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Urteilskopf

124 III 201


36. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 22. Januar 1998 i.S. X. und Y. gegen Z. (Berufung)

Regeste

Hinterlegung des Mietzinses bei Mängeln der Mietsache (Art. 259g OR).
Neben dem Nettomietzins können auch Nebenkosten, die nach dem Mietvertrag in bestimmter Höhe periodisch zu entrichten sind, hinterlegt werden.

Erwägungen ab Seite 201

BGE 124 III 201 S. 201
Aus den Erwägungen:

2. Verlangt der Mieter einer unbeweglichen Sache die Beseitigung eines Mangels, so muss er dem Vermieter dazu schriftlich
BGE 124 III 201 S. 202
eine angemessene Frist setzen und kann ihm androhen, dass er bei unbenütztem Ablauf der Frist Mietzinse, die künftig fällig werden, bei einer vom Kanton bezeichneten Stelle hinterlegen wird. Er muss die Hinterlegung dem Vermieter schriftlich ankündigen (Art. 259g Abs. 1 OR). Mit der Hinterlegung gelten die Mietzinse als bezahlt (Abs. 2).
a) Die Beklagten haben die Mietzinse samt Nebenkosten für den Monat Juni 1996 bei der zuständigen Behörde hinterlegt. Es ist unbestritten, dass die Voraussetzungen für die Hinterlegung grundsätzlich gegeben sind. Die Vorinstanz hat dennoch den Zahlungsverzug der Beklagten im Sinne von Art. 257d OR bejaht und die deswegen erfolgte Kündigung geschützt mit der Begründung, die Hinterlegung der Nebenkosten sei nach Art. 259g OR nicht vorgesehen; nach dieser Bestimmung sei die Hinterlegung nur für den Nettomietzins mit befreiender Wirkung möglich. Die Beklagten rügen, die Auffassung der Vorinstanz verletze Art. 259g OR.
b) Ein Teil der Lehre will die Hinterlegung nur für den Nettomietzins unter Ausschluss der Nebenkosten zulassen (HIGI, Zürcher Kommentar, N. 53 zu Art. 259g OR; SVIT-Kommentar Mietrecht, N. 12 zu Art. 259g OR; ZIHLMANN, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, 1. Auflage 1992, N. 8 zu Art. 259g OR; MARTIN ZÜST, Die Mängelrechte des Mieters von Wohn- und Geschäftsräumen, Diss. Bern 1992, S. 295 f.; RENATE WEY, La consignation du loyer, Diss. Lausanne 1995, S. 87 f.). Zur Begründung wird auf den Wortlaut von Art. 259g OR verwiesen, der nur die Hinterlegung künftiger "Mietzinse" vorsieht. Die Beschränkung auf den Nettomietzins ergibt sich nach dieser Auffassung aus der gesetzlichen Umschreibung des Mietzinses in Art. 257 OR als Entgelt, das der Mieter dem Vermieter für die Überlassung der Sache schuldet; im Gegensatz zu den Nebenkosten, die in den Art. 257a und 257b OR gesondert geregelt werden. Ein anderer Teil der Lehre vertritt die Ansicht, dass der Mieter den Mietzins vollumfänglich, einschliesslich der Nebenkosten, hinterlegen kann (LACHAT, Le bail à loyer, Lausanne 1997, S. 181, N. 7.4.4 und Fn. 116; derselbe, Die Hinterlegung des Mietzinses [Art. 259g bis 259i OR], in: Mietrechtspraxis, mp, 1993 S. 1 ff., S. 13; TERCIER, Les contrats spéciaux, 2. Auflage, S. 207 N. 1655; WEBER/ZIHLMANN, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, 2. Auflage 1997, N. 10 zu Art. 259g OR; die gleiche Meinung findet sich auch in der kantonalen Rechtsprechung: Urteil des Richteramtes III Bern vom 6. Dezember 1991, mp 1992, S. 65 ff.; Urteil des Appellationshofs
BGE 124 III 201 S. 203
des Kantons Bern vom 13. Juli 1993, ZBJV 1994, S. 92; Entscheid der Schlichtungsbehörde Zürich vom 12. November 1992, mp 1994, S. 188 f.). Diese Lehrmeinung wird damit begründet, dass die Aufsplitterung der monatlichen Zahlungen unnötig kompliziert sei und die Mieter unabhängig davon, ob und in welchem Umfang Nebenkosten ausgeschieden werden, gleich behandelt werden sollten. Es wird überdies darauf hingewiesen, dass auch das Retentionsrecht des Vermieters von Geschäftsräumen nach dem Wortlaut von Art. 268 Abs. 1 OR nur für den Nettomietzins vorgesehen sei, während nach der Rechtsprechung auch die Nebenkosten erfasst werden.
c) Die Nebenkosten sind das Entgelt für die Leistungen des Vermieters oder eines Dritten, die mit dem Gebrauch der gemieteten Sache zusammenhängen (Art. 257a Abs. 1 OR). Bei Wohn- und Geschäftsräumen sind es die Aufwendungen des Vermieters für Leistungen im Zusammenhang mit dem Gebrauch, wie Heizungs-, Warmwasser- und ähnliche Betriebskosten sowie für öffentliche Abgaben, die sich aus dem Gebrauch der Sache ergeben (Art. 257b Abs. 1 OR). Der Mietzins ist nach der gesetzlichen Definition das Entgelt, das der Mieter dem Vermieter für die Überlassung der Sache schuldet (Art. 257 OR). Beim Fehlen einer besonderen Vereinbarung über die Nebenkosten (Art. 257a Abs. 2 OR) ist darin auch der Ersatz für Leistungen enthalten, die mit dem Gebrauch der Sache zusammenhängen. Soweit aber eine Vereinbarung über die Nebenkosten getroffen wird, können für deren Bezahlung verschiedene Modalitäten vorgesehen werden. Neben Direktzahlungen an Dritte sind namentlich die Vereinbarung von Pauschalen und Akontozahlungen üblich (HIGI, a.a.O., N. 17 ff. zu Art. 257a-257b OR), welche periodisch und regelmässig zusammen mit dem Nettomietzins zu erbringen sind. Werden die Nebenkosten pauschaliert, sind sie von Mietzinsbestandteilen kaum mehr zu unterscheiden (vgl. HIGI, a.a.O., N. 19 zu Art. 257a-257b OR).
d) Die Hinterlegung dient der Verwirklichung des Anspruchs auf Mängelbeseitigung; sie soll dem Mieter ein Druckmittel zur Durchsetzung seines Beseitigungsanspruchs in die Hand geben (Botschaft des Bundesrates vom 27. März 1985 zur Revision des Miet- und Pachtrechts, BBl 1985 I 1389 ff., 1437; HIGI, a.a.O., N. 9 zu Art. 259g OR; LACHAT, a.a.O., S. 178 N. 7.1.3). Hinterlegungsfähig ist diesem Zweck entsprechend der gesamte Mietzins, unabhängig von der Schwere des Mangels, dessen Beseitigung verlangt wird. Art. 259g OR erlaubt dem Mieter, die gesamten vertraglich vereinbarten, künftig
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fällig werdenden Leistungen dem Vermieter vorzuenthalten, bis die bestehenden Mängel beseitigt sind. Im Hinblick auf diesen Zweck der Hinterlegung als Druckmittel zur Durchsetzung des Beseitigungsanspruchs kann aber nicht entscheidend sein, in welchem Umfang die Parteien die Aufgliederung in Mietzins und Nebenkosten vertraglich vereinbart haben. Die gesetzliche Umschreibung der Nebenkosten bestimmt, in welchem Umfang die Parteien vom gesamten Entgelt für die Überlassung der Sache autonom bestimmte Kosten ausnehmen und einer gesonderten Regelung unterwerfen können. Für die Hinterlegung künftiger Mietzinse ist eine derartige Vereinbarung über die Ausscheidung von Nebenkosten aber dann nicht wesentlich, wenn diese in bestimmter Höhe gleich wie die Nettomietzinse periodisch als Pauschale oder Akontozahlung zu entrichten sind. In diesem Fall bilden sie Teil des Mietzinses im Sinne von Art. 259g OR und können unter denselben Voraussetzungen wie der Nettomietzins hinterlegt werden. Als "Mietzinse" im Sinne von Art. 259g OR sind daher die vereinbarten Bruttomietzinse mit Einschluss künftig fällig werdender Nebenkosten zu betrachten, welche der Mieter dem Vermieter nach der vertraglichen Vereinbarung in bestimmter Höhe periodisch zu entrichten hat.
e) Die Beklagten haben die nach den Mietverträgen monatlich akonto zu zahlenden Nebenkosten für den Monat Juni 1996 von insgesamt Fr. 200.-- zusammen mit den Nettomietzinsen von Fr. 5'000.-- für die beiden Mietobjekte hinterlegt. Sie haben damit die gesamten für diese Zeit vertraglich geschuldeten Mietzinse im Sinne von Art. 259g OR hinterlegt. Es lag deshalb kein Zahlungsrückstand für die damals fälligen Mietzinse und Nebenkosten vor, womit die Voraussetzungen für die Kündigung im Sinne von Art. 257d OR insoweit nicht erfüllt waren. Aus diesen Gründen erweist sich die Kündigung, die der Kläger am 18. Juli 1996 wegen Zahlungsverzugs gemäss Art. 257d OR ausgesprochen hat, als ungültig.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Erwägungen 2

Referenzen

Artikel: Art. 259g OR, Art. 257d OR, Art. 257a und 257b OR, Art. 257 OR mehr...