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Urteilskopf

148 II 511


39. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_653/2021 vom 24. August 2022

Regeste

Art. 16c Abs. 2 lit. a und Art. 16cbis Abs. 2 SVG; Dauer eines ausländischen Fahrverbots als Obergrenze für die Dauer des schweizerischen Führerausweisentzugs.
Ist die betroffene Person nicht im Informationssystem Verkehrszulassung (IVZ) eingetragen, bildet die Dauer des ausländischen Fahrverbots die Obergrenze für den Entzug des schweizerischen Führerausweises für denselben Verstoss. Von dieser Erleichterung profitieren allerdings nur eigentliche Ersttäterinnen und -täter, die keinen Massnahmeneintrag aufweisen, d.h. auch keinen Eintrag, der nicht mehr kaskadenrelevant ist. Bei Zweittäterinnen und -tätern erfolgt ein Rückgriff auf das Kaskadensystem ohne Berücksichtigung der Obergrenze, falls sich der neue Regelverstoss im Ausland innert der entsprechenden gesetzlichen Fristen ereignet hat; trifft Letzteres nicht zu, ist bei Zweittäterinnen und -tätern ein Entzug ohne das Gesetzesprivileg ausserhalb der Kaskadenregelung auszusprechen (E. 3 und 4).

Sachverhalt ab Seite 512

BGE 148 II 511 S. 512

A.

A.a Die 1988 geborene A. überschritt am 30. Juni 2018 in Österreich auf der Autobahn A1 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h nach Abzug der Toleranz um 62 km/h. Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 17. September 2018 wurde sie wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ausserhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h zu einer Geldstrafe von EUR 400.00 verurteilt. Mit Mandatsentscheid vom 26. März 2019 aberkannte die Bezirkshauptmannschaft A. das Recht zum Gebrauch des ausländischen Führerausweises in Österreich für die Dauer von zwei Wochen ab Zustellung des Entscheids.

A.b Im daran anschliessenden Administrativverfahren vor dem Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau ergab sich, dass im Informationssystem Verkehrszulassung (IVZ) ein gegen A. am 26. Juni 2009 ausgesprochener Entzug des Führerausweises für einen Monat mit Verlängerung der Probezeit wegen einer mittelschweren Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz eingetragen war, der auf einen Unfall infolge eines Fahrfehlers zurückging. Mit Verfügung vom 27. August 2019 entzog das Strassenverkehrsamt A. den Führerausweis für drei Monate, unter Anrechnung eines Teilvollzugs vom 3. April 2019 bis und mit 17. April 2019. Am 2. Dezember 2020 wies
BGE 148 II 511 S. 513
das Departement Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau eine dagegen von A. erhobene Beschwerde ab.

B. Mit Urteil vom 28. September 2021 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau eine dagegen von A. eingereichte Beschwerde ebenfalls ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, umstritten sei einzig, ob aufgrund der gesetzlichen Regelung für die Dauer des schweizerischen Ausweisentzugs von der Entzugsdauer des ausländischen Fahrverbots abgewichen bzw. eine längere Dauer verfügt werden dürfe. Letzteres sei jedoch zulässig, weil die Abweichung von der im Ausland angeordneten Entzugsdauer entgegen der Auffassung von A. nicht vom Vorliegen einer früheren kaskadenrelevanten Administrativmassnahme abhänge, weshalb es sich bei ihr um eine massgebliche Wiederholungstäterin handle.

C. Dagegen führt A. beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Hauptantrag, ihr sei der Führerausweis statt für drei Monate lediglich für die Dauer von zwei Wochen zu entziehen, unter Anrechnung des bereits erfolgten Entzugs vom 3. bis 17. April 2019. (...) Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, eine Abweichung von der ausländischen Entzugsdauer sei aufgrund der geltenden gesetzlichen Regelung in der Schweiz nur zulässig, wenn gegen die gleiche Person vorweg eine Administrativmassnahme ergriffen worden sei, die dem Kaskadensystem unterliege. Da dies in ihrem Fall nicht zutreffe, sei die verfügte Entzugsdauer bundesrechtswidrig.
Das Departement Volkswirtschaft und Inneres schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Strassenverkehrsamt reichte keine separate Stellungnahme ein. Das Verwaltungsgericht verzichtete unter Verweis auf sein Urteil auf eine Vernehmlassung. Das Bundesamt für Strassen ASTRA teilte dem Bundesgericht ohne Stellung eines Antrags mit, es sei bisher davon ausgegangen, dass die kantonalen Behörden bei der Festlegung der Entzugsdauer des Führerausweises nach einer Widerhandlung im Ausland die dort verfügte Dauer des Fahrverbotes nur überschreiten dürften, wenn im IVZ kaskadenrelevante Administrativmassnahmen eingetragen seien; aufgrund unterschiedlicher, sich widersprechender kantonaler Urteile begrüsse das ASTRA eine Klärung der Rechtslage durch das Bundesgericht.
(...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Auszug)

Erwägungen

BGE 148 II 511 S. 514
Aus den Erwägungen:

3.

3.1 Im vorliegenden Fall ist der Sachverhalt unbestritten. Die Beschwerdeführerin hat am 30. Juni 2018 in Österreich die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn von 100 km/h um 62 km/h überschritten, weswegen sie strafrechtlich verurteilt und ihr ein zweiwöchiges Fahrverbot in Österreich auferlegt wurde. Die Beschwerdeführerin bestreitet auch nicht, dabei eine schwere Widerhandlung im Sinne von Art. 16c SVG begangen zu haben. Davon ist im Übrigen grundsätzlich auch nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bei einer auf der Autobahn erfolgten Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 35 km/h und mehr auszugehen (BGE 133 II 331 E. 3.1; BGE 132 II 234 E. 3; vgl. auch die Urteile des Bundesgerichts 1C_47/2012 vom 17. April 2012 E. 3.2 und 1C_144/2011 vom 26. Oktober 2011 E. 3.3). Da es keine Hinweise für eine Ausnahmesituation gibt und eine solche auch nicht geltend gemacht wird, hat die Beschwerdeführerin dabei zumindest grob fahrlässig gehandelt (vgl. die Urteile des Bundesgerichts 1C_518/2012 vom 9. Januar 2013 E. 2.3 und 1C_454/2018 vom 21. Dezember 2018 E. 3.3). Hat das Verwaltungsgericht damit die von der Beschwerdeführerin begangene Widerhandlung zu Recht als schwer im Sinne von Art. 16c SVG eingestuft, sind die Voraussetzungen für einen Führerausweisentzug in der Schweiz gemäss Art. 16cbis Abs. 1 SVG erfüllt.

3.2 Strittig ist allerdings die Rechtmässigkeit der verfügten Entzugsdauer. Der angefochtene Entscheid stützt sich insofern auf Art. 16cAbs. 2lit. a SVG, wonach der Führerausweis bei einer schweren Widerhandlung für mindestens drei Monate entzogen wird, unter Anrechnung der in Österreich bereits vollstreckten Entzugsdauer von zwei Wochen in Anwendung von Art. 16cbis Abs. 2 SVG. Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, die in Österreich verfügte Entzugsdauer von zwei Wochen dürfe nicht überschritten werden, da sie im IVZ nicht mit einer Administrativmassnahme eingetragen sei, die dem schweizerischen Kaskadensystem gemäss dem hiesigen Strassenverkehrsgesetz unterliege. Das fragliche Informationssystem enthalte zwar den Eintrag eines im Jahre 2009 verfügten einmonatigen Ausweisentzugs wegen eines mittelschweren Gesetzesverstosses. Die im Ausland festgesetzte Entzugsdauer dürfe aber nur überschritten werden, wenn die eingetragene Administrativmassnahme kaskadenrelevant sei. Da dies in ihrem Fall nicht zutreffe,
BGE 148 II 511 S. 515
dürfe ihr in der Schweiz höchstens ein Führerausweisentzug für eine Dauer auferlegt werden, welcher dem in Österreich verfügten Fahrverbot von zwei Wochen entspreche.

3.3 Das Kaskadensystem findet sich im Wesentlichen in Art. 16a Abs. 2, Art. 16b Abs. 2 lit. b-f und Art. 16c Abs. 2 lit. b-e SVG wieder. Es beruht darauf, dass die zu verfügende Entzugsdauer jeweils verlängert wird, wenn es in einem bestimmten Zeitraum vor der neu zu beurteilenden Widerhandlung bereits zu einer oder mehreren Widerhandlungen gekommen ist, wobei die Schwere und die Anzahl der Widerhandlungen eine Rolle spielen. Damit sollen Fahrzeugführer und -führerinnen, die innert bestimmter Fristen wiederholt verkehrsgefährdende Widerhandlungen begehen, härter angefasst werden (BERNHARD RÜTSCHE, in: Basler Kommentar, Strassenverkehrsgesetz, 2014, N. 12 zu Vor Art. 16-17a SVG). Für einen wie hier in Frage stehenden schweren Gesetzesverstoss sind die Bestimmungen von Art. 16c Abs. 2 lit. b-e SVG anwendbar. Der der Beschwerdeführerin im Jahre 2009 auferlegte Entzug wegen einer mittelschweren Widerhandlung stützte sich auf Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG. Für den neu zu beurteilenden Regelverstoss wäre er infolge Zeitablaufs nicht mehr erschwerend massgeblich, selbst wenn sich der Gesetzesverstoss in der Schweiz ergeben hätte. Umstritten ist, ob deswegen gegenüber der Beschwerdeführerin in der Schweiz kein Entzug ausgesprochen werden darf, der die in Österreich verfügte Dauer von zwei Wochen überschreitet. Es ist daher nachfolgend zu prüfen, welche Bedeutung dem Kaskadensystem bei der Anwendung von Art. 16cbis Abs. 2 SVG zukommt.

4.

4.1 Ein Erlass ist in erster Linie aus sich selbst heraus auszulegen, d.h. nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck, der Entstehungsgeschichte sowie der gesetzlichen Systematik. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen. Vom klaren, eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf allerdings nur abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Norm wiedergibt (BGE 143 IV 122 E. 3.2.2; BGE 142 I 135 E. 1.1.1; je mit Hinweisen).

4.2 Das Verwaltungsgericht nahm im angefochtenen Entscheid eine umfassende Auslegung von Art. 16cbis Abs. 2 Satz 3 SVG vor. Es
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hielt zusammengefasst fest, der Wortlaut der Bestimmung sei eindeutig, wonach die Entzugsdauer lediglich bei jenen Personen auf die im Ausland verfügte Dauer beschränkt sei, über die keine Daten zu Administrativmassnahmen im IVZ vorhanden seien. Aufgrund einer ausführlichen Analyse der Materialien kam die Vorinstanz zum Schluss, entstehungsgeschichtlich ergebe sich, dass der Gesetzgeber eine unterschiedliche Behandlung von Erst- und Wiederholungstätern bzw. -täterinnen beabsichtigt habe. Zwar möge sich die parlamentarische Debatte auf die Personen fokussiert haben, bei denen eine verschärfte Mindestentzugsdauer gemäss der Kaskadenregelung Anwendung finde. Der Umkehrschluss, jene Wiederholungstäter mit Registereintrag, die nicht den verschärften Mindestentzugsdauern gemäss dem Kaskadensystem unterstünden, zählten zu den privilegierten Ersttätern, sei aber nicht zulässig. Zweck der Bestimmung sei es vielmehr, Personen ohne Eintrag im Administrativmassnahmenregister milder zu bestrafen, um zu verhindern, dass solche mit ungetrübtem Leumund denjenigen mit einer einschlägigen Vorgeschichte gleichgestellt würden. Schliesslich passe sich eine solche Auslegung in systematischer Hinsicht stimmig ins gesetzliche Gesamtgefüge ein.

4.3 Die Beschwerdeführerin wendet dagegen hauptsächlich ein, die historische Auslegung belege, dass es dem Gesetzgeber auch darum gegangen sei, die Überschreitung der im Ausland verfügten Dauer des Fahrverbots selbst bei Wiederholungstätern nur im Rahmen des Kaskadensystems zuzulassen. Das Bundesamt für Strassen führt aus, bisher davon ausgegangen zu sein, dass die Dauer des ausländischen Fahrverbots nur bei kaskadenrelevanten Administrativmassnahmen überschritten werden dürfe, ohne dies näher zu erläutern.

4.4 Mit dem Verwaltungsgericht ist festzuhalten, dass der Wortlaut von Art. 16cbis Abs. 2 Satz 3 SVG eindeutig erscheint. Danach genügt ein Eintrag im IVZ, damit die ausländische Entzugsdauer überschritten werden darf, ohne dass dieser Eintrag eine besonders ausgestaltete Massnahme betreffen muss. Es kann hier offenbleiben, ob sich der Eintrag auf eine Massnahme im Zusammenhang mit einer Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften zu beziehen hat oder ob auch andere mögliche Einträge gemeint sind. Im vorliegenden Fall betrifft der Eintrag jedenfalls einen früheren Ausweisentzug wegen einer Verkehrsregelverletzung. Dem Verwaltungsgericht ist ebenfalls bei der entstehungsgeschichtlichen Auslegung
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zu folgen. Die in der Bundesversammlung diskutierte Auffassung, auf die sich die Beschwerdeführerin beruft, hat zwar zu gewissen Anpassungen beim Gesetzestext geführt, sich in der parlamentarischen Debatte im Wesentlichen aber nicht durchgesetzt. Aus den von der Vorinstanz eingehend wiedergegebenen Materialien ergibt sich nicht, dass die Abweichung von der ausländischen Entzugsdauer nur bei kaskadenrelevanten Administrativmassnahmen zulässig sein sollte, obwohl es einzelne Minderheitsvoten in diesem Sinne gegeben haben mag (siehe dazu AB 2008 N 168 ff., 283 ff. und 415 ff.sowie AB2008 S 127 ff.und 181). Auch die Beschwerdeführerin vermag solches nicht zu belegen. Eine wichtige Rolle spielte in der politischen Diskussion hingegen der Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit. Die Bundesversammlung war sich bewusst, mit der Privilegierung bei ausländischen Verkehrsregelverstössen gewisse Ungleichheiten zu schaffen, und gleichzeitig darauf bedacht, diese möglichst gering zu halten.

4.5 Das alles schliesst einen Rückgriff auf das Kaskadensystem bei der Anwendung von Art. 16cbis Abs. 2 Satz 3 SVG in sinnvoller Weise nicht aus. Der Gesetzgeber differenzierte bewusst zwischen Erst- und Wiederholungstätern und sah die gesetzliche Privilegierung nur für die ersten vor. Die günstigere Regelung für Verkehrsregelverstösse im Ausland, wenn ein dortiges Fahrverbot kürzer ausfällt als in der Schweiz, ist mithin bei Ersttätern vom Gesetzgeber gewollt (vgl. RÜTSCHE/WEBER, in: Basler Kommentar, Strassenverkehrsgesetz, 2014, N. 18 zu Art. 16cbis SVG) und zu beachten (vgl. BGE 141 II 256). Sodann ist es angebracht, auf die von dieser Sonderregelung betroffenen Personen, die innert den Fristen der Kaskadenregelung wegen eines neuen massgeblichen Gesetzesverstosses eine einschlägige Administrativmassnahme aufweisen, die entsprechenden Bestimmungen des Kaskadensystems anzuwenden (vgl. das Urteil des Bundesgerichts 1C_47/2012 vom 17. April 2012 E. 4.1). Insofern bleibt das Kaskadensystem auch bei ausländischen Fahrverboten für die Festlegung einer ergänzenden schweizerischen Administrativmassnahme massgeblich. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festhält, ist aber der Umkehrschluss, dass alle anderen Wiederholungstäter als Ersttäter zu gelten haben, die bei einer milderen ausländischen Entzugsdauer von der bevorzugten Behandlung gemäss Art. 16cbis Abs. 2 Satz 3 SVG profitieren, nicht zulässig. Liegt keine kaskadenrelevante Widerhandlung vor, ist gegenüber den betroffenen Wiederholungstätern vielmehr ein
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Entzug ausserhalb des Kaskadensystems ohne die Bevorteilung gemäss Art. 16cbis Abs. 2 Satz 3 SVG auszusprechen, namentlich, je nach Schwere des Falles, in Anwendung von Art. 16a Abs. 3 oder 4 SVG, Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG oder Art. 16c Abs. 2 lit. a oder allenfalls abis SVG. Nur schon mit Blick auf in der Schweiz erfolgte vergleichbare Verkehrsregelverstösse rechtfertigt es sich aus Gründen der Rechtsgleichheit, die bevorzugte Behandlung auf eigentliche Ersttäter zu beschränken. Dass der Gesetzgeber insofern weiter gehen und bei ausländischen Regelverstössen auch Wiederholungstäter im Vergleich mit solchen mit inländischen Widerhandlungen bevorteilen wollte, die nicht unter die Kaskadenregelung fallen, ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil wurde im Parlament ausdrücklich argumentiert, es gehe darum, zu verhindern, dass Wiederholungs- wie Ersttäter behandelt bzw. wie letztere privilegiert würden (Votum Bieri, AS 2008 S 181). Dem entsprechenden Antrag des Ständerats zum geltenden Gesetzestext schloss sich der Nationalrat in der Differenzbereinigung an (AB 2008 N 415 ff.).

4.6 Nur der Ergänzung halber sei erwähnt, dass für schweizerische Ausweisentzüge im umgekehrten Sinn hinsichtlich der Maximaldauer immer die schweizerische Regel massgeblich bleibt, selbst wenn das ausländische Fahrverbot länger ausgefallen sein sollte, wobei auch insoweit eine an den konkreten Umständen ausgerichtete angemessene Anrechnung zu erfolgen hat. Insgesamt wird die im angefochtenen Entscheid verfolgte Auslegung somit dem Wortlaut, dem Zweck sowie der Systematik des Gesetzes gerecht, steht nicht im Widerspruch zur Entstehungsgeschichte und entspricht dem Rechtsgleichheitsgebot von Art. 8 Abs. 1 BV. Sie ist nicht zu beanstanden.

4.7 Aufgrund des Eintrags eines Ausweisentzuges von einem Monat im Jahre 2009 im IVZ ist die Beschwerdeführerin nicht Ersttäterin, sondern hat als vorbelastete Wiederholungstäterin zu gelten. Die von ihr begangene schwere Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsrecht hat gemäss Art. 16c Abs. 2 lit. a SVG einen Führerausweisentzug von mindestens drei Monaten zur Folge. Die Kaskadenregelung nach Art. 16c Abs. 2 lit. b-e SVG gelangt nicht zur Anwendung, da die entsprechenden Fristen abgelaufen sind. Die Mindestentzugsdauer darf nach Art. 16cbis Abs. 2 Sätze 1 und 2 SVG in Abweichung vom Grundsatz gemäss Art. 16 Abs. 3 Satz 2 SVG unterschritten werden, soweit sich das aufgrund der Auswirkungen des ausländischen Fahrverbotes, die angemessen zu berücksichtigen
BGE 148 II 511 S. 519
sind, auf die Beschwerdeführerin rechtfertigt. Die dieser gegenüber verfügte Entzugsdauer von drei Monaten unter Abzug bzw. Anrechnung des ihr in Österreich auferlegten Fahrverbotes von zwei Wochen ist demnach nicht bundesrechtswidrig.

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Sachverhalt

Erwägungen 3 4

Referenzen

BGE: 133 II 331, 132 II 234, 143 IV 122, 142 I 135 mehr...

Artikel: Art. 16cbis Abs. 2 Satz 3 SVG, Art. 16c Abs. 2 lit. b-e SVG, Art. 16c Abs. 2 lit. a und Art. 16cbis Abs. 2 SVG, Art. 16c SVG mehr...