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Urteilskopf

127 II 69


7. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 30. Oktober 2000 i.S. A. AG gegen Regierung und Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

Regeste

Art. 43 Abs. 1 WRG; Erlöschen einer im 19. Jahrhundert ohne zeitliche Begrenzung erteilten Wasserrechtskonzession, wohlerworbenes Recht auf ewige Konzessionsdauer?
Wasserrechtskonzessionen sind nach heutigem Recht zwingend zu befristen (Art. 54 lit. e und Art. 58 WRG); dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Unveräusserlichkeit der öffentlichen Gewalt (E. 4). Altrechtliche Konzessionen, die noch ohne zeitliche Begrenzung erteilt wurden, sind nachträglich zu befristen. Massgeblichkeit des im Vertragsrecht geltenden Prinzips, dass keine Verträge auf "ewige" Zeiten abgeschlossen bzw. aufrechterhalten werden können. Es gibt kein wohlerworbenes Recht auf eine Konzession ohne zeitliche Beschränkung (E. 5). In concreto durfte die Konzession nach einer Dauer von 134 Jahren unter Gewährung einer angemessenen Übergangsfrist aufgelöst werden (E. 6).

Sachverhalt ab Seite 70

BGE 127 II 69 S. 70
Mit Beschluss Nr. 340 vom 16. Februar 1866 erteilte der Regierungsrat (heute: Regierung) des Kantons St. Gallen dem Oberverwaltungsrat von X. eine Wasserrechtskonzession am B.-Bach und C.-Bach bei Y. (Wasserrecht Nr. III/17). Nach Ziff. 5 der Urkunde erlischt die Konzession, "falls während einem vollen Jahre von der Erteilung an gerechnet, kein Gebrauch davon gemacht wird". Eine Bestimmung über die Konzessionsdauer fehlt. In der Folge wurde dieses Wasserrecht von der Ortsgemeinde X. auf die Weberei Y. AG übertragen.
Im Jahr 1975 stellte die Weberei Y. AG ihren Betrieb ein. Ein Jahr später nahm die D. AG (später umbenannt in E. AG, seit 1980 A. AG,) die Produktion von Kunststoffschäumen und Styropor auf. Das 1977 von den kantonalen Behörden eingeleitete Zustimmungsverfahren zur Übertragung der Verleihung wurde mit der Begründung abgebrochen, dass lediglich eine Aktienübertragung und eine Änderung des Geschäftszwecks stattgefunden habe; die Rechtspersönlichkeit der Y. AG bleibe bestehen.
Bei einer nach einem Ölunfall durchgeführten Kontrolle der A. AG im Jahr 1992 wurde festgestellt, dass das Wasser der Kraftanlage nicht nur energetisch, sondern auch anderweitig genutzt wird. Die Druckleitung speist eine Hydrantenleitung und eine Brauchwasserleitung. Das Brauchwasser wird vorwiegend zur Dampferzeugung
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für die Styroporherstellung benötigt. Im B.-Bach sind sodann immer wieder erhebliche Schäden am Fischbestand aufgetreten, was von den Behörden darauf zurückgeführt wird, dass die A. AG dem Gewässer in Niederwasserzeiten kein Restwasser belässt und beim Ausschwemmen, Ablassen und Wiederauffüllen des Stauweihers unsachgemäss vorgeht.
Am 14. Oktober 1997 gab das Amt für Umweltschutz des Kantons St. Gallen der A. AG Gelegenheit, zu einem Entscheid-Entwurf Stellung zu nehmen, der vorsah, die Konzession aufzuheben. Der Gemeinderat X. seinerseits beantragte am 29./30. Dezember 1997, die Wasserrechtsverleihung zu befristen und Restwassermengen vorzuschreiben, dies unter Hinweis darauf, dass die Trockenlegung des Bachs und verendete Fische immer wieder die Gemüter erhitzten. Die A. AG beantragte am 6. Februar 1998, das eingeleitete Verfahren aufzuheben.
Am 30. Juni 1998 erliess das Baudepartement des Kantons St. Gallen nachstehende Verfügung:
1. Die Wasserrechtsverleihung vom 16. Februar 1866 (RRB Nr. 340; Wasserrechtsverzeichnis Nr. III/17) wird befristet. Der A. AG, wird eine Übergangsfrist von fünf Jahren eingeräumt, in welcher sie den Betrieb der Wasserkraftanlage nach den Bestimmungen der altrechtlichen Konzession weiterführen darf. Mit Ende des Jahres 2003 erlischt die Verleihung unwiderruflich.
2. Betreffend den Wasserbezug aus dem B.-Bach für die Dampferzeugung und die anderweitige Verwendung für Industriezwecke wird folgendes verfügt:
a) Der Wasserbezug ist zu messen. Die monatlichen Ablesungen sind zu protokollieren und jährlich dem Amt für Umweltschutz (AFU) zuzustellen.
b) Der Wasserzins für das tatsächlich während eines Jahres bezogene Wasser beträgt Fr. 0.08 je Kubikmeter, wenigstens aber Fr. 800.- je Jahr.
Er wird rückwirkend ab 1. Januar 1993 erhoben.
3. Beabsichtigt die A. AG, die Gewässernutzung am B.- und C.-Bach aufrechtzuerhalten, so hat sie bis zum 31. Dezember 2001 ein Verleihungsgesuch, welches nebst der Kraftnutzung für die Zeit ab dem 1. Januar 2004 auch die Brauchwasserbezüge beinhaltet, bei der zuständigen Stelle des Staates einzureichen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das mit der Konzession verliehene Wasserrecht könne nachträglich befristet und somit auf den 31. Dezember 2003 einseitig aufgehoben werden; des Weiteren seien die Wasserbezüge zur Dampferzeugung nicht Bestandteil der Konzession.
Die A. AG erhob gegen diese Verfügung am 14. Juli 1998 Rekurs bei der Regierung des Kantons St. Gallen. Nach Durchführung des
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Instruktionsverfahrens überwies das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons St. Gallen am 15. Dezember 1999 die Akten zuständigkeitshalber dem kantonalen Verwaltungsgericht.
Mit Entscheid vom 16. März 2000 wies das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen die Beschwerde im Sinne der Erwägungen teilweise gut, soweit es darauf eintrat. Es hob die angefochtene Verfügung auf, soweit darin festgestellt wurde, die Konzession beziehe sich nicht auf Wasserentnahmen. Auf die Beschwerde gegen Ziff. 2 der angefochtenen Verfügung trat es nicht ein, sondern überwies sie diesbezüglich zum Entscheid an die Regierung. Hinsichtlich der Frage der Befristung der Konzession wies es die Beschwerde ab.
Zur Begründung wurde namentlich Folgendes ausgeführt: Die Konzession habe befristet werden können, da deren Dauer bei der Erteilung nicht geregelt worden sei und eine unbefristete Konzession dem Prinzip der Unveräusserlichkeit der öffentlichen Gewalt widersprechen würde. Es gebe kein wohlerworbenes Recht auf zeitlich unlimitierte Sondernutzung eines öffentlichen Gewässers.
Die A. AG erhob am 8. Mai 2000 fristgerecht Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht. Sie beantragte insbesondere, es sei festzustellen, dass die Konzession vom 16. Februar 1866 eine unbefristete altrechtliche Konzession sei, die der Beschwerdeführerin ein wohlerworbenes Recht auf Nutzung des B.-Baches im verliehenen Umfang einräume.
Das Bundesgericht vereinigt die Verfahren. Es tritt auf die staatsrechtliche Beschwerde, welche hinsichtlich der Frage des Wasserzinses für den Brauchwasserbezug zulässig wäre, mangels diesbezüglicher formgültiger Rügen nicht ein. Im Übrigen behandelt es die Rügen (betreffend Inhalt und Dauer der Konzession, soweit diese die Nutzung des Wassers zur Erzeugung von Wasserkraft beschlägt) im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und weist diese ab.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

4. a) Die zur Beurteilung stehende Wasserrechtskonzession ist vom Regierungsrat des Kantons St. Gallen am 16. Februar 1866 erteilt worden, auf welche Dauer lässt sich der Konzession nicht entnehmen. Jedenfalls seit 1860 nahm der Kanton St. Gallen die Gewässerhoheit wahr und erteilte Konzessionen zur Sondernutzung der Gewässer. Das Gesetz über die Benützung von Gewässern (GBG/SG) ist aber erst am 23. November 1893/1. Januar 1894 erlassen worden. Es sah eine Konzessionsfrist von 50 Jahren vor (Art. 11 Abs. 1 GBG/SG), gewährleistete jedoch die bis anhin geübten
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Wasserbezugsrechte in ihrem bisherigen Bestand (Art. 1 Abs. 3 GBG/SG). Das Gesetz vom 5. Dezember 1960 über die Gewässernutzung (GNG/SG), welches das Gesetz über die Benützung von Gewässern ablöste, begrenzt die Verleihungsdauer auf höchstens 80 Jahre für Wasserkraftnutzungen und auf höchstens 50 Jahre für andere Nutzungen (Art. 22 GNG/SG). In Art. 12 sieht es vor, dass die Verleihung von Wassernutzungsrechten dem Beliehenen ein wohlerworbenes Recht auf die Nutzung des Gewässers verschafft. Das Gesetz findet auf die bestehenden Wassernutzungen Anwendung, allerdings unter Vorbehalt der wohlerworbenen Rechte. Das Bundesgesetz vom 22. Dezember 1916 über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte (Wasserrechtsgesetz [WRG; SR 721.80]) seinerseits, welches die Aufnahme der Konzessionsdauer in die Konzession vorschreibt (Art. 54 lit. e WRG) und eine gesetzliche Höchstdauer von 80 Jahren festlegt (Art. 58 WRG), sieht vor, dass die Konzession dem Konzessionär nach Massgabe des Verleihungsaktes ein wohlerworbenes Recht auf die Benützung des Gewässers verschafft (Art. 43 Abs. 1 WRG), was, wie das Bundesgericht festgehalten hat, nur zum Ausdruck bringt, was schon vorher gegolten hat und folglich auch auf Konzessionen anwendbar ist, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes erteilt worden sind (BGE 49 I 555 E. II/3 S. 584).
b) Die der Beschwerdeführerin 1866 erteilte Konzession lässt die Dauer unerwähnt. PETER LIVER hat in einer Abhandlung (Die Entwicklung des Wasserrechts in der Schweiz seit hundert Jahren [ZSR 71/1952 S. 305 ff.]; nachfolgend: Wasserrecht), ausgeführt, die kantonalen Gesetze, die vor 1890 erlassen worden seien, hätten eine zeitliche Beschränkung der Konzessionsdauer nicht gekannt, ausgenommen der Kanton Neuenburg. Er folgert daraus, die Wasserrechte hätten auf unbeschränkte Zeit erteilt werden können (a.a.O., S. 311). Diese Auffassung scheint auch mit derjenigen des Regierungsrats des Kantons St. Gallen übereinzustimmen, wie er sie in einer Botschaft vom 12. November 1864 zu einem, vom Grossen Rat allerdings verworfenen, Gesetzesvorschlag über die "Ertheilung von Wasserrechten" zum Ausdruck brachte: "Dass eine Wasserrechts-Conzession, solange die damit in Verbindung gesetzten Etablissements benützt und beworben werden, unwiderruflich sei, ist selbstverständlich. Niemand würde sich sonst zur Anlage kleinerer oder grösserer Gewerke herbeilassen, denen jede Rechtssicherheit und Gewissheit ihres Bestandes abgehen würden." Das Bundesgericht seinerseits hat in einem Urteil aus dem Jahre 1905
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die Konzession zur Ausbeutung der Wasserkraft als "dingliches Privatrecht" bezeichnet, dem zufolge seiner dinglichen Natur eine zeitliche Beschränkung nicht wesentlich sei (BGE 31 II 828 E. 3 S. 859).
Diese Meinung scheint, wie dem zitierten bundesgerichtlichen Urteil aus dem Jahre 1905 entnommen werden kann, ein privatrechtliches und "dingliches" Verständnis der mit der Konzession erteilten Rechte zum Ausgangspunkt zu haben. Eine Rolle gespielt haben wird dabei auch die Vorstellung der "ehehaften" Wasserrechte, wiewohl es sich bei konzedierten Wasserrechten der vorliegenden Art - unbestrittenermassen - nicht um solche handelt. Ehehafte Rechte sind ausschliesslich private Rechte, die ihren Ursprung in einer Rechtsordnung haben, die nicht mehr besteht, und welche nach neuem Recht nicht mehr begründet werden können, aber auch unter der neuen Rechtsordnung weiterbestehen dürfen; sie erlangten ursprünglich Bedeutung insbesondere im Zusammenhang mit der Wassernutzung (zum Begriff s. PETER LIVER, Die ehehaften Wasserrechte in der Schweiz, in: Beiträge zum Recht der Wasserwirtschaft und zum Energierecht, Festschrift für Paul Gieseke, S. 225 f.). Bis gegen Ende des 19. und noch anfangs des 20. Jahrhunderts galt das verliehene Wasserrecht als privates Recht, gleichgültig, ob es aufgrund des Eigentums oder der Gewässerhoheit eingeräumt worden war; erst in jener Zeit setzte sich das öffentlichrechtliche Verständnis durch (LIVER, Wasserrecht, S. 333 ff.). Die zivilrechtliche, ja dingliche Betrachtungsweise mag dazu beigetragen haben, dass das öffentliche Interesse zu wenig Berücksichtigung fand, welches einer definitiven Entäusserung der Gewässerhoheit durch Erteilung einer Sondernutzungskonzession entgegensteht.
c) Nach heutiger Rechtsanschauung kann das Gemeinwesen Sondernutzungsrechte nicht auf unbefristete Dauer erteilen (PIERRE MOOR, Droit administratif, Bd. III, Bern 1992, S. 136, 308; ANDRÉ GRISEL, Traité de droit administratif, Bd. 1, Neuenburg 1984, S. 293; TOMAS POLEDNA, Staatliche Bewilligungen und Konzessionen, Bern 1994, S. 242, 250). Die öffentlichen Gewässer sind öffentliche Sachen im Gemeingebrauch. Dieser Zweckbestimmung werden sie durch ein Sondernutzungsrecht an einem bestimmten Wasserlauf entfremdet (VINZENS AUGUSTIN, Das Ende der Wasserrechtskonzessionen, Freiburg 1983, S. 29). Das Gemeinwesen muss deshalb von Zeit zu Zeit Gelegenheit erhalten, sich darüber zu vergewissern, ob die Sondernutzung mit dem öffentlichen Interesse noch in Einklang steht. Wäre das durch Konzession dem Privaten eingeräumte Recht
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ein ewiges, liefe dies darauf hinaus, dass das Gemeinwesen sich seiner Rechte und seiner Hoheit entäusserte, was nicht zulässig ist (Grundsatz der Unveräusserlichkeit der öffentlichen Gewalt, s. AUGUSTIN, a.a.O., S. 29, 34; MOOR, a.a.O., S. 308, POLEDNA, a.a.O., S. 242, 250).
Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden hat daraus gefolgert, dass eine auf unbefristete Zeit begründete Wassernutzungskonzession nachträglich befristet und vom Verleiher nach Ablauf einer angemessenen Konzessionsdauer einseitig und entschädigungslos aufgehoben werden kann (Praxis des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 1986, Nr. 37). Das Bundesgericht seinerseits hat in einem Urteil, in welchem es die Konzessionsdauer einer altrechtlichen Konzession als Vorfrage zu beurteilen hatte, diese Dauer durch richterliche Lückenfüllung bestimmt (BGE 97 II 390 E. 10 S. 402). Dass die Konzession auf ewig erteilt sein könnte, hat es gar nicht in Betracht gezogen (S. 403). Auch in der Literatur wird angenommen, dass altrechtliche Konzessionen, welche unbefristet erteilt wurden, nachträglich zeitlich beschränkt werden können (AUGUSTIN, a.a.O., S. 34; POLEDNA, a.a.O., S. 250; RENÉ A. RHINOW/BEAT KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel 1990, Nr. 122, B IV, S. 367).
d) Die Beschwerdeführerin ist nun aber der Auffassung, dass die Wasserrechtsverleihung gerade auch hinsichtlich der Konzessionsdauer ein wohlerworbenes Recht verschafft habe; da die Konzession auf der Grundlage des im letzten Jahrhundert herrschenden Verständnisses des Wesens der Wasserrechtskonzession erteilt worden sei, könne es auf die heutige Rechtsauffassung nicht ankommen.

5. a) Im Zusammenhang mit Konzessionen gelten nach der Rechtsprechung als wohlerworben jene Rechte, die aufgrund freier Vereinbarung der Parteien entstanden und als wesentlicher Bestandteil der erteilten Konzession zu betrachten sind, weil der Bewerber sich ohne sie über die Annahme der Verleihung gar nicht hätte schlüssig werden können (BGE 107 Ib 140 E. 3a S. 144 f.; Urteil des Bundesgerichts vom 10. April 1985, in: ZBl 86/1985 S. 498, E. 2b S. 500, mit Hinweisen). In die Substanz von auf diese Weise begründeten Rechten darf gestützt auf spätere Gesetze regelmässig nicht, jedenfalls nicht ohne Entschädigung, eingegriffen werden (BGE 119 Ib 254 E. 5a S. 268; BGE 107 Ib 140 E. 3a S. 145).
Ob eine Rechtsposition als wohlerworbenes Recht zu qualifizieren ist, lässt sich nicht allein aufgrund ihrer Entstehung und unabhängig
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von der aktuellen Rechtslage beurteilen (KATHRIN KLETT, Verfassungsrechtlicher Schutz "wohlerworbener Rechte" bei Rechtsänderungen, Bern 1984, S. 224 ff., 233). Die Anerkennung eines wohlerworbenen Rechts ist vielmehr das (typisierte) Ergebnis einer Interessenabwägung, welches den aufgrund einer früheren Rechtsordnung eingeräumten Rechten den Vorrang vor der Durchsetzung der mit einer Rechtsänderung verfolgten öffentlichen Interessen einräumt, wobei das konkret fassbare Rechtssicherheitsinteresse des Rechtsinhabers nach den aktuellen Verhältnissen zu gewichten ist (KLETT, a.a.O., S. 233 ff.).
Im Falle der Konzession wird ein Rechtsverhältnis mit gegenseitigen Rechten und Pflichten der Verleihungsbehörde und des Konzessionärs begründet, einem durch Vertrag begründeten Rechtsverhältnis vergleichbar. Die konzessionierte Unternehmung erstellt auf Grund der Konzession ein Werk mit regelmässig beträchtlichen Investitionen, deren Rentabilität sich nicht kalkulieren lässt, wenn nicht Sicherheit über die finanziellen Lasten aus der Konzession und über die Konzessionsdauer besteht. Daraus ergibt sich, dass das Gemeinwesen nicht einseitig von der Konzession abgehen und das Leistungsverhältnis zu seinen Gunsten verändern kann (BGE 126 II 171 E. 4b S. 180 f., mit Hinweisen). Namentlich kann es grundsätzlich die Dauer der Konzession nicht kürzen, weil die Rentabilität des von der konzessionierten Unternehmung zu erstellenden Werkes davon wesentlich abhängt; (nur) insofern gehört die - vereinbarte - Dauer der Konzession zur Substanz des wohlerworbenen Rechts (BGE 49 I 555 E. II/3 S. 584 f.).
b) Die von der Beschwerdeführerin beanspruchte zeitlich unbegrenzte Nutzung eines Wasserrechts lässt sich nun allerdings grundsätzlich nicht damit begründen, dass sie Grundlage für die Kalkulierung der Rentabilität der Investitionen bilden würde. Beim Erlass des eidgenössischen Wasserrechtsgesetzes ging das Parlament davon aus, dass eine Konzessionsdauer von 80 Jahren selbst für ganz grosse Unternehmungen mit kostspieligen Anlagen für eine zweckmässige Amortisation ausreichen (KARL GEISER/J.J. ABBÜHL/FRITZ BÜHLMANN, Einführung und Kommentar zum Bundesgesetz über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte, Zürich 1921, S. 194; AUGUSTIN, a.a.O., S. 30). "Durant 80 années, si l'entreprise n'a pas pu amortir ses installations et son capital, elle ne les amortira jamais" (Sten.Bull. 1915 N 291, Nationalrat Maillefer). Die Regierung des Kantons St. Gallen hat zwar in der Zeit, in welcher die vorliegende Konzession begründet wurde, dem Grossen Rat eine Gesetzesvorlage
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zugeleitet, in welcher sie die Auffassung vertrat, Wassernutzungskonzessionen sollten Bestand haben, solange das damit in Verbindung stehende Werk genutzt werde (vorne E. 4b). Gesetz ist die Vorlage jedoch nicht geworden, weshalb aus dieser Meinungsäusserung nicht allzu weit reichende Schlüsse gezogen werden dürfen. Für eine zeitlich unbeschränkte Konzessionsdauer kann jedenfalls nicht ins Feld geführt werden, dass sie die notwendige Basis für das Konzessionsverhältnis bilden würde und zu dessen Substanz zu zählen wäre.
Vielmehr widerspricht es in höchstem Masse dem öffentlichen Interesse, Sondernutzungskonzessionen auf Dauer (recte: auf unbeschränkte Dauer) zu erteilen und das öffentliche Gewässer auf ewige Zeiten seinem Zweck zu entfremden. Das liefe darauf hinaus, dass sich das Gemeinwesen der Gewässerhoheit, die es im 19. Jahrhundert gerade erst in Anspruch genommen hat, durch Verleihung sukzessive wieder entäussert hätte. Nun ist für die Anerkennung eines wohlerworbenen Rechts - auch im Zusammenhang mit Konzessionen - massgeblich, dass die Konzessionserteilung vertragsähnlicher Natur ist: Innerhalb einer Konzession sind gerade diejenigen Rechte als wohlerworben einzustufen, welche nicht durch einen Rechtssatz, sondern aufgrund freier Vereinbarung der Parteien entstanden sind (BGE 113 I a 357 E. 6a/cc S. 361, mit Hinweis). Insofern fliessen zivilrechtliche Überlegungen ein. Darum kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass es heute auch zivilrechtlich ausgeschlossen ist, obligatorische Verträge auf "ewige" Zeiten abzuschliessen und aufrechtzuerhalten (BGE 114 II 159 E. 2a S. 161; BGE 113 II 209 E. 4 S. 210 f.; BGE 93 II 290 E. 7 S. 300, je mit Hinweisen); unzulässig ist dies selbst dann, wenn sie noch unter der Herrschaft des alten kantonalen Rechts abgeschlossen worden sind, was unter Hinweis auf Art. 2 SchlT ZGB damit begründet wird, dass es sich um einen Grundsatz handelt, der um der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit Willen Geltung hat (BGE 97 II 390 E. 3 S. 395). Art. 2 SchlT ZGB aber wird auch im öffentlichen Recht für massgeblich erachtet (BGE 112 Ib 39 E. 1c S. 43, mit Hinweisen). Die einheitliche Wertung in der gesamten Rechtsordnung macht deutlich, dass es ein wohlerworbenes Recht auf dauerhafte Sondernutzung nicht geben kann. Dies wäre mit dem erwähnten Grundsatz der Unveräusserlichkeit öffentlicher Gewalt (vorne E. 4c) und insofern mit der öffentlichen Ordnung nicht mehr vereinbar, unabhängig davon, dass die altrechtlichen Konzessionen in gewissem Sinne als Gebilde (auch) "dinglicher" Natur verstanden wurden.
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Die Beschwerdeführerin vermag dies mit ihrer Berufung auf Art. 2 und 27 ZGB bzw. mit dem Hinweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung dazu (BGE 123 III 337; BGE 97 II 390) nicht zu entkräften. Wohl lässt das Bundesgericht ein Eingreifen in vertragliche Vereinbarungen nur mit etwelcher Zurückhaltung zu, wobei sich diese Haltung wohl noch in besonderem Masse rechtfertigen mag, wenn Vertragspartner ein Gemeinwesen ist (vgl. BGE 97 II 390 E. 7 S. 399 f.). Auch der von der Beschwerdeführerin zitierten Rechtsprechung liegt aber der Gedanke zugrunde, dass jedenfalls eine Bindung ohne jegliche zeitliche Begrenzung unzulässig ist. Das Gemeinwesen kann die ihm zustehende Hoheit über die Gewässer im Rahmen einer Konzession nicht für alle Zeiten aufgeben.
Nennt die Konzessionsurkunde keine zeitliche Beschränkung, ist die Dauer der Konzession zu beschränken und durch richterliche Lückenfüllung zu bestimmen (vgl. BGE 97 II 390 E. 10 S. 402; AUGUSTIN, a.a.O, S. 34 f.).
c) Es ist dem Verwaltungsgericht folglich darin beizupflichten, dass die der Beschwerdeführerin erteilte Konzession, deren Dauer nicht bestimmt ist, nachträglich befristet werden durfte, ohne dass dadurch ein wohlerworbenes Recht bzw. das Willkürverbot oder das Gebot der Wahrung von Treu und Glauben verletzt worden wäre. Insbesondere darf Ziff. 5 der Konzessionsurkunde in Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen nicht so verstanden werden, dass die Konzession auch nach Jahrzehnten bzw. gar Jahrhunderten einzig dann erlischt, wenn während eines Jahres kein Gebrauch davon gemacht wird. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Beschwerdeführerin die Möglichkeit hat, ein Gesuch um erneute Verleihung des Wassernutzungsrechts zu stellen, worüber in einem förmlichen Verfahren und unter Berücksichtigung sämtlicher Interessen, nebst des öffentlichen Interesses an befriedigender und umweltgerechter Wassernutzung auch des privaten Interesses der Beschwerdeführerin, befunden wird.

6. Was die konkrete Befristung betrifft, so hat das Verwaltungsgericht die massgebenden Gesichtspunkte zutreffend gewürdigt. Nach einer Konzessionsdauer von 134 Jahren stellte sich insbesondere die Frage der Amortisation der Anlagen nicht mehr (s. zur Massgeblichkeit insbesondere dieses Kriteriums vorne E. 5a letzter Absatz und E. 5b erster Absatz, ferner BGE 113 II 209), und der Kanton St. Gallen konnte unter Gewährung einer angemessenen Übergangsfrist (fünfeinhalb Jahre ab dem Zeitpunkt der erstinstanzlichen Verfügung vom 30. Juni 1998 bis zum 31. Dezember 2003) die Konzession auflösen.
BGE 127 II 69 S. 79
Sodann ist das Rechtsgleichheitsgebot entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin nicht verletzt. Der Kanton St. Gallen durfte die Konzession der Beschwerdeführerin nicht nur dann befristen, wenn er gleichzeitig sämtliche weiteren Wasserkonzessionen aus der damaligen Zeit, die keine Befristung aufweisen, ebenfalls befristet hätte. Es darf sehr wohl den Umständen jedes einzelnen Falles Rechnung getragen werden. Aufgrund der erheblichen Belastung des B.-Bachs lag es für die Behörden des Kantons St. Gallen nahe, zunächst die vorliegende Konzession einer Klärung zuzuführen.

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Sachverhalt

Erwägungen 4 5 6

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