Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Urteilskopf

117 IV 181


35. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 7. Juni 1991 i.S. F. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz (Nichtigkeitsbeschwerde)

Regeste

Erschleichen einer falschen Beurkundung (Art. 253 StGB) und kantonales Steuerstrafrecht; Verhältnis.
Wer zum Zwecke der Umgehung von kantonalen Steuervorschriften eine falsche Beurkundung erschleicht, ist jedenfalls dann auch gemäss Art. 253 StGB zu verurteilen, wenn er eine Verwendung der erschlichenen öffentlichen Urkunde im nicht-fiskalischen Bereich in Kauf genommen hat.

Sachverhalt ab Seite 181

BGE 117 IV 181 S. 181

A.- W. kaufte ein Mehrfamilienhaus zum Preise von 4 Mio. Franken. In der Folge beauftragte sie ihren Freund F., Alleinaktionär der P., das Kaufsobjekt in Stockwerkeigentum aufzuteilen und dann die einzelnen Stockwerkeigentumsanteile zu verkaufen. F. realisierte den Verkauf von 9 Stockwerkeinheiten, wobei Kaufpreise von insgesamt Fr. 2'936'000.-- auf dem Notariat öffentlich beurkundet wurden. Darüber hinaus nahm er von den Käufern Schwarzzahlungen von je zwischen Fr. 20'000.-- und Fr. 50'000.-- entgegen, insgesamt Fr. 290'000.--.

B.- Das Kantonsgericht des Kantons Schwyz verurteilte F. zweitinstanzlich am 25. September 1990 wegen fortgesetzter Erschleichung einer falschen Beurkundung im Sinne von Art. 253 Abs. 1 StGB und wegen fortgesetzten versuchten (kantonalen) Steuerbetrugs im Sinne von § 94 StG/SZ in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB zu 6 Monaten Gefängnis, unter Anrechnung der Untersuchungshaft von 12 Tagen und unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs bei einer Probezeit von 3 Jahren, sowie zu einer Busse von 10'000 Franken.

C.- Der Verurteilte ficht den Entscheid des Kantonsgerichts sowohl mit staatsrechtlicher Beschwerde als auch mit eidgenössischer
BGE 117 IV 181 S. 182
Nichtigkeitsbeschwerde an. Mit der letzteren beantragt er dessen Aufhebung und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur neuen Entscheidung.
Das Kantonsgericht und die Staatsanwaltschaft beantragen in ihren Gegenbemerkungen die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. a) Das Bundesgericht hat in BGE 108 IV 27 ff. in Änderung seiner früheren Rechtsprechung erkannt, dass derjenige, welcher mit einem Urkundenfälschungsdelikt ausschliesslich Steuervorschriften umgehen will und eine - objektiv mögliche - Verwendung des Dokuments im nicht-fiskalischen Bereich auch nicht in Kauf nimmt, nur nach dem Steuerstrafrecht zu verurteilen sei. Weder die objektive Möglichkeit der Verwendung der zwecks Steuerhinterziehung gefälschten Urkunde im nicht-fiskalischen Bereich (vgl. dazu BGE 103 IV 36 ff.), noch das Wissen des Täters um diese objektive Möglichkeit (so BGE 106 IV 38 ff.) reichen nach dem zitierten Entscheid für die Anwendung von Art. 251 StGB aus; Art. 251 StGB ist nur dann neben den in Betracht fallenden Bestimmungen des Steuerstrafrechts anwendbar, wenn der Täter eine Verwendung der Urkunde im nicht-fiskalischen Bereich beabsichtigt oder zumindest in Kauf nimmt.
b) Der Beschwerdeführer macht, wie bereits vor dem Kantonsgericht, unter Berufung auf verschiedene Autoren sowie auf ein Gutachten von Prof. X. vom 21. November 1986 und ein Schreiben von Prof. Y. vom 22. Mai 1990 geltend, dass die in BGE 108 IV 27 ff. entwickelten Grundsätze betreffend das Verhältnis zwischen der Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 StGB und dem Steuerstrafrecht auch für das Verhältnis zwischen der Erschleichung einer falschen Beurkundung im Sinne von Art. 253 StGB und dem Steuerstrafrecht Gültigkeit haben müssen. Art. 253 StGB sei demnach nur dann anwendbar, wenn der Täter zumindest in Kauf genommen habe, dass die von ihm zwecks Steuerhinterziehung erschlichene unwahre öffentliche Urkunde auch im nicht-fiskalischen Bereich verwendet werde. Der Beschwerdeführer behauptet, die Vorinstanz habe diesen Nachweis nicht erbracht. Daher sei die Sache zu seiner Freisprechung von der Anschuldigung der fortgesetzten Erschleichung einer falschen Beurkundung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
BGE 117 IV 181 S. 183
c) Die Vorinstanz lehnt die Übertragung der vom Bundesgericht in BGE 108 IV 27 ff. zu Art. 251 StGB entwickelten Grundsätze auf Art. 253 StGB, insbesondere soweit Grundstückkaufverträge zur Diskussion stehen, mit ausführlicher Begründung ab. Sie weist zunächst darauf hin, dass Art. 253 StGB im Unterschied zu Art. 251 StGB keine Vorteils- bzw. Schädigungsabsicht voraussetzt, was wohl andeute, dass Art. 253 StGB den Rechtsschutz verstärken und nebst Treu und Glauben im Verkehr auch den verurkundenden Beamten bzw. die Urkundsperson davor schützen wolle, getäuscht und zur Ausstellung falscher Urkunden missbraucht zu werden. Gemäss den weiteren Ausführungen im angefochtenen Entscheid erscheint es durchaus als gerechtfertigt, auf den Täter, der zuhanden der Steuerbehörden falsche Privaturkunden produziert, einen subjektiven Massstab - Inkaufnahme einer Verwendung der Urkunde im nicht-fiskalischen Bereich - anzulegen, da er selbst entscheiden oder jedenfalls überblicken kann, ob das Falsifikat auch im nicht-fiskalischen Bereich Verwendung finden kann. Ein (falsch beurkundeter) Grundstückkaufvertrag sei demgegenüber nie ausschliesslich für die Steuerbehörden bestimmt; er gerate notwendigerweise in die Hände Dritter, zumindest auch in jene des Vertragspartners, so dass die künftige Verwendung dem Einfluss des Täters weitgehend entzogen sei; schon dies schliesse es aus, massgebend auf die Vorstellungen des Täters abzustellen. Ein falsch beurkundeter Grundstückkaufvertrag könne noch nach Jahr und Tag Rechtswirkungen haben, die für den Täter im Zeitpunkt der öffentlichen Beurkundung nicht überblickbar seien, so etwa die Verletzung von Pflichtteilen bei der Erbteilung, die Benachteiligung eines Ehegatten bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung usw.
Die Vorinstanz hält sodann in einer Eventualbegründung fest, dass der Beschwerdeführer aber selbst bei Übertragung der in BGE 108 IV 27 ff. zu Art. 251 StGB entwickelten Kriterien auf Art. 253 StGB zusätzlich zu fortgesetztem Steuerbetrugsversuch auch der fortgesetzten Erschleichung einer falschen Beurkundung schuldig zu sprechen sei. Dem Beschwerdeführer als Fachmann auf dem Immobiliensektor sei zweifellos bekannt gewesen, dass die fraglichen Grundstückkaufverträge früher oder später auch im nicht-fiskalischen Bereich eine Rolle spielen könnten und die von ihm inszenierten Falschbeurkundungen die Gefahr der Täuschung Dritter zur Erlangung illegaler Vorteile in sich bargen. Der Beschwerdeführer sei bei der Durchsetzung seines Planes, möglichst
BGE 117 IV 181 S. 184
grosse Gewinne zu erzielen, nicht zimperlich gewesen, habe die Kaufinteressenten unter Druck gesetzt und ihnen die zu leistenden Schwarzzahlungen diktiert; wer so handle, manifestiere einen intensiven deliktischen Willen und nehme ohne weiteres in Kauf, dass die erschlichenen Falsifikate später möglicherweise erneut illegalen Zwecken dienen und insbesondere zur Erlangung nicht-fiskalischer Vorteile missbraucht werden.
d) Die in der Eventualbegründung des angefochtenen Urteils enthaltene Feststellung der Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe eine Verwendung der fraglichen Grundstückkaufverträge im nicht-fiskalischen Bereich in Kauf genommen, ist tatsächlicher Natur (BGE 110 IV 22 E. 2 mit Hinweisen) und daher für den Kassationshof im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde verbindlich (Art. 273 Abs. 1 lit. b, 277bis BStP). Die Vorinstanz hat entgegen den Andeutungen in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht schon aus der abstrakten Möglichkeit der Verwendung der in bezug auf die Kaufpreise inhaltlich unwahren Kaufverträge im nicht-fiskalischen Bereich den Schluss gezogen, der Beschwerdeführer habe eine solche Verwendung in Kauf genommen, sondern sie hat diese Schlussfolgerung unter Bezugnahme auf bestimmte Umstände des konkreten Falles begründet. Dass sie nicht im einzelnen festhielt, welche Verwendungsmöglichkeiten im nicht-fiskalischen Bereich der Beschwerdeführer konkret in Kauf genommen habe, schadet angesichts der Vielzahl solcher naheliegender Möglichkeiten nicht. Ob schon die in einer Zusatzbegründung des angefochtenen Entscheides erwähnte, vom Beschwerdeführer offensichtlich in Kauf genommene, geradezu zwangsläufige Verkürzung der Notariats- und Grundbuchgebühren als Folge der Angabe von zu niedrigen Kaufpreisen die Anwendung von Art. 253 StGB zu begründen vermöge, kann hier dahingestellt bleiben. Die Verwendung eines öffentlich beurkundeten Grundstückkaufvertrages im nicht-fiskalischen Bereich liegt, und dies ist entscheidend, aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung derart nahe, dass sie sich dem Täter, und gerade einem mit dem Immobiliensektor vertrauten Täter, als so wahrscheinlich aufdrängte, dass sein Verhalten vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolges ausgelegt werden kann (BGE 101 IV 46).
e) Bei dieser Sachlage braucht vorliegend nicht geprüft zu werden, ob die Erschleichung einer falschen Beurkundung zum Zweck der Steuerhinterziehung unter bestimmten Umständen allenfalls auch dann nach Art. 253 StGB (in echter Konkurrenz mit dem in
BGE 117 IV 181 S. 185
Betracht fallenden Fiskaldelikt) bestraft werden könne, wenn der Nachweis der Inkaufnahme einer Verwendung des Dokuments im nicht-fiskalischen Bereich nicht geleistet werden kann. Zwar erbringen öffentliche Urkunden, im Unterschied zu privaten, für die durch sie bezeugten Tatsachen vollen Beweis, solange nicht die Unrichtigkeit ihres Inhalts nachgewiesen ist (Art. 9 Abs. 1 ZGB), und wird bei der Erschleichung einer falschen Beurkundung im Sinne von Art. 253 StGB der Beamte schon bei der Errichtung der Urkunde und nicht erst durch die Verwendung einer Urkunde getäuscht. Anderseits haben aber öffentlich beurkundete Rechtsgeschäfte (etwa Eheverträge) im Rechtsleben nicht eo ipso eine grössere Bedeutung als private Urkunden (etwa Bilanzen); zudem weisen Art. 14 und 15 VStrR, welche den Betrug (Art. 14), die private Urkundenfälschung im engeren Sinne (Art. 15 Ziff. 1 Abs. 1) und die Erschleichung einer falschen Beurkundung (Art. 15 Ziff. 1 Abs. 2) zum Nachteil des Bundes innerhalb des weiten Anwendungsbereiches dieses Gesetzes (vgl. Art. 1 VStrR) regeln, darauf hin, dass die Frage nach der Konkurrenz für Art. 253 StGB nicht grundsätzlich anders zu beantworten ist als für Art. 148 und 251 StGB.
f) Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen fortgesetzter Erschleichung einer falschen Beurkundung im Sinne von Art. 253 StGB verstösst somit nicht gegen Bundesrecht.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 1

Referenzen

BGE: 108 IV 27, 103 IV 36, 106 IV 38, 110 IV 22 mehr...

Artikel: Art. 253 StGB, Art. 251 StGB, Art. 253 Abs. 1 StGB, § 94 StG mehr...