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Urteilskopf

91 IV 216


58. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. Dezember 1965 i.S. Giuliani gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden.

Regeste

Art. 90 SVG, Art. 237 Ziff. 1 StGB.
Auf die vorsätzliche konkrete Gefährdung des Strassenverkehrs, herbeigeführt durch Verletzung von Verkehrsregeln, ist unter Ausschluss von Art. 90 SVG Art. 237 Ziff. 1 StGB anzuwenden.

Erwägungen ab Seite 216

BGE 91 IV 216 S. 216
Aus den Erwägungen:
Wie der Kassationshof entschieden hat, ist Art. 237 StGB sowohl in den von Art. 90 Ziff. 2 SVG als auch in den von Ziff. 1 erfassten Fällen nicht mehr anwendbar (BGE 90 IV 156). Offen gelassen wurde dagegen bisher, ob in Fällen vorsätzlicher Verkehrsgefährdung auch die Anwendung von Art. 237 Ziff. 1 StGB ausgeschlossen sei (BGE 90 IV 159 Nr. 34). Diese Frage ist entgegen der in der Gesetzesberatung vertretenen Auffassung, dass sowohl die fahrlässige wie vorsätzliche Gefährdung unter Art. 90 Ziff. 2 SVG falle, und obschon Abs. 2 dieser Bestimmung die Anwendung des Art. 237 StGB ohne Einschränkung ausschliesst, zu verneinen. Schon die Entstehungsgeschichte zeigt, dass mit Art. 90 Ziff. 2 SVG nur die Ausschaltung von Art. 237 Ziff. 2 StGB beabsichtigt wurde; bloss die Praxis zu dieser Bestimmung hat zu Kritik Anlass gegeben und in der parlamentarischen Beratung zum Antrag Kistler geführt, aus dem Art. 90 Ziff. 2 SVG entstanden ist
BGE 91 IV 216 S. 217
(vgl. BGE 90 IV 152 f., 157 f.). Die seltener vorkommenden Tatbestände der vorsätzlichen Verkehrsgefährdung nach Art. 237 Ziff. 1 StGB wurden dabei nicht erörtert. Dass Art. 90 SVG auch Art. 237 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ersetzen soll, der die vorsätzliche Verursachung einer konkreten Gemeingefahr ausschliesslich mit Zuchthaus bedroht, kann zum vornherein nicht gewollt sein (ebenso SCHULTZ, Die Strafbestimmungen des SVG, S. 177; BURCKHARDT, ZStR 1964, 48). Es wäre aber auch sachlich nicht gerechtfertigt, in den gewöhnlichen Fällen vorsätzlicher Verkehrsgefährdung, die durch Verletzung von Verkehrsregeln bewirkt wird, Art. 237 Ziff. 1 Abs. 1 StGB nicht mehr anzuwenden (DUBS, Festgabe für Gerwig, S. 10 f.). Nach dieser Bestimmung ist der Täter stets mit Gefängnis zu bestrafen, während Art. 90 Ziff. 2 Abs. 1 SVG wahlweise Gefängnis oder Busse vorsieht. Es kann nicht der wahre Sinn des SVG sein, den Täter heute wegen vorsätzlicher konkreter Gefährdung unter eine mildere Strafandrohung zu stellen als früher, die zudem nicht strenger ist als jene, die bisher nach Art. 237 Ziff. 2 StGB bei fahrlässiger Verkehrsstörung galt. Es könnte auch nicht verstanden werden, wenn der Verkehrsteilnehmer, der durch seine Fahrweise andere Strassenbenützer vorsätzlich in Gefahr bringt, unter Umständen mit einer Busse wegkäme und damit gegenüber dem, der den gleichen Erfolg auf andere Weise als durch Verletzung von Verkehrsregeln, z.B. durch Aufstellen eines Hindernisses, herbeiführt und dafür nach Art. 237 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in jedem Falle mit Gefängnis bestraft werden muss, bevorzugt behandelt würde. Hiezu kommt, dass in den Fällen des Art. 90 Ziff. 2 Abs. 1 SVG selbst bei vorsätzlicher grober Verletzung von Verkehrsregeln die damit verbundene konkrete Gefährdung anderer vom Täter in der Regel nicht gewollt, sondern fahrlässig hervorge-, rufen wird (SCHERRER, Die Gefährdungstatbestände des SVG S. 63 ff.). Art. 237 Ziff. 1 Abs. 1 StGB auf den Verkehrsteilnehmer, der im Strassenverkehr vorsätzlich Leib und Leben von Menschen konkret gefährdet, weiterhin anzuwenden, drängt sich daher auch unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens auf. Eine merkliche Einschränkung des Geltungsbereiches des Art. 90 SVG wird dadurch nicht eintreten.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Referenzen

BGE: 90 IV 156, 90 IV 159, 90 IV 152

Artikel: Art. 90 SVG, Art. 237 Ziff. 1 StGB, Art. 90 Ziff. 2 SVG, Art. 237 Ziff. 1 Abs. 1 StGB mehr...