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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_578/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 8. August 2017  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Zünd, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Gerichtsschreiber Feller. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürg Borer, 
 
gegen  
 
Wettbewerbskommission WEKO.  
 
Gegenstand 
Verfügung der WEKO vom 24. Oktober 2016 in Sachen Bauleistungen Graubünden, Untersuchung 22-0457 - Beweisverwertungsverbot; vorsorgliche Massnahmen, 
 
Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung II, vom 23. Mai 2017. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das Sekretariat der Wettbewerbskommission (WEKO) führt ein kartellrechtliches Untersuchungsverfahren 22-0457 Bauleistungen Graubünden durch, von welchem unter anderem die A.________ AG betroffen ist. Bis im November 2014 war B.________ deren Geschäftsführer. Er wechselte in der Folge zur C.________ AG, einer Konkurrentin der A.________ AG, die ihrerseits ins kartellrechtliche Untersuchungsverfahren involviert ist. 
Am 24. April 2013 wurde B.________ durch das Sekretariat WEKO befragt, wobei er auf das Aussageverweigerungsrecht (Selbstbelastung "seiner" Unternehmung) hingewiesen wurde. Am 3. März 2016 befragte das Sekretariat der WEKO B.________ erneut, wobei er auf seine Pflicht zur wahrheitsgemässen Zeugenaussage hingewiesen wurde. Bei dieser Befragung war auch die A.________ AG zugegen, mit einem externen Berater und mit ihrem Rechtsvertreter. Der Rechtsvertreter wies darauf hin, dass B.________ schon als "Partei" einvernommen worden sei; er arbeite heute bei einer anderen Gesellschaft, die ebenfalls Verfahrensbeteiligte am Untersuchungsverfahren sei; als Zeuge sei er darum in einem latenten Interessenkonflikt, weshalb er faktisch zeugnisunfähig sei. Eine konkrete Frage der WEKO, ob die A.________ AG einen diesbezüglichen Antrag stellen wolle, verneinte deren Vertreter. Am 10. März, 26. Mai, 1. Juni und 26. August 2016 nahm das Sekretariat der WEKO die Einvernahme weiterer Personen vor, wobei es diese jeweilen auch mit den protokollierten Aussagen von B.________ konfrontierte. Die A.________ AG nahm an drei dieser Einvernahmen mittels Präsenz ihres externen Beraters teil. 
Am 14. September bzw. 7. Oktober 2016 beantragte die A.________ AG der WEKO, das Protokoll der Zeugeneinvernahme von B.________ sei nicht zu verwerten und aus den Akten zu entfernen; die Zeugeneinvernahme und alle darin von der befragten Person gemachten Aussagen seien weder direkt noch indirekt im aktuellen noch in einem anderen Verfahren zu verwenden. Ein gleiches Verwertungs- bzw. Verwendungsverbot wurde beantragt hinsichtlich der anlässlich der Einvernahmen vom 10. März, 26. Mai, 1. Juni und 26. August 2016 gemachten Aussagen von Drittpersonen, die mit der Zeugenaussage von B.________ im Zusammenhang stehen. Weiter verlangte die A.________ AG, es seien keine weiteren Einvernahmen anzuordnen oder durchzuführen, an denen die Aussagen von B.________ bzw. gestützt darauf oder im Zusammenhang damit gemachte Aussagen von Dritten direkt oder indirekt verwendet werden. 
Mit Zwischenverfügung vom 24. Oktober 2016 trat die WEKO auf die Anträge der A.________ AG nicht ein. Gegen diese Zwischenverfügung gelangte die A.________ AG an das Bundesverwaltungsgericht mit dem Begehren, die WEKO sei anzuweisen, den ihr gestellten Anträgen betreffend die (Nicht-) Verwertung der Zeugenaussagen zu entsprechen; die Unverwertbarkeit der erwähnten Beweismittel sei durch das Gericht festzustellen. Das Bundesverwaltungsgericht wurde darum ersucht, diesen Anträgen sei schon als vorsorgliche Massnahmen für die Dauer des Beschwerdeverfahrens Folge zu geben. 
Mit Zwischenverfügung des Instruktionsrichters der Abteilung II vom 23. Mai 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht das Massnahmengesuch ab. 
 
B.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 26. Juni 2017 beantragt die A.________ AG dem Bundesgericht, die Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts sei aufzuheben; den (vollständig wiedergegebenen) dem Bundesverwaltungsgericht gestellten Anträgen sei zu entsprechen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird darum ersucht, die Massnahmen gemäss Beschwerdeanträgen seien für die Dauer des Verfahrens als vorsorgliche Massnahmen anzuordnen. 
In seiner Vernehmlassung vom 10. Juli 2017 weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass die dem Bundesgericht gestellten Anträge unzulässig seien. Was das Gesuch um Anordnung vorsorglicher Massnahmen durch das Bundesgericht betrifft, liegen nach Auffassung der Vorinstanz die Voraussetzungen für eine entsprechende Anordnung nicht vor. Die WEKO beantragt am 17. Juli 2017 innert erstreckter Frist, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen; der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung nicht zu erteilen. Die Beschwerdeführerin hat am 3. August 2017 zu den Vernehmlassungen Stellung genommen; sie hält an ihren Anträgen fest. 
 
C.  
Mit dem vorliegenden instanzabschliessenden Urteil wird das (entgegen den Relativierungen in der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 3. August 2017) wohl auch für das bundesgerichtliche Verfahren gestellte Gesuch um vorsorgliche Massnahmen gegenstandslos. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Angefochten ist eine Zwischenverfügung. 
 
1.1. Die Beschwerde an das Bundesgericht ist zulässig gegen End- und Teilentscheide (Art. 90 und 91 BGG), gegen Zwischenentscheide hingegen nur unter bestimmten Voraussetzungen (Art. 92 und 93 BGG). Art. 92 Abs. 1 BGG lässt die Beschwerde zu gegen selbstständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren. Gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde gegen andere selbstständig eröffnete Zwischenentscheide zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Ist die Beschwerde nach Art. 93 Abs. 1 BGG nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- oder Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken (Art. 93 Abs. 3 BGG).  
Die hier angefochtene Zwischenverfügung fällt nicht unter Art. 92 BGG. Sie ist nur unter den Voraussetzungen von Art. 93 BGG anfechtbar. Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG kommt bei gegebener Konstellation als Zulässigkeitsgrund nicht in Betracht. Die Beschwerde kann höchstens unter dem Aspekt von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zulässig sein. 
 
1.2. Da die vorinstanzliche Verfügung vorsorgliche Massnahmen zum Gegenstand hat, kann nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 98 BGG), und Art. 46 Abs. 1 BGG über den Stillstand der Fristen kommt, etwa für Einladungen zur Vernehmlassung bzw. zu sonstigen Stellungnahmen, hier nicht zur Anwendung (Art. 46 Abs. 2 BGG).  
 
1.3. Gemäss Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG haben Rechtsschriften die Begehren und deren Begründung zu enthalten; in der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt schweizerisches Recht (Art. 95 BGG; vorliegend allein verfassungsmässige Rechte, vgl. vorne E. 1.2) verletze. Begehren wie Begründung haben sachbezogen zu sein; sie haben sich auf den Gegenstand des angefochtenen Entscheids zu beziehen und zu beschränken.  
Die Vorinstanz weist darauf hin, dass die dem Bundesgericht unterbreiteten Begehren über den Gegenstand der angefochtenen Zwischenverfügung hinausgehen, wird mit letzterer doch einzig entschieden, dass im Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht keine vorsorglichen Massnahmen zu treffen sind. Da die dort beantragten vorsorglichen Anordnungen inhaltlich darauf abzielten, den dem Bundesverwaltungsgericht "in der Sache selbst" unterbreiteten Anträgen vorsorglich zu entsprechen, lassen sich die dem Bundesgericht unterbreiteten Rechtsbegehren wohl so interpretieren, dass die Vorinstanz dazu angehalten werden soll, abweichend von der angefochtenen Zwischenverfügung entsprechend vorsorgliche Anweisungen zu treffen, oder dass das Bundesgericht dies an ihrer Stelle reformatorisch tun soll. Ob zulässige Rechtsbegehren vorliegen, kann indessen angesichts des Verfahrensausgangs dahingestellt bleiben. 
 
2.  
 
2.1. Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG liegt dann vor, wenn er auch durch einen für den Beschwerdeführer günstigen späteren Entscheid nicht mehr behoben werden kann (etwa BGE 141 IV 289 E. 1.2 S. 291). Vorliegend ist ein Zwischenentscheid angefochten, womit dem Begehren der Beschwerdeführerin nicht entsprochen wird, ein Beweismittel, für das nach ihrer Auffassung ein Verwertungsverbot besteht, aus den Akten zu weisen und ab sofort ein diesbezügliches Verwertungsverbot auszusprechen. Ein derartiger Entscheid stellt grundsätzlich keinen Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG dar, kann doch der entsprechende Einwand bis zum Abschluss des Verfahrens erneut vorgebracht und die Berücksichtigung des Beweismittels auch noch in einer Beschwerde gegen den Endentscheid gerügt werden. Von der in der Sache entscheidenden Behörde (bzw. dem Rechtsmittelrichter) darf erwartet werden, dass er in der Lage ist, die unzulässigen Beweise von den zulässigen zu unterscheiden und sich bei der Würdigung ausschliesslich auf Letztere zu stützen (vgl. für das Strafverfahren BGE 141 IV 284 E. 2.2 S. 287, 289 E. 1.2 S. 291 f.). Von dieser Regel bestehen Ausnahmen. Eine solche liegt im Strafverfahren insbesondere dann vor, wenn das Gesetz (die StPO) ausdrücklich die sofortige Rückgabe aus den Akten bzw. Vernichtung rechtswidriger Beweise vorsieht. Ebenso verhält es sich nach der strafprozessualen Praxis, wenn aufgrund des Gesetzes oder der Umstände des Einzelfalles die Rechtswidrigkeit des Beweismittels ohne Weiteres feststeht. Derartige Umstände können nur angenommen werden, wenn der Betroffene ein besonders gewichtiges Interesse (im Strafverfahren ein rechtlich geschütztes Interesse) an der unverzüglichen Feststellung der Unverwertbarkeit des Beweises geltend macht (BGE 141 IV 284 E. 2.3 S. 287, 289 E. 1.3 S. 292).  
 
2.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die (zweite) Befragung ihres ehemaligen Angestellten B.________ als Zeuge sei in Verletzung des Grundsatzes nemo-tenetur erfolgt und damit nicht verwertbar. Dafür, ob ein diesbezüglicher Zwischenentscheid angefochten werden kann, sind die vorstehend dargestellten Grundsätze massgeblich. Es gibt keinen Anlass, in einem Administrativverfahren bezüglich des aus dem Strafrecht stammenden Prinzips eine weitergehende Anfechtung als im Strafverfahren zu ermöglichen. Daran ändert die Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, dass über die Frage eines allfälligen Beweisverwertungsverbots, wie es im Strafverfahren gilt, bei Befragungen im Rahmen von Kartellverfahren noch keine Rechtsprechung bestehe, nichts. Dies hat keinen Einfluss auf das Vorliegen eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils. Was in E. 4.3 der angefochtenen Zwischenverfügung und in Rz 9 der Beschwerdeschrift in allgemeiner Form und nun in der (nach Ablauf der Beschwerdefrist verfassten) Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 3. August 2017 ausgeführt wird, genügt im Lichte der vorstehenden E. 2.1 nicht, um einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil darzutun. Es bedürfte der dort erwähnten besonderen Umstände, um ein besonders gewichtiges Interesse des Betroffenen an der unverzüglichen Feststellung der Unverwertbarkeit des Beweises anzuerkennen.  
Eine gesetzliche Norm, die eine sofortige Entfernung des Zeugenprotokolls (bzw. der Protokolle der darauf beruhenden Befragungen) vorsähe, ist nicht gegeben. Weiter lassen die gesamten Umstände des vorliegenden Falles nicht ohne Weiteres auf die Rechtswidrigkeit des Beweismittels schliessen. Insbesondere ist vorliegend das Interesse der Beschwerdeführerin an einer unverzüglichen Feststellung über eine allfällige Unverwertbarkeit des Beweises zusätzlich (und entgegen ihrer Auffassung) entscheidend durch die Tatsache vermindert, dass sich das Protokoll der Einvernahme von B.________ seit März 2016 in den Verfahrensakten und in den Händen der Verfahrensbeteiligten befindet, welche, gleich wie auch andere in das Verfahren einbezogene Dritte, zudem Kenntnis von den späteren auf dem Protokoll beruhenden Aussagen haben. 
 
2.3. Es fehlt nach dem Gesagten am besonderen gewichtigen Interesse der Beschwerdeführerin an der unverzüglichen Feststellung der Unverwertbarkeit der Beweise für den Fortgang des Verfahrens und mithin an dem für das Eintreten auf die vorliegende Beschwerde erforderlichen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, den die angefochtene Zwischenverfügung für die Beschwerdeführerin bewirken könnte. Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten.  
 
3.   
Die Gerichtskosten (Art. 65 BGG) sind entsprechend dem Verfahrensausgang der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 erster Satz BGG). 
 
 
  
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Wettbewerbskommission WEKO und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung II, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 8. August 2017 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Feller