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Urteilskopf

131 IV 174


25. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. A. und B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz (Nichtigkeitsbeschwerde)
6S.170/2005 vom 29. September 2005

Regeste

Art. 23 Abs. 1 al. 5 und Abs. 4 ANAG; Erleichtern des rechtswidrigen Verweilens und rechtswidriges Beschäftigen.
Wer zum Zwecke des Arbeitserwerbs mit einem Touristenvisum bzw. ohne das bei Erwerbsabsichten notwendige Visum einreist, überschreitet die Landesgrenze rechtswidrig (E. 3 und 4).
Der bewilligungsfreie Aufenthalt in der Schweiz als Tourist wird mit der Aufnahme einer nicht gemeldeten bzw. bewilligten Erwerbstätigkeit rechtswidrig (E. 4.4), sofern nicht die besonderen Bestimmungen des Freizügigkeitsabkommens gelten (E. 3.2).
Wer ausländische Prostituierte beschäftigt und beherbergt, die als Touristinnen in die Schweiz eingereist sind und über keine Aufenthalts- bzw. Arbeitsbewilligungen verfügen, erfüllt die Tatbestände des Erleichterns des rechtswidrigen Aufenthalts gemäss Art. 23 Abs. 1 al. 5 ANAG und der rechtswidrigen Beschäftigung nach Art. 23 Abs. 4 ANAG (E. 4 und 5).

Sachverhalt ab Seite 175

BGE 131 IV 174 S. 175
A. und B. betrieben in Altendorf als Mitinhaberinnen/Geschäftsführerinnen gemeinsam den Sauna- und Fitnessclub "Atlantis". Anlässlich einer Hausdurchsuchung Anfang Februar 1999 und verschiedener Personenkontrollen zwischen Januar 2000 und März 2001 konnten insgesamt 60 Frauen, mehrheitlich Staatsangehörige der tschechischen Republik und von Ungarn, sowie drei Männer überprüft werden. Die Frauen prostituierten sich in den Räumlichkeiten des Sauna- und Fitnessclubs, ohne über fremdenpolizeiliche Aufenthalts- bzw. Arbeitsbewilligungen zu verfügen, und die meisten übernachteten gegen Entgelt im Club. In der Folge wurden 62 der kontrollierten Personen mit Strafverfügungen des - zum Teil mehrfachen - Stellenantritts ohne Bewilligung und der Missachtung der Meldepflicht gemäss Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) schuldig gesprochen sowie in Anwendung von Art. 23 Abs. 6 ANAG mit Bussen bestraft. Die Strafverfügungen blieben alle unangefochten.
Mit Beschluss vom 5. Dezember 2003 stellte das Bezirksgericht March die Strafverfahren gegen A. und B. wegen "mehrfachen vorsätzlichen Beschäftigens von kontrollpflichtigen Ausländern ohne Bewilligung" gemäss Art. 23 Abs. 4 ANAG infolge Verjährung ein. Mit Urteil vom gleichen Tag sprach das Gericht A. und B. in drei Fällen je des mehrfachen Erleichterns des rechtswidrigen Verweilens von Ausländerinnen im Lande gemäss Art. 23 Abs. 1 al. 5 ANAG schuldig und bestrafte sie je zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 10 Tagen und einer Busse von 2'000 Franken.
BGE 131 IV 174 S. 176
Am 22. Februar 2005 wies das Kantonsgericht Schwyz die von beiden Verurteilten erhobenen Berufungen ab und bestätigte das angefochtene Urteil. Lediglich aus der Begründung des Entscheids geht hervor, dass das Kantonsgericht Schwyz A. und B. nur in Bezug auf zwei Ausländerinnen des Erleichterns des rechtswidrigen Aufenthaltes schuldig sprach.
A. und B. führen eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Gutheissung der Berufung und damit zu ihrer Freisprechung von Schuld und Strafe zurückzuweisen.
Das Kantonsgericht Schwyz ersucht um Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde, soweit darauf einzutreten sei, verzichtet aber auf eine weiter gehende Stellungnahme. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Die Beschwerdeführerinnen wenden ein, ihre Verurteilung verletze Bundesrecht, weil sich die beiden von ihnen beherbergten Ungarinnen rechtmässig in der Schweiz aufgehalten hätten.

2.1 Die Vorinstanz stellt für das Bundesgericht verbindlich fest (Art. 277bis Abs. 1 BStP), dass die ungarischen Staatsangehörigen D. und E. in die Schweiz einreisten und anschliessend vom 10. September 2000 bis 3. Oktober 2000 (D.) bzw. 28. Februar 2001 bis 26. März 2001 (E.) im Betrieb der Beschwerdeführerinnen der Prostitution nachgingen sowie dort gegen Entgelt übernachteten. Nach den Ausführungen im angefochtenen Entscheid wussten die Beschwerdeführerinnen, dass die zwei Frauen keine Aufenthalts- bzw. Arbeitsbewilligung hatten und sich deshalb rechtswidrig in der Schweiz aufhielten. Festgestellt ist ferner, dass die beiden Ungarinnen zwecks Arbeitserwerbs in die Schweiz einreisten, sich hier mehr als acht Tage, aber nicht länger als drei Monate, aufhielten, über keine Aufenthaltsbewilligung verfügten und keine Anmeldung bei der zuständigen Fremdenpolizeibehörde erfolgte.

2.2 Die Vorinstanz erwägt in rechtlicher Hinsicht, dass der Aufenthalt der Ungarinnen rechtswidrig war, weil sie zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit und nicht als Touristen in die Schweiz eingereist seien. Dies gelte unabhängig davon, "ob sie die formellen Einreisevoraussetzungen als Touristen (sei es visumsfrei oder mit einem Touristenvisum)" erfüllt hätten. Für Ausländer, die zur Ausübung
BGE 131 IV 174 S. 177
einer Erwerbstätigkeit einreisten, bestimme Art. 2 Abs. 1 Satz 2 ANAG, dass sie sich zur Regelung ihres Aufenthaltes innert acht Tagen, auf jeden Fall aber vor Antritt einer Stelle, bei der Fremdenpolizei anmelden müssten. Die Anwesenheit sei damit im Sinne von Satz 1 dieser Bestimmung während drei Monaten nur bewilligungsfrei, wenn sie nicht der Erwerbstätigkeit diene. Ausgehend davon ergebe sich, dass die im "Atlantis" tätigen und beherbergten Ungarinnen über eine Aufenthaltsbewilligung hätten verfügen müssen. Weil sie sich nicht innerhalb der Frist von acht Tagen bzw. vor Stellenantritt zur Regelung ihrer Anwesenheit angemeldet hätten, sei ihr Aufenthalt in der Schweiz rechtswidrig gewesen. Etwas anderes lasse sich aus BGE 128 IV 117 nicht ableiten.

3.

3.1 Wer im In- oder Ausland die rechtswidrige Ein- oder Ausreise oder das rechtswidrige Verweilen im Lande erleichtert oder vorbereiten hilft, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft. Mit dieser Strafe kann eine Busse bis zu 10'000 Franken verbunden werden; in leichten Fällen kann auch nur auf Busse erkannt werden (Art. 23 Abs. 1 al. 5 und 6 ANAG).
Nach Art. 23 Abs. 4 ANAG wird zusätzlich zu einer allfälligen Bestrafung nach Abs. 1 der Norm für jeden rechtswidrig beschäftigten Ausländer mit einer Busse bis zu 5'000 Franken bestraft, wer vorsätzlich Ausländer beschäftigt, die nicht berechtigt sind, in der Schweiz zu arbeiten. Handelt der Täter fahrlässig, so beträgt die Busse bis zu 3'000 Franken. In besonders leichten Fällen kann von einer Bestrafung Umgang genommen werden. Wenn der Täter aus Gewinnsucht handelt, ist der Richter an diese Höchstbeträge nicht gebunden.
Wer eine Person, die sich illegal in der Schweiz aufhält, nur beschäftigt, erleichtert ihr das rechtswidrige Verweilen im Lande gemäss Art. 23 Abs. 1 al. 5 ANAG nicht und erfüllt lediglich den Übertretungstatbestand des rechtswidrigen Beschäftigens von Ausländern gemäss Art. 23 Abs. 4 ANAG (BGE 118 IV 262). Ein Vergehen nach Absatz 1 der Norm liegt erst vor, wenn der Arbeitgeber einem Ausländer über die Beschäftigung hinaus das rechtswidrige Verweilen im Lande erleichtert, indem er ihn zum Beispiel beherbergt (BGE, a.a.O., E. 4).

3.2 Gemäss Art. 1a ANAG (ursprünglich Art. 1) ist der Ausländer zur Anwesenheit auf Schweizer Boden berechtigt, wenn er eine
BGE 131 IV 174 S. 178
Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitzt oder wenn er nach diesem Gesetz keiner solchen bedarf. Nach Art. 2 Abs. 1 ANAG hat sich der Ausländer vor Ablauf des dritten Monats seiner Anwesenheit in der Schweiz bei der Fremdenpolizeibehörde des Aufenthaltsortes zur Regelung der Bedingungen seiner Anwesenheit anzumelden. Ausländer, die zur Übersiedlung oder zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit eingereist sind, haben diese Anmeldung binnen acht Tagen, auf jeden Fall jedoch vor Antritt einer Stelle, vorzunehmen. Laut Art. 1 Abs. 1 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum ANAG (ANAV; SR 142.201) darf sich der rechtmässig eingereiste Ausländer während der für ihn geltenden Anmeldefrist ohne besondere behördliche Bewilligung in der Schweiz aufhalten, ebenso nach richtig erfolgter Anmeldung bis zum Entscheid über das mit ihr einzureichende Gesuch um Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung.
Das Gesetz unterscheidet somit grundsätzlich zwischen dem Aufenthaltsrecht gestützt auf eine individuell erteilte, das Recht erst begründende Bewilligung, und dem sich direkt aus dem Gesetz ergebenden Aufenthaltsrecht (Aufenthaltsrecht ex lege ). Um in den Genuss dieses Aufenthaltsrechts ex lege zu kommen, muss der Ausländer kumulativ grundsätzlich folgende Voraussetzungen erfüllen: (1) Er muss legal in die Schweiz einreisen und (2) gegebenenfalls seinen gesetzlichen Anmelde- und Bewilligungspflichten nachkommen, d.h. sich innerhalb von acht Tagen bei beabsichtigter Wohnsitznahme oder Erwerbstätigkeit in der Schweiz fremdenpolizeilich anmelden und zugleich ein Gesuch um Ausstellung einer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung stellen (MINH SON NGUYEN, Droit public des étrangers, Bern 2003, S. 171 f.; NICOLAS WISARD, Les renvois et leur exécution en droit des étrangers et en droit d'asile, Diss. Genf 1997, S. 46 f.). Besondere Regeln in Bezug auf die Anmelde- und Bewilligungspflichten und die Folgen ihrer Verletzung gelten nach dem Freizügigkeitsabkommen (Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit, in Kraft getreten am 1. Juni 2002 [SR 0.142.112.681]).

4.

4.1 Gemäss Ziffer 2 des Notenaustausches vom 7. August 1990 zwischen der Schweiz und Ungarn über die gegenseitige Aufhebung der Visumpflicht (SR 0.142.114.182) können ungarische
BGE 131 IV 174 S. 179
Staatsangehörige, die einen gültigen ungarischen Pass oder eine gültige ungarische Identitätskarte besitzen und nicht beabsichtigen, sich länger als 90 Tage in der Schweiz aufzuhalten oder dort eine Erwerbstätigkeit auszuüben, ohne Visum in die Schweiz einreisen und sich dort aufhalten.
Die Bestimmungen des ANAG galten für die beiden Ungarinnen (Art. 1 ANAG, e contrario). Sie waren nur von der Visumpflicht befreit, sofern sie - gültige Ausweispapiere vorausgesetzt - nicht länger als 90 Tage in der Schweiz blieben und in dieser Zeit keine Erwerbstätigkeit aufnahmen. Da sie zum Zwecke des Arbeitserwerbs in die Schweiz einreisten, blieben sie verpflichtet, ein Visum einzuholen. Ihre Einreise ohne Visum war rechtswidrig (vgl. Art. 3 der Verordnung vom 14. Januar 1998 über Einreise und Anmeldung von Ausländerinnen und Ausländern [VEA; SR 142.211]).
Die Vorinstanz führt in subjektiver Hinsicht aus, die Beschwerdeführerinnen hätten gewusst, dass die zwei Frauen keine Aufenthalts- bzw. Arbeitsbewilligung hatten und sich deshalb rechtswidrig in der Schweiz aufhielten. Sie stellt jedoch nicht fest, die Beschwerdeführerinnen hätten ebenfalls gewusst, dass die beiden Ungarinnen bereits rechtswidrig in die Schweiz eingereist waren. Wie es sich damit verhält, kann offen bleiben, da die Ungarinnen selbst bei einer - hypothetisch unterstellten - rechtmässigen Einreise rechtswidrig in der Schweiz verweilten.

4.2

4.2.1 Wer Prostituierte beschäftigt und beherbergt, die mit einem unrechtmässig erlangten Touristenvisum in die Schweiz eingereist sind und hier verweilen, um eine Erwerbstätigkeit auszuüben, erfüllt nach einem jüngeren Entscheid (BGE 128 IV 117 E. 9) nur den Tatbestand des Art. 23 Abs. 4 ANAG (rechtswidrige Beschäftigung) und nicht auch jenen des Art. 23 Abs. 1 al. 5 ANAG (Erleichtern des rechtswidrigen Verweilens). Das Bundesgericht hat dort erkannt, dass die Einreise und der Aufenthalt von Ausländerinnen nicht allein deshalb rechtswidrig waren, weil sie ihre Touristenvisa durch Täuschung der Behörden über den wahren Einreisezweck (Arbeitsaufnahme als Prostituierte) erwirkt hätten und einer Erwerbstätigkeit ohne die notwendige Bewilligung nachgegangen seien (BGE, a.a.O., E. 9f-i). Die Einreise und der Aufenthalt seien bis zur Aufhebung des durch Täuschung erlangten Visums rechtmässig geblieben (BGE, a.a.O., E. 9h).
BGE 131 IV 174 S. 180

4.2.2 Dieser Entscheid beruht offenbar stillschweigend auf der Annahme, ein Visum sei eine behördliche Bewilligung, in die Schweiz einzureisen und sich hier - für eine bestimmte Dauer - aufzuhalten. Beim Visum handelt es sich jedoch weder um eine Bewilligung zur Einreise (Botschaft vom 8. März 2002 zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, BBl 2002 S. 3774) noch gar zur Anwesenheit (URBAIN LAMBERCY, La répartition des compétences entre Confédération et cantons en matière de police des étrangers, Diss. Lausanne 1983, S. 108). Das Erfordernis eines Visums erlaubt vielmehr, bereits im Herkunftsland vorzuprüfen, ob die Einreisevoraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind (Botschaft, a.a.O.). Das Visum bestätigt einzig, dass bei seiner Erteilung die Einreisevoraussetzungen erfüllt sind (Art. 9 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 VEA; MINH SON NGUYEN, a.a.O., S. 162). Es dient insoweit der behördlichen Kontrolle und wird als entsprechender Vermerk mit einer Sicherheitsvignette im Reisedokument angebracht. Es enthält Angaben über Reise- und Anwesenheitszweck, Benützungsfrist, Anzahl Grenzübertritte und Anwesenheitsdauer sowie allenfalls weitere Bedingungen (Art. 9 Abs. 2 VEA), wobei die Ausländerin oder der Ausländer an den im Visum festgelegten Reise- und Aufenthaltszweck gebunden ist (Art. 11 Abs. 3 VEA). Gemäss Art. 15 VEA kann das Bundesamt die Grenzkontrollorgane anweisen, ein Visum formlos aufzuheben, wenn nachträglich festgestellt wird, dass die Einreisevoraussetzungen nach Art. 1 VEA nicht erfüllt sind. Die Grenzkontrollorgane heben von sich aus ein Visum formlos auf, wenn die Ausländerin oder der Ausländer a. ein falsches, verfälschtes oder nicht für sie oder ihn bestimmtes Ausweispapier verwendet oder b. eine im Visum eingetragene Bedingung nicht erfüllt.
Aus den dargelegten gesetzlichen Bestimmungen kann nicht ge schlossen werden, dass ein zwecks Arbeitserwerbs mit einem Touristenvisum in die Schweiz eingereister Ausländer die Grenze rechtmässig überschreiten und bis zur Aufhebung des Visums rechtmässig in der Schweiz verweilen würde (anders aber BGE 128 IV 117 E. 9h). Das Visum berechtigt vielmehr nur zum Grenzübertritt, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen wie z.B. der Reisezweck tatsächlich erfüllt sind. Wurde ein Visum etwa durch Täuschung über den Einreisezweck unrechtmässig erwirkt, sind die gesetzlichen Einreisevoraussetzungen nicht erfüllt und damit sowohl die Einreise als auch der folgende Aufenthalt rechtswidrig. Einer Aufhebung des Visums bedarf es insoweit nicht. In diesem
BGE 131 IV 174 S. 181
Sinne verhält es sich beim Visum anders als bei einer Bewilligung, die - Nichtigkeitsgründe vorbehalten - bis zu ihrem formellen Widerruf gültig bleibt.

4.3 Die beiden Ungarinnen sind als Touristinnen eingereist, wofür nach dem Notenaustausch mit Ungarn vom 7. August 1990 ein Visum nicht erforderlich gewesen wäre. Sie hätten zwar eines Visums bedurft, weil sie die Absicht hatten, eine Erwerbstätigkeit in der Schweiz auszuüben. Da aber nicht feststeht, dass die Beschwerdeführerinnen gewusst haben, dass die von ihnen beherbergten Ungarinnen bereits bei der Einreise die Absicht hatten, erwerbstätig zu sein, ist weiter zu prüfen, ob - rechtmässige Einreise unterstellt - der Aufenthalt rechtswidrig geworden ist.

4.4 Bevor die beiden Ausländerinnen in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit aufnahmen, waren sie verpflichtet, sich bei der zuständigen Fremdenpolizeibehörde anzumelden und um eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung nachzusuchen (Art. 1a ANAG; Art. 1 Abs. 1 ANAV). Es lag keine Ausnahme vor, welche sie von der Anmeldepflicht nach Art. 2 Abs. 1 ANAV befreit hätte. Ohne Aufenthaltsbewilligung oder richtig erfolgter Anmeldung waren sie zur Anwesenheit auf Schweizer Boden nicht berechtigt (Art. 1a ANAG), da der Aufenthalt bis zu drei Monaten ihnen ohne ausländerrechtliche Bewilligung nur erlaubt war, sofern sie keiner Erwerbstätigkeit nachgingen. Sowohl das Erfordernis einer (rechtsbegründenden) Arbeitsbewilligung vor Stellenantritt als auch der Anmeldung innerhalb von acht Tagen nach der Einreise bzw. vor einem Stellenantritt sind keine blossen Ordnungsvorschriften. Vielmehr führt deren Missachtung in der hier zu beurteilenden Sachverhaltskonstellation zum Ausschluss des Rechts auf bewilligungsfreie Einreise in die Schweiz bzw. zum Untergang des (bewilligungsfreien) Anwesenheitsrechts. Ihr Aufenthalt war somit spätestens mit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit rechtswidrig, was etwa auch bei einem Aufenthalt in der Schweiz nach Ablauf des bewilligungsfreien oder des bewilligten zeitlich befristeten Aufenthaltes gilt (zu Letzterem vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. a ANAG).
Entgegen einer Lehrmeinung wird damit keine unzulässige Ungleichbehandlung zwischen den zwei Arten von Anwesenheit - bewilligungsfreie und bewilligte - geschaffen (so aber VALENTIN Roschacher, Die Strafbestimmungen des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931
BGE 131 IV 174 S. 182
[ANAG], Diss. Zürich 1991, S. 57 f.). Das Gesetz unterscheidet nicht verschiedene Formen der Rechtswidrigkeit eines Aufenthaltes. Ein Aufenthalt ist entweder rechtmässig oder rechtswidrig. Etwas Drittes gibt es nicht. Zwar ist richtig, dass die Aufenthaltsbewilligung einer ausländischen Person, die sich an eine Bedingung der ihr erteilten Bewilligung nicht hält, zum Beispiel als Student einer Erwerbstätigkeit nachgeht, nicht automatisch erlischt und die Fremdenpolizeibehörde die Bewilligung nur widerrufen kann (Art. 9 Abs. 2 ANAG). Ähnliches gilt bei Scheinehen und einer in der Folge erteilten Aufenthaltsbewilligung (vgl. BGE 125 IV 148). Es trifft auch zu, dass Ausländer zur Ausreise verpflichtet sind, wenn ihnen eine Bewilligung oder die Verlängerung einer solchen verweigert wurde und wenn die Bewilligung widerrufen oder entzogen wurde, sowie die Behörden in diesen Fällen den Tag festsetzen, an dem die Aufenthaltsberechtigung aufhört (Ausreisefrist; Art. 12 Abs. 3 ANAG); in diesen Fällen wird der Aufenthalt erst nach unbenutztem Ablauf der verfügten Ausreisefrist rechtswidrig. Die unterschiedliche Behandlung dieser Fälle im Vergleich zu den hier zu beurteilenden Konstellationen stützt sich jedoch auf sachliche Gründe. Der Ausländer, der in Verletzung seiner Anmelde- und Bewilligungspflichten in der Schweiz einer Erwerbstätigkeit nachgeht, hat sich im Unterschied zu den genannten Fällen nicht um eine Regelung seines Aufenthaltes bemüht und sich damit anders als diese vollständig der behördlichen Kontrolle und gegebenenfalls dem behördlichen Zugriff entzogen. Die staatliche Kontrolle dient nicht nur der Bekämpfung der Schwarzarbeit in der Schweiz, sondern hat in erster Linie zum Ziel, die Einreise und den Aufenthalt unerwünschter Personen und übermässig vieler Personen zu verhindern sowie den rechtswidrigen Aufenthalt von Ausländern insbesondere mittels Durchsetzung der gesetzlichen Anmelde- und Bewilligungspflichten zu bekämpfen (BGE 128 IV 117 E. 9f mit Hinweisen). Die Anmelde- und Bewilligungspflichten dienen somit vorab der Kontrolle der Einwanderungsströme und der Verhinderung gesetzeswidriger Aufenthalte ausländischer Personen. Daran vermag nichts zu ändern, dass der Gesetzgeber mit der Gesetzesnovelle vom 9. Oktober 1987, in Kraft seit 1. März 1998 (AS 1988 S. 332, 333; BBl 1986 III 244), die Strafbestimmungen des ANAG mit Blick auf die verstärkte Bekämpfung der Schwarzarbeit erweitert hat (vgl. aber BGE 128 IV 117 E. 9f).

4.4.1 Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der Aufenthalt der beiden Ungarinnen nach der klaren Konzeption des Gesetzes spätestens ab
BGE 131 IV 174 S. 183
Aufnahme ihrer Erwerbstätigkeit rechtswidrig im Sinne von Art. 23 Abs. 1 al. 4 ANAG (rechtswidriges Betreten des Landes oder rechtswidriges Verweilen im Lande) war.

5. Die Beschwerdeführerinnen haben die beiden ungarischen Frauen in ihrem Betrieb als Prostituierte arbeiten lassen und sie gegen Entgelt beherbergt. Eine der Frauen hielt sich vom 28. Februar 2001 bis zur Personenkontrolle durch die Polizei am 26. März 2001 im "Atlantis" auf und arbeitete dort während rund 20 Tagen als Prostituierte. Die andere Ungarin wohnte während drei Wochen im "Atlantis" und prostituierte sich dort in dieser Zeit. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 277bis Abs. 1 BStP) wussten die Beschwerdeführerinnen, dass die beiden Frauen über keine Aufenthalts- bzw. Arbeitsbewilligungen verfügten und sich somit rechtswidrig in der Schweiz aufhielten. Gestützt darauf hat die Vorinstanz im Einklang mit der publizierten Rechtsprechung, auf die verwiesen werden kann (BGE 130 IV 77), den objektiven und subjektiven Tatbestand des Erleichterns des rechtswidrigen Aufenthaltes im Sinne von Art. 23 Abs. 1 al. 5 ANAG als erfüllt erachtet. Eine Verletzung von Bundesrecht ist zu verneinen.

Inhalt

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Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 2 3 4 5

Referenzen

BGE: 128 IV 117, 118 IV 262, 125 IV 148, 130 IV 77

Artikel: Art. 23 Abs. 4 ANAG, Art. 1a ANAG, Art. 277bis Abs. 1 BStP, Art. 1 VEA mehr...