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Urteilskopf

112 II 347


58. Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. Juni 1986 i.S. H. gegen S. AG (Berufung)

Regeste

Auftrag oder ausservertragliches Handeln? Passivlegitimation.
Das Ersuchen um Schätzung eines Kunstgegenstandes durch ein Unternehmen, das auf den Handel mit Kunstgut spezialisiert ist, ist hier als Auftrag zu werten (E. 1a und b).
Passivlegitimation, wenn die schweizerische Tochtergesellschaft für die Begutachtung das ausländische Mutterhaus beizieht (E. 1c).
Haftung des Beauftragten bei erlaubter Substitution.
Substituiert der Beauftragte im eigenen Interesse, haftet er gemäss Art. 101 Abs. 1 OR; nur wenn er im Interesse des Auftraggebers einen Spezialisten beizieht, beschränkt sich die Haftung im Sinne von Art. 399 Abs. 2 OR (E. 2).
Umfang der Haftung; Art. 44 und 99 Abs. 2 OR.
In der Unentgeltlichkeit und dem hohen Risiko einer Fehlschätzung, das den Klägern bewusst sein musste, kann eine stillschweigende Beschränkung der Haftung gesehen werden (E. 3).

Sachverhalt ab Seite 348

BGE 112 II 347 S. 348

A.- Die Eheleute H. besassen eine Lampe von Emile Gallé, für die ihnen A. am 29. November 1977 Fr. 15'000.-- anbot. A. befristete das Angebot bis zum 10. Dezember. Die Eigentümer wollten die Lampe zuerst durch Sachverständige schätzen lassen. Anfangs Dezember sprach Frau H. zu diesem Zweck bei der S. AG in Zürich vor, wo sie von Fräulein V. empfangen wurde. Am 6. Dezember setzte sie sich wieder mit dieser Angestellten der Firma in Verbindung und ersuchte um Schätzung der Lampe bis zum 10. Dezember. Die Angestellte antwortete ihr, dass die Lampe von der Firma S. in London anhand einer guten Fotografie geschätzt werden müsse. Sie versprach ihr, die Anfrage an die S. London weiterzuleiten, sobald sie die Fotografie erhalte; sie konnte ihr aber nicht zusichern, dass die Schätzung bis zum 10. Dezember vorliege.
Noch am gleichen Tag schrieb Frau H. der Firma S. in Zürich einen Brief, dem sie eine Fotografie der Lampe beilegte. Sie nahm
BGE 112 II 347 S. 349
einleitend Bezug auf das Gespräch mit Fräulein V. und fügte bei, dass die Lampe sich in einwandfreiem Zustand befinde und ein Sammler ihr dafür ein Angebot von Fr. 15'000.-- gemacht habe, das er bis zum 10. Dezember aufrechterhalte. Sie ersuchte die Firma, die Fotografie sogleich nach London zu senden und ihr den Schätzungspreis telefonisch mitzuteilen. S. Zürich leitete die Fotografie am 7. Dezember als Eilsendung an S. London weiter. Am 9. Dezember erkundigte sich Frau H. bei Fräulein V. nach dem Schätzungswert, der noch nicht vorlag. Die Angestellte rief sogleich London an, wo man die Fotografie aber noch nicht erhalten hatte. Sie beschrieb deshalb dem Experten G. telefonisch die Lampe, ohne deren Ausmasse zu erwähnen. G. schätzte sie auf £ 2'000 bis 3'000. Fräulein V. teilte Frau H. umgehend mit, dass der Schätzungspreis umgerechnet 8'000 bis 12'000 Franken betrage, wovon 10% Kommission abgezogen würden. Am 17. Dezember verkauften die Eheleute H. die Lampe für Fr. 16'500.-- an A.
Anfangs Februar 1978 fiel dem Gallé-Experten der S. London die Fotografie der Lampe in die Hände. Er schloss daraus, dass es sich nicht um eine Serienlampe handeln könne, sondern dass eine Einzelausfertigung vorliegen müsse. Er gab am 6. Februar dem Direktor der S. Zürich davon Kenntnis, der seinerseits sogleich die Eheleute H. unterrichtete und den Wert der Lampe nun auf 30'000 bis 40'000 Franken schätzte. Er bat sie, das Missgeschick zu entschuldigen, und erklärte sich bereit, die Lampe zurückzukaufen. Dies war jedoch nicht mehr möglich, da A. sie bereits weiterveräussert hatte.

B.- Mit Schreiben vom 3. Dezember 1982 an die S. Zürich kamen die Eheleute H. auf die Sache zurück und forderten von ihr Fr. 233'500.-- Schadenersatz nebst Zins; sie hätten nämlich inzwischen erfahren, dass für Gallé-Lampen wesentlich höhere Preise erzielt würden. Da die S. Zürich jede Schuldpflicht bestritt, klagten sie die Forderung nebst Zins im September 1983 ein.
Das Handelsgericht des Kantons Zürich schützte die Klage am 25. Februar 1985 im Betrage von Fr. 19'500.-- nebst 5% Zins seit 27. September 1983 und wies sie im übrigen ab.
Die Kläger führten dagegen Nichtigkeitsbeschwerde, die vom Kassationsgericht des Kantons Zürich am 27. September 1985 abgewiesen wurde.

C.- Gegen das Urteil des Handelsgerichts haben die Kläger auch Berufung eingelegt. Sie beantragen sinngemäss, das angefochtene Urteil wegen Verletzung von Bundesrecht aufzuheben
BGE 112 II 347 S. 350
und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Beklagte hat sich der Berufung mit dem Antrag angeschlossen, die Klage abzuweisen.
Jede Partei widersetzt sich zudem dem Antrag der andern.

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die Kläger gehen mit dem Handelsgericht davon aus, dass zwischen den Parteien ein Auftragsverhältnis bestanden habe und die Beklagte ihnen daraus für das Verhalten ihrer Hilfspersonen hafte. Die Beklagte lässt weder das eine noch das andere gelten. Sie wirft dem Handelsgericht vor, im Schreiben der Klägerin vom 6. Dezember 1977 zu Unrecht einen Auftrag zu erblicken; jedenfalls habe sie ihn nicht angenommen oder sei ein Vertrag höchstens mit S. London zustande gekommen.
a) Das Bundesgericht hat bisher eine Auskunft, die weder in Ausübung eines Gewerbes noch sonst gegen Entgelt erteilt wird, nicht als Erfüllung einer vertraglich übernommenen Pflicht, sondern als ausservertragliches Handeln gewertet. Es hat selbst bei Bankauskünften, die ein Kunde unabhängig von einem bestimmten Geschäft erbittet und erhält, nicht anders entschieden. Der Umstand, dass in der neueren Lehre teils eine vertragliche Haftung für ungenaue Auskünfte befürwortet wird, hat bisher nicht zu einer Überprüfung dieser Rechtsprechung geführt (BGE 111 II 473 E. 2 mit Hinweisen auf Lehre und frühere Entscheide; ferner die Übersicht bei Willi Fischer, Dritthaftung für freiwillige falsche Auskünfte, Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft, 83/1984, S. 19 ff.). Dazu besteht auch im vorliegenden Fall kein Anlass, da hier schon aus dem gegenseitigen Verhalten der Beteiligten und aus der Tatsache, dass es um die Schätzung eines bestimmten Wertgegenstandes ging, den die Kläger möglichst günstig verkaufen wollten, auf ein Vertragsverhältnis zu schliessen ist.
Die Klägerin hat in ihrem Schreiben vom 6. Dezember 1977 unmissverständlich erklärt, dass sie eine "Begutachtung und Schätzung" der Lampe benötigte, um sich über das Kaufsangebot eines Sammlers Klarheit zu verschaffen. Sie konnte sich dabei auf das vorausgehende Telefongespräch mit Fräulein V. berufen, hatte sie dabei von der Angestellten doch erfahren, dass bei S. London eine Schätzung der Lampe anhand einer guten Fotografie
BGE 112 II 347 S. 351
möglich sei. Das Handelsgericht hat daher im Brief der Klägerin vom 6. Dezember zu Recht eine Offerte zum Abschluss eines Vertrages erblickt. Die Beklagte hat die Offerte, wie aus dem Verhalten ihrer Angestellten erhellt, auch angenommen. Fräulein V. hat die Fotografie, wie versprochen am 7. Dezember nach London weitergeleitet, sich dort am 9. Dezember telefonisch nach dem Schätzungswert erkundigt, dem Experten G. die Lampe am Telefon beschrieben und dessen Beurteilung des Kunstgegenstandes umgehend der Klägerin mitgeteilt. Unter diesen Umständen geht es nicht an, dass eine Firma wie die Beklagte, die nach ihren Statuten insbesondere mit Kunstgut handelt und Kunstauktionen veranstaltet, selbst eine stillschweigende Einigung über die Begutachtung und Schätzung der Gallé-Lampe weiterhin zu bestreiten sucht.
b) Dass die Beklagte angeblich nicht wissen konnte, ob eine Schätzung der Lampe bis zum 10. Dezember möglich sei, schliesst eine Einigung im Sinne von Art. 1 Abs. 2 OR nicht aus, zumal sie noch innert der vorgesehenen Frist, wenn auch auf Drängen der Klägerin, einen Schätzungswert genannt hat. Selbst wenn man einräumen wollte, sie habe den Auftrag wegen der kurzen Frist unter einem stillen Vorbehalt angenommen, wäre dieser Vorbehalt am 9. Dezember, als Fräulein V. die Klägerin über die Meinung des Experten unterrichtete, dahingefallen. Dies gilt um so mehr, als ein Erfolg als solcher nicht zu den Begriffsmerkmalen des einfachen Auftrags gehört. Der Beauftragte verspricht nur, im Interesse des Auftraggebers in einer bestimmten Richtung tätig zu werden. Das hat die Beklagte hier aber nicht nur versprochen, sondern auch getan.
Fehl geht auch der Einwand, es sei undenkbar, dass eine Partei einen Vertrag abschliessen wolle, der ihr bloss Nachteile, aber keine Vorteile bringe. Die Beklagte ist wegen ihrer Fachkenntnisse im Handel mit Kunstgegenständen um eine Begutachtung und Schätzung der Lampe gebeten worden. Offensichtlich wollte sie sich deshalb auch nicht mit einer beiläufigen Auskunft begnügen, bestand sie doch darauf, dass das Begehren der Klägerin samt einer Fotografie der Lampe einem Experten der S. London unterbreitet werden müsse. Das zeigt, dass sie an einer seriösen Schätzung selber interessiert war. Sie hatte daher gemäss Art. 39 Abs. 3 OR grundsätzlich Anspruch auf eine Vergütung, da es üblich sein dürfte, dass solche Schätzungen honoriert werden (vgl. BGE 82 IV 147 E. 2a; Hofstetter, in Schweiz. Privatrecht, Bd. VII/2 S. 59).
BGE 112 II 347 S. 352
Dazu kommt, dass sie nachher mit einem Verkaufsauftrag rechnen durfte, aus dem sich für sie, wie aus dem Telefongespräch ihrer Angestellten mit der Klägerin vom 9. Dezember 1977 erhellt, eine weitere Vergütung ergeben hätte. Der Umstand sodann, dass der Experte zunächst den Wert der Lampe verkannt und ihr dadurch Schwierigkeiten bereitet hat, betrifft nicht den Abschluss, sondern die Erfüllung des Vertrages; damit die Einigung widerlegen zu wollen, geht daher nicht an.
Dass Fräulein V. nicht zeichnungsberechtigt war, hilft der Beklagten ebenfalls nicht. Das Schreiben der Klägerin vom 6. Dezember 1977 war nicht an diese Angestellte, sondern an die Beklagte gerichtet, und zwar aus Gründen, die dem Schreiben selber zu entnehmen sind. Die Klägerin durfte deshalb nach Treu und Glauben davon ausgehen, dass Fräulein V. sowohl im Geschäftsverkehr mit S. London wie in den Gesprächen mit ihr als Hilfsperson der Beklagten im Rahmen ihrer Befugnisse handelte.
c) Das ist auch den Einwänden entgegenzuhalten, mit denen die Beklagte ihre Passivlegitimation zu bestreiten sucht. Die Klägerin hat ausschliesslich mit S. Zürich verhandelt und sich nach Aufklärung durch Fräulein V. an die Vorschläge dieser Angestellten gehalten, die ihr versprochen hat, ihr Begehren samt Fotografie unverzüglich nach London weiterzuleiten, weil die Lampe von einem Experten des Mutterhauses begutachtet werden müsse. Das durfte von der Klägerin in guten Treuen dahin verstanden werden, dass die Beklagte nötigenfalls Experten dieses Hauses beiziehen konnte. Die Auffassung des Handelsgerichts, die Klägerin und deren Ehemann hätten deswegen die Schätzung der Lampe als Dienstleistung der Beklagten ansehen dürfen, ist um so weniger zu beanstanden, als diese im Geschäftsverkehr mit ihrem Briefkopf den Eindruck erweckt, es handle sich bei S. London, Zürich und New York um das gleiche Unternehmen.
Da die Beklagte sich das Verhalten von Fräulein V. anrechnen lassen muss, hilft ihr auch nicht, dass angeblich nur ein Sachverständiger des Mutterhauses die Lampe anhand einer Fotografie oder einer blossen Beschreibung begutachten konnte. Wenn sie sich deswegen nicht selber binden wollte, hätte sie klarstellen müssen, dass sie den Auftrag ohne jede eigene Verpflichtung nach London weiterleite. Das hat sie nicht getan; durch ihre Angestellte hat sie die Kläger vielmehr in der Meinung bestärkt, dass sie sich selber um die Schätzung der Lampe durch einen Experten des Mutterhauses bemühe.
BGE 112 II 347 S. 353

2. Die Beklagte macht geltend, dass Auktionshäuser und andere Sachverständige bei schriftlichen Schätzungen von Kunstgegenständen jede Haftung auszuschliessen pflegten und auch telefonische Auskünfte stillschweigend unter dieser Bedingung erteilt würden. Für eine solche Wegbedingung der Haftung ist ihrem Verhalten indes nichts zu entnehmen. Die Klägerin hat sich mit Fräulein V. am 6. Dezember 1977 über das Vorgehen beraten und der Beklagten noch am gleichen Tag einen schriftlichen Auftrag erteilt, der angenommen worden ist, wenn auch unter dem Vorbehalt, dass die Lampe noch innert der kurzen Frist anhand der Fotografie geschätzt werden könne. Im Telefonanruf der Klägerin vom 9. Dezember ist kein neuer Auftrag zu erblicken, wollte die Klägerin damals doch bloss wissen, ob der Bericht des Experten bereits vorliege, der Auftrag also erledigt sei.
Eine andere Frage ist, ob G. ebenfalls als Hilfsperson der beauftragten Firma anzusehen ist, die Beklagte folglich für sein Verhalten nach Art. 101 OR haftet, oder ob sie sich, wie mit der Berufung behauptet wird, auf eine zulässige Substitution gemäss Art. 399 Abs. 2 OR berufen kann.
a) Der Beauftragte hat das ihm übertragene Geschäft in der Regel persönlich auszuführen und für das Verhalten eines beigezogenen Dritten voll einzustehen, wenn er sich nicht auf eine gesetzliche Ausnahme berufen kann (Art. 398 und 399 Abs. 1 OR); bei erlaubter Substitution haftet er dagegen bloss für gehörige Sorgfalt in Auswahl und Instruktion (Art. 399 Abs. 2). Die Regelung des Auftragsrechts unterscheidet sich dadurch von der Vorschrift des Art. 101 Abs. 1 OR, welche die volle Haftung für Hilfspersonen auch bei befugtem Beizug vorsieht (BGE 107 II 245).
Nach der neueren Lehre (vgl. insbesondere Hofstetter a.a.O. S. 73 ff.) ist angesichts der Vielfalt von Fällen selbst bei erlaubter Substitution eine unterschiedliche Behandlung am Platz, weil Art. 399 Abs. 2 OR nicht unbekümmert darum anwendbar sein könne, ob der Beauftragte im eigenen Interesse (z.B. zur Vergrösserung seines geschäftlichen Leistungsvermögens oder seines Umsatzes) oder im Interesse des Auftraggebers einen Dritten beiziehe (z.B. Beizug eines Spezialisten durch einen beauftragten Arzt oder Anwalt). In Fällen der ersten Art bestehe kein Grund, den Beauftragten in bezug auf die Haftung für Erfüllungsgehilfen besser zu stellen als andere Schuldner, die bei Verwendung von Hilfspersonen der allgemeinen Regel des Art. 101 OR unterständen. Eine beschränkte Haftung gemäss Art. 399 Abs. 2 OR rechtfertige sich dagegen, wenn der Beauftragte sich an einen Spezialisten wende,
BGE 112 II 347 S. 354
um den Auftrag sachgemäss zu erfüllen; diesfalls liege die Übertragung des Geschäftes im Interesse des Auftraggebers.
b) Im vorliegenden Fall ist der Dritte sowohl im Interesse des Auftraggebers wie des Beauftragten beigezogen worden. Die Beklagte hat die Anfrage weitergeleitet, weil sie nach ihren eigenen Angaben nicht über die notwendigen Mitarbeiter verfügt. Sie hat sich aber nicht an irgendeinen Sachverständigen gewandt, sondern hat die Anfrage einem Experten ihres Mutterhauses in London unterbreitet. Der Grund dafür ergibt sich aus den Beziehungen der beiden Firmen. Nach dem angefochtenen Urteil veranstaltet die Beklagte in der Schweiz Auktionen für Schmuck und ausnahmsweise für Bilder schweizerischer Maler. Daneben vertritt sie S. London gegenüber Käufern und Verkäufern; wer z.B. einen Kunstgegenstand durch S. London verkaufen will, kann dies über die Beklagte tun. Auch für die Beurteilung von Kunstwerken, Antiquitäten usw. stellt sich die Beklagte als Verbindungsstelle zur Verfügung, weil ihr dafür eigene Experten fehlen. Nach seinen Werbetexten bietet darüber hinaus auch der S.-Konzern als Ganzes seine Dienste an. Nicht nur der Konzern, sondern auch der Betrieb der Beklagten ist so organisiert, dass mit möglichst wenig Aufwand möglichst viele Kunden gewonnen und erhalten werden können.
Bei derart engen Beziehungen zwischen Firmen, die einander mit Diensten aushelfen, fehlt ein sachlicher Grund für eine Beschränkung eigener Verantwortung gemäss Art. 399 Abs. 2 OR; unter den gegebenen Umständen liegt vielmehr nahe, dass die Beklagte für das Verhalten des Experten in London, der den Wert der Lampe offensichtlich verkannt hat, nach Art. 101 OR haftet. Das schliesst eine Abweisung der Klage, wie sie von der Beklagten beantragt wird, aus: fragen kann sich bloss, ob sie sich auf Herabsetzungsgründe im Sinne von Art. 44 OR berufen kann.

3. Die Kläger werfen dem Handelsgericht ein offensichtliches Versehen vor, weil es aus Ausführungen in der Klageschrift auf einen eingeklagten Schadensbetrag von höchstens Fr. 40'000.-- geschlossen habe; wegen irrtümlicher Annahme eines solchen Zugeständnisses habe es zur Ermittlung des Schadens angebotene Beweise nicht abgenommen und dadurch Art. 8 ZGB verletzt.
a) Dass die Kläger mit Äusserungen zur Entgeltlichkeit des Auftrages den Betrag von Fr. 40'000.-- als Grundlage der Schadensberechnung anerkannt hätte, lässt sich in der Tat nicht sagen. Träfe dies zu, so wäre unerfindlich, warum sie gemäss Rechtsbegehren Fr. 233'500.-- Schadenersatz verlangt hätten. Es kann
BGE 112 II 347 S. 355
folglich auch nicht von einer "Einigung" der Parteien die Rede sein, weil die Beklagte den Höchstwert, den die Lampe zur Zeit des Verkaufes gehabt habe, ebenfalls mit Fr. 40'000.-- angegeben habe. Die Kläger erklärten sinngemäss vielmehr, dass sie damals einen Auktionsauftrag erteilt hätten, wenn die Experten der Beklagten die Lampe schon bei der ersten Beurteilung auf Fr. 30'000.-- bis 40'000.-- geschätzt hätten. Nach weiteren Sachvorbringen, wofür sie Beweise anboten, behaupteten sie, dass sie im Falle einer Auktion mit einem erheblich höheren Betrag hätten rechnen können.
Das angefochtene Urteil beruht teils auf einem Versehen und teils auf einem falschen Rechtsbegriff. Es ist deshalb gestützt auf Art. 64 Abs. 1 OG aufzuheben. Mangels näherer Abklärung ist die Sache zudem zur Ergänzung des Beweisverfahrens und zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Dabei kann entgegen der Annahme des Handelsgerichts nicht davon ausgegangen werden, die Kläger selbst hätten den damaligen Marktwert auf maximal Fr. 40'000.-- veranschlagt; entscheidend ist vielmehr, welcher Preis anlässlich einer Auktion hätte erzielt werden können. Das hängt vorweg davon ab, ob die Kläger die Lampe im Dezember 1977 tatsächlich verkauft hätten, wenn deren Wert von den Experten gleich zu Beginn erkannt worden, die Auskunft also richtig gewesen wäre (vgl. BGE 110 II 373 E. 5b). Nur wenn dies zu bejahen ist, fragt sich, welches der mutmassliche Auktionserlös gewesen wäre. Hätten die Kläger die Lampe bei zutreffender Schätzung dagegen behalten, so bleibt unter Vorbehalt prozesskonformer Behauptungen und Beweisanträge abzuklären, in welchem Mass sie durch den Verlust des Wertgegenstandes in ihrem Vermögen geschädigt worden sind.
b) Das Handelsgericht hat ein Selbstverschulden der Kläger verneint, weshalb ihnen der ganze Schaden zu ersetzen sei. Die Beklagte erblickt darin eine Verletzung von Art. 44 OR, weil die Haftung jedenfalls stillschweigend beschränkt worden sei. Eine solche Beschränkung könnte darin liegen, dass die Beklagte die Begutachtung offenbar unentgeltlich, wenn auch in Erwartung eines Verkaufsauftrages besorgt hat, der aber ausgeblieben ist und ihr ebenfalls keinen Vorteil gebracht hat (Art. 99 Abs. 2 OR); sie hat sich im Verfahren denn auch darauf berufen. Nicht zu übersehen ist ferner, dass die Kläger selbst dann, wenn sie kein eigentliches Verschulden trifft, ein erhebliches Risiko eingegangen sind. Da die Begutachtung sich nur auf eine Fotografie der Lampe
BGE 112 II 347 S. 356
stützen konnte und zudem dringlich war, mussten auch sie sich der Gefahr einer falschen Schätzung bewusst sein. Dieser Umstand ist nach Art. 44 OR jedenfalls dann mitzuberücksichtigen, wenn der Schaden wesentlich höher ausfallen sollte, als die Vorinstanz bisher angenommen hat.

Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Berufung und Anschlussberufung werden dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 28. Februar 1985 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 1 2 3

Dispositiv

Referenzen

BGE: 111 II 473, 82 IV 147, 107 II 245, 110 II 373

Artikel: Art. 399 Abs. 2 OR, Art. 44 und 99 Abs. 2 OR, Art. 101 OR, Art. 101 Abs. 1 OR mehr...