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Urteilskopf

124 III 155


28. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Oktober 1997 i.S. X. AG gegen Y. (Berufung)

Regeste

Vertrag über Beratung, Vermittlung und Verwaltung bei Erwerb und Veräusserung von börsenmässig gehandelten Terminoptionen.
Auslegung einer in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der vermittelnden Gesellschaft enthaltenen Klausel über die Höhe der dem Kunden verrechneten Kommission (E. 1).
Rechtliche Qualifikation des Vertrages zwischen Kunde und vermittelnder Gesellschaft (E. 2).
Aufklärungs- und Beratungspflicht der vermittelnden Gesellschaft; Voraussetzungen der Schadenersatzpflicht gegenüber dem Kunden bei Verletzung dieser Pflichten (E. 3).

Sachverhalt ab Seite 155

BGE 124 III 155 S. 155
Die X. AG (Beklagte) befasst sich mit der Vermittlung von Waren- und Börsentermingeschäften. Y. (Kläger) ist ein selbständig erwerbstätiger Handwerker. Seit Oktober 1990 traten Mitarbeiter der Beklagten telefonisch an den Kläger heran, um ihn zu Investitionen in Termingeschäften zu bewegen. Im Januar 1991 fand ein Besuch des Klägers in den Geschäftsräumen der Beklagten statt.
Anfangs März 1991 zahlte der Kläger Fr. 25'000.-- auf ein erstes Konto bei der Beklagten und am 18. Juni 1991 Fr. 100'000.-- auf ein zweites Konto ein.
BGE 124 III 155 S. 156
Am 7. März 1991 unterschrieb der Kläger eine ihm von der Beklagten unterbreitete "Auftragsbestätigung (für Optionen)", in der unter anderem folgendes festgehalten wird:
"Ware/Börsenplatz: sFr./US$ IMM Chicago
Termin: Juni 1991
Preis/Prämie: sFr. 25'000.--
1. Die X. erteilt ihrem Kunden Beratung und leistet ihm Vermittlung und Verwaltung in Warentermin-Optionen gegen Bezahlung der Kommission. Die Kommission wird mit der Bestätigung des Optionsauftrages durch den Kunden fällig und ihre Bezahlung ist Bedingung der Beauftragung des Brokers durch die X. zum Optionskauf. Die Kommission der X. beträgt US$ 300 per Option, exkl. Brokerkommission und wird im vollen Umfang bei Auftragsbestätigung als Vorschuss bezogen. In diesem Zusammenhang weist die X. darauf hin, dass sich jede Kommission auf die Options-Nettoprämie gewinnschmälernd auswirkt, da dadurch der Verlustweg grösser wird.
2. Mit der Bestätigung des Optionsauftrages hat der Kunde der X. die Prämie, die Brokerkommission und allfällige Börsengebühren zu bezahlen. Nach Eingang der entsprechenden Zahlung erteilt die X. dem Broker die Kauforder für die Option des Kunden.
3. (...)
4. Mit der Unterzeichnung dieser Auftragsbestätigung erklärt der Kunde, dass er sich des Risikos bewusst ist, das bei dem hier in Frage stehenden Börsengeschäft besteht.
Sein spekulativer Optionseinsatz in keinem Missverhältnis zu seinem sonstigen Vermögen steht.
Dem Kunden sind die auf der Broschüre abgedruckten Geschäftsbedingungen der X. bekannt. Er bestätigt, diese vor Unterzeichnung dieser Bestätigung gelesen zu haben und erklärt sich mit deren Inhalt einverstanden."
In der Zeit zwischen dem 12. März und dem 23. August 1991 kaufte und verkaufte die Beklagte für den Kläger über eine Londoner Brokergesellschaft zahlreiche Put- und Call-Optionen. Für die einzelnen Kaufgeschäfte stellte sie regelmässig eine Kommission von US$ 300.-- pro Kontrakt in Rechnung. Da die meisten Geschäfte mehrere Kontrakte umfassten, führte dies je nach Höhe des Preises zu teilweise auffallend hohen Kommissionen. So betrug die Kommission für den am 12. März 1991 abgerechneten Optionskauf US$ 1'500.-- bei einem Preis ("value") von US$ 3'787.50. Ein ähnliches Verhältnis zwischen Kommission (US$ 1'500.--) und Preis (US$ 3'475.--) bestand auch beim Geschäftsabschluss, der am folgenden Tag abgerechnet wurde. Der Gesamtbetrag der verrechneten Kommissionen betrug US$ 35'700.--.
BGE 124 III 155 S. 157
Am 8. August 1991 wurde das Konto, auf das der Kläger Fr. 25'000.-- eingezahlt hatte, auf dessen Drängen hin aufgelöst und ihm der Restbetrag von Fr. 15'183.20 von der Beklagten ausbezahlt. Mit Schreiben vom 23. August 1991 wurde die Beklagte angewiesen, auch das zweite Konto zu liquidieren. Am 26. August 1991 überwies sie dem Kläger den nach der Liquidation verbleibenden Betrag von Fr. 1'337.80.--.
Am 31. Juli 1992 reichte der Kläger beim Handelsgericht des Kantons Zürich Klage ein mit dem Rechtsbegehren, die Beklagte zur Zahlung von Fr. 111'441.60, eventuell von Fr. 46'332.00, subeventuell von Fr. 34'034.-- zu verpflichten, je nebst 5% Zins seit 1. August 1991. Mit Urteil vom 3. Juli 1995 verpflichtete das Handelsgericht die Beklagte, dem Kläger Fr. 108'479.-- zu bezahlen, nebst 5% Zins seit 31. Juli 1994 sowie 5% Zins auf Fr. 98'662.20 seit 9. Juli 1992 bis 30. Juli 1994. Im übrigen Umfang wies es die Klage ab.
Die Beklagte focht das Urteil des Handelsgericht mit Nichtigkeitsbeschwerde beim Kassationsgericht des Kantons Zürich an. Dieses ordnete mit Beschluss vom 16. Dezember 1996 an, dass in teilweiser Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde ein Teil der Begründung des Urteils des Handelsgerichts in dem Sinne gestrichen werde, als keine gerichtliche Feststellung darüber getroffen sei, ob der Kläger die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten erhalten habe; im übrigen wurde die Nichtigkeitsbeschwerde vom Kassationsgericht abgewiesen, soweit es auf sie eintrat.
Die von der Beklagten gegen das Urteil des Handelsgerichts eingelegte Berufung weist das Bundesgericht ab.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1. Das Handelsgericht ist zum Ergebnis gelangt, der Kläger habe auf der Gesamtsumme der getätigten Investitionen von Fr. 125'000.-- unter Berücksichtigung der Rückzahlungen von insgesamt Fr. 16'521.-- einen ihm von der Beklagten zu ersetzenden Verlust von Fr. 108'479.-- erlitten. Es unterscheidet dabei zwischen vertragswidrig verrechneten Kommissionen in der Höhe von Fr. 48'924.-- und dem Restschaden von Fr. 59'555.--. Mit der Berufung rügt die Beklagte, die vom Handelsgericht vorgenommene Berechnung der Kommissionen beruhe auf falscher Vertragsauslegung; zudem sei dessen Beurteilung auch insoweit rechtswidrig, als es ihr im Ergebnis ein Recht auf den Bezug von Kommissionen gänzlich abgesprochen habe.
BGE 124 III 155 S. 158
a) Das Handelsgericht hat auf den Text der in der Auftragsbestätigung vom 7. März 1991 erwähnten Broschüre und der darin wiedergegebenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen abgestellt. In der Broschüre wird am Ende der zweitletzten Seite in Fettdruck festgehalten: "Die Kommissionen betragen für Optionen maximal 300 US$ und für Futures (Roundturn) höchstens 180 US$." In den auf der folgenden Seite abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen heisst es: "Die X. AG berät ihre Kunden, vermittelt und verwaltet ihren Warentermin-Kontrakt gegen Bezahlung der Kommission. Die Kommission beträgt max. 300 US$ für Optionen und max. 180 US$ für Futures (Roundturn) per Kontrakt".
Das Abstellen auf die Geschäftsbedingungen und die Broschüre steht im Widerspruch zu der - an anderer Stelle des angefochtenen Urteils getroffenen - Feststellung des Handelsgerichts, dass die Beklagte die Zustellung der Broschüre an den Kläger nicht habe beweisen können. Insoweit ist indes die Entscheidbegründung des Handelsgerichts durch den Beschluss des Kassationsgerichts vom 16. Dezember 1996 gestrichen worden, wobei das Kassationsgericht darauf hinwies, dass die Beweisfrage nach der Rechtsauffassung des Handelsgerichts nicht entscheiderheblich sei, und bemerkte, das Bundesgericht werde zu entscheiden haben, ob der vom Handelsgericht festgestellte Sachverhalt nunmehr, das heisst nach der Streichung, im Sinne von Art. 64 OG ergänzungsbedürftig sei. Das ist nicht der Fall. Es wird sich vielmehr zeigen, dass der Rechtsauffassung des Handelsgerichts unabhängig vom Entscheid über die Beweisfrage im Ergebnis zugestimmt werden kann. Im folgenden wird deshalb davon ausgegangen, dass der Kläger die Broschüre samt den auf der letzten Seite abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen zugestellt erhalten hat.
b) Nach der vom Handelsgericht angewendeten Unklarheitsregel sind mehrdeutige Wendungen in vorformulierten Vertragsbedingungen im Zweifel zu Lasten jener Partei auszulegen, die sie verfasst hat (BGE 122 III 118 E. 2a und BGE 122 V 142 E. 4c, je mit Hinweisen). Dass die Geschäftsbedingungen der Beklagten hinsichtlich der Berechnung und Höhe der Kommission mehrdeutig sind, hat das Handelsgericht zu Recht bejaht. Dabei ist massgebend, wie die Bedingungen vom Kläger nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen in guten Treuen verstanden werden durften und mussten (BGE 119 II 449 E. 3a mit Hinweisen). Nun ist dem Handelsgericht zuzustimmen, dass der über keine einschlägige Fachkenntnisse verfügende Kläger nicht erkennen konnte,
BGE 124 III 155 S. 159
welcher Sinn dem in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendeten Fachbegriff "Kontrakt" zukommen sollte. Dieser Begriff steht im Zusammenhang mit dem Umstand, dass die börsenmässig gehandelten Optionen hinsichtlich Art und Anzahl der Basisobjekte standardisiert sind; der Begriff des Kontrakts bezeichnet die Handelseinheit im Optionsgeschäft (EMCH/RENZ/BÖSCH, Das Schweizerische Bankgeschäft, 4. Auflage, S. 454; vgl. auch ALBISETTI et al., Handbuch des Geld-, Bank- und Börsenwesens der Schweiz, 4. Auflage, Stichworte: Optionenmärkte und Optionsgeschäft; DIETER C. HAUSER, Spekulative Warentermingeschäfte, Diss. Zürich 1986, S. 7). Was der Fachbegriff in diesem Zusammenhang bedeuten sollte, war für den Kläger weder mit Hilfe der Erläuterungen in der Broschüre noch aus der Auftragsbestätigung vom 7. März 1991 klar zu erschliessen. Die dortigen Formulierungen, welche das Wort "Kontrakt" nicht verwenden, waren vielmehr geeignet, bei einem Laien wie dem Kläger den Eindruck zu erwekken, dass jedes Geschäft eine einzige "Option" umfasse, das heisst die beiden Begriffe "Geschäft" und "Option" gleichbedeutend verwendet würden. Zum Mangel an Klarheit trug zudem bei, dass in den Geschäftsbedingungen und der Broschüre angegeben wird, die Kommission betrage für Optionen "maximal" 300 US$. Damit wird die Möglichkeit einer Unterschreitung des Betrages angedeutet, ohne dass erklärt würde, von welchen Faktoren dies abhängig sein soll. Daraus ergab sich für den Kläger eine zusätzliche Unsicherheit darüber, auf welcher Grundlage die Kommission abgerechnet werden sollte. Z usammenfassend kann somit festgehalten werden, dass der Kläger darauf vertrauen durfte, die Beklagte berechne ihm eine Kommission von höchstens 300 US$ für jedes für ihn getätigte Geschäft, also unabhängig davon, ob es nur einen einzelnen oder mehrere Kontrakte umfasste.
c) Es trifft zu, dass das Handelsgericht der Beklagten im Ergebnis jeden Kommissionsanspruch verweigert hat, indem es sie zum vollen Ersatz der vom Kläger geleisteten Beträge verpflichtet hat, soweit ein Teil davon nicht bereits nach der Liquidation der beiden Konten zurückerstattet worden war. Entgegen der Rüge der Beklagten liegt indes keine Verletzung von Bundesrecht vor, wie noch zu zeigen sein wird (E. 3d).

2. Das Handelsgericht hat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 115 II 62 E. 1) offen gelassen, ob es sich bei dem Auftrag für Optionen um einen gemischten Vertrag mit Elementen des Auftrags und der Kommission handle, da die
BGE 124 III 155 S. 160
massgebenden Fragen der Weisungsgebundenheit, der Sorgfaltspflicht und der Haftung für getreue und sorgfältige Geschäftsführung sich aufgrund des Verweises in Art. 425 Abs. 2 OR jedenfalls nach Auftragsrecht richteten. Mit der Berufung wird gerügt, das Handelsgericht habe verkannt, dass es sich beim Vertrag mit einem Intermediate-Broker wie der Beklagten um einen Vertragstypus sui generis handle, der Elemente des Auftrags und des Kommissionsvertrags sowie des Kaufvertrags enthalte, wobei das Kaufselement überwiege, weshalb ein eigennütziger Vertrag vorliege (dazu FELLMANN, Berner Kommentar, N. 145 zu Art. 398 OR). Die Beklagte sei keine Bank, keine Anlage- und Vermögensberaterin, sondern blosse Optionsverkäuferin, wie die Auftragsbestätigung vom 7. März 1991 deutlich zeige.
a) Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich, dass die Beklagte die einzelnen Geschäfte über Erwerb und Veräusserung von Optionen selbständig, ohne Rücksprache mit dem Kläger vorgenommen hat. Sie entschied allein darüber, mit welcher Art von Optionen, an welchem Börsenplatz und zu welchem Zeitpunkt spekuliert wurde. So stammen denn auch die Angaben betreffend "Ware/Börsenplatz" und "Termin" in der Auftragsbestätigung vom 7. März 1991 nicht vom Kläger, sondern von der Beklagten. Der Kläger hat ihr in dieser Hinsicht während der Dauer der Geschäftsbeziehung keine Weisungen erteilt und erst am Ende mit der Aufforderung eingegriffen, die beiden Konten zu liquidieren. Er wäre zur Erteilung von solchen Weisungen selbst auch gar nicht fähig gewesen, weil er nach seiner - vom Handelsgericht allerdings nicht verifizierten - Darstellung nichts vom börsenmässigen Handel mit Optionen verstand; zudem will er davon ausgegangen sein, er habe mit der Beklagten vereinbart, dass diese direkt mit Devisen (Schweizerfranken/US-Dollar) und nicht mit Optionen auf Devisen oder Waren spekulieren werde. Letzteres widerspricht freilich der vom Kläger unterschriebenen Auftragsbetätigung vom 7. März 1991, in der wiederholt darauf hingewiesen wird, dass sich der erteilte Auftrag auf börsenmässig gehandelte Optionen beziehe. Anderseits ist aber auch der Beklagten entgegenzuhalten, dass sie in der Auftragsbestätigung ausdrücklich zusicherte, sie erteile ihrem Kunden Beratung (Ziffer 1; ebenso Allgemeine Geschäftsbedingungen: "Die X. AG berät ihre Kunden, vermittelt und verwaltet ihren Warentermin-Kontrakt gegen Bezahlung der Kommission."), was im Widerspruch zu ihrer jetzigen Behauptung steht, sie sei keine Anlage- und Vermögensberaterin.
BGE 124 III 155 S. 161
b) Der vom Handelsgericht festgestellte Sachverhalt und die vertraglichen Abmachungen schliessen somit die Annahme aus, das zwischen den Parteien geltende Vertragsverhältnis sei massgeblich von kaufvertraglichen oder kaufvertragsähnlichen Elementen geprägt gewesen. Vielmehr standen die auftragsrechtlichen Elemente im Vordergrund, weil die Beklagte vom Kläger lediglich die Anweisung erhielt, mit dem anvertrauten Geld möglichst gewinnbringend an der Börse zu spekulieren, und es Aufgabe der Beklagten war, sowohl über die allgemeine Anlagestrategie als auch über die Vornahme des einzelnen Optionsgeschäftes zu entscheiden (vgl. dazu EMCH/RENZ/BÖSCH, a.a.O., S. 481; THALMANN, Die Sorgfaltspflicht der Bank im Privatrecht, insbesondere im Anlagegeschäft, ZSR 113/1994, II, S. 113 ff, S. 186 f.). Es handelt sich zur Hauptsache um Vermögensverwaltung, auf die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 115 II 62 E. 1) die auftragsrechtlichen Regeln betreffend Sorgfalts- und Treuepflicht (Art. 398 Abs. 2 OR) zur Anwendung kommen. Im übrigen wird in der Lehre zutreffend darauf hingewiesen, dass auch im Fall des "beratenden Vermittlers", der gegenüber dem Broker nicht in eigenem Namen auftritt, das auftragsrechtliche Element überwiegt (HAUSER, a.a.O., S. 15).

3. Nach dem angefochtenen Urteil haftet der Vermittler von Optionsgeschäften dem Kunden sowohl für absichtlich als auch für fahrlässig zugefügten Schaden (Art. 321e Abs. 1 OR in Verbindung mit Art. 398 OR). Das Mass der Sorgfalt bestimme sich aber nach objektiven Kriterien: Es sei auf das einzelne Auftragsverhältnis unter Berücksichtigung des Berufsrisikos, des Bildungsgrades und insbesondere der Fachkenntnisse, die für eine solche Geschäftsbesorgung verlangt werden dürfen, abzustellen. Das Handelsgericht hält sodann fest, das Optionsgeschäft habe, wie auch der sonstige Börsenhandel, einen gewissen spekulativen Charakter, der oft zu einem Verlust führen könne. An die Fachkenntnisse des Vermittlers seien deshalb hohe Anforderungen zu stellen, weil der Kunde auf diesen angewiesen sei, wenn er an der Börse handeln wolle, und weil er sich dessen besondere Fachkenntnisse auch zunutze machen wolle. Den Anforderungen genüge nur derjenige Kundenberater, der eine der Brokerausbildung entsprechende Ausbildung - sei es durch Schulung oder längere Erfahrung - nachweisen könne. Das Handelsgericht stellt in diesem Zusammenhang verbindlich fest (Art. 63 Abs. 2 OG), dass das Personal der Beklagten, insbesondere die für den Kläger zuständige Mitarbeiterin, fachlich sehr schlecht qualifiziert gewesen sei;
BGE 124 III 155 S. 162
aus diesem Grund habe die Beklagte den Kläger gar nicht fachgerecht und kompetent beraten können. Das Handelsgericht ist zum Ergebnis gekommen, die Beklagte sei ihrer Sorgfaltspflicht, nämlich zum einen für eine den Gepflogenheiten des Finanzmarktes entsprechende Organisation sowie zum anderen für kompetente und fachbezogene Beratung ihrer Kundschaft besorgt zu sein, in keiner Art und Weise nachgekommen, was als Missorganisationsverschulden im Finanzbereich bezeichnet werden dürfe. Unter diesen Umständen treffe die Beklagte auch ein massives Übernahmeverschulden, was beides zusammen rechtfertige, die Beklagte den dem Kläger entstandenen Schaden tragen zu lassen.
Mit der Berufung wird geltend gemacht, entgegen der Beurteilung des Handelsgerichts fehlten die Haftungsvoraussetzungen der Vertragsverletzung, des Verschuldens und des Kausalzusammenhangs zwischen Vertragsverletzung und Schaden; zudem treffe den Kläger ein schweres Mitverschulden, das den Kausalzusammenhang unterbrochen habe oder jedenfalls zu einer bedeutenden Reduktion der Schadenersatzpflicht führen müsse.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts unterstehen Personen und Unternehmen, die sich berufsmässig mit dem Anlagegeschäft befassen, bei der Anbahnung und Abwicklung von Verträgen über die Vermögensverwaltung einer besonderen Aufklärungspflicht (BGE 119 II 333 E. 5a; BGE 115 II 62 E. 3a). Das gilt auch für Anlageberater und -vermittler, die im Gebiet des börsenmässigen Handels mit Terminoptionen spezialisiert sind (dazu HAUSER, a.a.O., S. 64 f.; PULVER, Börsenmässige Optionsgeschäfte, Auftrag und Abwicklung, Diss. Zürich 1986, S. 122 ff.).
Einen Anlageberater oder Anlagevermittler, der im Hinblick auf die Vermögensverwaltung oder in deren Rahmen tätig wird, treffen neben der erwähnten Aufklärungspflicht auch Beratungs- und Warnpflichten, deren gemeinsame Wurzel in der auftragsrechtlichen Sorgfalts- und Treuepflicht (Art. 398 Abs. 2 OR) liegt. Der Kunde ist hinsichtlich der Risiken der beabsichtigten Investitionen aufzuklären, nach Bedarf in bezug auf die einzelnen Anlagemöglichkeiten sachgerecht zu beraten und vor übereilten Entschlüssen zu warnen, wobei diese Pflichten inhaltlich durch den Wissensstand des Kunden einerseits und die Art des in Frage stehenden Anlagegeschäfts anderseits bestimmt werden. Dabei obliegt dem Beauftragten namentlich auch, sich durch Befragung einlässlich über den Wissensstand und die Risikobereitschaft des Kunden zu informieren (vgl. zum Ganzen FELLMANN, a.a.O., N. 433 f. zu Art. 398 OR; HOPT, Rechtsprobleme
BGE 124 III 155 S. 163
der Anlageberatung und der Vermögensverwaltung der Schweizer Banken, in: Beiträge zum schweizerischen Bankenrecht, S. 135 ff., S. 155; WEBER, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, 2. Auflage, N. 26 und 29 zu Art. 398 OR; ROTH, Aufklärungspflichten im Vermögensanlagegeschäft der Banken, in: Banken und Bankenrecht im Wandel, Festschrift für Beat Kleiner, S. 1 ff., S. 13; für das deutsche Recht: HORN, Die Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken, Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft, ZBB, 1997, S. 139 ff., S. 140 f.; STAUB/CANARIS, Bankvertragsrecht, 4. Auflage, Rz. 100 ff.; HEYMANN/HORN, HGB, § 347 Rdn. 75 ff.).
Besonders ausgeprägt sind diese im Dienste des Kundenschutzes und der Markttransparenz stehenden Pflichten bei der Empfehlung und Vermittlung von erfahrungsgemäss hoch spekulativen und damit risikobehafteten Terminoptionsgeschäften. Der in solchen Geschäften unerfahrene Kunde ist klar auf das Verlustrisiko sowie die Minderung der Gewinnchancen je nach Höhe der vom Vermittler gleichzeitig mit der Vornahme des Geschäftes verrechneten Provision aufzuklären und mit der Gefahr vertraut zu machen, dass er das eingesetzte Geld in kurzer Zeit verlieren kann (vgl. PULVER, a.a.O., S. 131 ff.; BGHZ 124, 151, 154 f.). Dabei genügt es nicht, dieses Verlustrisiko bloss zu erwähnen und dazu formell die Einwilligung des Anlegers einzuholen, wenn ihm gleichzeitig unrealistische Gewinnaussichten vorgespiegelt werden. Mit entsprechend abgefassten Informationen und Behauptungen, wie sie auch in der Broschüre der Beklagten enthalten sind, vermag der Beauftragte seiner Aufklärungspflicht nicht zu genügen. Dazu kommt im vorliegenden Fall, dass die Angaben über die Höhe der zur Verrechnung gebrachten Kommissionen unklar formuliert waren und von der Beklagten anders gehandhabt wurden, als vom Kläger erwartet werden durfte (vgl. vorne E. 1b), weshalb allein durch die schriftlichen Unterlagen keine ausreichende Information über den Einfluss der Kommissionen auf die Gewinnchancen gewährleistet war. Die Möglichkeit, diesen Mangel durch mündliche, fachlich qualifizierte Beratung und Aufklärung von seiten der Beklagten zu beseitigen, bestand zudem nicht, da jedenfalls die für den Kläger direkt zuständige Angestellte der Beklagten, Frau Z., nach den Feststellungen des Handelsgerichts dazu nicht fähig war.
Damit ist eine Vertragsverletzung, nämlich ein Verstoss gegen die der Beklagten obliegenden Beratungs- und Aufklärungspflicht zu bejahen.
BGE 124 III 155 S. 164
b) Das Handelsgericht wirft der Beklagten sodann zu Recht ein Übernahmeverschulden vor, weil sie wegen ungenügender fachlicher Qualifikation der für den Kläger zuständigen Angestellten nicht in der Lage war, die eingegangenen Verpflichtungen - Beratung und Aufklärung des Klägers - mit der nötigen Sorgfalt zu erfüllen (vgl. dazu URS BERTSCHINGER, Sorgfaltspflichten der Bank bei Anlageberatung und Verwaltungsaufträgen, Diss. St. Gallen 1991, S. 54 ff.; THALMANN, a.a.O., S. 223 Fn. 374; PULVER, a.a.O., S. 128 f.) Dass ein solches Verschulden haftungsbegründend sein kann, ist in Lehre und Rechtsprechung anerkannt (BGE 93 II 317 E. 2e/bb; FELLMANN, a.a.O., N. 358 zu Art. 398 OR; WEBER, a.a.O., N. 28 zu Art. 398 OR; GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, Bd. II, 6. Auflage, Rz. 2757). Ob ein Übernahmeverschulden bloss für die Verschuldensfrage erheblich ist oder darin zusätzlich eine Sorgfaltspflicht- und damit Vertragsverletzung liegt (vgl. dazu WEBER, a.a.O., N. 28 zu Art. 398 OR; FELLMANN, a.a.O., N. 358 zu Art. 398 OR), ist für die Beurteilung des vorliegenden Falls nicht entscheidend und braucht deshalb nicht weiter erörtert zu werden. Die Bedeutung des Übernahmeverschuldens liegt hier vielmehr darin, dass nach dem objektivierten Verschuldensbegriff des schweizerischen Rechts der Beklagten der Einwand verwehrt ist, sie sei aufgrund des Ausbildungs- und Wissensstandes ihrer Angestellten gar nicht in der Lage gewesen, sachgerecht zu beraten und aufzuklären, und könne sich damit exkulpieren (vgl. GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., Rz. 2757).
Dieses Übernahmeverschulden schliesst auch den Einwand aus, der Kläger habe sich mit dem Ungenügen der für ihn zuständigen Beraterin abgefunden, überdies nicht nach Aufklärung oder Beratung verlangt und auch den Vertrag nicht rechtzeitig durch einseitige Erklärung aufgelöst (Art. 404 OR), weshalb ihn ein Selbstverschulden treffe. Wer sich als Spezialist anbietet, kann sich grundsätzlich nicht mit der Begründung entlasten, der Vertragspartner hätte das Fehlen von Spezialkenntnissen erkennen müssen. Damit wäre er bloss zu hören, wenn der Partner den Mangel an Fachwissen und fachlichen Fähigkeiten tatsächlich gekannt und die daraus resultierenden Risiken bewusst in Kauf genommen hätte. Dafür fehlen im vorliegenden Fall indes jede Anhaltspunkte.
c) In den Geschäftsbedingungen der Beklagten wird einleitend festgehalten, diese übernehme in keiner Weise Verantwortung für irgendwelche Verluste in Warenterminmärkten und gebe ebensowenig irgendeine Garantie für Gewinne in Warenterminmärkten. An
BGE 124 III 155 S. 165
anderer Stelle steht geschrieben, die Beklagte übernehme keinerlei Haftung aus ihrer Beratertätigkeit und sie hafte auch nicht für Kursschwankungen.
Die Haftungsausschlüsse sind gemäss dem angefochtenen Urteil bereits dem Grundsatz nach unwirksam, weil sie der im Gesetz statuierten Haftung des Beauftragten für getreue und sorgfältige Ausführung des ihm übertragenen Geschäftes (Art. 398 Abs. 2 OR) widersprechen. Ob diese in der Lehre umstrittene Auffassung zutrifft, braucht hier nicht entschieden zu werden (vgl. dazu FELLMANN, a.a.O., N. 513 ff.; WEBER, a.a.O., N. 34 zu Art. 398 OR; GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., Rz. 2820; BERTSCHINGER, a.a.O., S. 39 f.; THALMANN, a.a.O., S. 142 ff.), da sich die Beklagte bereits aus anderem Grund nicht auf die zum voraus erklärten Haftungsausschlüsse berufen kann. Zum einen fällt eine Freizeichnung nach Art. 100 Abs. 1 OR ausser Betracht, da der Beklagten eine grobe Fahrlässigkeit im Sinne dieser Vorschrift vorzuwerfen ist. Zum andern liegt auch kein gültiger Haftungsausschluss für Hilfspersonen im Sinne von Art. 101 Abs. 2 OR vor, weil die zitierten Sätze der Allgemeinen Geschäftsbedingungen insoweit unklar sind. Es werden vor allem allgemein formulierte Banalitäten festgehalten (keine Haftung für Kursschwankungen, keine Garantie für Gewinne in Warenterminmärkten), ohne dass klar gesagt würde, die Beklagte schliesse die Haftung für Hilfspersonen aus, die sie zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen beiziehe (vgl. dazu BJM 1978, S. 306 f.; GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., Rz. 2881 f.).
d) Bei der Vertragsverletzung, welche sich die Beklagte hat zuschulde kommen lassen, handelt es sich um eine Unterlassung: die Beklagte hat den Kläger nicht in ausreichendem Masse über das Verlustrisiko und den Einfluss der Kommissionen auf die Gewinnchancen aufgeklärt. Im Fall einer Unterlassung bestimmt sich der Kausalzusammenhang danach, ob der Schaden auch bei Vornahme der unterlassenen Handlung eingetreten wäre. Es geht um einen hypothetischen Kausalverlauf, für den nach den Erfahrungen des Lebens und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge eine überwiegende Wahrscheinlichkeit sprechen muss (BGE 121 III 358 E. 5 mit Hinweis). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben, da nach allgemeiner Lebenserfahrung anzunehmen ist, dass sich der Kläger nicht auf die Spekulationsgeschäfte mit der Beklagten eingelassen hätte, wenn er von ihr ausreichend aufgeklärt worden wäre. Auf eine entsprechende Überlegung hat das Bundesgericht in zwei neueren Entscheiden abgestellt, in denen es einerseits um die
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Aufklärungspflicht des Arztes aus Vertrag und anderseits um jene der Konzern-Muttergesellschaft aus dem Vertrauen in das Konzernverhalten ging (BGE 119 II 456 E. 4; 120 II 331 E. 6). Die deutsche Rechtsprechung, auf die in der schweizerischen Literatur zum Teil Bezug genommen wird, geht vom Grundsatz aus, dass derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt, dafür beweispflichtig ist, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäss verhalten hätte (BGHZ 124, 151, 159; BGH, NJW 1994, 998). Ob eine solche Beweislastverteilung bzw. Beweislastumkehr auch für das schweizerische Recht in Betracht zu ziehen ist (dazu Sandro Abegglen, Die Aufklärungspflichten in Dienstleistungsbeziehungen, insbesondere im Bankgeschäft, Diss. Bern 1995, S. 107 ff.), braucht hier nicht geprüft zu werden, da keine Umstände festgestellt oder geltend gemacht sind, welche darauf hindeuten würden, dass der Kläger die Geldbeträge der Beklagten auch dann zur Verfügung gestellt hätte, wenn sie ihrer Aufklärungspflicht nachgekommen wäre.
Entsprechend den Ausführungen zur Kausalität ist der Kläger schadenersatzmässig so zu stellen, als ob er sich nicht auf die Optionsgeschäfte mit der Beklagten eingelassen hätte (vgl. BGE 47 II 272 E. 5 S. 293 f.; ABEGGLEN, a.a.O., S. 84 ff. und S. 137; PULVER, a.a.O., S. 134; HEYMANN/HORN, HGB, § 347 Rdn. 70). Der Kläger hat deshalb Anspruch auf Ersatz des gesamten Anlagebetrages, wie die Vorinstanz im Ergebnis zu Recht angenommen hat, wozu auch die von der Beklagten verrechneten Kommissionen gehören (vgl. auch WIEGAND, Die Aufklärungspflicht und die Folgen ihrer Verletzung, in: Honsell [Hrsg.], Handbuch des Arztrechts, S. 119 ff., S. 189 f.).

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