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116 IV 386


68. Urteil des Kassationshofes vom 24. August 1990 i.S. G. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell A.Rh. (Nichtigkeitsbeschwerde)

Regeste

Art. 42 al. 1 LTM; taxe d'exemption du service militaire.
1. La répression conformément à l'art. 42 LTM n'implique pas la mise en oeuvre préalable de la poursuite pour dettes (consid. 2f).
2. La taxe comme telle constitue une dette qui doit être éteinte par le paiement; à ce défaut, elle doit être recouvrée exclusivement par la poursuite pour dettes (consid. 2c).
3. La peine prévue à l'art. 42 LTM sanctionne l'insoumission aux autorités de taxation et ne dispense pas du paiement de la taxe; elle ne viole en conséquence pas l'interdiction de la contrainte par corps au sens des art. 59 al. 3 Cst. et 5 CEDH (consid. 2d/3a).
4. L'infraction réprimée à l'art. 42 LTM, en tant que délit par omission, suppose que l'assujetti avait la possibilité concrète de s'acquitter de la taxe en temps utile (consid. 2e; changement de jurisprudence).

Faits à partir de page 387

BGE 116 IV 386 S. 387

A.- Das Verhöramt des Kantons Appenzell A.Rh. verurteilte G. mit Strafverfügungen vom 23. Oktober 1985 und 6. Juni 1986 wegen schuldhafter Nichtbezahlung des Militärpflichtersatzes für das Jahr 1982 bzw. die Jahre 1983 und 1984 zu sieben bzw. neun Tagen Haft; es wurde ihm in beiden Fällen der bedingte Strafvollzug gewährt. Auch für die Jahre 1985 und 1986 leistete er die Ersatzabgabe (Fr. 2'433.60 total für beide Jahre) wiederum nicht, weshalb er mit Strafverfügung vom 14. März 1989 zu acht Tagen Haft, diesmal ohne Gewährung des bedingten Strafvollzuges, verurteilt wurde.
Auf seine Einsprache hin wurde G. dem Kantonsgericht von Appenzell A.Rh. überwiesen, welches mit Urteil vom 12. Juli 1989 den Beschuldigten wegen wiederholter Begehung - inzwischen hatte G. auch den Militärpflichtersatz für das Jahr 1987 (Fr. 1'730.--) nicht bezahlt - mit zehn Tagen Haft bestrafte.
Das Obergericht von Appenzell A.Rh. wies am 20. Februar 1990 die von G. gegen dieses Urteil gerichtete Appellation ab.

B.- Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt G., das Urteil des Obergerichts aufzuheben und ihn von Schuld und Strafe freizusprechen.
Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.

Considérants

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. a) Gegen die Veranlagung der Militärpflicht-Ersatzabgabe erhob G. keine Einsprache; diese ist somit in Rechtskraft erwachsen. Die Ersatzpflicht des Beschwerdeführers als solche ist daher verbindlich festgestellt und im vorliegenden Verfahren nicht mehr zu prüfen.
b) Soweit der Beschwerdeführer geltend machen wollte, die Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Militärpflichtersatz (MPG; SR 661) seien als solche unvereinbar mit Art. 59 Abs. 3 BV, könnte das Bundesgericht die Rüge nicht prüfen (Art. 113 Abs. 3 BV).
BGE 116 IV 386 S. 388
Es kann im Rahmen der vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerde bei der Prüfung einer Verletzung von Bundesrecht lediglich untersucht werden, ob die entsprechenden Bestimmungen des MPG im Lichte von Art. 59 Abs. 3 BV bzw. Art. 5 Abs. 1 lit. b EMRK verfassungs- bzw. konventionskonform ausgelegt wurden (BGE 114 Ia 377; 112 IV 139 E. 1).

2. a) Der Beschwerdeführer rügt, der angefochtene Entscheid verletze den Grundsatz der Verhältnismässigkeit, weil er vor dem Eingriff in seine persönliche Freiheit nicht betrieben worden sei; dies insbesondere weil Art. 59 Abs. 3 BV den "Schuldverhaft" ausdrücklich untersage.
b) Zu prüfen ist nach dem eingangs Gesagten, ob eine verfassungskonforme Auslegung von Art. 34 und 42 MPG verlange, dass vorgängig einer Bestrafung nach Art. 42 MPG in jedem Fall eine Betreibung zu erfolgen habe.
c) Der Beschwerdeführer beruft sich dazu auf Art. 34 Abs. 1 MPG, wonach für rechtskräftig festgesetzte Abgaben die Betreibung angehoben werden kann, sofern trotz Mahnung keine Zahlung geleistet wird. Diese Formulierung stelle es nicht in das Belieben des Beamten, ob zu betreiben sei oder nicht.
aa) Art. 34 befindet sich im sechsten Abschnitt des Gesetzes unter dem Titel "Bezug der Ersatzabgabe" und beschlägt damit einzig die Vollstreckung der - mangels Einsprache des Beschwerdeführers - rechtskräftig veranlagten Ersatzabgabe.
Die Vollstreckung der rechtskräftig veranlagten Ersatzabgabe erfolgt - wie bei allen Geldforderungen - gemäss Art. 34 MPG auf dem Weg der Schuldbetreibung (PETER RUDOLF WALTI, Der schweizerische Militärpflichtersatz, Diss. Zürich 1979, S. 220, N 537); eine andere Möglichkeit wird im Gesetz zu Recht nicht angeführt.
bb) Die Ersatzabgabe ist eine Geldschuld, die durch Bezahlung zu erfüllen ist (Art. 1 MPG; BGE 22, 26). Der Ersatzpflichtige kann daher nicht gezwungen werden, anstelle der Ersatzabgabe eine Arbeitsleistung zu erbringen ("Abverdienen"), da dies gegen das Verbot des Schuldverhafts im Sinne von Art. 59 Abs. 3 BV verstiesse (BGE 22, 26). Das Verbot des Schuldverhafts hat nämlich zur Folge, dass dem Gläubiger gegenüber nicht die Person, sondern ausschliesslich das Vermögen des Schuldners haftet. Art. 59 Abs. 3 BV verbietet demnach jeden zwangsweisen Freiheitsentzug zum Zwecke der Vollstreckung oder Tilgung einer Geldforderung, die nicht den Charakter einer echten Strafe hat;
BGE 116 IV 386 S. 389
kein Schuld- sondern (zulässiger) Strafverhaft sind daher die Umwandlung einer als Strafe und nicht als Zwangsmittel auferlegten Busse in Haft (BGE 5, 27) oder die Haft wegen schuldhafter Nichtbezahlung geschuldeter Geldleistungen, sofern es sich dabei um eine vom Gesetz vorgesehene Strafe handelt, also um die Sanktion für eine strafrechtlich verfolgbare Tat (BGE 14, 179; WALTI, a.a.O., S. 210, N 513; KNAPP, Kommentar BV, Art. 59, Rz. 79).
d) Der Ersatzpflichtige, der die rechtskräftig veranlagte Ersatzabgabe trotz vorausgegangener Verwarnung nicht bezahlt, wird mit Haft bis zu zehn Tagen bestraft (Art. 42 Abs. 1 MPG); eine andere Sanktion ist nicht vorgesehen.
Auch wenn diese Bestimmung einen gewissen indirekten Zwang auf den Ersatzabgabeschuldner ausübt (WALTI, a.a.O., S. 220, N 537), hat die gestützt darauf ausgefällte Sanktion den Charakter einer echten Strafe: Sanktioniert wird nämlich der Ungehorsam gegenüber den Veranlagungsbehörden und der von ihnen erlassenen Zahlungsaufforderungen (WALTI, a.a.O., S. 229, N 559). Der Grundsatz, dass dem Gläubiger nur das Vermögen des Ersatzpflichtigen haftet, wird nicht aufgehoben; denn gemäss Art. 42 Abs. 3 MPG enthebt die Verbüssung der gestützt auf diese Bestimmung ausgesprochenen Strafe nicht von der Pflicht zur Bezahlung der Ersatzabgabe.
e) Gemäss Art. 42 Abs. 1 MPG wird der Ersatzpflichtige bestraft, der die Ersatzabgabe schuldhafterweise nicht innert der in Art. 33 Abs. 3 MPG bezeichneten zweiten Nachfrist bezahlt. Der Tatbestand ist demnach objektiv erfüllt, wenn es der Ersatzpflichtige unterlässt, rechtzeitig die Ersatzabgabe zu bezahlen. Das tatbestandsmässige Verhalten liegt also in einem Unterlassen. Nach den allgemeinen Regeln des Unterlassungsdeliktes setzt die Erfüllung des objektiven Tatbestandes voraus, dass der Täter überhaupt die Möglichkeit hatte, seiner Pflicht nachzukommen (NOLL/TRECHSEL, Schweiz. Strafrecht, Allg. Teil I, 3. Aufl., S. 208; HAUSER/REHBERG, Strafrecht I, 4. Aufl., S. 183; STRATENWERTH, Allg. Teil I, S. 386; SCHULTZ, Allg. Teil I, 4. Aufl., S. 141; vgl. auch BGE 114 IV 124 E. 3b betr. Leistungsmöglichkeit beim Tatbestand der Vernachlässigung von Unterstützungspflichten, Art. 217 StGB). Fehlen dem Ersatzpflichtigen daher im Zeitpunkt, in welchem er die Ersatzabgabe entrichten müsste, die dafür nötigen Mittel, so kann er den Unterlassungstatbestand von Art. 42 Abs. 1 MPG gar nicht erfüllen, es sei denn, man bejahe eine Pflicht, die
BGE 116 IV 386 S. 390
nötigen Mittel schon vorher zur Verfügung zu halten. Soweit in der bisherigen Rechtsprechung betreffend Nichtbezahlung des Militärpflichtersatzes dem Gesichtspunkt der Möglichkeit, der Ersatzabgabepflicht überhaupt nachzukommen, nicht Rechnung getragen wurde (vgl. BGE 85 IV 241, BGE 69 IV 142, BGE 68 IV 144), kann daran nicht festgehalten werden.
Zutreffend an diesen Entscheidungen ist allerdings, dass der Pflichtige im Rahmen des Zumutbaren und Möglichen gehalten ist, die nötigen Mittel für die Bezahlung der Ersatzabgabe zu beschaffen beziehungsweise bereit zu halten. Tut er dies nicht, verletzt er seine Pflicht schuldhafterweise im Sinne von Art. 42 Abs. 1 MPG.
Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgehalten (Art. 277bis Abs. 1 BStP), dass der Beschwerdeführer mit seinem Einkommen die Bezahlung des Militärpflichtersatzes hätte vornehmen können. Eine Bundesrechtsverletzung ist somit nicht ersichtlich.
f) Ersatzabgabe und Strafe sind nach dem Gesagten völlig unabhängig voneinander. Dass eine Betreibung - als Teil der Vollstreckung - eingeleitet worden sei, ist daher entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht Voraussetzung für die Anwendung von Art. 42 MPG. Dies kann auch nicht unter Berufung auf das Verhältnismässigkeitsprinzip verlangt werden. Die Strafe nach Art. 42 MPG kann nicht durch blosse Betreibung ersetzt werden, denn diese erfolgt neben der Bestrafung und unabhängig von dieser (WALTI, a.a.O., S. 214, N 522). Da der Beschwerdeführer nach den Feststellungen der Vorinstanz trotz zweier vorausgehender Verurteilungen wegen des gleichen Delikts keine Reaktionen zeigte, sondern die Sache erneut einfach treiben liess, war der Verzicht auf eine erneute Betreibung im übrigen durchaus vertretbar.
Ein solcher im pflichtgemässen Ermessen der Behörde liegender Verzicht auf eine vorgängige Betreibung ist ebenfalls unter dem Gesichtspunkt von Art. 59 Abs. 3 BV nicht zu beanstanden und stellt damit eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung von Art. 34 und 42 MPG dar.
g) Im übrigen ist Art. 33 Abs. 3 MPG - im Gegensatz zur "Kann-Vorschrift" von Art. 34 Abs. 1 MPG - zwingend formuliert, indem die Bezugsbehörde, wenn der Ersatzpflichtige innert 15 Tagen nach Empfang der Verwarnung weder die Ersatzabgabe bezahlt noch unter Nachweis unverschuldeter Zahlungsunfähigkeit
BGE 116 IV 386 S. 391
den Erlass oder eine Zahlungserleichterung begehrt, seine Überweisung an den Strafrichter beantragt. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass vorgängig einer Bestrafung eine Betreibung zwingend erfolgen muss, so hätte er dies sicher auch bei Art. 34 MPG durch eine andere Formulierung zum Ausdruck gebracht.

3. Der Beschwerdeführer rügt schliesslich eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 lit. b EMRK, welcher einen Schuldverhaft nicht zulasse.
a) Wie dargelegt (E. 2), stellt die Bestrafung nach Art. 42 Abs. 1 MPG keinen Schuldverhaft dar. Von einer Verletzung von Art. 5 Abs. 1 lit. b EMRK kann deshalb keine Rede sein. Auch die Berufung auf BISCHOFBERGER (Die Verfahrensgarantien der EMRK (Art. 5 und 6) in ihrer Einwirkung auf das schweizerische Strafprozessrecht, S. 179) hilft dem Beschwerdeführer nicht, wird an jener Stelle doch lediglich ausgeführt, auch der Schuldverhaft sei unter Art. 5 EMRK zu subsumieren.
b) Da die Haft neben der Schuldbetreibung und unabhängig von dieser gesetzlich vorgesehen ist, kann von einer Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips auch im Rahmen der Anwendung der EMRK keine Rede sein. Die dazu vom Beschwerdeführer bei BISCHOFBERGER zitierte Stelle (S. 158) hat mit diesem Thema nichts zu tun, sondern mit der Verteidigung.

4. Die Beschwerde erweist sich, soweit darauf eingetreten werden kann, als unbegründet. Entsprechend diesem Ausgang gehen die Kosten zu Lasten des Beschwerdeführers (Art. 278 BStP).

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Etat de fait

Considérants 1 2 3 4

références

ATF: 114 IA 377, 112 IV 139, 114 IV 124, 85 IV 241

Article: art. 59 al. 3 Cst., art. 42 LTM, Art. 5 Abs. 1 lit. b EMRK, Art. 42 al. 1 LTM suite...