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Urteilskopf

91 IV 201


53. Urteil des Kassationshofes vom 17. November 1965 i.S. Troxler gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.

Regeste

Art. 272 Abs. 1 BStP; Fristbeginn für Beschwerdeerklärung. Massgebliche Urteilseröffnung ist nach § 188 der luzernischen Strafprozessordnung die Zustellung des Entscheides an den Angeklagten persönlich (Erw. 1).
Art. 27 Abs. 1 SVG. Geltungsbereich einer Parkierverbotstafel (Erw. 2).
Art. 20 StGB. Rechtsirrtum über Parkierverbot (Erw. 4).
Art. 43 Abs. 2 SVG und Art. 41 Abs. 1 VRV. "Genügend freier Raum" für Fussgänger (Erw. 3 und 5).

Sachverhalt ab Seite 202

BGE 91 IV 201 S. 202

A.- Troxler parkierte seinen Personenwagen in der Nacht vom 17./18. März 1965 von 22 Uhr bis 02 Uhr 10 in Luzern auf dem durch Randsteine abgegrenzten Vorplatz der Peterskapelle (auch Kapellkirche genannt) vor deren Südostecke bei der Einfahrt in die Verbindungsstrasse, die vom Rathausquai zum Kapellplatz führt. In der Mitte des Vorplatzes auf der Südseite der genannten Kirche steht eine Parkverbotstafel (Vorschriftssignal Nr. 231). Mit den rechtsseitigen Rädern stand der Wagen am äussersten Rande des Vorplatzes. Der linke Vorderteil des Wagens befand sich gemäss einer polizeilichen Skizze 80 cm von einer östlich der Peterskapelle aufgestellten sog. "We.-La.-Ki."-Mulde (Kippmulde) entfernt, einem mit schrägen Frontflächen versehenen Eisenbehälter, der zur Schuttabfuhr bei der dort befindlichen Baustelle dient.

B.- Auf polizeiliche Anzeige hin erliess der Amtsstatthalter von Luzern-Stadt am 26. März 1965 gegen Troxler ein Strafmandat wegen Übertretung von Art. 43 Abs. 2 SVG und Art. 41 Abs. 1 VRV (Parkieren auf einem Trottoir, ohne genügend freien Raum für die Fussgänger zu lassen) mit einer Busse von Fr. 40. -. Troxler verlangte gerichtliche Beurteilung, worauf ihn das Amtsgericht am 28. Juni 1965 der Übertretung von Art. 27 Abs. 1 SVG (Parkieren entgegen Parkverbot) schuldig erklärte und ihm die nämliche Busse auferlegte.

C.- Gegen dieses Urteil führt Troxler Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Rückweisung der Sache an das Amtsgericht zur Freisprechung.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern beantragt Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.
BGE 91 IV 201 S. 203

Erwägungen

Der Kassationshof zieht in Erwägung:

1. Das angefochtene Urteil wurde dem Beschwerdeführer persönlich und eine unbeglaubigte Durchschrift davon ausserdem seinem Verteidiger zugestellt, beiden durch die Post. Der Anwalt erhielt das Urteil am 26. August 1965; der Beschwerdeführer, der beim Zustellungsversuch nicht anwesend war, holte es auf der Post am 1. September 1965 ab. Nach § 188 der luzernischen Strafprozessordnung und nach dessen Auslegung durch das Obergericht (Maximen, Band XI, 1961, S. 92 Nr. 84) ist für die Urteilseröffnung im Sinne von Art. 272 Abs. 1 BStP die Zustellung des Entscheides an den Angeklagten persönlich massgebend. Die Beschwerdeanmeldung vom 10. September 1965 ist darnach rechtzeitig erfolgt, jedenfalls dann, wenn sich die viertägige Frist zum Abholen des Entscheides auf der Post bis zum 1. September 1965 erstreckte (BGE 80 IV 204 und BGE 85 IV 116). Dass dies nicht der Fall gewesen sei, wird von keiner Seite behauptet; es kann daher von der für den Beschwerdeführer günstigeren Annahme ausgegangen werden.

2. Der Beschwerdeführer bestreitet die Übertretung des Art. 27 Abs. 1 SVG mit der Begründung, das bezeichnete Parkierungsverbot gelte nur für den durch die Mauer vor der Kirche, sowie durch Bäume bzw. Bepflanzungen abgegrenzten Platz, nicht auch für die rechtwinklig in den Rathausquai einmündende Verbindungsstrasse und das dazu gehörige Trottoir an der östlichen Seite der Kapellkirche.
Die Rüge scheitert an der tatsächlichen und daher für den Kassationshof verbindlichen Feststellung des Amtsgerichts, die in Frage stehende Örtlichkeit sei nicht als Strasse mit Trottoirs, sondern ihrer Anlage entsprechend als Kirchenvorplatz anzusehen. (Ausführungen darüber, dass die Bepflanzungen sowenig wie der dort errichtete Beleuchtungspfosten eine Abgrenzung im massgeblichen Sinne bilde und dass daher keine Verletzung von Bundesrecht vorliege, wenn die Vorinstanz davon ausgehe, das Parkverbot gelte auch für die von Troxler benutzte Fläche.)

3. Es kommt hinzu, dass die an der bezeichneten Stelle eingestellten Motorfahrzeuge den Weg zum gegenüberliegenden Gehstreifen und von dort zum Kirchenvorplatz grösstenteils wenn nicht ganz versperren. Das zeigen gerade die eingereichten Photographien eindrücklich, und es ergibt sich dies auch aus der Polizeiskizze über den von Troxler eingestellten Wagen im besondern. Eine derartige Behinderung des Fussgängerverkehrs ist
BGE 91 IV 201 S. 204
eine Unsitte, die schon den Vorschriften der Art. 43 Abs. 2 SVG und Art. 41 Abs. 1 VRV zuwiderläuft. Sie ist umsoweniger zu dulden, wenn einige Meter davon entfernt in der Mitte des damit zusammenhängenden Platzes eine Parkverbotstafel steht.

4. Wie schon im kantonalen Verfahren behauptet der Beschwerdeführer auch heute wieder, an der fraglichen Stelle des Platzes seien ständig Autos aufgestellt worden, ohne dass die Polizei dagegen eingeschritten sei. Die Vorinstanz hat sich hiezu nicht geäussert. Der Amtsstatthalter bemerkte zur nämlichen Einwendung lediglich, dass Falschparkieren noch so vieler Wagenbesitzer verschaffe kein Recht, so zu parkieren, wie es Troxler getan habe. Das ist zweifellos richtig. Sollte aber das Parkieren an der genannten Stelle von der Polizei stets geduldet worden sein, so müsste dem Beschwerdeführer doch jedenfalls Rechtsirrtum gemäss Art. 20 StGB zugute gehalten werden. Für seine Behauptung scheint zu sprechen, dass ihn die Polizei nur deswegen verzeigt hat, weil er den Wagen zu nahe neben die erwähnte Kippmulde gestellt habe. Die Sache ist daher an das Amtsgericht zurückzuweisen, damit es kläre, ob die Polizei tatsächlich das Parkieren am Rande des Platzes gegen die bezeichnete Verbindungsstrasse hin bisher zugelassen habe.

5. Der Vorinstanz steht es dabei offen, auf die im angefochtenen Entscheid nicht geprüfte Frage zurückzugreifen, ob der Beschwerdeführer seinen Wagen zu nahe neben das genannte Baugerät gestellt habe. Betrug der Abstand nur 80 cm, so darf ohne Verletzung von Art. 41 Abs. 1 VRV angenommen werden, es sei für die Fussgänger nicht genügend freier Raum im Sinne jener Bestimmung geblieben; denn die Fussgänger brauchen es sich nicht gefallen zu lassen, dass der ihnen sonst zur Verfügung gehaltene Raum durch das Parkieren eines Wagens auf einen derartigen Engpass zusammengedrängt wird. Sie haben vielmehr Anspruch auf einen Durchgang, der ihnen beispielsweise erlaubt, ungehindert mit einem Kinde an der Hand, mit einem Korb, Kinderwagen oder Koffer zu gehen.

Dispositiv

Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird dahin gutgeheissen, dass das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an das Amtsgericht Luzern-Stadt zurückgewiesen wird.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 1 2 3 4 5

Dispositiv

Referenzen

BGE: 80 IV 204, 85 IV 116

Artikel: Art. 41 Abs. 1 VRV, Art. 27 Abs. 1 SVG, Art. 43 Abs. 2 SVG, Art. 272 Abs. 1 BStP mehr...