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Urteilskopf

109 Ib 121


19. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 22. Juni 1983 i.S. E. Pfister & Co. AG und Mitbeteiligte gegen Allod Verwaltungs-AG, Gemeinde Silvaplana und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde)

Regeste

Art. 33 RPG, Verfahren.
Mit den Rechtsschutzanforderungen des Bundesrechts nicht vereinbar ist, wenn ein Verwaltungsgericht als einzige kantonale Beschwerdebehörde die gegen einen Nutzungsplan erhobenen Einwendungen nicht frei prüft, sondern nur im Rahmen seiner normalerweise beschränkten Kognition (E. 5).

Erwägungen ab Seite 122

BGE 109 Ib 121 S. 122
Aus den Erwägungen:

5. Im allgemeinen steht den Verwaltungsgerichten keine freie Ermessens- und Zweckmässigkeitskontrolle zu; sie haben nur ausnahmsweise eine solche Prüfungsbefugnis in den Materien, in denen sie das Gesetz besonders vorsieht. Das gilt auch für das Bündner Verwaltungsgericht. Nach Art. 53 des Gesetzes über die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton Graubünden (VGG) ist im Rekursverfahren die Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichts beschränkt auf Rechtsverletzung einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens sowie unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts. Eine freie Ermessenskontrolle steht dem Gericht somit im Regelfall nicht zu. Nach Art. 15 VGG gelten jedoch für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht die Vorschriften dieses Gesetzes nur, soweit die Gesetzgebung von Bund oder Kanton nichts anderes bestimmt. Art. 33 des eidgenössischen Raumplanungsgesetzes verpflichtet die Kantone, wenigstens ein Rechtsmittel gegen Verfügungen und Nutzungspläne vorzusehen und die volle Überprüfung durch wenigstens eine Beschwerdebehörde zu gewährleisten.
Es stellt sich somit die Frage, ob das Verwaltungsgericht den Beschwerdeführern das Recht deshalb verweigert hat, weil es ihre Einwendungen gegen den Quartierplan Foppas bzw. gegen die Ablehnung ihrer Einsprachen durch den Gemeindevorstand von Silvaplana nur im Rahmen der für Verwaltungsgerichte üblichen Kognitionsbeschränkung des Art. 53 VGG geprüft und die Rechtsschutzanforderung von Art. 33 RPG nicht berücksichtigt hat.
a) Es ist nicht bestritten, dass es sich beim Quartierplan Foppas um einen Nutzungsplan im Sinne der Art. 14 ff. RPG handelt. Als für jedermann verbindlicher Sondernutzungsplan regelt er
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die Erschliessung und Überbauung des Quartierplangebietes (EJPD/BRP, Erläuterungen RPG, N. 2 Vorbemerkungen zu den Art. 14-20, S. 195). Er muss daher den Anforderungen des eidgenössischen Raumplanungsgesetzes genügen, auch wenn er sich primär auf das Quartierplangesetz der Gemeinde Silvaplana vom 30. März/23. August 1976 sowie auf das Raumplanungsgesetz vom 20. Mai 1973 für den Kanton Graubünden stützt. Diese Erlasse stehen im Dienste der verfassungsmässigen Zielsetzung der Raumplanung, eine zweckmässige Nutzung des Bodens und eine geordnete bauliche Entwicklung sicherzustellen (Art. 22 quater BV; Art. 1 und 3 RPG). Dass sie vor dem eidgenössischen Raumplanungsgesetz in Kraft getreten sind, ändert daran nichts.
Handelt es sich wie beim Quartierplan Foppas um einen Nutzungsplan, der unter der Herrschaft des seit dem 1. Januar 1980 in Kraft stehenden Raumplanungsgesetzes öffentlich aufgelegt wurde, so gelangen dessen Rechtsschutzbestimmungen zur Anwendung (BGE 107 Ib 115). Dabei ist Art. 33 RPG selbständig anwendbar; was Auflagepflicht, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegründe angeht, bedarf er keines ausführenden Rechts der Kantone; diese haben bloss das hierfür nötige Organisations- und Verfahrensrecht zu erlassen (EJPD/BRP, Erläuterungen RPG, N. 3 zu Art. 33, S. 340 f.).
b) Es ist also zu prüfen, ob das Verfahren, wie es im vorliegenden Fall durchgeführt wurde, den Mindestvorschriften des Bundesrechts für den Rechtsschutz genügt. Die öffentliche Auflage des Quartierplanes Foppas mit Einsprachemöglichkeit entspricht dem Gebot des Art. 33 Abs. 1 RPG. Auch hat das Bundesgericht anerkannt, dass die volle Überprüfung einer Einsprache durch eine vom Planungsträger unabhängige Instanz der Anforderung von Art. 33 Abs. 3 lit. b RPG genügt. Es verstösst somit nicht gegen Bundesrecht, wenn ein Regierungsrat als Plangenehmigungsbehörde über Einsprachen befindet, nachdem er diese frei geprüft hat (BGE 108 Ia 34 E. 1a). Sieht das kantonale Recht den Weiterzug eines entsprechenden Einspracheentscheides an ein Verwaltungsgericht vor, so steht der Beschränkung der Kognition des Gerichts auf Rechtsverletzung einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens sowie auf unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts von Bundesrechts wegen nichts entgegen.
Im vorliegenden Fall hat jedoch der Gemeindevorstand als Planfestsetzungsbehörde über die Einsprachen entschieden. Dieses
BGE 109 Ib 121 S. 124
Vorgehen genügt der Anforderung von Art. 33 Abs. 3 lit. b RPG nur, wenn der Entscheid an eine Behörde mit voller Kognition weitergezogen werden kann. Das Bundesrecht verlangt eine Entscheidungsinstanz, die von der den Plan festsetzenden Instanz unabhängig ist (EJPD/BRP, Erläuterungen RPG, N. 32 zu Art. 33, S. 355). Ob dies eine Verwaltungsbehörde oder ein Gericht ist, hat das kantonale Organisations- und Verfahrensrecht zu bestimmen. Das Bündner Recht sieht unbestrittenermassen nur den Weiterzug des Einspracheentscheides des Gemeindevorstandes an das Verwaltungsgericht vor. Diese Lösung ist mit den Rechtsschutzanforderungen des Bundesrechts dann vereinbar, wenn das Gericht den angefochtenen Einspracheentscheid ohne Beschränkung seiner Kognition überprüft.
c) Aus dem angefochtenen Entscheid ergibt sich unmissverständlich, dass sich das Verwaltungsgericht an die Kognitionsbeschränkung gemäss Art. 53 VGG gebunden erachtete. Es kann sich daher allein fragen, ob es trotz der Betonung seiner beschränkten Prüfungsbefugnis in Wirklichkeit eine Prüfung vorgenommen hat, die den Anforderungen des Raumplanungsgesetzes genügt, wie dies die Beschwerdegegnerin und der Vorstand der Gemeinde Silvaplana behaupten. Sie wollen aus der Umschreibung der Planungspflicht in Art. 2 RPG eine Beschränkung des Rechtsschutzes herleiten, weil die mit Planungsaufgaben betrauten Behörden gemäss Absatz 3 darauf zu achten haben, dass den ihnen nachgeordneten Behörden der Ermessensspielraum belassen wird, den sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Diese Auffassung geht schon deshalb fehl, weil sich Art. 2 RPG bei der Umschreibung der Planungspflicht nicht an reine Rechtsmittelinstanzen, sondern an die mit Planungsaufgaben betrauten Behörden von Bund, Kantonen und Gemeinden wendet. Diese haben bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die Entscheidungsfreiheit, die den nachgeordneten Planungsträgern zusteht, zu respektieren. Für das Verhältnis zwischen Kantonen und Gemeinden ergibt sich aus diesem Gebot, dass die kantonale Behörde, welche die Nutzungspläne der Gemeinden genehmigt (Art. 26 PPG), nicht ihr eigenes Ermessen an die Stelle haltbaren kommunalen Ermessens setzen soll (BGE 106 Ia 71 E. 2a).
Aus der Regelung von Art. 2 Abs. 3 RPG ergibt sich für das Rechtsschutzverfahren keine Beschränkung der Kognition für diejenige Instanz, welche die vom Raumplanungsgesetz verlangte volle Überprüfung vorzunehmen hat. Doch besagt auch volle
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Prüfung bei Einwendungen gegen einen Nutzungsplan nicht, dass die Rechtsmittelinstanz Planungsbehörde wird. Wohl aber hat sie nicht nur zu prüfen, ob die den Plan festsetzende Behörde das ihr zustehende Planungsermessen überschritten oder missbraucht, mithin eine Rechtsverletzung begangen hat. Zu prüfen ist vielmehr ebenso, ob das Planungsermessen richtig und zweckmässig ausgeübt worden ist. Die mit voller Kognition betraute Behörde hat einzuschreiten, wenn sich die angefochtene Planfestsetzung als unzweckmässig oder unangemessen erweist (FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, S. 227 ff.; derselbe, Der Rechtsschutz, in: Das Bundesgesetz über die Raumplanung, Berner Tage für die juristische Praxis 1980, S. 69).
Wie sich aus den Erwägungen des angefochtenen Entscheids klar ergibt, hat das Verwaltungsgericht eine derartige Prüfung nicht vorgenommen. Sie setzt, wie dies Art. 3 des Raumplanungsgesetzes für den Kanton Graubünden anordnet, eine bestmögliche Abwägung der schutzwürdigen öffentlichen und privaten Interessen voraus und verlangt die Beantwortung der Frage, ob bei der umstrittenen Planung in Beachtung des Verhältnismässigkeitsprinzips im Rahmen des Planungszwecks jene Anordnungen getroffen wurden, die in ihrer gesamten Auswirkung alle Betroffenen am wenigsten belasten.
d) (...)
Da das Verwaltungsgericht als einzige kantonale Beschwerdebehörde die vom Bundesrecht verlangte volle Überprüfung nicht vorgenommen hat, ist sein Entscheid aufzuheben. Ob dieser auch in materieller Hinsicht die Eigentumsgarantie verletzt, ist bei diesem Ausgang des Verfahrens nicht zu prüfen.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Erwägungen 5

Referenzen

BGE: 107 IB 115, 108 IA 34, 106 IA 71

Artikel: Art. 33 RPG, Art. 53 VGG, Art. 33 Abs. 3 lit. b RPG, Art. 2 RPG mehr...