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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_523/2009 
 
Urteil vom 1. Oktober 2009 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard, 
Gerichtsschreiberin Schüpfer. 
 
Parteien 
F.________, 
vertreten durch Fürsprecher Lorenz Fellmann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
AXA Versicherungen AG, General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 6. Mai 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der 1964 geborene F.________ arbeitete während eines Tages in der Woche bei seiner Schwester als Hauspfleger und war in dieser Eigenschaft bei der AXA Winterthur AG (nunmehr AXA Versicherungen AG; kurz AXA) gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert. Am 19. Dezember 2007 meldete er der Versicherung, er habe am 29. Oktober 2007 einen Auffahrunfall erlitten und sich dabei einen Bandscheibenvorfall im mittleren Bereich der Wirbelsäule zugezogen. Der am 2. November 2007 aufgesuchte Dr. med. R.________, Arzt für allgemeine Medizin FMH, berichtete über zunehmende Kreuzschmerzen bei seit 16 Jahren bestehenden Rückschmerzen sowie vorbestehender Spondylose und Listhose L5/S1. Er attestierte eine volle Arbeitsunfähigkeit. Der Versicherte hatte sich bereits im Jahre 2000 bei der Invalidenversicherung angemeldet, welche ihn auf Grund der ausgewiesenen Rückenproblematik von seiner ursprünglichen Tätigkeit als Rayonleiter Frucht und Gemüse bei einem Grossverteiler zum kaufmännischen Angestellten hatte umschulen lassen. Da seine Stellensuche in diesem Bereich nicht erfolgreich war, beschäftigte ihn seine Schwester in Teilzeit als Haushaltskraft. Die AXA holte verschiedene medizinische Akten ein und verfügte am 7. Juli 2008 ihre Leistungseinstellung auf den 1. Dezember 2007. Auf Einsprache hin anerkannte sie ihre Leistungspflicht bis zum 31. Januar 2008 und lehnte einen darüber hinausgehenden Anspruch ab (Entscheid vom 12. November 2008). 
 
B. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies eine gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 6. Mai 2009 ab. 
 
C. 
F.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides seien ihm während der ärztlich ausgewiesenen Arbeitsunfähigkeit, aber höchstens während einer Dauer von 720 Tagen, die vertraglich geschuldeten Unfalltaggelder auszurichten. Eventuell sei die Sache zur Ergänzung des Sachverhaltes und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die AXA schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die gen vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG). 
 
2. 
2.1 Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer aus dem Unfall vom 29. Oktober 2007 über den 31. Januar 2008 hinaus Anspruch auf Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung hat. Zur Diskussion stehen damit entgegen dem Rechtsbegehren des Beschwerdeführers nicht "vertraglich geschuldete Taggeldleistungen während maximal 720 Tagen", sondern der gesetzliche Leistungsanspruch nach UVG. Im Vordergrund steht dabei die Frage, ob die ab Februar 2008 noch bestehenden Beschwerden in einem natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zum Unfall stehen. Während der Versicherte dies bejaht, verneinen Unfallversicherer und Vorinstanz den natürlichen Kausalzusammenhang. 
 
2.2 Im angefochtenen Entscheid werden die Rechtsgrundlagen über den Anspruch auf Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung im Allgemeinen (Art. 6 Abs. 1 UVG) sowie die Grundsätze zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod; BGE 119 V 335 E. 1 S. 337; neueren Datums: BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181; 123 V 43 E. 2a S. 45, je mit Hinweisen) im Besonderen zutreffend dargelegt. Gleiches gilt in Bezug auf die Ausführungen zum Wegfall des ursächlichen Zusammenhangs und damit des Leistungsanspruchs der versicherten Person bei Erreichen des Status quo sine vel ante und zu den sich dabei stellenden Beweisfragen (RKUV 1994 Nr. U 206 S. 328, U 180/93; siehe ebenso BGE 117 V 261 E. 3b in fine S. 264; RKUV 2000 Nr. U 363 S. 45, U 355/98). Darauf wird verwiesen. Das Gleiche gilt hinsichtlich der praxisgemässen Grundsätze zum Beweiswert und zur Würdigung medizinischer Berichte und Stellungnahmen (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352; 122 V 157 E. 1c S. 160 mit Hinweisen). 
 
Es entspricht einer medizinischen Erfahrungstatsache im Bereich des Unfallversicherungsrechts, dass praktisch alle Diskushernien bei Vorliegen degenerativer Bandscheibenveränderungen entstehen und ein Unfallereignis nur ausnahmsweise, unter besonderen Voraussetzungen, als eigentliche Ursache in Betracht fällt. Ist die Diskushernie bei degenerativem Vorzustand durch den Unfall nur aktiviert, nicht aber verursacht worden, so hat die Unfallversicherung nur Leistungen für das unmittelbar im Zusammenhang mit dem Unfall stehende Schmerzsyndrom zu erbringen. Nach derzeitigem medizinischem Wissensstand kann das Erreichen des Status quo sine bei posttraumatischen Lumbalgien und Lumboischialgien nach drei bis vier Monaten erwartet werden, wogegen eine allfällige richtunggebende Verschlimmerung röntgenologisch ausgewiesen sein und sich von der altersüblichen Progression abheben muss; eine traumatische Verschlimmerung eines klinisch stummen degenerativen Vorzustandes an der Wirbelsäule ist in der Regel nach sechs bis neun Monaten, spätestens aber nach einem Jahr als abgeschlossen zu betrachten (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts U 354/04 vom 11. April 2005, E. 2.2, mit Hinweisen auch auf die medizinische Literatur; vgl. diesbezüglich auch neuere Urteile 8C_346/2008 vom 11. November 2008, 8C_326/2008 vom 24. Juni 2008, 8C_677/2007 vom 4. Juli 2008, 8C_637/2007 vom 11. August 2008). 
 
3. 
3.1 Aufgrund der vor dem Unfall erstellten medizinischen Akten und der unmittelbar danach durchgeführten Röntgenuntersuchung steht fest, dass der Beschwerdeführer im Unfallzeitpunkt bereits ganz erhebliche degenerative Veränderungen der Wirbelsäule aufgewiesen hat. Sie boten bereits Anlass zu einer Umschulung durch die Invalidenversicherung, womit es sich nicht um einen sogenannten klinisch stummen Vorzustand handelte. Nur weil die vor dem Unfall bereits vorhanden Beschwerden nicht derart gravierend waren, dass eine Arbeitsunfähigkeit in der verrichteten Tätigkeit als Hauspfleger vorlag, zieht der Beschwerdeführer den Schluss, der Unfall sei für die seitherigen Beschwerden ursächlich. Er argumentiert damit sinngemäss, sein Vorzustand habe durch das versicherte Ereignis eine richtunggebende Verschlimmerung erfahren. 
 
3.2 Entgegen der vom Versicherten vertretenen Auffassung ist die unfallbedingte Verschlimmerung einer vorbestehenden Wirbelsäulenerkrankung nur unter bestimmten Voraussetzungen, welche hier nicht vorliegen, als richtunggebend zu betrachten. Ansonsten ist sie vorübergehender Natur (u.a. SVR 2008 UV Nr. 11 S. 34 E. 4.2.1 mit Hinweisen; Urteile 8C_518/2008 vom 12. Dezember 2008 E. 3.1.1; 8C_614/2007 vom 10. Juli 2008 E. 4.1; 8C_452/2007 vom 10. Juni 2008 E. 2.2.2; 8C_213/2008 vom 9. Juni 2008 E. 3.4). Aufgrund der Akten steht fest, dass sich der Beschwerdeführer anlässlich des Unfalles keine objektivierbare eigentliche Verletzung zugezogen hatte. Die anfangs November 2007 angefertigten Röntgenbilder zeigten keine frischen Schädigungen. Aus medizinischer Sicht nachvollziehbar ist gemäss überzeugender Argumentation des Dr. med. H.________, Spezialarzt FMH für Chirurgie und beratender Arzt der AXA, hingegen, dass die massiv vorgeschädigte Wirbelsäule durch die Erschütterung des Unfalls schmerzhaft wurde. Soweit das kantonale Gericht aus der fehlenden sichtbaren Schädigung durch den Unfall auf eine psychische Ursache des Beschwerdebildes schloss, kann ihm daher nicht gefolgt werden. Die Rückenbeschwerden sind angesichts der erheblichen degenerativen Veränderungen nachvollziehbar, was jedoch keinen Schluss auf die Ursächlichkeit durch den Auffahrunfall zulässt. 
 
4. 
Hauptsächlich wendet der Beschwerdeführer ein, da die AXA den Unfall vom 29. Oktober 2007 als solchen anerkannt und anfänglich Leistungen erbracht habe, müsse sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit beweisen, dass zwischen den andauernden Beschwerden und dem Unfall drei Monate nach dem Ereignis kein Kausalzusammenhang mehr bestehe. Wie dargelegt (Erwägung 2.2), kann das Erreichen des Status quo sine bei posttraumatischen Lumbalgien und Lumboischialgien nach drei bis vier Monaten erwartet werden, wogegen eine allfällige richtunggebende Verschlimmerung röntgenologisch ausgewiesen sein und sich von der altersüblichen Progression abheben muss. Beim Beschwerdeführer hatte Prof. Dr. med. J.________, Chefarzt für Wirbelsäulenchirurgie am Spital X.________, bereits im Bericht vom 13. Juli 2005 unter anderem die Diagnose von chronischen Lumbalgien bei Spondylolyse und Olisthesis L5/S1 Grad II nach Meyerding gestellt. Dieselbe Diagnose stellte auch Dr. med. C.________ einen Monat nach dem Unfall (Bericht vom 30. November 2007: isthmische Spondylolyse L5 mit Listhese Grad II und schwere erosive Osteochondrose L4/5 und L5/S1). Es liegen somit keine Anhaltspunkte dafür vor, dass vorliegend - entgegen der allgemeinen medizinischen Erfahrungstatsache - die durch den Auffahrunfall vom 29. Oktober 2007 verursachte Erschütterung eine über den Januar 2008 hinaus andauernde Schädigung verursacht hätte. Die anderslautenden Ausführungen des Beschwerdeführers können nicht überzeugen. Auch eine beantragte gutachterliche Untersuchung könnte zu keinen neuen Erkenntnissen führen, da der Gesundheitszustand im Unfallzeitpunkt und die nachfolgende Entwicklung bis Januar 2008 zu beurteilen ist, was heute nur anhand von Akten geschehen könnte. Auch das vom Beschwerdeführer angerufene Zeugnis des Dr. med. L.________ vom 11. April 2008 kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Dieser Arzt spricht von einer klaren Progredienz der Spondylolisthesis, führt indessen nicht an, welche Voraufnahmen ihm zur Verfügung standen und auf welchen Vergleichszeitpunkt er sich bezieht. Die äusserst vage Formulierung "ich gehe davon aus, dass der Unfall mit Auffahrkollision die traumatische Ursache für die Subluxation war", vermag die der geltenden Rechtssprechung zu Grunde liegende medizinische Erfahrungstatsache nicht zu relativieren. 
 
Zusammenfassend ist an der vorinstanzlichen Schlussfolgerung, dass zwischen den über den 31. Januar 2008 hinaus andauernden Beschwerden und dem versicherten Ereignis kein rechtsgenüglicher Kausalzusammenhang besteht, nichts auszusetzen, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist. 
 
5. 
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 1. Oktober 2009 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Ursprung Schüpfer