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Urteilskopf

149 III 431


52. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Republik Südsudan gegen A. Ltd. und B. Limited (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_575/2022 vom 7. August 2023

Regeste a

Art. 192 Abs. 1 Satz 1 IPRG; Verzicht auf Rechtsmittel; subjektive Tragweite der Schiedsklausel.
Fällt die Prüfung der subjektiven Tragweite einer Schiedsklausel und damit der Zuständigkeit des Schiedsgerichts mit der Prüfung zusammen, ob ein in der Schiedsklausel vereinbarter Rechtsmittelverzicht der betreffenden Partei subjektiv entgegengehalten werden kann, ist die Anfechtung des schiedsgerichtlichen - die Zuständigkeit bejahenden - Entscheids beim Bundesgericht zulässig (E. 2.3).

Regeste b

Art. 178 Abs. 2 IPRG; materielle Gültigkeit der Schiedsklausel.
Es genügt, wenn die Schiedsvereinbarung wenigstens einer der drei alternativ genannten Rechtsordnungen gemäss Art. 178 Abs. 2 IPRG entspricht. Unzulässig wäre eine Vermischung der Rechtsordnungen für Einzelaspekte (E. 4.3.2).

Regeste c

Art. 177 Abs. 2 IPRG; Schiedsfähigkeit; Staat als Partei.
Ein Staat kann sich einem Schiedsverfahren nicht dadurch entziehen, dass er sich gestützt auf innerstaatliches Recht auf die mangelnde Befugnis der Person respektive Institution beruft, welche für ihn die Schiedsvereinbarung unterzeichnet hat (E. 4.3.4).

Regeste d

Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG; Bindung an eine Schiedsvereinbarung bei Staatennachfolge.
Ein Staat, der im Rahmen einer völkerrechtlichen (Teil-)Sukzession die Unabhängigkeit erlangt, kann unter gewissen Voraussetzungen an eine vom Vorgängerstaat abgeschlossene Schiedsvereinbarung gebunden sein. Bindung der Republik Südsudan an eine von der Republik Sudan abgeschlossene Schiedsklausel bejaht (E. 4.4).

Sachverhalt ab Seite 433

BGE 149 III 431 S. 433

A.

A.a Die B. Limited (Klägerin 2, Beschwerdegegnerin 2) ist eine nach dem Recht der heutigen Republik Südsudan organisierte Gesellschaft mit Sitz in U. (heute: Republik Südsudan).
Die A. Ltd. (Klägerin 1, Beschwerdegegnerin 1) ist eine nach dem Recht der W. organisierte Gesellschaft mit Sitz in V. (W.). Ihr einziger Zweck ist die Investition in die Klägerin 2.

A.b Am 15. Oktober 2003 schlossen die C. Corporation (nachfolgend: C.) als Lizenzgeberin und die Klägerin 2 als Lizenznehmerin einen Lizenzvertrag (sog. "Initial Licence") für den Betrieb eines Telekommunikationsnetzwerks in einem Teil der südlichen Republik Sudan (heute: Republik Südsudan) für die Dauer von 15 Jahren. Der Vertrag wurde gleichentags mit Amendment No. 1 ergänzt.
Am 6. Oktober 2007 vereinbarten das Ministry of Technology and Postal Services for the Government of Southern Sudan und die Klägerin 2 ein Amendment No. 2 zur Initial Licence. Artikel 10 von Amendment No. 2 enthält folgende Schiedsklausel:
"All disputes arising out of, or in connection with the present License shall be amicably settled. Failing such an amicable settlement within a period of 3 (Three) months as from the date of notification by one Party to the other that a dispute has arisen, such dispute shall be finally settled under the Rules of Arbitration of the International Chamber of Commerce by one arbitrator appointed in accordance with the said Rules. The language of the arbitration shall be the English language and the place of arbitration shall be Geneva, Switzerland.
The arbitral award shall be final and binding and both Parties hereby waive any right they may have to appeal by any mean or nature or request the cancellation of any such award."
BGE 149 III 431 S. 434

A.c Gemäss Initial Licence und Amendments (alle zusammen nachfolgend: Lizenzverträge) sollten die Klägerinnen ein Telekommunikationsnetzwerk in einem Teil des Gebiets der südlichen Republik Sudan (heute: Republik Südsudan) aufbauen und betreiben. Indes kam es zu Uneinigkeiten zwischen den Parteien in Bezug auf die Projektausführung.

A.d Am 9. Juli 2011 erlangte die Republik Südsudan (Beklagte, Beschwerdeführerin) die Unabhängigkeit von der Republik Sudan.

B. Am 26. Juli 2018 leiteten die Klägerinnen ein Schiedsverfahren nach den Regeln der Internationalen Handelskammer (ICC) gegen die Beklagte ein. Sie behaupteten, Verletzungen der Lizenzverträge hätten zu Verspätungen geführt und den Betrieb sowie die Entwicklung des Telekommunikationsnetzwerks beeinträchtigt. Sie seien gezwungen gewesen, den Betrieb des Telekommunikationsnetzwerks einzustellen, und die Lizenzverträge seien widerrechtlich beendet worden. (...)
Die Beklagte bestritt die Zuständigkeit des Schiedsgerichts, die Gültigkeit der Lizenzverträge und ihre Haftung sowohl im Grundsatz als auch bezüglich der Schadensberechnung. (...)
Mit "Teilschiedsspruch" vom 10. November 2022 erklärte sich der Einzelschiedsrichter für zuständig zur Beurteilung der Streitigkeit zwischen den Klägerinnen und der Beklagten (...). Er stellte verschiedene Vertragsverletzungen resp. die Haftung der Beklagten fest (...), wies die Schiedsklage indes auch in verschiedenen Punkten ab (...) und äusserte sich zu Zinsen (...). Im Übrigen - insbesondere in Bezug auf die Schadensberechnung und Kosten - behielt der Einzelschiedsrichter den Endentscheid vor (...). (...)
Das Bundesgericht weist die von der Beklagten erhobene Beschwerde in Zivilsachen ab, soweit es darauf eintritt.
(Auszug)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. (...)

2.3 Die Beschwerdegegnerinnen machen geltend, die Parteien hätten in der Schiedsklausel auf Rechtsmittel verzichtet, weshalb auf die Beschwerde nicht einzutreten sei.

2.3.1 Hat keine der Parteien ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihren Sitz in der Schweiz, so können sie durch eine Erklärung in der Schiedsvereinbarung oder in einer späteren
BGE 149 III 431 S. 435
Übereinkunft Rechtsmittel gegen Schiedsentscheide vollständig oder teilweise ausschliessen (Art. 192 Abs. 1 Satz 1 IPRG [SR 291] in der seit 1. Januar 2021 geltenden Fassung). Der Verzicht auf eine Anfechtung ist im Prinzip auch in Bezug auf Entscheide über die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts zulässig (BGE 133 III 235 E. 4.3; BGE 131 III 173 E. 4.1 mit Hinweisen).

2.3.2 Es ist unumstritten, dass keine territoriale Bindung der Parteien zur Schweiz besteht und in der Schiedsklausel die Anfechtung des Schiedsentscheids ausgeschlossen wurde. Indes ist für einen gültigen Rechtsmittelverzicht erforderlich, dass die Parteien überhaupt an die Schiedsklausel gebunden sind. Dies wiederum ist Kern des vorliegenden bundesgerichtlichen Verfahrens. Denn die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, dass sie die massgebenden Lizenzverträge nicht unterzeichnet habe, dass daher die darin enthaltene Schiedsvereinbarung (samt Rechtsmittelverzicht) für sie nicht gelte und dass es folglich an der Zuständigkeit des Einzelschiedsrichters fehle. Die Prüfung der subjektiven Tragweite der Schiedsklausel und damit der Zuständigkeit des Einzelschiedsrichters fällt mithin mit der Prüfung zusammen, ob der Rechtsmittelverzicht der Beschwerdeführerin subjektiv entgegengehalten werden kann. In dieser Konstellation ist die Anfechtung des schiedsrichterlichen - die Zuständigkeit bejahenden - Zuständigkeitsentscheids beim Bundesgericht zulässig, ansonsten es dem Betroffenen nicht möglich wäre, sich gegen die von ihm bestrittene Anwendbarkeit der Schiedsklausel zu wehren (BGE 134 III 260 E. 3.2.4 [dort S. 266 f.]; Urteil 4A_631/2011 vom 9. Dezember 2011 E. 3.1; BERGER/KELLERHALS, International and domestic arbitration in Switzerland, 4. Aufl. 2021, S. 709 f. Rz. 1865-1869; BOOG/WIMALASENA, in: Berner Kommentar, Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht [IPRG], 2023, N. 64 zu Art. 192 IPRG; PATOCCHI/JERMINI, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 4. Aufl. 2021, N. 45 zu Art. 192 IPRG).
(...)

4. Die Beschwerdeführerin kritisiert, der Einzelschiedsrichter habe sich zu Unrecht für zuständig erklärt (Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG).
(...)

4.2 Der Einzelschiedsrichter ging in zwei Schritten vor: Er bejahte (i) zunächst den Bestand der im Jahr 2003 abgeschlossenen und im Jahr 2007 ergänzten Lizenzverträge mit gültiger Schiedsklausel und
BGE 149 III 431 S. 436
(ii) in der Folge den Übergang dieser Verpflichtungen auf die im Jahr 2011 unabhängig gewordene Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin ist mit beiden Befunden nicht einverstanden.
(...)

4.3 (...)

4.3.2 Sie bemängelt, der Schiedsspruch enthalte "keinerlei Angaben dazu [...], nach welchem der drei von Art. 178 Abs. 2 IPRG vorgesehenen Anknüpfungspunkt[e] bzw. nach welchen konkreten Rechtsgrundsätzen" der Einzelschiedsrichter das Zustandekommen der Schiedsvereinbarung geprüft habe.
Wohl hat der Einzelschiedsrichter in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich Bestimmungen einer bestimmten staatlichen Rechtsordnung zitiert. Er erwog aber einleitend, dass das Schiedsverfahren und die Schiedsvereinbarung selbst - darunter (wie aus den Nachweisen im Schiedsspruch deutlich wird) auch Bestand, Gültigkeit und Ausdehnung der Schiedsklausel - schweizerischem Recht unterstünden, wohingegen materiell das Recht der Republik Südsudan für die Entscheidung in der Sache massgebend sei.
Im Übrigen genügt es, wenn die Schiedsvereinbarung wenigstens einer der drei alternativ genannten Rechtsordnungen gemäss Art. 178 Abs. 2 IPRG - zwischen denen keine Hierarchie besteht - entspricht (BGE 129 III 727 E. 5.3.2 [dort S. 736]). Unzulässig wäre eine Vermischung der verschiedenen Rechtsordnungen für unterschiedliche Einzelaspekte (BERGER/KELLERHALS, a.a.O., S. 134 Rz. 396; GABRIEL/LANDBRECHT, in: Berner Kommentar, Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht [IPRG], 2023, N. 231 zu Art. 178 IPRG; DIETER GRÄNICHER, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 4. Aufl. 2021, N. 49 zu Art. 178 IPRG; PIERRE-YVES TSCHANZ, in: Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano, 2011, N. 73 zu Art. 178 IPRG). Dass indes der Einzelschiedsrichter so vorgegangen wäre, bringt die Beschwerdeführerin nicht vor.
(...)

4.3.4 Die Beschwerdeführerin beklagt, der Einzelschiedsrichter habe es "unterlassen, überhaupt festzustellen, auf welcher Rechtsgrundlage die Handlungen der von ihm zitierten Akteure [...] überhaupt dem Staat Sudan zuzuordnen wären". Sie bestreitet, dass die C. respektive das Ministry of Technology and Postal Services for the Government of Southern Sudan - welche "angeblich" für die Republik
BGE 149 III 431 S. 437
Sudan in den Jahren 2003 und 2007 die Lizenzverträge abgeschlossen hätten (Sachverhalt Bst. A.b) - "autorisiert" gewesen seien, innerhalb der Republik Sudan Telekommunikationslizenzen zu vergeben. Aus diesem Grund seien die Lizenzverträge einschliesslich Schiedsklausel "bereits von Anfang an ungültig".
Die Beschwerdeführerin belässt es diesbezüglich bei dieser allgemeinen Kritik, ohne sie näher zu erläutern. Darauf ist nicht einzutreten. Immerhin ist auf Art. 177 Abs. 2 IPRG hinzuweisen, wonach es einem Staat untersagt ist, unter Berufung auf sein eigenes Recht seine Parteifähigkeit im Schiedsverfahren oder die Schiedsfähigkeit einer Streitsache in Frage zu stellen. Nach der herrschenden Lehre schliesst dies auch aus, dass sich ein Staat gestützt auf innerstaatliches Recht auf die mangelnde Befugnis der Person respektive Institution beruft, welche für den betreffenden Staat die Schiedsvereinbarung unterzeichnet hat, zumindest wenn die nichtstaatliche Gegenpartei die fehlende Befugnis der für den Staat unterzeichnenden Person bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätte erkennen können (BERGER/KELLERHALS, a.a.O., S. 130 Rz. 380; MEIER/TERRAPON CHASSOT, in: Berner Kommentar, Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht [IPRG], 2023, N. 75 zu Art. 177 IPRG; CHRISTIAN OETIKER, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, Bd. II, 3. Aufl. 2018, N. 93 zu Art. 177 IPRG; POUDRET/BESSON, Comparative Law of International Arbitration, 2. Aufl. 2007, S. 189 Rz. 234; TSCHANZ, a.a.O., N. 34 zu Art. 177 IPRG; nicht abschliessend entschieden im Urteil 4P.126/1992 / 4P.128/1992 vom 13. Oktober 1992 E. 7c/aa; anders LALIVE/POUDRET/REYMOND, Le droit de l'arbitrage interne et international en Suisse, 1989, N. 10 zu Art. 177 IPRG; MABILLARD/BRINER, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 4. Aufl. 2021, N. 38 zu Art. 177 IPRG).
Soweit die Beschwerdeführerin mit ihrer Kritik die Vertretungsbefugnis der involvierten Akteure nach sudanesischem Recht beurteilt haben möchte, geht sie nach dem Gesagten fehl.

4.4

4.4.1 Sodann moniert die Beschwerdeführerin, die Schiedsvereinbarung sei entgegen der Darstellung im angefochtenen Schiedsspruch nicht auf sie übergegangen.

4.4.2 Nach dem Grundsatz der Relativität vertraglicher Verpflichtungen bindet eine Schiedsklausel in einem Schuldvertrag grundsätzlich nur die Vertragsparteien. Allerdings bejaht das Bundesgericht
BGE 149 III 431 S. 438
seit langem, dass eine Schiedsklausel unter gewissen Bedingungen auch für Personen gelten kann, die den Vertrag nicht unterzeichnet haben und darin auch nicht erwähnt werden (BGE 147 III 107 E. 3.3.1 mit Hinweisen).

4.4.3 Fest steht, dass ein Staat, der im Rahmen einer völkerrechtlichen (Teil-)Sukzession die Unabhängigkeit erlangt, bei gegebenen Voraussetzungen an eine vom Vorgängerstaat abgeschlossene Schiedsvereinbarung gebunden sein kann (Urteil 4P.126/1992 / 4P.128/1992 vom 13. Oktober 1992 E. 7c/cc/aaa). Dabei richtet sich der Übergang der Schiedsvereinbarung beziehungsweise die Bindung des neu entstandenen Staats an die vom Vorgängerstaat (form-)gültig vereinbarte Schiedsklausel nicht nach dem Formerfordernis von Art. 178 Abs. 1 IPRG, sondern nach dem materiellen Recht (BGE 145 III 199 E. 2.4 [dort S. 203 f.]).

4.4.4 Die Staatennachfolge in Verträge im Allgemeinen ist umstritten (dazu ausführlich BGE 139 V 263 E. 4 und 5). Die Beschwerdeführerin beruft sich auf die "Clean-slate-Doktrin" respektive die "Nyerere-Doktrin", wonach sich ein neuer Staat nicht an Verpflichtungen halten müsse, die "von einer Behörde eines jenen Staates eingegangen wurden, dem er zuvor angehörte". Sie setzt sich weiter mit der "Acquired-rights-Doktrin" auseinander, welche sich - so die Beschwerdeführerin - nur auf "unverfallbare oder erworbene private Rechte" beziehe und aus der sich nicht ableiten lasse, dass sie (die Beschwerdeführerin) als neuer Staat "pro futuro" an die Schiedsklausel gebunden sei.

4.4.5 Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, wie die Nachfolge in Verträge nach generellen völkerrechtlichen Grundsätzen zu behandeln wäre. Denn der Einzelschiedsrichter stellte auf einen Vertrag zwischen der Republik Sudan und der Beschwerdeführerin ab ("Economic Agreement" vom 27. September 2012), der die Verteilung von Vermögen und Verbindlichkeiten zwischen diesen beiden Staaten regelte, wie auch auf eine ministerielle Verfügung der Beschwerdeführerin. Aus alledem ergibt sich laut dem Einzelschiedsrichter "klar und unzweifelhaft" ("clear and unequivocal"), dass die Beschwerdeführerin als Staatennachfolgerin in die streitgegenständlichen Lizenzverträge samt Schiedsklausel eingetreten ist und sich im Übrigen selbst als solche betrachtet hat. In der Tat kamen die Republik Sudan und die Beschwerdeführerin überein, dass sämtliche Vermögenswerte und Verbindlichkeiten nach dem
BGE 149 III 431 S. 439
"Territorialitätsgrundsatz" zwischen den Staaten aufgeteilt werden sollten ("the two States shall treat domestic assets and liabilities in accordance with the territorial principle, by which assets and liabilities that have a domestic connection to the territory of Sudan shall be allocated along territorial lines and attributed to the respective State"). In Einklang mit diesem Grundsatz schloss der Einzelschiedsrichter, dass die das Gebiet der Republik Südsudan (also der Beschwerdeführerin) erfassenden Lizenzverträge einschliesslich der Schiedsvereinbarung der Beschwerdeführerin zugewiesen worden sind, wie dies die Beschwerdeführerin in der ministeriellen Verfügung vom 1. November 2012 selbst ausdrücklich bestätigt hat ("The above namely addressed Telecommunications Operators [incl. Beschwerdegegnerin 2] are herewith accepted as dully [sic] licensed Telecommunications Operators within the Republic of South Sudan under the terms and conditions of their original licenses, issued by the Republic of Sudan, whereas the Republic of South Sudan is acting as legal successor of the Telecommunication Corporation within the territory of South Sudan [...]." [Hervorhebungen hinzugefügt]).Die Beschwerdeführerin trägt zwar vor, das Economic Agreement sei in der vorliegenden Konstellation gar nicht "anwendbar". Inwiefern aber der Einzelschiedsrichter die im Economic Agreement vom 27. September 2012 und in der ministeriellen Verfügung vom 1. November 2012 zum Ausdruck kommenden Willenserklärungen anders hätte auslegen müssen, ist der Beschwerde nicht in konkreter, rechtsgenüglicher Weise zu entnehmen.
Die Beschwerdeführerin wendet weiter ein, dass die Beschwerdegegnerinnen als private Unternehmen nicht Vertragsparteien des Economic Agreement waren. Dies tut den vorgenannten Überlegungen aber nicht Abbruch, sondern ist einem zwischenstaatlichen Abkommen über die Staatennachfolge inhärent. Jedenfalls hat die Beschwerdeführerin (nach ihrer Unabhängigkeit) die Geschäftsbeziehung mit der Beschwerdegegnerin 2 aufrechterhalten, und zwar ausdrücklich gestützt auf die Lizenzverträge einschliesslich Amendment No. 2, welches die Schiedsklausel enthält (so etwa in einem Schreiben der Beschwerdeführerin an die Beschwerdegegnerin 2 vom 17. Mai 2013, worin es heisst "the Ministry honours the license agreement issued and the amendment done on 6th, Oct, 2007 [Amendment No. 2] respectively").
Die Beschwerdeführerin zeigt nicht auf, in welcher Hinsicht es bei dieser Ausgangslage unrichtig sein sollte, wenn der
BGE 149 III 431 S. 440
Einzelschiedsrichter auf eine Bindung an die Schiedsvereinbarung schloss, zumal sich dessen Entscheid auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu stützen vermag, namentlich auf BGE 102 Ia 574 E. 8a (siehe auch analog für den Übergang von Schiedsklauseln im Rahmen von privatrechtlichen Vertragsübernahmen BGE 147 III 107 E. 3.3.1; BGE 145 III 199 E. 2.4; BGE 129 III 727 E. 5.3.1 [dort S. 735]; BGE 128 III 50 E. 2b/bb [dort S. 55 f.]; Urteil 4P.124/2001 vom 7. August 2001 E. 2c und 2d). Damit steht fest, dass die Schiedsvereinbarung im Rahmen der Regelung der Staatennachfolge auf die Beschwerdeführerin übergegangen ist.

Inhalt

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Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 2 4

Referenzen

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