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[AZA 0/2] 
1P.658/2000/boh 
 
I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG 
********************************** 
 
5. Dezember 2000 
 
Es wirken mit: Bundesrichter Aemisegger, Präsident der 
I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter Catenazzi, 
Bundesrichter Favre und Gerichtsschreiber Steinmann. 
 
--------- 
 
In Sachen 
R.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Hans Hofstetter, Marktplatz 4, St. Gallen, 
 
gegen 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Anklagekammer des Kantons St. Gallen, 
betreffend 
 
Art. 8 BV (rechtliches Gehör), hat sich ergeben: 
 
A.- Der Kantonale Untersuchungsrichter führte gegen R.________ seit 1996 eine Strafuntersuchung wegen Mittäterschaft bei Mord, versuchtem Mord und schwerer Körperverletzung sowie wegen versuchter Anstiftung zu Mord und wegen Widerhandlungen gegen das Kriegsmaterialgesetz und das Waffengesetz. 
Mit Verfügung vom 15. Mai 2000 bestätigte die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen die Überweisungsverfügung des Kantonalen Untersuchungsrichters vom 13. März 2000 mit gewissen Ergänzungen und Abänderungen (Art. 134 des Gesetzes über die Strafrechtspflege, StP). In Bezug auf R.________ wird in Ziff. 3 dieser Verfügung das Strafverfahren wegen mehrfacher Widerhandlungen gegen die Waffengesetzgebung und das Kriegsmaterialgesetz hinsichtlich bestimmt umschriebener Sachverhalte eingestellt; im Übrigen werden die gemäss Überweisungsverfügung beschlagnahmten Waffen, Waffenteile, Waffenzubehör und Munition sowie ein sichergestellter Bargeldbetrag von Fr. 6'000.-- eingezogen. Das Strafverfahren ist zur Zeit vor dem Kantonsgericht St. Gallen hängig. 
 
Der Angeschuldigte wurde von Rechtsanwalt X.________ vertreten. Nachdem das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen das Gesuch um amtliche Verteidigung am 27. März 2000 letztinstanzlich abwies, legte X.________ das Mandat am 29. März 2000 nieder. 
 
 
B.- Am 2. Juni 2000 erhob X.________ für R.________ bei der Anklagekammer des Kantons St. Gallen Beschwerde gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 15. Mai 2000. Darin führt er aus, dass er sich als Strafverteidiger trotz grundsätzlicher Beendigung des Mandates verpflichtet fühle, zumindest diejenigen Schritte in die Wege zu leiten, die den Angeschuldigten vor nicht wieder gutzumachenden Nachteilen bewahren. Er erhebe daher im Sinne einer nachwirkenden Interessenwahrung vorsorglicherweise Beschwerde gegen die Einziehung von Gegenständen und Vermögenswerten. Darüber hinaus ersuchte er um aufsichtsrechtliche Schritte. 
 
Die Anklagekammer ist mit Entscheid vom 24. August 2000 auf die Beschwerde im Sinne der Erwägungen nicht eingetreten. 
Sie führte im Wesentlichen aus, es könne kein Vertretungsverhältnis angenommen werden und in aufsichtsrechtlicher Hinsicht bestehe kein Handlungsbedarf. 
 
C.- Gegen diesen Entscheid der Anklagekammer hat R.________, vertreten durch Rechtsanwalt Hans Hofstetter, beim Bundesgericht am 23. Oktober 2000 staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Auf die Begründung im Einzelnen ist, soweit erforderlich, in den Erwägungen einzugehen. 
 
Die Anklagekammer hat auf eine Vernehmlassung verzichtet, die Staatsanwaltschaft hat sich nicht vernehmen lassen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Der Beschwerdeführer ist zur Beschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs legitimiert. Er bringt hierfür unterschiedliche Rügen vor. 
a) Der Beschwerdeführer macht vorerst geltend, die Anklagekammer habe Art. 26 des st. gallischen Anwaltsgesetzes (sGS 963. 70) willkürlich angewendet. Dass er sich dabei auf Art. 8 BV und nicht auf Art. 9 BV stützt, vermag ihm nicht zu schaden. - Nach der angerufenen Bestimmung gilt der Rechtsanwalt als Inhaber einer Vertretungsvollmacht dessen, für den er handelt (Abs. 1); die verfahrensleitende Behörde kann die Vollmacht verlangen (Abs. 2). Inwiefern diese Bestimmung willkürlich angewendet worden sein soll, ist nicht ersichtlich. Denn sie geht von der Vermutung der Vertretung aus und erlaubt den Behörden in Zweifelsfällen das Einholen einer ausdrücklichen Vollmacht. Im vorliegenden Fall war von vornherein klar, dass kein Vertretungsverhältnis vorliegt. 
Demnach wäre das Nachfordern einer Vollmacht nutzlos gewesen, sodass die Anklagekammer von der Anwendung von Art. 26 Abs. 2 des Anwaltsgesetzes ohne Willkür absehen konnte. 
 
b) Die Berufung auf die Bestimmungen von Art. 419 ff. des Obligationenrechts vermag dem Beschwerdeführer nicht zu helfen. Es kann offen gelassen werden, ob im Bereiche der anwaltlichen Vertretung von einer "nachwirkenden Interessenwahrung" gesprochen werden könne, wie der Beschwerdeführer geltend macht. Die zeitlichen Verhältnisse belegen klar, dass die Einreichung einer Vollmacht oder zumindest ein Inaussichtstellen möglich gewesen wäre. Dies indessen ist unterblieben. Bei dieser Sachlage ist es weder willkürlich noch im Widerspruch zum Anspruch auf rechtliches Gehör, dass die Anklagekammer auf die "Beschwerdeführung ohne Auftrag" nicht eingetreten ist. 
 
c) Schliesslich beruft sich der Beschwerdeführer auf das Verbot des überspitzten Formalismus als besondere Form der Willkür. Worin dieser überspitzte Formalismus lie- gen soll, wird in der Beschwerde nicht näher dargetan. Für die Einreichung einer Beschwerde eine (ausdrückliche) Vollmacht einzuverlangen, entspricht den Prozessordnungen und gängiger Gerichtspraxis. Es kann darin kein überspitzter Formalismus erblickt werden. 
 
 
d) Auch soweit sich der Beschwerdeführer direkt auf Art. 29 Abs. 2 BV berufen sollte, kann seiner Beschwerde kein Erfolg beschieden sein. Er hätte es ohne weiteres in der Hand gehabt, X.________ eine Vollmacht auszustellen, entweder anlässlich seines Besuches oder allenfalls nach der Beschwerdeeinreichung. Wenn er dies unterlassen hat, kann er sich nicht über eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs beklagen. 
 
2.- Demnach erweist sich die Beschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs als unbegründet und ist daher abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Verfahrenskosten dem Beschwerdeführer, der kein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gestellt hat, aufzuerlegen (Art. 156 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht 
im Verfahren nach Art. 36a OG
 
1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt. 
 
______________ 
Lausanne, 5. Dezember 2000 
 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: 
 
Der Gerichtsschreiber: