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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 7} 
I 726/06 
 
Urteil vom 8. Januar 2007 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Lustenberger, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Ferrari, Seiler, 
Gerichtsschreiber Fessler. 
 
Parteien 
B.________, 1968, 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Peter Eberle, Felsenstrasse 4, 8808 Pfäffikon, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Schwyz, Rubiswilstrasse 8, 6438 Ibach, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz 
vom 20. Juni 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 1968 geborene B.________ meldete sich Ende Februar 2003 bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Nach Abklärungen (u.a. Gutachten MEDAS vom 28. September 2004 und Abklärungsbericht Haushalt vom 29. Oktober 2004) lehnte die IV-Stelle des Kantons Schwyz mit Verfügung vom 3. Dezember 2004 das Leistungsbegehren ab, was sie mit Einspracheentscheid vom 21. November 2005 bestätigte. 
B. 
Die Beschwerde der B.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz nach Ergänzung des medizinischen Aktendossiers mit Entscheid vom 20. Juni 2006 ab. 
C. 
B.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und es sei ihr eine Invalidenrente zuzusprechen; im Weitern sei ihr die unentgeltliche Rechtsverbeiständung zu gewähren. 
 
Kantonales Gericht und IV-Stelle beantragen die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 395 Erw. 1.2). 
2. 
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung. 
3. 
3.1 Nach Art. 132 Abs. 2 OG in der seit 1. Juli 2006 geltenden, vorliegend anwendbaren Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG beschränkt sich das Bundesgericht in Streitigkeiten betreffend Leistungen der Invalidenversicherung auf die Prüfung, ob der angefochtene Entscheid Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens (Art. 104 lit. a OG), oder ob das kantonale Gericht den Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt hat (Art. 104 lit. b OG und Art. 105 Abs. 2 OG). 
 
Diese neue kognitionsrechtliche Regelung in invalidenversicherungsrechtlichen Streitigkeiten kommt in allen nach dem 30. Juni 2006 anhängig gemachten Verwaltungsgerichtsbeschwerden, somit auch vorliegend zur Anwendung (vgl. Ziff. II lit. c der Änderung vom 16. Dezember 2005 sowie BGE 132 V 395 Erw. 1.2). 
3.2 Im Rahmen des geänderten Art. 132 Abs. 2 OG ist im Streit um eine Rente der Invalidenversicherung zwischen frei überprüfbarer Rechtsfrage (Art. 104 lit. a OG) einerseits und lediglich unter eingeschränktem Blickwinkel zu prüfender Tatfrage (Art. 104 lit. b OG und Art. 105 Abs. 2 OG) anderseits zu unterscheiden. Soweit hier von Bedeutung, gilt Folgendes: Die Frage nach der im Einzelfall anwendbaren Methode der Invaliditätsbemessung (Einkommensvergleich mit den Untervarianten Schätzungs- und Prozentvergleich sowie ausserordentliches Bemessungsverfahren, Betätigungsvergleich, gemischte Methode) ist eine Rechtsfrage und somit frei überprüfbar. Steht die Anwendbarkeit der gemischten Bemessungsmethode im Besonderen fest, ist Tatfrage, in welchem Ausmass die versicherte Person ohne gesundheitliche Beeinträchtigung erwerbstätig wäre. Ebenfalls handelt sich bei Fragen betreffend den Gesundheitszustand (Befund, Diagnose, Prognose etc.) und die trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung zumutbare Arbeitsfähigkeit im erwerblichen Bereich oder/und im Aufgabenbereich nach Art. 8 Abs. 3 ATSG grundsätzlich um Tatfragen. Soweit die tatsächlichen Feststellungen des kantonalen Gerichts sich auf die allgemeine Lebenserfahrung stützen oder auf medizinischer Empirie beruhen, geht es hingegen um Rechtsfragen (vgl. zum Ganzen Erw. 3 BGE 132 V 397 ff.). 
4. 
Das kantonale Gericht hat in Anwendung der gemischten Methode (vgl. dazu BGE 125 V 148 ff. Erw. 2a-c sowie BGE 130 V 393 und SVR 2006 IV Nr. 42 S. 151 [I 156/04]) einen Invaliditätsgrad von 35 % (0,7 x 45,8 % + 0,3 x 9,8 %; zum Runden BGE 130 V 121) ermittelt, was keinen Anspruch auf eine Invalidenrente gibt (Art. 28 Abs. 1 IVG). Dabei entspricht 0,7 (70 %/100 %) dem zeitlichen Umfang gemessen am Normalarbeitspensum, in welchem die Versicherte nach Auffassung der Vorinstanz ohne gesundheitliche Beeinträchtigung als Assistentin/Sachbearbeiterin in der Firma X.________ erwerbstätig wäre. 45,8 % beträgt die Einschränkung im erwerblichen Bereich, 9,8 % im Aufgabenbereich Haushalt. Den Invaliditätsgrad im erwerblichen Bereich ermittelte die Vorinstanz durch Vergleich der Einkommen bei der Firma X.________ ohne und mit Gesundheitsschaden von Fr. 49'868.- und Fr. 27'024.- (vgl. BGE 129 V 475 Erw. 4.2.1, 126 V 76 Erw. 3b/aa mit Hinweisen). Für die Bestimmung der Unmöglichkeit, sich im Aufgabenbereich Haushalt zu betätigen (Art. 8 Abs. 3 ATSG), stellte das kantonale Gericht wie schon die IV-Stelle auf den Abklärungsbericht Haushalt vom 29. Oktober 2004 ab. 
5. 
In Bezug auf die Bemessungsfaktoren ist in erster Linie umstritten, ob die Versicherte als ohne gesundheitliche Beeinträchtigung zu 70 % Teilerwerbstätige, welche daneben den Haushalt führt, oder als Vollerwerbstätige zu betrachten ist. Auf die in Form einer allgemeinen Kritik vorgebrachte Rüge, die geltende Praxis zur Anwendung der gemischten Methode diskriminiere oft die Frauen massiv, ist unter Hinweis auf das Urteil E. vom 13. Dezember 2005 (SVR 2006 IV Nr. 42 S. 151) nicht näher einzugehen. 
5.1 Ob eine versicherte, im Haushalt tätige Person bei im Übrigen unveränderten Umständen ohne gesundheitliche Beeinträchtigung einem Erwerb nachginge und welche Tätigkeit(en) in welchem zeitlichen Umfang sie ausübte, beurteilt sich nach den persönlichen, familiären, sozialen und erwerblichen Verhältnissen ebenso wie allfälligen Erziehungs- und Betreuungsaufgaben gegenüber Kindern. Ebenfalls zu berücksichtigen sind das Alter, die beruflichen Fähigkeiten, die Ausbildung sowie die persönlichen Neigungen und Begabungen (BGE 125 V 150 Erw. 2c). 
5.2 Das kantonale Gericht hat festgestellt, die Versicherte sei während der nunmehr 16-jährigen Berufslaufbahn ausser 1989 bei der Firma Y.________ nie einer 100 %-Tätigkeit nachgegangen. Das Arbeitspensum in der Firma Z.________, wo sie von Februar 1990 bis September 1997 tätig gewesen sei, habe lediglich 80 % - 90 % betragen. Die Versicherte bringe nicht vor, sich ab 1990 um eine Vollzeitstelle beworben zu haben. Vor 1996, als die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hauptsächlich eingetreten seien, wäre es ihr aber möglich gewesen, eine 100 %-Tätigkeit aufzunehmen, zumal da keinerlei familiäre Verpflichtungen bestanden hätten. Seit 1996 lebe sie mit einem Partner zusammen. Dieser sei voll erwerbstätig. Nach ihren eigenen Angaben führe sie den Zwei-Personen-Haushalt praktisch allein. Es sei daher nicht ersichtlich, dass die Versicherte aus finanziellen Gründen zu 100 % erwerbstätig wäre, wenn keine gesundheitlichen Probleme bestünden. Auf Grund der gesamten Umstände seien es jedenfalls nicht die geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen gewesen, die sie im Zeitraum 1990 bis 2005 von der Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung abgehalten hätten. Die Versicherte sei seit Dezember 1997 in einem 70%igen Pensum erwerbstätig. Aktuell arbeite sie wegen der 50%igen Arbeitsunfähigkeit noch zu 40 %. Die verbliebenen 30 % fielen auf den Haushalt. Aus diesen Gründen hat die Vorinstanz auf ein ohne gesundheitliche Beeinträchtigung neben dem Haushalt geleistetes erwerbliches Arbeitspensum von 70 % geschlossen. 
5.3 Die vorinstanzliche Annahme einer Erwerbstätigkeit von 70 % im Gesundheitsfall kann nicht als offensichtlich unrichtig (Erw. 3) bezeichnet werden. Daran ändern die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts. Es gibt keine medizinischen Akten, welche vor 2000 eine Arbeitsunfähigkeit von Dauer belegen. Im Weitern wird zwar geltend gemacht, die Versicherte habe aus gesundheitlichen Gründen das Arbeitspensum von zuletzt 90 % in der Firma Z.________ auf 70 % bei der Firma X.________ reduziert. Sie habe auf Grund von Migräneanfällen durchschnittlich während mindestens eines Tages pro Woche der Arbeit fern bleiben müssen. Wegen der sehr häufigen krankheitsbedingten Absenzen sei sie im Dezember 1996 bis zur Kündigung durch die damalige Arbeitgeberin auf Ende September 1997 sogar betriebsintern versetzt worden. Diese Vorbringen werden jedoch nicht belegt, weder durch ärztliche Atteste noch durch eine entsprechende Bestätigung des damaligen Arbeitgebers. 
6. 
Mit Bezug auf die ebenfalls beanstandete Einschränkung im Haushalt von 9,8 % wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass im MEDAS-Gutachten vom 28. September 2004 eine Arbeitsunfähigkeit von 50 % aus orthopädischer Sicht und von 30 % aus psychiatrischer Sicht attestiert werden. Die ärztliche Einschätzung der Arbeitsfähigkeit bildet zwar eine notwendige Grundlage für die mittels eines Betätigungsvergleichs zu ermittelnde Invalidität in diesem Aufgabenbereich (SVR 2006 IV Nr. 42 S. 154 Erw. 6.2). Sie gewinnt dort an Bedeutung, wo auch aus psychiatrischer Sicht Einschränkungen bestehen (vgl. AHI 2004 S. 137 [I 311/03]), wie insoweit richtig vorgebracht wird. Indessen sind die psychischen Beeinträchtigungen nach den nicht in Frage gestellten Ausführungen des kantonalen Gerichts nicht invalidisierend. Die Einschränkungen aus orthopädischer Sicht werden im Abklärungsbericht Haushalt vom 29. Oktober 2004 differenziert berücksichtigt. Unter diesen Umständen ist die vorinstanzliche Feststellung nicht offensichtlich unrichtig. 
7. 
Selbst bei einer doppelt so hohen Behinderung im Haushalt resultiert bei im Übrigen unbestrittenen Bemessungsfaktoren ein Invaliditätsgrad von 38 % (0,7 x 45,8 % + 0,3 x 20 %), was keinen Anspruch auf eine Invalidenrente gibt (Art. 28 Abs. 1 IVG). Der angefochtene Entscheid ist somit rechtens. 
8. 
Dem Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege kann entsprochen werden (BGE 125 V 202 Erw. 4a). Sie wird indessen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie nach Art. 152 Abs. 3 OG der Gerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn sie dazu später im Stande ist. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege werden sie einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. 
3. 
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Peter Eberle, Pfäffikon, für das Verfahren vor dem Bundesgericht aus der Gerichtskasse der Betrag von Fr. 2500.- ausgerichtet. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, der Ausgleichskasse Schwyz und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt. 
Luzern, 8. Januar 2007 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: