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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
C 87/04 
 
Urteil vom 9. Februar 2005 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiberin Amstutz 
 
Parteien 
W.________, 1954, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau, Hirschlistrasse 3, 5401 Baden, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
(Entscheid vom 16. März 2004) 
 
Sachverhalt: 
A. 
W.________, seit 1. Juni 1999 einziger Mitarbeiter und zugleich Geschäftsführer und Alleinaktionär der Firma D.________ AG, meldete sich am 7. Juli 2003 beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung an, nachdem ihm die Firma seit 1. Januar 2002 aufgrund finanzieller Engpässe keinen Lohn mehr ausbezahlt und der Konkursrichter des Bezirksgerichts Zürich am 4. Juni 2003 den Konkurs über die Firma eröffnet hatte. Mit Verfügung vom 20. August 2003 verneinte die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau einen Leistungsanspruch mangels Erfüllung der gesetzlichen Mindestbeitragszeit. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 21. Oktober 2003 fest. 
B. 
Die von W.________ hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons Aargau in dem Sinne gut, dass es den Einspracheentscheid vom 21. Oktober 2003 aufhob und die Sache zur weiteren Abklärung und anschliessenden Neuverfügung im Sinne der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückwies (Entscheid vom 16. März 2004). 
C. 
W.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und die Kasse zu verpflichten, ihm ab 7. Juli 2003 Arbeitslosentaggelder auszurichten. 
 
Die Arbeitslosenkasse beantragt sinngemäss, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei in dem Sinne teilweise gutzuheissen, dass der vorinstanzliche Entscheid aufgehoben und der Einspracheentscheid vom 21. Oktober 2003 bestätigt wird. Das Staatsekretariat für Wirtschaft (seco) hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Nach der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts stellt der Rückweisungsentscheid einer kantonalen Rekursinstanz eine im Sinne von Art. 128 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1 OG und Art. 5 VwVG mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht anfechtbare Endverfügung dar. Zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nach Art. 103 lit. a in Verbindung mit Art. 132 OG berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Kein solches Interesse ist gegeben, wenn die Vorinstanz den Anträgen des Rechtsuchenden vollumfänglich entsprochen hat. In einem solchen Fall ist er nicht beschwert, weshalb es grundsätzlich an einem prozessual ausreichenden Interesse an der Weiterverfolgung seiner Begehren vor der Rechtsmittelinstanz fehlt (BGE 109 V 59 Erw. 1; Fritz Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Auflage, Bern 1983, S. 155). 
1.2 Im kantonalen Verfahren hat der Beschwerdeführer die Aufhebung des Einspracheentscheids vom 21. Oktober 2003 und die Bejahung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung beantragt. Diesem Rechtsbegehren ist vorinstanzlich lediglich in der Weise entsprochen worden, dass das kantonale Gericht den Einspracheentscheid aufgehoben und die Sache zur weiteren Abklärung und anschliessenden Neuverfügung im Sinne der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen hat. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde lautet das Rechtsbegehren auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids (sowie des - die Verfügung vom 30. August 2003 ersetzenden - Einspracheentscheids) und Bejahung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung. Soweit der Beschwerdeführer damit die Notwendigkeit ergänzender Abklärungen bestreitet und eine sofortige Zusprechung von Arbeitslosenentschädigung verlangt, hat er ein schutzwürdiges Interesse an einer Aufhebung bzw. Änderung des vorinstanzlichen Entscheids, wobei Streitgegenstand die Frage bildet, ob das kantonale Gericht zu Recht die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen hat (vgl. BGE 120 V 237 Erw. 1a mit Hinweis; unveröffentlichte Urteile U. vom 11. Februar 1998 [U 262/96] Erw. 1 und C. vom 29. August 1997 [I 143/97], Erw. 1). 
2. 
2.1 Nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts und des zeitlich massgebenden Sachverhalts (vgl. BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 169 Erw. 1, 356 Erw. 1, je mit Hinweisen) ist das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000, mit welchem zahlreiche Bestimmungen im Arbeitslosenversicherungsbereich geändert worden sind, vorbehältlich abweichender Regelungen des AVIG (Art. 2 ATSG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 AVIG) auf den hier zu beurteilenden Fall anwendbar. 
2.2 Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über die Erfüllung der Beitragszeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung (Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 AVIG [in der bis 30. Juni 2003 und der ab 1. Juli 2003 gültig gewesenen Fassung]; Art. 9 Abs. 3 AVIG) zutreffend dargelegt. Ebenfalls richtig wiedergegeben hat die Vorinstanz die Rechtsprechung, wonach die Erfüllung der Beitragszeit nicht nur die effektive Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung während der gesetzlich vorgeschriebenen Dauer verlangt, sondern auch, dass der Arbeitgeber der versicherten Person für diese Beschäftigung tatsächlich Lohn entrichtet hat (BGE 128 V 190 Erw. 3a/aa mit Hinweisen; ARV 2004 S. 117 Erw. 1 mit Hinweis auf BGE 113 V 352, ARV 2002 S. 116 und 2001 S. 228 Erw. 4c). Darauf wird verwiesen. Zu ergänzen ist, das als Beweis für den Lohnfluss selbst unterzeichnete AHV-Lohnblätter und Steuererklärungen nicht geeignet sind. Fehlen Belege für eine Lohnüberweisung (Post- oder Bankkontoauszüge oder Quittungen für Lohnzahlungen), ist eine tatsächlich erfolgte Lohnentrichtung nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit erstellt (ARV 2004 S. 115). 
2.3 
2.3.1 Der für die Beitragspflicht und die Bemessung der Beitragszeit relevante Lohn entspricht dem massgebenden Lohn im Sinne der AHV-Gesetzgebung (Art. 2 Abs. 1 lit. a und b und Art. 3 Abs. 1 AVIG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 AHVG). Als massgebender Lohn gemäss Art. 5 Abs. 2 AHVG gilt jedes Entgelt für in unselbstständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit. Zum massgebenden Lohn gehören begrifflich sämtliche Bezüge der Arbeitnehmerin und des Arbeitnehmers, die wirtschaftlich mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängen, mithin nicht nur unmittelbares Entgelt für geleistete Arbeit, sondern grundsätzlich jede Entschädigung oder Zuwendung, die sonst wie aus dem Arbeitsverhältnis bezogen wird, soweit sie nicht kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift von der Beitragspflicht ausgenommen ist (BGE 128 V 180 Erw. 3c, 126 V 222 Erw. 4a, 124 V 101 Erw. 2, je mit Hinweisen). Gemäss Art. 7 lit. h AHVV (in der bis 31. Dezember 1998 gültig gewesenen und in der seit 1. Januar 1999 in Kraft stehenden Fassung) gehören zum massgebenden Lohn auch Tantiemen, feste Entschädigungen und Sitzungsgelder an Mitglieder der Verwaltung juristischer Organe, soweit es sich dabei nicht um Spesenersatz handelt. 
2.3.2 Nicht zum massgebenden Lohn nach Art. 5 Abs. 2 AHVG gehören nach der Rechtsprechung Vergütungen, die als verdeckte Gewinnausschüttung bzw. reiner Kapitalertrag zu betrachten sind. Solche Gewinnausschüttungen werden als geldwerte Leistungen bezeichnet, d.h. Leistungen, die eine Gesellschaft ihren Gesellschaftern, ihr selbst oder ihren Gesellschaftern nahestehenden Personen ohne entsprechende Gegenleistung zuwendet, aber unbeteiligten Dritten unter den gleichen Umständen nicht erbringen würde. Ob eine derartige - nicht durch geleistete Arbeit und im Rahmen des Arbeitsverhältnisses übernommene Verantwortung - gerechtfertigte Vergütung vorliegt, ist nach Wesen und Funktion einer Zuwendung zu beurteilen, wobei deren rechtliche oder wirtschaftliche Bezeichnung nicht entscheidend, sondern höchstens als Indiz zu werten ist. So können unter Umständen auch Zuwendungen aus dem Reingewinn einer Aktiengesellschaft massgebender Lohn sein, wie dies auf die in Art. 7 lit. h AHVV erwähnten Tantiemen zutrifft (vgl. zum Ganzen BGE 122 V 179 Erw. 3b, 103 V 3 f. Erw. 2b; ZAK 1989 S. 147 Erw. 2b, 303 Erw. 3b, je mit Hinweisen; Pra 1997 Nr. 96 S. 520 Erw. 4b). Bei Tantiemen handelt es sich um Entschädigungen an die Mitglieder der Verwaltung im Sinne eines Anteils am ausgewiesenen Reingewinn der Gesellschaft (Art. 677 OR), wobei deren Ausrichtung zu den unübertragbaren Befugnissen der Generalversammlung zählt (Art. 698 Abs. 2 Ziff. 4 OR) und nur dann zulässig ist, wenn die Ausrichtung eines solchen Gewinnanteils in den Statuten vorgesehen ist (Art. 627 Ziff. 2 OR). Nicht wesentlich ist, ob mit der Tantieme zugleich besondere Leistungen oder Dienste entschädigt werden. Dieser Zweck kann mit der Tantieme verbunden sein, indem diese normalerweise an Verwaltungsräte als Entgelt für ihre Arbeit und vermehrte Verantwortlichkeit ausgerichtet wird. Möglich ist aber auch die Ausschüttung von Gewinnanteilen, ohne dass eine spezielle Dienstleistung seitens des Empfängers vorliegt oder in einem Ausmass, das den Rahmen eines entsprechenden Entgelts deutlich sprengt (unveröffentlichtes Urteil S.M. AG vom 25. Mai 1992 [H 30/90] Erw. 2c; vgl. zum Ganzen auch BGE 91 II 311. ff. Erw. 10; zur Publikation in der Amtlichen Sammlung bestimmtes Urteil 4C.386/2002 der I. Zivilabteilung des Bundesgerichts vom 12. Oktober 2004, Erw. 3.1). 
3. 
3.1 Es steht fest und ist unbestritten, dass die Firma D.________ AG dem Beschwerdeführer während des hier massgebenden Zeitraums von 7. Juli 2001 bis 6. Juli 2003 (Rahmenfrist für die Beitragszeit gemäss Art. 9 Abs. 1 und 3 AVIG) lediglich bis 31. Dezember 2001 eigentlichen Lohn für seine Tätigkeit als Geschäftsführer auszahlte und er insoweit ab 1. Januar 2002 keine beitragspflichtige und damit als Beitragszeit anrechenbare Beschäftigung mehr ausübte. Die Beitragszeit beträgt damit lediglich fünf Monate und fünfundzwanzig Tage, womit die gesetzliche Mindestdauer nicht erreicht ist. Vorbehalten bleibt der tatsächliche Bezug anderweitiger, beitragsrechtlich massgebender Zuwendungen. Diesbezüglich hat das kantonale Gericht dem Argument des Beschwerdeführers, er habe ab 1. Januar 2002 zwecks Rettung der Firma zwar seinen Lohn stunden lassen, jedoch weiterhin monatlich Verwaltungsratshonorare in der Höhe von Fr. 2000.- bezogen, mit Blick auf Art. 7 lit. h AHVV und die hierzu ergangene Rechtsprechung (vgl. Erw. 2.3.2 hievor) zu Recht Rechtserheblichkeit zuerkannt. Nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz, worauf verwiesen wird, ist indessen aufgrund der Aktenlage nicht hinlänglich erstellt, ob und gegebenfalls in welcher Höhe die behaupteten Zuwendungen ab 1. Januar 2002 tatsächlich geleistet wurden, weshalb in diesem Punkt die Notwendigkeit zusätzlicher Sachverhaltsabklärungen mit der Vorinstanz zu bejahen ist. Dabei ist letztlich nicht entscheidend, ob die vom Beschwerdeführer angeblich über den 31. Dezember 2001 hinaus (monatlich) bezogenen Entgelte zuvor jeweils als Lohnbestandteil für die Tätigkeit als Firmenchef abgerechnet oder aber zusätzlich als spezifisches Verwaltungsratshonorar im Sinne von Art. 7 lit. h AHVV (vgl. Erw. 2.3. hievor) ausbezahlt worden waren, zumal sie in beiden Fällen massgebender Lohn im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG darstellen und ALV-Beitragszeiten zu generieren vermögen. Ausschlaggebend ist, ob - unter Berücksichtigung der in ARV 2004 S. 115 ff. dargelegten Beweisgrundsätze (vgl. Erw. 2.2. hievor) - solche in Bezug zum Arbeitsverhältnis stehenden Zuwendungen (auch) ab Januar 2002 tatsächlich flossen. 
3.2 Die sachbezogenen Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beschränken sich auf die Behauptung, die im Bruttolohn jeweils enthalten gewesenen Verwaltungsratshonorare von monatlich je Fr. 2000.- seien für das Jahr 2002 "effektiv mit den restlichen liquiden Mitteln cash ausbezahlt worden". Belege hierfür liegen indessen keine vor. Gegenüber dem Konkursamt hat der Beschwerdeführer sodann die Frage, ob "Vergütungen an die Verwaltungsrats-Mitglieder ausgerichtet worden" seien, verneint. Entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auffassung bleibt der Sachverhalt damit in einem rechtserheblichen Punkt unklar, wenn nicht widersprüchlich, weshalb die Vorinstanz die Sache zu Recht zur ergänzenden Abklärung und Neuverfügung an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen hat. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Aargau und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 9. Februar 2005 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: