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Urteilskopf

121 IV 23


5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 27. Januar 1995 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz (Nichtigkeitsbeschwerde)

Regeste

Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB (a.F.); unrechtmässige Verwendung anvertrauten Guts; Verheimlichen eines Zahlungseinganges.
Die tatbestandsmässige Handlung bei der Gutsveruntreuung besteht in einem Verhalten des Täters, durch welches er eindeutig seinen Willen bekundet, den obligatorischen Anspruch des Treugebers zu vereiteln. Bekundung dieses Willens bejaht bei einem Notar und Grundbuchverwalter, der die Einnahme von Steuergeldern gegenüber dem Steuerhoheitsträger mittels unwahrer Belege verschleiert hat.

Sachverhalt ab Seite 24

BGE 121 IV 23 S. 24
Das Kantonsgericht des Kantons Schwyz verurteilte X. am 3. Mai 1994 zweitinstanzlich wegen qualifizierter Veruntreuung, Urkundenfälschung im Amt, Amtsmissbrauchs und Betrugs zu 24 Monaten Gefängnis, unter Anrechnung der Untersuchungshaft von 3 Tagen.
Eine von X. dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde weist das Bundesgericht ab, soweit es darauf eintritt.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. a) Der Beschwerdeführer amtete als Notar und Grundbuchverwalter des Kreises Y. In zwei Fällen leitete er dem Notariat zuhanden des Bezirks Y. überwiesene Handänderungssteuern im Betrage von Fr. 3'000.-- bzw. Fr. 23'500.-- nicht bzw. erst auf Reklamation hin an den Bezirk weiter. In den entsprechenden Handänderungsanzeigen erklärte er gegenüber dem Bezirk jeweils wahrheitswidrig, es sei infolge Steuerbefreiung keine Handänderungssteuer bezahlt worden. Die Vorinstanz verurteilte den Beschwerdeführer in diesem Anklagepunkt wegen Veruntreuung.
Der Beschwerdeführer wendet ein, er habe sich das Geld nicht angeeignet. Eine Aneignung wäre nur zu bejahen, wenn er die Steuereinnahmen, anstatt sie auf dem Notariat zu belassen, in seine Tasche hätte fliessen lassen. Das habe er nicht getan. Selbst wenn er den Willen gehabt hätte, die Gelder zu behalten, hätte er diesen nicht betätigt.
b) Gemäss Art. 140 Ziff. 1 StGB in seiner vor dem 1. Januar 1995 geltenden alten Fassung (im wesentlichen identisch mit Art. 138 Ziff. 1 StGB n.F.) ist wegen Veruntreuung strafbar, wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern (Abs. 1), oder wer anvertrautes Gut, namentlich Geld, unrechtmässig in seinem oder eines andern Nutzen verwendet (Abs. 2). Bei den auf das Notariatskonto überwiesenen Steuerbeträgen handelt es sich um Buchgeld, also um unkörperliche Werte. Damit geht es hier um die
BGE 121 IV 23 S. 25
Tatbestandsvariante nach Abs. 2 (BGE 118 IV 32 E. 2a mit Hinweisen). Da das Tatbestandsmerkmal des Anvertrautseins unstrittig gegeben ist, ist entscheidend, ob der Beschwerdeführer das auf das Notariatskonto überwiesene Geld unrechtmässig in seinem oder eines andern Nutzen verwendet hat.
c) Im eigentlichen Veruntreuungstatbestand nach Abs. 1 besteht die Tathandlung in der Aneignung. Aneignung setzt voraus, dass der Täter einerseits den Willen auf dauernde Enteignung des Eigentümers und anderseits den Willen auf zumindest vorübergehende Zueignung der Sache an sich selbst hat. Dabei genügt es aber nicht, dass der Täter den Aneignungswillen hat, er muss ihn vielmehr auch betätigen; denn strafbar ist niemals der Wille als solcher, sondern immer nur ein bestimmt geartetes Verhalten (BGE 118 IV 148 E. 2a mit Hinweisen). Eine Aneignung wird in der Literatur unter anderem bei Leugnen des Besitzes angenommen (SCHUBARTH, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, 2. Band, Art. 141 N. 5; NOLL, ZStrR 71/1956, S. 164).
Die Auslegung der Tathandlung der unrechtmässigen Verwendung anvertrauten Gutes nach Abs. 2 hat sich an diese Überlegungen anzulehnen (SCHUBARTH, a.a.O., Art. 140 N. 46). Abs. 2 schützt nicht das Eigentum, sondern den dem Treugeber aus der Übereignung an den Treuhänder entstandenen obligatorischen Anspruch. Entsprechend besteht die tatbestandsmässige Handlung nach Abs. 2 in einem Verhalten des Täters, durch welches er eindeutig seinen Willen bekundet, den obligatorischen Anspruch des Treugebers zu vereiteln (REHBERG/SCHMID, Strafrecht III, 6. Aufl., S. 97; REHBERG, ZStrR 92/1976, S. 38 f.; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 5. Aufl., § 13 N. 58). In BGE 98 IV 29 bejahte das Bundesgericht die unrechtmässige Verwendung in einem Fall, wo der Täter den Treugeber über einen Zahlungseingang nicht unterrichtete und die Zahlung abmachungswidrig seiner Aktiengesellschaft überliess (E. 1c). Im Schrifttum wird ebenfalls angenommen, die Tathandlung von Abs. 2 sei erfüllt, wenn der Täter ein Inkasso verheimlicht (vgl. NOLL, a.a.O.; SCHULTZ, ZBJV 109/1973, S. 417; REHBERG/SCHMID, a.a.O.; REHBERG, a.a.O., S. 39; STRATENWERTH, a.a.O.; SCHUBARTH, a.a.O., Art. 140 N. 47; LUKAS SCHAUB, Die unrechtmässige Verwendung anvertrauten Gutes, Basel 1979, S. 127).
d) Die Handänderungssteuern wurden hier auf das Notariatskonto einbezahlt, damit sie der Beschwerdeführer an den Bezirk weiterleite. Der Beschwerdeführer unterrichtete den Bezirk über die Zahlungseingänge jedoch
BGE 121 IV 23 S. 26
nicht. Wie die Vorinstanz verbindlich feststellt (Art. 277bis Abs. 1 BStP), hatte der Beschwerdeführer den Willen, dem Bezirk die Einnahme der Handänderungssteuern zu verheimlichen. Diesen Willen hat er auch betätigt. In den beiden Handänderungsanzeigen erklärte er gegenüber dem Bezirk wahrheitswidrig, es seien infolge Steuerbefreiung keine Handänderungssteuern bezahlt worden. Er ist somit nicht untätig geblieben, sondern hat aktiv die Zahlungseingänge verschleiert. Seine Verurteilung wegen Veruntreuung in diesem Punkt verletzt deshalb Bundesrecht nicht.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 1

Referenzen

BGE: 118 IV 32, 118 IV 148, 98 IV 29

Artikel: Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB, Art. 140 Ziff. 1 StGB, Art. 138 Ziff. 1 StGB, Art. 277bis Abs. 1 BStP