Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_260/2007 /bnm 
 
Urteil vom 7. August 2007 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Marazzi, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Parteien 
X.________ SA, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
VQF Verein zur Qualitätssicherung von 
Finanzleistungen, 
Z.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Ablehnung eines Schiedsrichters, 
 
Beschwerde in Zivilsachen gegen die Verfügung des Vizepräsidenten des Obergerichts des Kantons Zug, 
vom 24. April 2007. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der Verein zur Qualitätssicherung von Finanzdienstleistungen (VQF) ist eine von der Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei anerkannte Selbstregulierungsorganisation gemäss Art. 24 ff. des Bundesgesetzes zur Bekämpfung der Geldwäscherei (GwG). Die X.________ SA ist Finanzintermediärin und seit dem 24. Oktober 2000 Vereinsmitglied des VQF. 
B. 
Mit Sanktionsentscheid vom 6. Dezember 2006 schloss die Aufsichtskommission des VQF die X.________ SA vom Verein aus mit der Begründung, sie habe diverse Reglementsverletzungen begangen. 
 
Nachdem die X.________ SA dagegen Einsprache erhoben hatte, eröffnete die Aufsichtskommission das hierfür in Art. 32 der Statuten des VQF vorgesehene Schiedsverfahren, indem sie das Obergerichtspräsidium des Kantons Zug um Ernennung eines Einzelschiedsrichters ersuchte, der fachkundig und nicht Vereinsmitglied sei. 
 
Der Vizepräsident des Obergerichts gab den Parteien mit Verfügung vom 23. Februar 2007 Gelegenheit, zur vorgesehenen Ernennung von Rechtsanwalt Z.________ als Schiedsrichter Stellung zu nehmen. 
 
Die X.________ SA wandte sich gegen dessen Ernennung mit der Begründung, es handle sich nicht um eine Fachperson, wie von den Statuten gefordert, und es bestünden ausserdem Zweifel an dessen Unabhängigkeit. Z.________ und der VQF widersetzten sich dem Ablehnungsbegehren. 
 
Mit Verfügung vom 24. April 2007 wies der Vizepräsident des Obergerichts das Ablehnungsbegehren der X.________ SA ab und mit solcher vom 25. April 2007 ernannte er RA Z.________ zum Schiedsrichter und beauftragte diesen, über die Rechtmässigkeit des Sanktionsentscheides zu befinden. 
C. 
Gegen die Verfügung vom 24. April 2007 hat die X.________ SA am 23. Mai 2007 eine Beschwerde in Zivilsachen eingereicht mit dem Begehren um deren Aufhebung. Mit Präsidialverfügung vom 8. Juni 2007 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung erteilt. In der Sache selbst wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Während Urteile von Schiedsgerichten nicht als hoheitlich gelten und infolgedessen nur das Urteil eines kantonalen Gerichts über eine Nichtigkeitsbeschwerde nach Massgabe von Art. 36 des Konkordates über die Schiedsgerichtsbarkeit (KSG) anfechtbar ist (BGE 108 II 405 E. 1 S. 406; 107 Ib 63 E. 1 S. 64), handelt es sich bei der Ernennung eines Schiedsrichters gemäss Art. 3 lit. a KSG, aber auch bei der Bestreitung der Unabhängigkeit des Schiedsrichters im Sinn von Art. 21 KSG, über die gemäss Art. 3 lit. b KSG wiederum das obere ordentliche Zivilgericht des Kantons zu entscheiden hat, um den Entscheid eines staatlichen Gerichts und damit um einen hoheitlichen Akt. Die Abweisung des Ablehnungsbegehrens stellt einen Zwischenentscheid im Sinn von Art. 92 Abs. 1 BGG dar, der später nicht mehr angefochten werden kann (Art. 92 Abs. 2 BGG; vgl. auch BGE 130 III 66 E. 4.3 S. 75). Anstände um die Mitgliedschaft in einem Verein gelten nach konstanter Praxis als nicht vermögensrechtlich (vgl. BGE 82 II 292 E. 1 S. 296; 108 II 15 E. 1a S. 17 f.), womit das Erfordernis eines Mindeststreitwertes (vgl. Art. 51 Abs. 1 lit. c i.V.m. 74 Abs. 1 BGG) entfällt. Auf die Beschwerde ist somit einzutreten. 
 
Die Anwendung von interkantonalem Recht prüft das Bundesgericht mit freier Kognition (Art. 95 lit. e i.V.m. Art. 106 Abs. 1 BGG). Dazu gehören vorliegend auch die einschlägigen Statutenbestimmungen, weil die Parteien nebst den in Art. 18 Abs. 1 KSG aufgestellten Voraussetzungen durch privatrechtliche Vereinbarung bzw. durch Verweis auf die Schiedsordnung zusätzliche Anforderungen an die Qualifikation des Schiedsrichters aufstellen können (vgl. Art. 18 Abs. 1 KSG; Rüede/Hadenfeldt, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, 2. Aufl., Zürich 1993, S. 139) und die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang eine falsche Auslegung der betreffenden Statutenbestimmung geltend macht. 
2. 
Dass Z.________ befangen sein könnte, macht die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht nicht mehr geltend; sie beschränkt sich auf das Vorbringen, der Einzelschiedsrichter müsse über besondere Kenntnisse im Bereich des Treuhandwesens und der Geldwäscherei verfügen, da Art. 32 Abs. 2 der Statuten des VQF von "Fachleuten" spreche. 
2.1 Das Obergericht hat erwogen, Art. 32 Abs. 2 der Statuten sage nicht, auf welchem Gebiet ein Schiedsrichter Fachmann sein müsse. Da auf der von der Aufsichtskommission erstellten Schiedsrichterliste praktizierende Rechtsanwälte figurierten, die zumindest teilweise auch forensisch in verschiedenen Gebieten tätig seien, müssten Schiedsrichter nach der Vorstellung des VQF vor allem juristisch gebildet sein und über Erfahrung im Prozessrecht verfügen. Der in Aussicht genommene Schiedsrichter verfüge in hohem Mass über juristische Kompetenz, und zwar sowohl im materiellen als auch im formellen Recht. Er sei während einiger Zeit als Gerichtsschreiber bei den zugerischen Gerichten tätig gewesen und führe regelmässig Prozesse in verschiedensten Rechtsgebieten. 
2.2 Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, der Verweis auf die Schiedsrichterliste des VQF sei widersprüchlich, habe doch das Obergericht diese Liste neulich als unzulässig erklärt. Wenn von "Fachleuten" die Rede sei, heisse dies sodann, dass sie im betreffenden Sachgebiet fachkundig sein müssten. Der Schiedsrichter müsse deshalb über spezifische Erfahrung im Treuhandwesen sowie im Offshore-, Steuer- und Geldwäschereirecht verfügen, da sie in diesen Bereichen tätig sei und die einzelnen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Geldwäschereibekämpfung sich nicht allgemein festhalten liessen, sondern sich vielmehr anhand der vom Finanzintermediär getätigten spezifischen Geschäfte bestimmten. Z.________ sei aufgrund seiner eigenen Angaben gegenüber dem schweizerischen Anwaltsverband indes lediglich in den Bereichen des Scheidungs-, Erb-, Sachen-, Gesellschafts-, Firmen-, Haftpflicht-, Versicherungs-, Verfahrens- und Baurechts sowie des SchKG bzw. gemäss der Homepage der Anwaltskanzlei in den Gebieten des Zivil-, Vertrags-, Handels-, Straf-, Haftpflicht- und internationalen Privatrechts sowie des SchKG und des Bau-, Planungs- und Verwaltungsrechts tätig. Weder weise er Kenntnisse im Bereich des Treuhandgeschäfts - und schon gar nicht auf internationaler Ebene - auf, noch sei er kundig im Bereich der Geldwäschereibekämpfung bzw. der Beaufsichtigung von Finanzintermediären. 
2.3 Aus dem Sachzusammenhang ergibt sich, dass mit dem in Art. 32 Abs. 2 der Statuten verwendeten Begriff der "Fachleute" nicht Prozessrechtsspezialisten gemeint sein können, zumal es sich um ein einzelschiedsrichterliches Verfahren handelt, das prozessual nicht kompliziert sein dürfte; vielmehr soll der Einzelschiedsrichter besondere Fachkenntnisse über den Gegenstand des Verfahrens aufweisen. Bei diesem geht es um die Prüfung, ob der Finanzintermediär die ihm gemäss Art. 3 bis 11 GwG obliegenden Pflichten erfüllt hat. Diese betreffen die Identifizierung der Vertragspartei, die Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person, besondere Abklärungspflichten im Zusammenhang mit ungewöhnlichen Transaktionen, Dokumentationspflichten, organisatorische Massnahmen, Meldepflichten und die Vermögenssperre. Insofern ist aber auch klar, dass nicht spezifische Kenntnisse über die Treuhandbranche, sondern rechtliche Kenntnisse im Zusammenhang mit der Geldwäscherei bzw. den Massnahmen zu deren Verhinderung im Vordergrund stehen. Als Fachmann kann folglich gelten, wer über diesbezügliches juristisches Wissen verfügt; sodann liegt es nahe, einen forensisch tätigen Juristen als Schiedsrichter zu ernennen, weil immerhin ein schiedsrichterliches Verfahren durchzuführen ist. 
2.4 Nach den verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen des Obergerichts (Art. 105 Abs. 1 BGG) verfügt Z.________ in hohem Mass über juristische Kompetenz. Zwar wird nicht näher erläutert, in welchen Rechtsgebieten er über diese Kompetenz verfügen soll. Dessen Qualitäten kennt der Vorrichter aber offensichtlich aus eigener Erfahrung, und den Erwägungen lässt sich sinngemäss entnehmen, dass die juristische Erfahrung von Z.________ auch langjährig ist. Wie die Beschwerdeführerin selbst anerkennt, ist er offenbar u.a. in den Bereichen des Vertrags-, des Handels- bzw. Gesellschafts- sowie des Strafrechts und des SchKG tätig, die je in verschiedener Hinsicht Berührungspunkte mit der Geldwäscherei haben. Sodann kann mit einer auf Art. 105 Abs. 2 BGG gestützten Ergänzung des Sachverhaltes festgehalten werden, dass Z.________ selbst Finanzintermediär ist und er sich in diesem Zusammenhang auch mit den Vorschriften des GwG befasst hat (Stellungnahme vom 3. April 2007). Von einem offenbar begabten und vielseitig tätigen Juristen kann im Übrigen erwartet werden, dass er in der Lage ist, sich allfällig notwendiges zusätzliches Wissen rasch zu erschliessen. Nicht bestritten ist schliesslich, dass er auf dem Gebiet des Prozessrechts erfahren ist und deshalb in der Lage sein dürfte, das einzelschiedsrichterliche Verfahren ordnungsgemäss durchzuführen. Vor diesem Hintergrund lässt sich nicht sagen, das Obergericht habe eine unqualifizierte Person zum Schiedsrichter ernannt; der angefochtene Entscheid hält jedenfalls im Ergebnis vor Art. 18 Abs. 1 KSG i.V.m. Art. 32 Abs. 2 der Statuten des VQF stand. 
2.5 Die Beschwerdeführerin ruft ferner die verfassungsmässigen Garantien von Art. 9 und 30 Abs. 1 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 EMRK an. Angesichts der vollen Kognition des Bundesgerichts im Zusammenhang mit der Auslegung des Konkordatsrechts haben diese - abgesehen davon, dass die betreffenden Rügen nicht näher begründet sind und deshalb ohnehin nicht auf sie eingetreten werden könnte - keine selbständige Bedeutung. 
 
Ebenfalls unsubstanziiert bleibt die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV). Die hieraus fliessende Pflicht der Behörde, ihren Entscheid so zu begründen, dass der Betroffene sich über dessen Tragweite ein Bild machen und ihn sachgerecht anfechten kann - wobei die Behörde sich nicht mit jeder tatsächlichen Behauptung und mit jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen, sondern wenigstens kurz die Überlegungen nennen muss, von denen sie sich hat leiten lassen (BGE 121 I 54 E. 2c S. 57; 126 I 97 E. 2b S. 102; 129 I 232 E. 3.2 S. 236) - wäre ohnehin erfüllt, zeigt doch die Eingabe des Beschwerdeführers, dass er ohne weiteres in der Lage war, den angefochtenen Entscheid in allen Teilen sachgerecht anzufechten. 
3. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde in Zivilsachen abzuweisen ist. Die Gerichtsgebühr ist folglich der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem ernannten Schiedsrichter sind keine Kosten entstanden, die eine gesonderte Entschädigung rechtfertigen (Kurzbrief zur Frage der aufschiebenden Wirkung). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 7. August 2007 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: