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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1C_660/2017  
 
 
Urteil vom 15. Juni 2018  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Fonjallaz, 
Gerichtsschreiber Härri. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.________, 
2. B.________, 
3. C.________, 
Beschwerdeführer, 
alle drei vertreten durch Rechtsanwalt 
Dr. Bernhard Isenring, 
 
gegen  
 
D.________, 
Beschwerdegegner, 
 
Staatsanwaltschaft See/Oberland, 
Weiherallee 15, Postfach, 8610 Uster, 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, 
Florhofgasse 2, Postfach, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Ermächtigung zur Eröffnung eines Strafverfahrens, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 27. Oktober 2017 (TB170116). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
D.________ ist Steuersekretär und Leiter des Gemeindesteueramtes E.________. Am 19. Juni 2017 erstatteten A.________ sowie deren Kinder B.________ und C.________ gegen ihn Strafanzeige. Sie warfen ihm vor, er habe am 15. Januar 2015 sie betreffende Steuerunterlagen an einen Rechtsanwalt herausgegeben, bevor insoweit eine schriftliche Einwilligung der vorgesetzten Behörde zur Offenbarung des Steuergeheimnisses vorgelegen habe. Diese Einwilligung sei erst am 2. März 2015 erteilt worden. Damit habe sich D.________ der Verletzung des Amtsgeheimnisses (Art. 320 StGB) schuldig gemacht. Weiter brachten die Anzeigeerstatter vor, es bestehe der Verdacht, dass D.________ auf Steuerunterlagen, die er aus dem elektronischen Archiv des Kantonalen Steueramtes heruntergeladen habe, Datum und Uhrzeit, welche beim Herunterladen automatisch angebracht würden, unkenntlich gemacht habe. Insoweit komme der Tatbestand der Urkundenfälschung im Amt (Art. 317 StGB) in Betracht. 
 
B.  
Am 2. August 2017 sandte die Staatsanwaltschaft See/Oberland (im Folgenden: Staatsanwaltschaft) die Akten dem Obergericht des Kantons Zürich zu mit dem Antrag, über die Erteilung bzw. Nichterteilung der Ermächtigung zur Durchführung einer Strafuntersuchung zu entscheiden. Die Staatsanwaltschaft beantragte, die Ermächtigung nicht zu erteilen, da nach summarischer Prüfung kein deliktsrelevanter Verdacht vorliege. 
Am 30. August 2017 stellten A.________, B.________ und C.________ dem Obergericht den Antrag, die Ermächtigung zu erteilen. 
Mit Beschluss vom 27. Oktober 2017 lehnte das Obergericht (III. Strafkammer) die Ermächtigung ab. 
 
C.  
A.________, B.________ und C.________ führen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, den Beschluss des Obergerichtes aufzuheben; der Staatsanwaltschaft sei die Ermächtigung zu erteilen, gegen D.________ eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts der Verletzung des Amtsgeheimnisses sowie allfälliger weiterer Straftaten zu eröffnen und durchzuführen. Eventualiter sei der Beschluss des Obergerichts aufzuheben und die Angelegenheit an dieses zu neuer Entscheidung im Sinne der bundesgerichtlichen Erwägungen zurückzuweisen. 
 
D.  
Das Obergericht, die Staatsanwaltschaft und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich haben auf Gegenbemerkungen verzichtet. D.________ hat sich vernehmen lassen mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. A.________, B.________ und C.________ haben hierzu Stellung genommen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 82 lit. a BGG die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegeben (BGE 137 IV 269 E. 1.3.1 S. 272). Der Beschwerdegegner gehört nicht den obersten kantonalen Vollziehungs- und Gerichtsbehörden an. Der Ausschlussgrund von Art. 83 lit. e BGG kommt daher nicht zur Anwendung (BGE 137 IV 269 E. 1.3.2 S. 272). Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist nach Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG zulässig. Die Beschwerdeführer sind gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde befugt (Urteil 1C_344/2012 vom 31. Oktober 2012 E. 2.3). Der angefochtene Beschluss stellt einen gemäss Art. 90 BGG anfechtbaren Endentscheid dar (Urteil 1C_427/2017 vom 15. Dezember 2017 E. 1.3). Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. 
 
2.  
Gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO können die Kantone vorsehen, dass die Strafverfolgung der Mitglieder ihrer Vollziehungs- und Gerichtsbehörden wegen im Amt begangener Verbrechen oder Vergehen von der Ermächtigung einer nicht richterlichen Behörde abhängt. Nach der Rechtsprechung können die Kantone auch eine richterliche Behörde als Ermächtigungsbehörde einsetzen (BGE 137 IV 269 E. 2.2 S. 276). 
Gemäss § 148 des Gesetzes vom 20. Mai 2010 des Kantons Zürich über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess (GOG/ZH; LS 211.1) entscheidet das Obergericht über die Ermächtigung zur Strafverfolgung von Beamten gemäss Art. 110 Abs. 3 StGB wegen im Amt begangenen Verbrechen oder Vergehen. Vorbehalten bleibt die Zuständigkeit des Kantonsrates. Letztere ist hier nicht gegeben (§ 38 Abs. 1 des Kantonsratsgesetzes vom 5. April 1981 des Kantons Zürich [LS 171.1]). § 148 GOG/ZH sieht den Entscheid des Obergerichts nicht nur bei Beamten des Kantons, sondern auch der Gemeinden vor, was bundesrechtlich zulässig ist (BGE 137 IV 269 E. 2.7.2 S. 279 f.). Mit § 148 GOG/ZH sollen Staatsbedienstete vor mutwilliger Strafverfolgung geschützt werden. Das Strafverfahren soll daher erst durchgeführt werden können, wenn das Obergericht vorher seine Zustimmung dazu erteilt hat (BGE 137 IV 269 E. 2.3 S. 277). 
Da es sich beim Beschwerdegegner um kein Mitglied der obersten Vollziehungs- und Gerichtsbehörden handelt, dürfen im Ermächtigungsverfahren keine politischen, sondern einzig strafrechtliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden (BGE 137 IV 269 E. 2.4 S. 277 f.). Für die Erteilung der Ermächtigung müssen minimale Hinweise auf ein strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegen. Nicht jeder behördliche Fehler begründet die Pflicht zur Erteilung der Ermächtigung zur Strafverfolgung. Hierfür bedarf es vielmehr genügender Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten (Urteile 1C_427/2017 vom 15. Dezember 2017 E. 2.2; 1C_63/2017 vom 22. Mai 2017 E. 2.2; je mit Hinweisen). 
 
3.  
Die Vorinstanz verneint minimale Hinweise auf Urkundenfälschung im Amt gemäss Art. 317 StGB (angefochtener Beschluss E. 3 S. 4). Dagegen bringen die Beschwerdeführer nichts vor. Das Bundesgericht hat sich deshalb dazu nicht zu äussern (Art. 42 Abs. 1 f. BGG). Es stellt sich einzig die Frage, ob hinreichende Anhaltspunkte für eine Verletzung des Amtsgeheimnisses nach Art. 320 StGB bestehen. 
 
4.  
 
4.1. Gemäss Art. 320 StGB macht sich strafbar, wer ein Geheimnis offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied einer Behörde oder als Beamter anvertraut worden ist, oder das er in seiner amtlichen oder dienstlichen Stellung wahrgenommen hat (Ziff. 1 Abs. 1). Der Täter ist nicht strafbar, wenn er das Geheimnis mit schriftlicher Einwilligung seiner vorgesetzten Behörde geoffenbart hat (Ziff. 2).  
 
4.2. Die Beschwerdeführerin 1 ist die Ehefrau von F.________, die Beschwerdeführer 2 und 3 sind deren Kinder. Am 15. April 2013 eröffnete das Konkursamt G.________ über F.________ den Privatkonkurs. Das Gemeindesteueramt E.________ machte im Konkurs eine Forderung von ca. CHF 1,7 Mio. geltend. Es erliess zudem eine Sicherstellungsverfügung gegen die Beschwerdeführerin 1 im Betrag von ca. CHF 2,1 Mio. Die Beschwerdeführerin 1 erhob hiergegen Rekurs beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Das Gemeindesteueramt zog zwei Rechtsanwälte bei, nämlich für das Konkursverfahren Rechtsanwalt H.________ und für das Sicherstellungsverfahren Rechtsanwalt I.________.  
Am 14. Januar 2015 entband die Finanzdirektion des Kantons Zürich den Beschwerdegegner auf dessen Gesuch vom gleichen Tag hin vom Steuergeheimnis in Bezug auf die Steuerunterlagen von F.________, am 2. März 2015 in Bezug auf die Steuerunterlagen der Beschwerdeführer. 
Die Beschwerdeführer stützen den Tatverdacht der Amtsgeheimnisverletzung auf Ausführungen, die Rechtsanwalt I.________ mit Rekursduplik vom 23. September 2015 im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht machte (Anzeigebeilage 4). In Ziffer 45 f. der Rekursduplik bemerkte Rechtsanwalt I.________ Folgendes: 
 
"45. Das Gemeindesteueramt liess sich bereits im Zusammenhang mit dem Konkurs- sowie dem Haftungsverfahren im Jahre 2013 vom Steuergeheimnis entbinden. Mit Verfügung vom 27. Februar 2013 liess sich der zuständige Steuersekretär der Gemeinde E.________ für den Verkehr mit dem Konkursamt G.________ von der Finanzdirektion vom Steuergeheimnis entbinden (act. III/1A). 
46. Mit Verfügung der Finanzdirektion vom 14. Januar 2015 erfolgte schliesslich auch die Entbindung im Hinblick auf den Beizug eines Rechtsanwaltes (act. III/1). Dem Rechtsvertreter im Konkurs, Herrn RA H.________, wurden die Steuerakten erst nach erfolgter Entbindung am 15. Januar 2015 per E-Mail (Dropbox) zugestellt. Eine Verletzung des Steuergeheimnisses wird also zu Unrecht geltend gemacht." 
Die Beschwerdeführer bringen vor, das Gemeindesteueramt habe dem Verwaltungsgericht mit Rekursantwort vom 15. Juli 2015 unter anderem folgende Akten zugestellt: Einschätzungsakten betreffend F.________ und die Beschwerdeführerin 1 für die Jahre 2006-2010; Einschätzungsakten betreffend die Beschwerdeführerin 1 für die Jahre 2011-2013; Steuererklärungen des Beschwerdeführers 2 für die Jahre 2008-2013; Steuererklärungen der Beschwerdeführerin 3 für die Jahre 2008-2013. Rechtsanwalt I.________ könne mit den in Ziffer 46 der Rekursduplik erwähnten Steuerakten nur diese Steuerunterlagen gemeint haben. Für die Steuerunterlagen der Beschwerdeführer sei die Entbindung vom Amtsgeheimnis aber erst am 2. März 2015 erfolgt. Insoweit habe am 15. Januar 2015 noch keine Entbindung vorgelegen, weshalb sich der Beschwerdegegner der Amtsgeheimnisverletzung strafbar gemacht habe. 
 
4.3. Die Vorinstanz erwägt dazu, weshalb es sich bei den von Rechtsanwalt I.________ erwähnten Steuerakten "offensichtlich" um jene handeln soll, welche die Gemeinde E.________ im Steuersicherungsverfahren mit Rekursantwort vom 15. Juli 2015 dem Verwaltungsgericht eingereicht habe und mithin um jene der Beschwerdeführer, sei nicht nachvollziehbar. Naheliegender erscheine vielmehr, dass Rechtsanwalt H.________ an jenem Tag genau diejenigen Akten zugestellt worden seien, hinsichtlich derer der Beschwerdegegner einen Tag zuvor vom Amtsgeheimnis entbunden worden sei.  
Diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden. Rechtsanwalt I.________ verneint in Ziffer 46 der Rekursduplik eine Verletzung des Steuergeheimnisses, da für "die Steuerakten", welche Rechtsanwalt H.________ am 15. Januar 2015 zugestellt wurden, am Tag zuvor die Entbindung vom Steuergeheimnis erfolgt war. Diese Entbindung betraf, was aktenkundig war und Rechtsanwalt I.________ bekannt sein musste, ausschliesslich die Steuerunterlagen betreffend F.________. Mit dem Begriff "die Steuerakten" kann Rechtsanwalt I.________ damit vernünftigerweise nur diese Steuerunterlagen gemeint haben. Darauf lässt auch der Umstand schliessen, dass Rechtsanwalt I.________ von der Zustellung an Rechtsanwalt H.________ spricht. Dieser vertritt die Gemeinde im Konkursverfahren gegen F.________, in welchem sie eine Steuerforderung gegen diesen geltend macht. Folglich benötigte Rechtsanwalt H.________ die Steuerunterlagen betreffend F.________. Hätte Rechtsanwalt I.________ mit dem Begriff "die Steuerakten" jene betreffend die Beschwerdeführer - für welche am 15. Januar 2015 unstreitig noch keine Entbindung vom Steuergeheimnis vorlag - gemeint, hätte er eine Verletzung des Steuergeheimnisses entgegen dem Schlusssatz in Ziffer 46 der Rekursduplik im Übrigen eingeräumt, womit seine Ausführungen widersprüchlich gewesen wären. Ein derartiger Widerspruch kann nicht angenommen werden. Wie sich aus Ziffer 45 f. der Rekursduplik sodann ergibt, haben sich das Gemeindesteueramt bzw. der zuständige Steuersekretär der Gemeinde mehrfach und in verschiedenem Zusammenhang vom Steuergeheimnis entbinden lassen. Dies weist darauf hin, dass man sich bei der Gemeinde der Bedeutung des Steuergeheimnisses bewusst ist und sich davon entbinden lässt, soweit das jeweils erforderlich ist. 
Würdigt man dies gesamthaft, verletzt es kein Bundesrecht, wenn die Vorinstanz hinreichende Anhaltspunkte für eine Amtsgeheimnisverletzung verneint und die Ermächtigung zur Strafverfolgung deshalb abgelehnt hat. Ob die Hilfsbegründungen der Vorinstanz (angefochtener Entscheid E. 4 S. 6 2. Absatz f.) bundesrechtmässig gewesen wären, kann dahingestellt bleiben. 
 
5.  
Die Beschwerde ist daher abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens tragen die Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Dem Beschwerdegegner ist keine Parteientschädigung zuzusprechen, da er nicht anwaltlich vertreten ist (BGE 133 III 439 E. 4 S. 446 mit Hinweis). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern zu gleichen Teilen auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft See/Oberland, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 15. Juni 2018 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Härri