Beschwerdeführerin sogleich auf Pfändung oder Konkurs betreiben darf, sondern dass ihm die ordentliche Betreibung unter allen Umständen nur für einen allfälligen Pfandausfall offen steht. Die Tatsache, dass die III. Zivilkammer des zürcherischen Obergerichtes am 25. Juni 1962 einer andern Gläubigerin das von ihr beanspruchte Pfandrecht aberkannt hat, schliesst diese Möglichkeit nicht ohne weiteres aus.
b) Die vorliegenden Vereinbarungen können unter Umständen auch den Sinn haben, dass die Baugläubiger das Pfandrecht nach Abklärung ihrer Forderungen zusammen auszuüben haben, sei es durch parallel geführte Pfandbetreibungen der einzelnen Gläubiger, sei es durch eine gemeinsame Pfandbetreibung, was die Übertragung ihrer Ansprüche an die in der Vereinbarung vom 13. Dezember 1957 erwähnte einfache Gesellschaft voraussetzen würde, da mehrere Gläubiger den gemeinsamen Schuldner nur für eine ihnen gemeinschaftlich zustehende Forderung gemeinsam betreiben können (BGE 71 III 164ff., insbesondere S. 167,BGE 76 III 91/92). In einer solchen Abmachung läge nicht eine Stundung der Forderung als solcher, die im Forderungsprozess hätte geltend gemacht werden müssen.
Angesichts dieser Möglichkeiten sind die Betreibungsbehörden nicht zur Annahme berechtigt, die Forderung der Beschwerdegegnerin, die unzweifelhaft wie die Forderungen der andern Baugläubiger durch ein Faustpfand gesichert werden sollte, seien mangels Identität von Forderungs- und Pfandgläubiger oder wegen Verzichts auf das Pfandrecht nicht oder nicht mehr pfandgesichert. Vielmehr ist die vorliegende ordentliche Betreibung mit Rücksicht auf die an und für sich klar nachgewiesene Pfandbestellung aufzuheben. Der Entscheid über die nicht liquide Frage, welche Bewandtnis es mit dem Pfandrecht im einzelnen habe, muss dem Richter überlassen bleiben. Das gilt insbesondere dann, wenn die Beschwerdegegnerin für sich allein gegen die Beschwerdeführerin eine Pfandbetreibung einleiten und die Beschwerdegegnerin ihr durch Rechtsvorschlag die Befugnis abstreiten sollte, das Pfandrecht in der geplanten Weise geltend zu machen. (Der zur Ermöglichung einer ordentlichen
BGE 93 III 11 S. 18
Betreibung erklärte Verzicht auf das Pfandrecht, dessen Wirksamkeit die Beschwerdeführerin mit der Beschwerde bestritten hat, könnte einer Pfandbetreibung der Beschwerdegegnerin nach Treu und Glauben nicht entgegengehalten werden.) Falls die Beschwerdegegnerin nach wie vor den Standpunkt einnehmen sollte, sie habe gültig auf das Pfandrecht verzichtet und brauche die Beschwerdeführerin daher nicht auf Pfandverwertung zu betreiben, hätte der Richter auf eine Feststellungsklage hin über die Wirkungen der Verzichterklärung zu entscheiden.
Wie die Dinge gegenwärtig liegen, müssen ordentliche Betreibungen ausgeschlossen werden, um zu verhüten, dass die meisten Gläubiger auf die nicht verpfändeten Vermögensstücke der Schuldnerin greifen, während andere (oder auch nur einer), die auf das Pfand nicht verzichtet haben, es in Händen behalten und so die Schuldnerin daran hindern, es für die Befriedigung aller Gläubiger heranzuziehen, wozu es nach dem klaren Parteiwillen bestimmt war.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 1 2

Referenzen

BGE: 83 III 63, 83 III 61, 84 III 69, 86 III 43 mehr...

Artikel: Art. 41 SchKG