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Urteilskopf

117 Ia 13


4. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 4. Februar 1991 i.S. Zürcherische Vereinigung für Heimatschutz gegen Klinik Hohenegg, Politische Gemeinde Meilen und Regierungsrat des Kantons Zürich (Staatsrechtliche Beschwerde)

Regeste

Art. 4 BV (Willkür); kantonales Verfahrensrecht.
Legitimation der zürcherischen Natur- und Heimatschutzvereinigungen zum Rekurs gegen einen kommunalen Nutzungsplan, soweit sich dieser auf den III. Titel (§§ 203-217) des PBG stützt (§ 338a Abs. 2 Zürcher Planungs- und Baugesetz).

Sachverhalt ab Seite 14

BGE 117 Ia 13 S. 14

A.- Auf einer der Geländeterrassen am Pfannenstielhang, rund 140 Meter über dem Niveau des Zürichsees, befindet sich die Psychiatrische Klinik Hohenegg. Sie liegt ausserhalb der Bauzone. Abgesehen vom bestehenden Klinikensemble und von einzelnen Bauten im hangabwärts liegenden Gebiet Unot ist das Gebiet weitgehend unüberbaut. Die über 75jährige Klinik Hohenegg ist sanierungs- und erweiterungsbedürftig. Deshalb wurde ein Gesamtkonzept erarbeitet, das die künftigen Klinikbedürfnisse berücksichtigt und als Grundlage für ein Vorprojekt dient, welches neue Gebäulichkeiten südwestlich des bestehenden Klinikareals vorsieht.

B.- Am 9. März 1988 beschloss die Gemeindeversammlung von Meilen die kommunale Nutzungsplanung. Dabei wurde westlich der Klinik Hohenegg, im "Schällenacher", eine etwa 7500 m2 umfassende Zone für öffentliche Bauten ausgeschieden, damit die Klinik Hohenegg gemäss Vorprojekt erweitert werden könne. Gegen diesen Beschluss rekurrierte die Zürcherische Vereinigung für Heimatschutz (kurz: Zürcher Heimatschutz) bei der Baurekurskommission II des Kantons Zürich. Diese wies den Rekurs am 25. September 1989 ab, weil die betrieblichen Gründe den Interessen des Natur- und Heimatschutzes überwögen und sich damit die Zone für öffentliche Bauten als planerisch zweckmässig und angemessen erweise. Das dagegen eingereichte Rechtsmittel wies der Regierungsrat mit Entscheid vom 12. September 1990 ab, da der Zürcher Heimatschutz zum Rekurs nicht legitimiert sei.

C.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 23. Oktober 1990 beantragt der Zürcher Heimatschutz im wesentlichen, der Entscheid des Regierungsrats sei aufzuheben.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
BGE 117 Ia 13 S. 15

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. a) Der Beschluss des Regierungsrates des Kantons Zürich ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid in einem Nutzungsplanverfahren. streitig ist einzig die rekurslegitimation der beschwerdeführerin, welche vom Regierungsrat verneint wurde. Zur Rüge der formellen Rechtsverweigerung (Art. 4 BV) ist die Beschwerdeführerin unabhängig davon, ob sie in der Sache selbst zur Einreichung einer staatsrechtlichen Beschwerde befugt wäre, nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung berechtigt (BGE 114 Ia 312 E. 3c; BGE 113 Ia 250 E. 3, 430 E. 3). Inwiefern der angefochtene Entscheid in diesem Rahmen die Eigentumsgarantie (Art. 22ter BV) verletzen soll, ist nicht ersichtlich, weshalb auf die entsprechende Rüge nicht einzutreten ist (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
Die anderen Prozessvoraussetzungen sind erfüllt, weshalb im übrigen grundsätzlich auf die Beschwerde einzutreten ist.
b) Im vorliegenden Fall erübrigt sich ein zweiter Schriftenwechsel, der ohnehin nur ausnahmsweise stattfindet (Art. 93 Abs. 3 OG). Ebenfalls ist auf die Durchführung eines Augenscheins zu verzichten, da über die Beschwerde aufgrund der Akten entschieden werden kann.

2. a) Das kantonale Recht hat wenigstens ein Rechtsmittel gegen Nutzungspläne vorzusehen (Art. 33 Abs. 2 RPG) und die Legitimation dafür mindestens im gleichen Umfang wie für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zu gewährleisten (Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG). Es ist nicht streitig, dass die Umschreibung der Rekurslegitimation des Zürcher Rechts (§ 338a des Planungs- und Baugesetzes (PBG) vom 7. September 1975) diesen Anforderungen genügt.
b) Unbestrittenermassen schreibt das Bundesrecht für die Anfechtung von Nutzungsplänen kein Beschwerderecht kantonaler Vereinigungen vor (vgl. BGE 107 Ib 113 E. 2a; vgl. Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG i.V.m. Art. 12 i.V.m. Art. 2 NHG). Die Frage, ob der Zürcher Heimatschutz zum Rekurs an den Regierungsrat legitimiert sei, richtet sich daher ausschliesslich nach kantonalem Recht.
c) Das Bundesgericht prüft die Anwendung und Auslegung kantonalen Rechts nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür. Willkür liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in
BGE 117 Ia 13 S. 16
stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 114 Ia 218 E. 2a).

3. a) Die Beschwerdeführerin stützt ihre Rekursberechtigung auf § 338a PBG. Diese Bestimmung lautet wie folgt:
"Zum Rekurs und zur Beschwerde ist berechtigt, wer durch die angefochtene Anordnung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an ihrer Aufhebung oder Änderung hat. Dasselbe gilt für die Anfechtung von Erlassen. Zum Rekurs und zur Beschwerde gegen Anordnungen und Erlasse, soweit sie sich auf den III. Titel oder § 238 Abs. 2 stützen, sowie gegen Bewilligungen für Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen sind auch gesamtkantonal tätige Vereinigungen berechtigt, die sich seit wenigstens zehn Jahren im Kanton statutengemäss dem Natur- und Heimatschutz oder verwandten, rein ideellen Zielen widmen."
b) Die Beschwerdeführerin ist anerkanntermassen eine Vereinigung im Sinne von § 338a Abs. 2 PBG. Sie macht geltend, die streitige Zone für öffentliche Bauten im "Schällenacher" stütze sich auf den III. Titel des PBG, d.h. auf die §§ 203-217 PBG. Sie behauptet, die Landschaft in der näheren Umgebung der Klinik sei ein Schutzobjekt (vgl. § 203 lit. a PBG), weshalb sie zur Anfechtung der Zone für öffentliche Bauten befugt sei. Hingegen bringt sie im bundesgerichtlichen Verfahren nicht mehr - zumindest nicht rechtsgenügend (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG) - vor, das bestehende Klinikensemble sei schützenswert (§ 203 lit. c PBG) und werde durch die streitige Zone unzulässig beeinträchtigt. Ebensowenig macht sie geltend, mit der Zonenausscheidung würden die Bestimmungen über Bauten ausserhalb der Bauzone (Art. 24 RPG) umgangen.
c) Der Regierungsrat des Kantons Zürich bestreitet nicht, dass das fragliche Gebiet landschaftlich exponiert ist. Er hat die Rekursbefugnis der Beschwerdeführerin zur Anfechtung der Zone für öffentliche Bauten aber mit der Begründung verneint, die betroffene Fläche sei in keiner Richtplanung irgendwelcher Stufe als landschaftlich empfindlich oder als Umgebungsschutzgebiet bezeichnet. Bei der festgesetzten Zone für öffentliche Bauten handle es sich ferner nicht um eine planungsrechtliche Festlegung im Interesse eines Schutzobjektes (§ 205 PBG). Es sei deshalb davon auszugehen, dass die angefochtene Zonierung keine Schutzobjekte (§ 203 PBG) betreffe. Der Ästhetik und der Einpassung in die Landschaft seien im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens für den Erweiterungsbau Rechnung zu tragen. Eine Beeinträchtigung einerseits der Aussicht vom Zwetschgenweg, der südlich der Klinik
BGE 117 Ia 13 S. 17
entlang der Hangkante verläuft, sowie andererseits der an das Gebiet Hohenegg angrenzenden Geländeterrassen, welche als Natur- und Landschaftsschutzobjekte von überkommunaler Bedeutung als Objekt Nr. 105 inventarisiert seien, könne ausgeschlossen werden. Die übrigen Erwägungen des Regierungsrats beziehen sich auf den Schutz der bestehenden Klinikgebäude.
d) aa) Nicht verneint werden darf die Legitimation der Beschwerdeführerin mit dem Argument, der Ästhetik und der Einpassung in die Landschaft des Erweiterungsbaus werde im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens Rechnung zu tragen sein. Aus der Ausscheidung der Zone für öffentliche Bauten folgt, dass dort grundsätzlich - zonenkonform - gebaut werden darf; dagegen richtete sich der Rekurs an den Regierungsrat. Bloss die allgemeinen Anforderungen an die Gestaltung der an sich zulässigen Bauten sind besonderer Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens (vgl. § 238 Abs. 2 PBG).
bb) Unbestrittenermassen sind die Natur- und Heimatschutzvereinigungen beschwerdebefugt, wenn eine Anordnung ein Objekt betrifft, das bereits durch eine förmliche Massnahme (§§ 205 ff. PBG) geschützt ist (vgl. auch unveröffentlichtes Urteil vom 23. Januar 1989 i.S. Zürcherische Vereinigung für Heimatschutz, E. 3b). Der Regierungsrat hat festgestellt, dass die Landschaft um die Klinik Hohenegg durch keine richtplanerische Festlegungen geschützt ist. Mehr musste er nicht untersuchen, da die Beschwerdeführerin selber nicht behauptet, im streitigen Gebiet seien Schutzmassnahmen (§§ 205 ff. PBG) ergriffen worden.
cc) Vielmehr leitet die Beschwerdeführerin ihre Legitimation aus der Behauptung ab, das streitige Gebiet sei materiell ein Schutzobjekt nach § 203 PBG, da die Zone für öffentliche Bauten ein landschaftlich empfindliches Gebiet betreffe (§ 203 lit. a PBG). In der Tat wäre § 338a Abs. 2 PBG zu eng verstanden, wenn die Legitimation der Natur- und Heimatschutzvereinigungen lediglich bei förmlich (§§ 205 ff. PBG) unter Schutz gestellten Objekten (§ 203 PBG) gegeben wäre. Indessen entschied der Regierungsrat nicht willkürlich, wenn er in einem Fall, in dem keine förmlichen Schutzmassnahmen getroffen worden sind, an die Begründung der Legitimation qualifizierte Anforderungen stellt. Namentlich ist es verfassungsrechtlich haltbar, dafür mehr als die blosse Behauptung, eine Anordnung oder ein Erlass stütze sich auf ein Schutzobjekt, zu verlangen. Insbesondere wenn in einer Gemeinde bereits Schutzmassnahmen (§§ 205 ff. PBG) ergriffen worden sind, dürfen
BGE 117 Ia 13 S. 18
an die Anerkennung der Legitimation höhere Anforderungen geknüpft werden, da ja aufgrund von sachlichen Kriterien nicht schützenswerte von formell zu schützenden Objekten bereits getrennt worden sind; namentlich gebietet es in einem solchen Fall auch die Rechtssicherheit, solche Entscheide nicht leichtfertig in Frage zu stellen. Aber selbst wenn in einer Gemeinde noch keine solche Ausscheidung stattgefunden hat, dürfen für die Anerkennung der Beschwerdebefugnis gewisse objektive Anhaltspunkte dafür gefordert werden, dass ein Schutzobjekt (§ 203 PBG) im einzelnen Fall durch eine Anordnung konkret beeinträchtigt werden könnte, eine wesentliche Gefahr für das Schutzobjekt bestehe. Dies darzulegen darf von den Natur- und Heimatschutzorganisationen (§ 338a PBG) kraft ihres Sachwissens verlangt werden. Es ist - entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin - nicht an der Rechtmittelinstanz, Abklärungen über die Schutzwürdigkeit eines Objekts und über die mögliche Beeinträchtigung des Objekts vorzunehmen oder vornehmen zu lassen. Die Beschwerde ist demnach abzuweisen, soweit überhaupt darauf eingetreten werden darf.

Inhalt

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Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 1 2 3

Referenzen

BGE: 114 IA 312, 113 IA 250, 107 IB 113, 114 IA 218

Artikel: § 205 PBG, § 203 PBG, Art. 4 BV, Art. 90 Abs. 1 lit. b OG mehr...