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Chapeau

82 II 308


43. Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. Juli 1956 i.S. Hauser gegen Schweiz. Lithographenbund und Lithographia Zürich.

Regeste

1. Art. 41, 49 CO, 28 CC. Dommages-intérêts et réparation morale dus par un syndicat qui, en vertu de la clause d'exclusivité d'un contrat collectif de travail, évince un dissident de sa place.
a) Causalité (consid. 1).
b) Illicéité (consid. 2).
c) Faute; elle n'est pas exclue par l'erreur sur l'illicéité (consid. 3).
d) Gravité de la lésion et de la faute, considérée comme condition de la réparation morale (consid. 5).
2. Action en constatation de l'illicéité de l'évincement; intérêt du demandeur qui actionne également en dommages-intérêts et en réparation morale (consid. 6).
3. Art. 60 CC. La section d'un syndicat organisé sous forme de société coopérative a-t-elle la jouissance des droits civils? (consid. 8).

Faits à partir de page 309

BGE 82 II 308 S. 309

A.- Der Schweizerische Lithographenbund (SLB), eine Genossenschaft mit Sitz in Zürich, bezweckt "die Organisation und die Vertretung der beruflichen Interessen aller im Flachdruck (Lithographie, Lichtdruck), Tiefdruck, Kupferdruck, Chemigraphie und der in diesen Fächern verwandten Berufen Beschäftigten" (Art. 30 der Statuten). Es gehören ihm sogut wie alle Arbeitnehmer dieser Berufszweige an. Seine Mitglieder "bilden Sektionen, deren Gebiet vom Zentralvorstand festgesetzt wird" (Art. 27 der Statuten). "Jede Sektion gibt sich eine eigene Verwaltung und ein Statut nach Massgabe ihrer Verhältnisse und den Bestimmungen der Zentralstatuten. Die Sektionsstatuten sowie prinzipielle Abänderungen derselben unterliegen der Genehmigung des Zentralvorstandes" (Art. 28 der Statuten).
Zwischen dem SLB und dem Verein schweizerischer Lithographiebesitzer (VSLB), in dem praktisch alle Arbeitgeber des Buchdruckergewerbes organisiert sind, besteht seit langem ein als "Berufsordnung" (BO) bezeichneter Gesamtarbeitsvertrag, der unter anderem folgende Bestimmungen enthält:
"Art. 9. Die BO verpflichtet in bezug auf die in Art. 4 aufgezählten Berufsarten:
1. Die Mitglieder des Vereins schweizerischer Lithographiebesitzer, nur solche Gehilfen zu beschäftigen, die dem Schweizerischen Lithographenbund angehören;
2. die Mitglieder des Schweizerischen Lithographenbundes, nur in solchen Betrieben tätig zu sein, deren Inhaber dem Verein schweizerischer Lithographiebesitzer angehören.
Art. 10. Verliert ein Prinzipal oder Gehilfe durch Austritt oder Ausschluss die Mitgliedschaft bei seinem Verband, so hat das
BGE 82 II 308 S. 310
Tarifamt auf Antrag der einen Vertragspartei die andere zur raschestmöglichen Auflösung des mit dem Betreffenden abgeschlossenen Dienstverhältnisses zu verpflichten.
Die Mitglieder des VSLB dürfen nur für ihre Kundschaft und andere Mitglieder des VSLB oder von Verbänden arbeiten, mit welchen entsprechende vertragliche Bindungen bestehen.
Firmen des Lithographiegewerbes und der verwandten Branchen, welche dem VSLB nicht angehören, dürfen auf keinen Fall beliefert werden. Es ist den Gehilfen des SLB ausdrücklich verboten, ohne Einverständnis ihres Prinzipals für Dritte Arbeiten des Lithographiegewerbes und der verwandten Branchen auszuführen."
Anton Hauser, ein im Jahre 1902 geborener, verheirateter Retoucheur, war Mitglied des SLB und gehörte 1950/51 dessen Sektion Bern an. Im August 1951 wurde er arbeitslos. Da er in der Folge mit seinen Gewerkschaftsbeiträgen von wöchentlich Fr. 8.40 in Rückstand kam, schloss ihn die Sektion Bern mit Zustimmung des Zentralvorstandes nach einer Auseinandersetzung über seine Beitragspflicht am 1. Februar 1952 aus dem SLB aus. Der Ausschluss, gegen den Hauser sich beschwerte, wurde im Juni 1952 von der Delegiertenversammlung des SLB bestätigt.
Nachdem im Frühling 1952 eine letzte Stellenbewerbung in Bern aus nicht ersichtlichen Gründen erfolglos geblieben war, siedelte Hauser Anfang Juli 1952 nach Zürich über. Dort fand er auf 16. Juli 1952 bei der dem VSLB angehörenden Firma Gebr. Fretz AG auf ein von dieser aufgegebenes Inserat hin eine Stelle als Tiefdruck-Retoucheur. Da er seit 1928 nicht mehr als Tiefdruck-, sondern als Positivretoucheur gearbeitet hatte, musste er sich zunächst wieder einarbeiten. Für die Anlaufzeit wurden ein wöchentlicher Grundlohn von Fr. 115.-- sowie Teuerungs- und Familienzulagen von monatlich Fr. 262.-- vereinbart. Der Grundlohn war um Fr. 9.60 tiefer als der Durchschnitt des wöchentlichen Grundlohnes der dem Gesamtarbeitsvertrag unterstellten Arbeitnehmer.
Nachdem Hauser die Arbeit bei der Gebr. Fretz AG aufgenommen hatte, gaben ihm Vertrauensmänner des SLB aus diesem Betriebe zu verstehen, dass er wieder in
BGE 82 II 308 S. 311
den SLB eintreten müsse, falls er hier arbeiten wolle. Hauser schrieb daher der Lithographia Zürich, Sektion des SLB, am 26. Juli 1952:
"Nach 10-monatiger Arbeitslosigkeit bin ich vor 10 Tagen in die Firma Fretz als Tiefdruckretoucheur eingetreten, mit einem wöchentlichen Grundlohn von Fr. 115.--.
Mit den Lohnverhältnissen auf dem Platze Zürich, und in dieser Sparte wenig vertraut, versicherte mir der Inhaber des Geschäftes, dass dies ein guter Durchschnittslohn wäre.
Nach meinen nachherigen Erkundigungen trifft dies jedoch nicht zu. Ein guter Retoucheur, in meinem Alter 50 Jahre darf ruhig Fr. 130.-- verlangen, es sei denn, dass man sich als ,Lohndrücker' besonders gut eignet.
Ich habe nun die Absicht, nach Ablauf von 4 Wochen im Bureau einen Zuschlag von Fr. 10.- die Woche zu verlangen, allenfalls werde ich aus der Firma austreten und als selbständigerwerbender Graphiker weiterarbeiten.
Nun möchte ich Sie anfragen, ob die Statuten und die Berufsordnung diesen Ausnahmefall bewilligen können, ohne dass ich Mitglied des Schweiz. Lithographenbundes werde. Sollte die Firma den Zuschlag bewilligen, so werde ich natürlich alle rückständigen Beiträge rückwirkend vom Tage meines Eintritts an nachzahlen.
Laut verschiedenen Offerten, die mir zugegangen sind, versuchen die Firmen eine neue Teuerungszulage mit der Senkung des Grundlohnes auszugleichen. Nach meiner Auffassung müssen solche Bestrebungen energisch bekampft werden."
Die Lithographia Zürich antwortete Hauser am 28. Juli 1952 mit eingeschriebenem Brief:
"Ihr Schreiben vom 26. Juli 1952 beantwortend, teilen wir Ihnen mit, dass Sie die Firma Fretz sofort verlassen müssen, da Sie nicht mehr Mitglied unserer Organisation sind.
Sie wissen genau, dass Sie von der Sektion Bern ausgeschlossen worden sind und Ihr Rekurs betr. den Ausschluss von der Delegiertenversammlung einstimmig abgelehnt wurde."
Die Lithographia Zürich und der SLB verlangten von der Gebr. Fretz AG die sofortige Entlassung Hausers. Die Gebr. Fretz AG antwortete dem Sekretariat des SLB am 4. August 1952:
"Wir bestätigen Ihr Schreiben vom 31. Juli a.c.
Die Sektion Zürich des SLB hat uns bereits telephonisch über die Situation Anton Hauser orientiert. Bei seinem Engagement haben wir Herrn Hauser gefragt, ob er dem Verband angehöre, was er verneinte. Wir erklärten ihm, dass er nur als Mitglied eingestellt werden könne, worauf er uns meldete, dass er sich bereits angemeldet habe. Des weitern war uns nicht bekannt, dass Sie einen gelernten Gehilfen aus dem Verband ausschliessen können. Vielleicht wäre es vernünftiger gewesen, Sie hätten uns - da Sie
BGE 82 II 308 S. 312
ja wussten, bei wem er die Stelle antrat - seine Aufnahmeverweigerung kurz mitgeteilt. In Zukunft werden wir jedem einzelnen, den wir engagieren, die Mitgliederkarte verlangen.
Wir teilten der Sektion Zürich mit, dass Herr Hauser entlassen wird, sobald der jetzige Retoucheur, welcher in den Ferien weilt, zurückkehrt. Herr Hauser wurde in diesem Sinne orientiert.
Wir hoffen, Sie nehmen an, dass die Berufsordnung uns wohl bekannt ist, und in dem Sinne möchten wir Sie ersuchen, bevor Ihnen die Sachlage bekannt ist, Drohungen mit dem Tarifamt zu unterlassen. Solche Bemerkungen stören nur das gute Einvernehmen zwischen VSLB-Mitgliedern und SLB."
Nachdem zwei Tiefdruckretoucheure der Gebr. Fretz AG aus den Ferien zurück waren, wurde Hauser am 9. August 1952 von ihr entlassen. Er fand von da an keine neue Arbeitsstelle, weder als Tiefdruck- noch als Positivretoucheur.

B.- Mit Klage vom 21. September 1953 gegen den SLB und die Lithographia Zürich legte Hauser dem Bezirksgericht Zürich folgende Fragen zur Entscheidung vor:
"1. Ist die von den Beklagten gegenüber dem Kläger ausgesprochene Sperre als widerrechtlich zu erklären?
2. Sind die Beklagten verpflichtet, den Kläger auf erfolgtes Gesuch hin entweder in ihren Verband aufzunehmen oder ihn als Nichtverbandsmitglied bei einer dem Verein schweizerischer Lithographiebesitzer angeschlossenen Firma arbeiten zu lassen?
3. Haben die Beklagten dem Kläger als Schadenersatz Fr. 10'000.-- plus 5% Zins seit 1.8.1953, eventuell einen gerichtlich festzusetzenden Betrag zu bezahlen?
Unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Beklagten."
Unter dem "Schadenersatz" gemäss Rechtsbegehren 3 verstand der Kläger gemäss Klagebegründung den Ersatz materiellen Schadens und die Leistung einer Geldsumme als Genugtuung.
Das Bezirksgericht Zürich erkannte am 29. Oktober 1954:
"1. Die von den Beklagten am 28. Juli 1952 dem Kläger gegenüber erwirkte Aussperrung von der Arbeit bei der Firma Gebr. Fretz AG wird als widerrechtlich erklärt.
2. Von der Erklärung der Beklagten, dass sie den Kläger auf gestelltes Gesuch hin wieder als Verbandsmitglied aufnehmen werden, wird Vormerk genommen.
3. Das Begehren, die Beklagten seien zu verpflichten, den Kläger als Nichtverbandsmitglied bei einer dem Verein schweizerischer Lithographiebesitzer angeschlossenen Firma arbeiten zu lassen, wird abgewiesen.
BGE 82 II 308 S. 313
4. Die Beklagten werden solidarisch verpflichtet, an den Kläger die folgenden Beträge zu leisten:
Fr. 6876.-- als Schadenersatz und
Fr. 1000.-- als Genugtuung, je mit 5% Verzugszins seit 1. August 1953; die Mehrforderung des Klägers wird abgewiesen."
Das Bezirksgericht verurteilte ferner die Beklagten solidarisch zu den Gerichtskosten und zur Entschädigung des Klägers für den Prozess.
Der Kläger appellierte mit den Anträgen: 1. Ziffer 3 des Urteils sei aufzuheben und die Beklagten seien zu verpflichten, ihn als Nichtverbandsmitglied (eventuell unter Leistung eines Solidaritätsbeitrages) bei einer dem VSLB angeschlossenen Firma arbeiten zu lassen; 2. die Schadenersatz- und Genugtuungsforderung sei im eingeklagten Betrage von Fr. 10'000.-- zu schützen.
Die Beklagten beantragten auf dem Wege der Appellation, die Klage sei in allen Teilen abzuweisen.
Das Obergericht des Kantons Zürich nahm im Urteil vom 13. Mai 1955 Vormerk von der Erklärung des SLB, dass er bereit sei, den Kläger auf Gesuch hin wieder als Verbandsmitglied aufzunehmen. Es wies die Klagebegehren 1 und 3 ab, auferlegte die Gerichtskosten beider Instanzen dem Kläger und verurteilte diesen zu einer Prozessentschädigung an die Beklagten.

C.- Der Kläger hat die Berufung erklärt. Er beantragt:
"1. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich sei aufzuheben.
2. Die von den Beklagten gegenüber dem Kläger ausgesprochene Sperre sei widerrechtlich zu erklären (Rechtsfrage 1).
3. Es wird Vormerk genommen von der Erklärung des Beklagten 1, dass er bereit ist, den Kläger auf gestelltes Gesuch hin wieder in den Verband aufzunehmen (Rechtsfrage 2 a).
Die Beklagten seien zu verpflichten, den Kläger als Nichtverbandsmitglied (eventuell gegen Leistung eines Solidaritätsbeitrages) bei einer dem Verein schweizerischer Lithographiebesitzer angeschlossenen Firma arbeiten zu lassen (Rechtsfrage 2 b).
4. Die Beklagten haben dem Kläger Fr. 10'000.-- oder einen gerichtlich festzusetzenden Betrag zu bezahlen. Eventuell sei der Fall zur neuen Beurteilung und Beweisabnahme an die Vorinstanz zurückzuweisen (Rechtsfrage 3);
unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Beklagten."
Die Beklagten beantragen, die Berufung sei abzuweisen.
BGE 82 II 308 S. 314

Considérants

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Der Kläger leitet seinen Schadenersatz- und Genugtuungsanspruch aus einer unerlaubten Handlung im Sinne des Art. 41 OR ab und sieht sie darin, dass die Beklagten ihn unter Berufung auf Art. 9 ihrer Berufsordnung aus seiner Arbeitsstelle bei der Gebr. Fretz AG verdrängt hätten. Hiegegen wenden die Beklagten ein, nicht sie hätten eine unerlaubte Handlung begangen, sondern wenn eine solche überhaupt vorliege, falle sie der Firma Gebr. Fretz AG, die den Kläger entlassen habe, zur Last; die Klage sei daher abzuweisen, weil die Beklagten den behaupteten Schaden und die angebliche Verletzung in den persönlichen Verhältnissen nicht verursacht hätten.
Dieser Einwand hält nicht Stich. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Bezirksgerichts, auf die das Obergericht verweist und die daher das Bundesgericht binden, ist nicht nur der Kläger von der Lithographia Zürich durch das Schreiben vom 28. Juli 1952 in Kenntnis gesetzt worden, dass er als Aussenseiter die Gebr. Fretz AG sofort verlassen müsse; vielmehr haben die Beklagten in gegenseitigem Einvernehmen ihren Standpunkt auch dieser Firma mitgeteilt und sofortige Entlassung des Klägers verlangt. Aus dem Schreiben der Gebr. Fretz AG vom 31. Juli 1952 ergibt sich, dass sie ihr dabei gedroht haben, das Tarifamt anzurufen. Sie haben also ihr Begehren als einen aus der Berufsordnung abgeleiteten Rechtsanspruch hingestellt und dessen Durchsetzung auf dem Wege eines Schiedsverfahrens angedroht. Damit haben sie den Anstoss zur Entlassung des Klägers gegeben, sie also verursacht. Der ursächliche Zusammenhang zwischen ihrem Verhalten und der Entlassung des Klägers ist auch adäquat und damit rechtserheblich; denn es lag nicht ausserhalb des gewöhnlichen Laufes der Dinge, dass die Gebr. Fretz AG sich beugte.

2. Die Ansprüche aus unerlaubter Handlung setzen die Widerrechtlichkeit der Tat voraus (Art. 41 Abs. 1 OR).
BGE 82 II 308 S. 315
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind kollektive Massnahmen wirtschaftlicher Art mit dem Zwecke, von Dritten ein bestimmtes Verhalten zu erzwingen oder sie wegen eines solchen zu massregeln, nicht schlechthin erlaubt. Sie sind unzulässig, wenn der verfolgte Zweck oder die angewendeten Mittel rechtswidrig sind oder den guten Sitten widersprechen oder wenn der angestrebte Vorteil zum zugefügten Schaden in einem offenbaren Missverhältnis steht.
InBGE 62 II 280wurde entschieden, ein solches könne unter Umständen selbst dann verneint werden, wenn die Massnahme die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen vernichte. AuchBGE 76 II 287führt noch aus, ein Boykott mit so einschneidender Wirkung sei zulässig, wenn schutzwürdige Interessen des Urhebers die Fernhaltung des Boykottierten von dem in Frage stehenden Wirtschaftsgebiet erheischten. Unter Hinweis auf diese Rechtsprechung ist das Bezirksgericht der Auffassung, eine Absperrklausel von der Art des Art. 9 BO sei dann zulässig, wenn, wie im vorliegenden Falle, ihr Zweck sie rechtfertige. Das Bezirksgericht verkennt indessen, dass die Frage, ob zwischen dem verfolgten Zwecke und den Auswirkungen der Massnahme für den Betroffenen ein Missverhältnis bestehe, sich nicht stellt, wenn die Massnahme schon deshalb widerrechtlich ist, weil ihr Zweck oder das angewendete Mittel gegen die Rechtsordnung verstösst, insbesondere den guten Sitten widerspricht oder den Betroffenen in seiner vom Rechte (Art. 28 ZGB) geschützten Persönlichkeit verletzt.
Bei Massnahmen, die darauf ausgehen, einen Arbeitnehmer zum Eintritt in eine Gewerkschaft zu zwingen, trifft das sozusagen immer zu. Gegen die guten Sitten und das Recht der Persönlichkeit verstossen insbesondere Vereinbarungen, durch welche Arbeitgeber verpflichtet werden, nur Mitglieder der vertragsschliessenden Gewerkschaft zu beschäftigen (BGE 75 II 315). Mit solchen Absperrklauseln gehen die Vertragsschliessenden darauf aus, den Aussenseitern die berufliche Betätigung als Arbeitnehmer
BGE 82 II 308 S. 316
zu verunmöglichen oder so zu erschweren, dass sie um des täglichen Brotes willen der Gewerkschaft beitreten. Der Entschluss, einer solchen anzugehören oder nicht anzugehören, muss aber nach der in der Schweiz vorherrschenden Auffassung über die persönliche Freiheit ungezwungen gefasst werden können. Dass auch der Staat die persönliche Freiheit einschränkt, ändert nichts. Die Bildung von Gewerkschaften und die Zugehörigkeit zu solchen hat er der freien Vereinbarung überlassen. Damit verträgt es sich nicht, dass eine Gewerkschaft jemanden zum Eintritt zwingt, indem sie ihm sonst die Möglichkeit, sich und seine Familie durch berufliche Arbeit zu ernähren, unterbindet oder erschwert.
b) Die Absperrklausel der Berufsordnung für das Lithographiegewerbe hält somit vor der Rechtsordnung nicht stand. Die Beklagten handelten widerrechtlich, indem sie den Kläger, weil er ihnen nicht angehörte, von seiner Arbeitsstelle bei der Gebr. Fretz AG verdrängten.
Der Einwand der Beklagten, der Kläger habe sich unter Anrufung der Delegiertenversammlung dem Ausschluss aus dem SLB widersetzt, weshalb der Zwang zum Wiedereintritt ihn in seiner Persönlichkeit nicht verletze, vermag nicht, hiegegen aufzukommen. Auf die Rechte der Persönlichkeit kann nicht verzichtet werden. Indem der Kläger dem SLB angehörte und sich gegen den Ausschluss zur Wehr setzte, konnte er sich des Rechts, später aus freiem Entschluss dem Verbande fernzubleiben und als Nichtmitglied eine Arbeitsstelle zu versehen, nicht entäussern.
Ebensowenig hilft der Einwand, der Kläger wünsche noch im vorliegenden Prozesse, in den SLB aufgenommen zu werden. Das Obergericht hat ihn mit der Begründung geschützt, durch dieses Verlangen anerkenne er die Berufsordnung, womit dem Angriff gegen deren Art. 9 der Boden entzogen sei und die Beklagten den Kläger von seiner Arbeitsstelle hätten verdrängen dürfen, solange er den Beitritt zum SLB, dem sie sich nicht widersetzten, nicht
BGE 82 II 308 S. 317
erklärt habe. Dem Kläger kann jedoch nicht unterschoben werden, er habe durch das Begehren um Feststellung, dass die Beklagten ihn auf Gesuch hin entweder als Mitglied aufzunehmen oder ihn als Nichtmitglied bei einem dem VSLB angeschlossenen Arbeitgeber arbeiten zu lassen hätten (Klagebegehren 2), die Rechtmässigkeit ihrer gesamten Berufsordnung, insbesondere auch des Art. 9, anerkennen wollen. Es wäre widersinnig gewesen, einerseits vom Gericht die Feststellung zu verlangen, dass die sich auf Art. 9 BO stützende Verdrängung des Klägers von seiner Arbeitsstelle widerrechtlich sei (Klagebegehren 1) und die Beklagten dem Kläger deswegen Schadenersatz schuldeten (Klagebegehren 3), und anderseits durch die Äusserung der Beitrittsabsicht die Rechtmässigkeit eben dieser beanstandeten Bestimmung der Berufsordnung anerkennen zu wollen. Mit Klagebegehren 2 hat der Kläger nur die Absicht kundgetan, allenfalls in Zukunft dem SLB und einer seiner Sektionen beizutreten, um weiteren Verdrängungsversuchen der Beklagten aus dem Wege zu gehen. Dass er die Verdrängung eines Nichtmitgliedes als widerrechtlich betrachtet, ergibt sich nicht nur klar aus Begehren 1 und 3, die sich auf den in der Vergangenheit liegenden Vorfall stützen, sondern auch aus dem zweiten Teil des Begehrens 2 selbst, wo der Kläger für den Fall, dass er nicht aufgenommen werden sollte, die Feststellung verlangt, dass die Beklagten ihn auch als Aussenseiter bei einer dem VSLB angeschlossenen Firma arbeiten lassen müssten.

3. Die Schadenersatzklage aus Art. 41 OR setzt ein Verschulden des Handelnden voraus, sei es Absicht, sei es Fahrlässigkeit.
Im vorliegenden Falle liegt Absicht vor, denn die Verdrängung des Klägers erfolgte bewusst und gewollt. Dass sie widerrechtlich sei, weil sie den Kläger in seiner Persönlichkeit verletze und gegen die guten Sitten verstosse, brauchten die handelnden Organe der Beklagten nicht zu wissen. Wenn das Rechtsgefühl des Schädigers mit der
BGE 82 II 308 S. 318
Rechtsordnung nicht übereinstimmt, hat er selber, nicht der Geschädigte, den Nachteil daraus zu tragen. Der Einwand der Beklagten, sie seien sich der Rechts- und Sittenwidrigkeit nicht bewusst gewesen, weil ihre Berufsordnung seit über vierzig Jahren in Kraft stehe und täglich unangefochten angewendet worden sei, hilft schon aus diesem Grunde nicht.

4. Das Begehren des Klägers um Ersatz des durch die Verdrängung verursachten Schadens ist somit grundsätzlich begründet. Die Beklagten haben indessen in ihrer Eingabe vom 7. Februar 1955 an das Obergericht den Schaden bestritten und auch in Zweifel gezogen, dass der Kläger sich nach dem Verlust der Stelle um einen angemessenen anderen Verdienst bemüht habe. Da das Obergericht zu diesen Anbringen nicht Stellung genommen hat, ist die Sache zur Neubeurteilung des Schadenersatzanspruches zurückzuweisen.

5. Auch über den Genugtuungsanspruch gemäss Art. 49 OR ist neu zu urteilen. Das Verschulden der Beklagten ist schwer, da sie die Tat absichtlich begangen haben. Das Vorgehen der Beklagten ist umso unverständlicher, als der Kläger mit seinem Schreiben vom 26. Juli 1952 die Absicht geäussert hatte, dem SLB beizutreten und vom Tage der Stellenannahme an die Beiträge nachzuzahlen, falls die Gebr. Fretz AG ihm nach vier Wochen den Lohn erhöhen würde. Ohne auf die Anfrage, ob er inzwischen ausnahmsweise als Aussenseiter seine Stelle beibehalten dürfe, überhaupt einzutreten, stellten die Beklagten sich mit dem Schreiben vom 28. Juli 1952 schroff auf den Standpunkt, dass er die Arbeitsstelle sofort zu verlassen habe, da er durch einstimmigen Beschluss der Delegiertenversammlung der Sektion Bern aus dem SLB ausgeschlossen worden sei.
Auch ist der Kläger durch das Verhalten der Beklagten in seinen persönlichen Verhältnissen schwer verletzt worden. Da praktisch alle Arbeitgeber des Buchdruckergewerbes dem VSLB angehören, sah er sich vor erneuter
BGE 82 II 308 S. 319
Arbeitslosigkeit, nachdem er schon seit einem Jahre ohne Anstellung gewesen war.
Dem Entscheide der Vorinstanz vorbehalten bleiben dagegen die Fragen des von den Beklagten behaupteten Mitverschuldens des Klägers sowie der Höhe der Genugtuung.

6. Dem Rechtsbegehren 1 halten die Beklagten entgegen, die Feststellung der Widerrechtlichkeit sei nur Motiv zu den in Rechtsbegehren 3 verlangten Leistungen, weshalb sie mangels rechtlichen Interesses unzulässig sei.
Richtig ist, dass die Feststellungsklage, die an sich von Bundesrechts wegen gegeben ist (BGE 77 II 344), ein Interesse des Klägers an der Feststellung gegenüber dem Beklagten voraussetzt. Im vorliegenden Falle besteht aber ein solches. Der Kläger hat ein Interesse an der Feststellung namentlich dann, wenn seine Leistungsklage abgewiesen werden sollte. Es besteht aber auch sonst. Der Kläger ist noch immer das Opfer der Verdrängung aus seiner Arbeitsstelle bei der Gebr. Fretz AG Er läuft Gefahr, auch von keinem anderen auf die Berufsordnung der Beklagten verpflichteten Arbeitgeber mehr angestellt zu werden, solange er nicht in den SLB eintritt. Diese Gefahr ist umso dringender, als die Beklagten hartnäckig an der Zulässigkeit der Absperrklausel festhalten. Es ist zu befürchten, dass sie weiterhin ihren Einfluss geltend machen werden, um die Anstellung des Klägers durch Mitglieder des VSLB zu verhindern oder ihn aus einer neuen Anstellung zu verdrängen. Da er nicht verpflichtet ist, dieser Gefahr durch Eintritt in den SLB vorzubeugen, hat das Obergericht das Klagebegehren 1 gutzuheissen.

7. Der Kläger will sich nicht damit abfinden, dass das Obergericht lediglich von der Bereitschaft des SLB, ihn auf Gesuch hin wieder aufzunehmen, Vormerk genommen und damit den Rest des Rechtsbegehrens 2 als gegenstandslos erachtet hat. Er macht geltend, dieses Begehren enthalte zwei selbständige Anträge. Die Bereitschaft des SLB, ihn als Mitglied aufzunehmen, nütze ihm nichts,
BGE 82 II 308 S. 320
solange er keine neue Stelle habe. Wenn das Gericht nicht ausserdem feststelle, dass er berechtigt sei, auch als Aussenseiter bei einem Mitgliede des VSLB zu arbeiten, werde er voraussichtlich nie mehr im schweizerischen Lithographiegewerbe arbeiten können.
Diese Rüge ist unbegründet. Mit Rechtsbegehren 2 hat der Kläger nicht verlangt, es sei festzustellen, dass die Beklagten sowohl verpflichtet seien, ihn auf Gesuch in den Verband aufzunehmen, als auch, ihn als Aussenseiter bei einer dem VSLB angeschlossenen Firma arbeiten zu lassen. Beantragt wurde vielmehr, es sei festzustellen, dass sie verpflichtet seien, entweder das eine oder das andere zu tun. Nachdem sie sich bereit erklärt haben, das eine zu tun, ist für die Feststellung, dass sie auch das andere tun müssten, kein Raum, die Berufung also insoweit abzuweisen.

8. Das Obergericht hat offen gelassen, ob die Lithographia Zürich parteifähig sei. Da sie die Parteifähigkeit, wie schon vor Obergericht, auch im Berufungsverfahren noch bestreitet, hat das Obergericht die Frage zu beurteilen. Der Entscheid hängt davon ab, ob die Lithographia Zürich nach den Bestimmungen des Bundesrechts rechtsfähig ist, d.h. Persönlichkeit besitzt. Das träfe nicht nur zu, wenn sie - wie der SLB, in dem sie die Stellung einer Sektion einnimmt - als Genossenschaft im Handelsregister eingetragen wäre; denn die Statuten des SLB verlangen diese Eigenschaft von ihr nicht. Sektion des SLB mit eigener Persönlichkeit kann sie auch sein, wenn sie ein Verein ist. Das setzt voraus, dass sie schriftliche Statuten habe, die ihren Willen, als Körperschaft zu bestehen, ausdrücken und über ihren Zweck, ihre Mittel und ihre Organisation Aufschluss geben (Art. 60 ZGB). Nach Art. 28 der Statuten des SLB müsste das zutreffen, doch bestreiten es die Beklagten, obschon die Lithographia Zürich einen Namen führt, im Volkshaus Zürich einen eigenen Sitz hat, Sektionsversammlungen durchführt, sich durch einen "Vorstand" selbst verwaltet, ein eigenes Sekretariat mit
BGE 82 II 308 S. 321
vollberuflichen Sekretären unterhält, eigene Beiträge erhebt, eigenes Vermögen besitzt und nach aussen handelnd auftritt.
Sollte sich ergeben, dass die Lithographia Zürich keine Statuten hat, so wäre die Klage ihr gegenüber abzuweisen. Sie hätte dann nicht nur keine Persönlichkeit, sondern könnte auch nicht gemäss Art. 62 ZGB einer einfachen Gesellschaft gleichgestellt werden, da sie alsdann nur Organ des SLB wäre, das wie durch sein rechtmässiges auch durch sein rechtswidriges Verhalten diesen Verband, und nur ihn, verpflichten würde. Übrigens wäre sie auch als einfache Gesellschaft nicht parteifähig.
Sollte das Obergericht dagegen als bewiesen erachten, dass die Lithographia Zürich Statuten habe, so wäre Rechtsbegehren 2 beiden Beklagten gegenüber gutzuheissen und über Rechtsbegehren 3 beiden gegenüber im Sinne der bundesgerichtlichen Erwägungen materiell neu zu urteilen.

Dispositif

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 13. Mai 1955 wird aufgehoben, und die Sache wird zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.

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Etat de fait

Considérants 1 2 3 4 5 6 7 8

Dispositif

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