Avis important:
Les versions anciennes du navigateur Netscape affichent cette page sans éléments graphiques. La page conserve cependant sa fonctionnalité. Si vous utilisez fréquemment cette page, nous vous recommandons l'installation d'un navigateur plus récent.
Retour à la page d'accueil Imprimer
Ecriture agrandie
 
Chapeau

111 V 180


36. Auszug aus dem Urteil vom 2. September 1985 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen Sch. und Kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen, Basel

Regeste

Art. 42 al. 1 LAVS: Droit à la rente extraordinaire.
- Nécessité d'une résidence effective en Suisse. Exceptions.
- Cas d'un nouveau-né qui peu après la mort de sa mère a été amené chez des parents en Italie et qui depuis lors y est resté.

Faits à partir de page 180

BGE 111 V 180 S. 180

A.- Luca Sch. wurde am 2. August 1979 als Kind der in Basel wohnhaften Eheleute Paul und Lucia Sch. geboren. Am 17. September 1979 verstarb seine Mutter, weshalb ihm mit Wirkung ab
BGE 111 V 180 S. 181
1. Oktober 1979 eine ausserordentliche einfache Mutterwaisenrente zugesprochen wurde. Sein Vater verbrachte darauf den Knaben zu einer in Rom wohnhaften Tante mütterlicherseits, wo er seither geblieben ist. Die definitive polizeiliche Abmeldung in Basel erfolgte am 20. Mai 1983.
Mit Verfügung vom 14. Dezember 1983 ersetzte die Ausgleichskasse des Verbandes der schweizerischen Waren- und Kaufhäuser die ausserordentliche Waisenrente rückwirkend auf den 30. September 1979 durch eine ordentliche Waisenrente unter gleichzeitiger Rückforderung des zuviel ausbezahlten Differenzbetrages.

B.- Paul Sch. beschwerte sich für seinen Sohn gegen diese Verfügung bei der Kantonalen Rekurskommission für die Ausgleichskassen, Basel. Diese hob die Verfügung vom 14. Dezember 1983 auf und verpflichtete die Ausgleichskasse, dem versicherten Knaben anstelle der ordentlichen Rente eine ausserordentliche Rente auszurichten. Die Begründung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Der Anspruch auf ausserordentliche Rente sei nach Art. 42 Abs. 1 AHVG nur gegeben, wenn der Rentenansprecher persönlich in der Schweiz seinen zivilrechtlichen Wohnsitz habe. Zudem verlange Rz. 609 der Wegleitung über die Renten den tatsächlichen Aufenthalt in der Schweiz. Diese zusätzliche Voraussetzung verliere aber an Bedeutung, wenn der zivilrechtliche Wohnsitz ein abgeleiteter und kein selbständiger und die Unterbringung der betreffenden Person in der Schweiz aus bestimmten rechtserheblichen Gründen nicht möglich bzw. nicht zumutbar sei. Das treffe auf Luca Sch. zu, weil es für diesen Knaben zweckmässiger sei, bei seinen nächsten Verwandten in Rom statt in einem Heim in der Schweiz aufzuwachsen (Entscheid vom 22. März 1984).

C.- Das Bundesamt für Sozialversicherung erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es seien der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die Kassenverfügung vom 14. Dezember 1983 insoweit wiederherzustellen, als mit ihr der Anspruch auf ausserordentliche Mutterwaisenrente verneint werde. Das Bundesamt wirft insbesondere die Frage auf, ob der Aufenthalt des Kindes in Italien aus fürsorgerischen Gründen notwendig gewesen sei und die ausserordentliche Rente deshalb weiterhin ausgerichtet werden könnte. Es verneint eine zwingende fürsorgerische Notwendigkeit; vielmehr dürfte der Aufenthalt in Rom durch die persönlichen Beziehungen zwischen dem Knaben und seinen Pflegeeltern verlängert worden sein. Damit sei der Anspruch
BGE 111 V 180 S. 182
auf eine ausserordentliche Mutterwaisenrente im Zeitpunkt der Ausreise aus der Schweiz untergegangen, selbst wenn der schweizerische Wohnsitz noch eine gewisse Zeit beibehalten worden sei.
Paul Sch. beantragt für seinen Sohn die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Allenfalls sei die Sache an die Ausgleichskasse zurückzuweisen, insbesondere zur Abklärung, weshalb der Knabe nach Italien verbracht worden sei und weshalb sich der dortige Aufenthalt verlängert habe.

Considérants

Aus den Erwägungen:

1. Nach Art. 25 Abs. 1 AHVG ist es Sache des Bundesrates, Vorschriften zu erlassen über die Rentenberechtigung von Kindern, deren Mutter gestorben ist. Gestützt darauf hat der Bundesrat in Art. 48 AHVV solchen Kindern unter gewissen Voraussetzungen den Anspruch auf eine einfache Waisenrente eingeräumt. Nach der bis Ende 1982 gültig gewesenen Fassung von Abs. 3 dieses Artikels stand die ordentliche Rente den Mutterwaisen nur zu, wenn die Mutter unmittelbar vor ihrem Tode im Sinne von Art. 1 oder 2 AHVG versichert war. Sowohl nach dem alten wie nach dem heutigen Wortlaut von Abs. 4 wird die Rente aufgrund der Erwerbseinkommen und Beitragsjahre der Mutter berechnet.
Gemäss Art. 42 Abs. 1 AHVG haben - unter den in dieser Bestimmung angeführten, auf Mutterwaisen jedoch nicht anwendbaren (Art. 48 Abs. 5 AHVV) wirtschaftlichen Voraussetzungen - Anspruch auf eine ausserordentliche Rente die in der Schweiz wohnhaften Schweizerbürger, denen keine ordentliche Rente zusteht oder deren ordentliche Rente kleiner ist als die ausserordentliche. Gestützt auf diese Bestimmung wurde Luca Sch. ursprünglich eine ausserordentliche Waisenrente zugesprochen.

2. ...

3. ...

4. Zur Klärung der Rechtslage bezüglich des Wohnsitzes und des tatsächlichen Aufenthalts in der Schweiz als Voraussetzungen für den Anspruch auf ausserordentliche Rente ist es angezeigt, in enger Anlehnung an die bisherige Praxis die leitenden Grundsätze wie folgt zu formulieren:
a) Neben dem zivilrechtlichen Wohnsitz sind auch der effektive Aufenthalt in der Schweiz und der Wille, diesen Aufenthalt aufrechtzuerhalten, massgebend; zusätzlich dazu muss der Schwerpunkt aller Beziehungen in der Schweiz bestehen bleiben;
BGE 111 V 180 S. 183
b) der Begriff des Aufenthalts ist in objektivem Sinne zu verstehen;
c) das Aufenthaltsprinzip lässt die beiden Ausnahmen des voraussichtlich kurzfristigen und des voraussichtlich längerfristigen Auslandaufenthalts zu. Dabei darf es sich nur um Fälle handeln, in denen der Rentenansprecher zum vornherein bloss eine vorübergehende und keine endgültige Ausreise aus der Schweiz beabsichtigt hat;
d) der Ausnahmegrund des kurzfristigen Auslandaufenthalts ist gegeben, wenn und insoweit der Auslandaufenthalt sich im Rahmen dessen bewegt, was allgemein üblich ist, bzw. er muss aus triftigen Gründen erfolgen, wie z.B. zu Besuchs-, Ferien-, Geschäfts-, Kur- oder Ausbildungszwecken, und darf ein Jahr nicht übersteigen. Die Jahresfrist darf aber nur so weit voll ausgeschöpft werden, als für diese Maximaldauer wirklich ein triftiger Grund besteht;
e) der Ausnahmegrund des längerfristigen Auslandaufenthalts ist gegeben:
aa) wenn ein grundsätzlich als kurzfristig beabsichtigter Auslandaufenthalt wegen zwingender unvorhergesehener Umstände (z.B. wegen Erkrankung oder Unfall usw.) über ein Jahr hinaus verlängert werden muss;
bb) wenn zum vornherein zwingende Gründe einen voraussichtlich überjährigen Auslandaufenthalt erfordern (z.B. Fürsorgemassnahmen, Ausbildung, Krankheitsbehandlung usw.).

5. Aus diesen Grundsätzen ergibt sich für den vorliegenden Fall folgendes:
a) Die Tatsache, dass Luca Sch. beim Tode seiner Mutter noch nicht einmal eineinhalb Monate alt war, stellt einen triftigen Grund dafür dar, dass er von seinem Vater zu Verwandten nach Italien verbracht wurde, ist es doch unbestritten geblieben, dass die einzige und offensichtlich schlechtere Alternative in der Unterbringung des Kindes in einem Kinderheim bestanden hätte. Ferner darf angenommen werden, dass es sich dabei um eine zunächst als kurzfristig betrachtete Notlösung gehandelt hat. Das wird auch vom Bundesamt nicht bestritten, das überdies anzuerkennen scheint, dass grundsätzlich der Ausnahmegrund für einen kurzfristigen Italienaufenthalt gegeben war. Es macht aber geltend, die Verlängerung des Italienaufenthaltes sei nicht auf unvorhergesehene, plötzlich auftretende Ereignisse, wie etwa Krankheit oder Unfall, sondern auf die berufliche Tätigkeit des Vaters zurückzuführen
BGE 111 V 180 S. 184
gewesen, ein Umstand, der schon vor der Abreise nach Italien bestanden habe. Abgesehen davon sei nicht bewiesen, dass der Aufenthalt des Kindes bei seiner Tante in Rom fürsorgerisch zwingend notwendig gewesen sei; vielmehr dürfte die Aufenthaltsverlängerung durch die persönlichen Beziehungen zwischen dem Kind und seinen Pflegeeltern, welche das Kind ja auch adoptieren möchten, bedingt gewesen sein.
Dass der Vater wegen seiner beruflichen Tätigkeit das Kind zur Tante nach Italien verbrachte, schliesst indessen nicht aus, dass es sich dabei grundsätzlich um eine fürsorgerische Massnahme handelte. Der Umstand, dass er gezwungen war bzw. ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, und dass er deshalb nicht persönlich für das Kind sorgen konnte, bildete vielmehr einen triftigen Grund für diese fürsorgliche Massnahme. Es fragt sich nur, ob und für wie lange der Auslandaufenthalt bei den Verwandten notwendig und ob der Wille des Vaters auf möglichst baldige Rückführung gerichtet war und der Schwerpunkt aller Beziehungen noch in der Schweiz lag. Denn erst von dem Zeitpunkt hinweg, in welchem diese Voraussetzungen nicht mehr erfüllt waren, wäre der Anspruch auf die ausserordentliche Rente erloschen.
b) Die Unterbringung des Kindes bei Verwandten im Ausland konnte nur im Sinne einer vorübergehenden Notmassnahme einen Ausnahmegrund vom Aufenthaltsprinzip bilden, denn es muss vorausgesetzt werden, dass sich innerhalb einer angemessenen Frist das Problem in der Schweiz selber hätte lösen lassen (z.B. durch Einstellung einer Haushalthilfe, durch Besorgung eines inländischen Pflegeplatzes usw.). Der Vater des Kindes gab aber im Verlaufe der Zeit selber den Willen zur Rückführung des Kindes in die Schweiz auf, indem er sich von einem bestimmten Zeitpunkt hinweg dazu bereit fand, das Kind durch die bisherige Pflegefamilie adoptieren zu lassen.
Auf eine Anfrage hin teilte Paul Sch. am 26. Juli 1983 der Ausgleichskasse mit, er habe sein Kind nur deshalb nicht früher - als am 20. Mai 1983 - definitiv in Basel abgemeldet, weil er in Rom keine Aufenthaltsbewilligung erhalten habe. Dies scheint darauf schliessen zu lassen, dass er praktisch von Anfang an den Aufenthalt des Kindes dauernd zur Pflegefamilie in Italien verlegen wollte. Indessen bestreitet er, dass dies seine Absicht gewesen sei. In der Tat hat er am 20. September 1979 zuhanden der italienischen Behörden die notariell beglaubigte Erklärung abgegeben "d'aver pregato la sua cognata ... di tenere il detto bambino per
BGE 111 V 180 S. 185
il prossimo futuro visto il decesso della madre". Unbestrittenermassen hat er sich nach seinen Angaben in der vorinstanzlichen Beschwerde auch "keineswegs darauf beschränkt, die Waisenrente an seine Schwägerin weiterzuleiten. Er sorgte vielmehr auch dafür, dass das Kind in Basel bei der ÖKK versichert war, bezahlte die entsprechenden Prämien und leistete so monatlich insgesamt rund Fr. 400.-- an seine Schwägerin. Er nahm auch durchaus seine Stellung als Inhaber der elterlichen Gewalt wahr." In der Antwort auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde macht Paul Sch. geltend, er sei auch in der Weise bestrebt gewesen, die Voraussetzungen für die Rückkehr des Kindes zu schaffen, dass er seine italienische Schwiegermutter zur Haushaltführung zu sich geholt habe. Dieser Versuch habe jedoch wegen des Verhaltens der Schwiegermutter nach etwa dreiviertel Jahren wieder abgebrochen werden müssen. Aus den Akten ergibt sich sodann, dass sich Paul Sch. am 30. Juli 1981 bei der Ausgleichskasse erkundigt hat, ob das Kind bei eventueller Adoption bzw. bei einer Wiederverheiratung des Vaters die Rente verlieren würde. Daraus ist zu schliessen, dass er sich offenbar erst damals - etwa eindreiviertel Jahre nach der Unterbringung des Kindes in Italien - ernsthaft Gedanken über eine allfällige endgültige Belassung des Kindes im Ausland machte. Tatsächlich hat er sein Kind erst am 20. Mai 1983 in Basel polizeilich abgemeldet, nachdem er inzwischen von seiner Schwägerin die vom 27. Januar 1983 datierte Urkunde betreffend Bewilligung des "Tribunale per i Minorenni di Roma" zur voradoptiven Betreuung erhalten hatte.
Anderseits kann - wie bereits dargelegt - zum vornherein nur die Ausnahme des kurzfristigen, nicht länger als ein Jahr dauernden Auslandaufenthalts zugelassen werden, weil spätestens innert Jahresfrist der effektive schweizerische Aufenthalt hätte wieder-hergestellt werden können. Da Luca Sch. nach den eigenen Angaben des Vaters sofort nach dem Tode seiner Mutter (17. September 1979) nach Italien verbracht worden ist, waren somit die Voraussetzungen für eine ausserordentliche Mutterwaisenrente bis Ende September 1980 erfüllt.

6. Bestand aber vom Oktober 1980 hinweg kein Anspruch mehr auf eine ausserordentliche Rente, so ist gemäss Art. 47 Abs. 1 AHVG der seither zuviel ausbezahlte Betrag zurückzuerstatten...

contenu

document entier
regeste: allemand français italien

Etat de fait

Considérants 1 2 3 4 5 6

références

Article: Art. 42 al. 1 LAVS, Art. 25 Abs. 1 AHVG, Art. 48 AHVV, Art. 1 oder 2 AHVG suite...