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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_659/2010 
 
Urteil vom 20. Dezember 2010 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Favre, Präsident, 
Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger, 
Gerichtsschreiber Boog. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Staubeggstrasse 8, 8510 Frauenfeld, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
X.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Einziehung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 11. Mai 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Das Bezirksamt Weinfelden bestrafte X.________ mit Strafverfügung vom 9. Juli 2009 mit einer Busse von Fr. 300.-- wegen Widerhandlung gegen das Landwirtschaftsgesetz, begangen durch Gehilfenschaftshandlungen hinsichtlich Verfütterung von Hanf an Nutztiere durch Abschluss eines Abnahmevertrags mit der A.________ AG im Herbst 2008, wonach diese Hanffutterwürfel in Verkehr zu bringen beabsichtigte, sowie durch anschliessenden Ankauf von Hanfsaatgut der Sorte "sativa non-indica" beim Verein Schweizer Hanffreunde (VSHF) und Anbau von etwa 50a Hanf im Gebiet Freudenberg Nord. Gleichzeitig beschlagnahmte das Bezirksamt Weinfelden die mit Verfügung vom 28. August 2008 sichergestellte Hanfernte und ordnete deren Vernichtung an. Auf Einsprache von X.________ hin erliess das Bezirksamt Weinfelden am 31. Juli 2009 eine neue Strafverfügung wegen Widerhandlung gegen das Landwirtschaftsgesetz durch versuchtes Inverkehrbringen von Hanf. Die Busse von Fr. 300.-- und die Anordnung der Beschlagnahmung und Vernichtung der sichergestellten Hanfernte bestätigte es. 
Gegen diese Strafverfügung erhob X.________ erneut Einsprache. Das Bezirksgericht Weinfelden überwies daraufhin die Sache der Bezirksgerichtlichen Kommission Weinfelden zur Beurteilung. Diese bestätigte die angefochtene Strafverfügung im Schuld- und Strafpunkt. Die Ersatzfreiheitsstrafe setzte sie auf drei Tage fest. Ferner ordnete sie ebenfalls die Beschlagnahmung und die Vernichtung der sichergestellten Hanfernte an. 
Eine gegen diesen Entscheid vom Beurteilten erhobene Berufung hiess das Obergericht des Kantons Thurgau mit Urteil vom 11. Mai 2010 gut und sprach X.________ von der Anklage der Widerhandlung gegen das Landwirtschaftsgesetz frei. 
 
B. 
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau führt Beschwerde beim Bundesgericht, mit der sie beantragt, der Freispruch von X.________ betreffend Widerhandlung gegen das Landwirtschaftsgesetz sei zu bestätigen und es sei die mit Verfügung des Bezirksamtes Weinfelden vom 28. August 2008 sichergestellte Hanfernte gemäss Art. 69 StGB zur Vernichtung durch den Staat einzuziehen. 
 
C. 
X.________ beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht des Kantons Thurgau hat sich innert Frist nicht vernehmen lassen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde richtet sich gegen den Verzicht auf die Anordnung der Einziehung. Den Freispruch von der Anschuldigung der Widerhandlung gegen das Landwirtschaftsgesetz ficht die Beschwerdeführerin nicht an. 
 
2. 
Dem zu beurteilenden Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: 
Der Beschwerdegegner meldete am 21. Juni 2008 dem kantonalen Landwirtschaftsamt für das Jahr 2008 den Anbau von Hanf der Sorte "sativa non-indica". Als Verwendungszweck gab er einen Abnahmevertrag mit der A.________ AG an. Da der Beschwerdegegner den Anbau einer Hanfsorte meldete, die nicht im Sortenkatalog des Bundesamts für Landwirtschaft figurierte, meldete das kantonale Landwirtschaftsamt den Anbau den Strafverfolgungsbehörden. Mit Verfügung vom 17. Juli 2008 wies die Staatsanwaltschaft das Bezirksamt Weinfelden an, ein Ermittlungs- bzw. Untersuchungsverfahren gegen den Landwirt durchzuführen. Mit Verfügung des Bezirksamts Weinfelden vom 28. August 2008 wurde der gesamte vom Beschwerdegegner angebaute Hanf vorläufig sichergestellt. 
 
Die Vorinstanz nimmt in tatsächlicher Hinsicht an, der Beschwerdegegner sei aufgrund des Anbau- und Vermarktungsvertrags nicht verpflichtet gewesen, der A.________ AG die produzierten Hanfwürfel zu verkaufen. Zugunsten des Beschwerdegegners geht sie davon aus, er habe die Hanfwürfel an seine eigenen Kühe verfüttern wollen (angefochtenes Urteil S. 2, 5 f.). 
 
3. 
3.1 Die Vorinstanz gelangt zum Schluss, die Einziehung der Hanfernte komme bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht in Betracht. Die Herstellung und Verfütterung selbst produzierter Hanffutterwürfel an die eigenen Tiere sei - genau so wie deren Verwendung für einen Absud zur Herstellung eines Pflanzenschutzmittels - rechtlich zulässig. Die Beschlagnahme der Hanfernte als prozessuale Zwangsmassnahme falle mit der Rechtskraft des angefochtenen Urteils ohne Weiteres dahin, so dass der Beschwerdegegner nach Ablauf der Rechtsmittelfrist über seine Hanfernte im Rahmen der gesetzlichen Schranken frei verfügen könne (angefochtenes Urteil S. 11). 
 
3.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Verfüttern von Hanf an Nutztiere sei gemäss Art. 173 lit. i des Bundesgesetzes über die Landwirtschaft (Landwirtschaftsgesetz [LwG], SR 910.1) verboten. Der Beschwerdegegner habe keinen legalen Verwendungszweck für die Hanfwürfel darlegen können, sondern habe beabsichtigt, den von ihm angebauten, geernteten und zur Grastrocknungsanlage gebrachten Hanf an seine Nutztiere zu verfüttern. Der Hanf müsse daher gemäss Art. 69 StGB eingezogen werden. Dass die Tat im Vorbereitungsstadium stecken geblieben sei, sei für die Einziehung ohne Bedeutung. Nach einem undatierten fact-sheet "Hanf in der Tierernährung" des Bundesamtes für Landwirtschaft, des Bundesamtes für Gesundheit sowie der Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux sei wissenschaftlich erwiesen, dass auch durch eine normale Verfütterung von Hanf an Nutztiere THC in die Milch gelangen könne. Selbst wenn die THC-Mengen in der Milch gering seien, könne sich daraus je nach den Umständen eine Gefährdung der Gesundheit von Menschen, insbesondere von Kleinkindern, ergeben. Da eine legale Verwendung des Hanfs von den Behörden nicht zumutbar überprüft werden könne, komme nur die Einziehung zwecks Vernichtung in Frage (Beschwerde S. 3 ff.). 
 
4. 
Nach der Rechtsprechung dürfen Hanf oder Produkte davon in jeder Form oder Art weder als Futter noch zur Produktion von Futter für Nutztiere in Verkehr gebracht oder an Nutztiere verfüttert werden (Teil 2 lit. l des Anhangs 4 zur Verordnung des EVD über die Produktion und das Inverkehrbringen von Futtermitteln, Zusatzstoffen für die Tierernährung, Silierungszusätzen und Diätfuttermitteln vom 10. Juni 1999 [Futtermittelbuch-Verordnung, FMBV; SR 916.307.1). Dieses Verbot gilt auch, soweit der in einem Landwirtschaftsbetrieb produzierte Hanf für den Eigenbedarf bestimmt ist und an die eigenen Nutztiere verfüttert werden soll. Gesetzliche Grundlage bildet insoweit Art. 23b Abs. 3 lit. a der Verordnung über die Produktion und das Inverkehrbringen von Futtermitteln vom 26. Mai 1999 (Futtermittel-Verordnung; SR 916.307) in der seit 1. Januar 2006 geltenden Fassung. Diese Bestimmung stützt sich auf Art. 159a LwG, wonach der Bundesrat Vorschriften über die Verwendung von Produktionsmitteln erlassen und insbesondere die Verwendung von Produktionsmitteln beschränken oder verbieten kann (BGE 6B_382/2010 vom 16. Juli 2010 E. 1.4 ff.; ferner Urteil des BGer 6B_263/2010 vom 23. August 2010 E. 2). Die Verfütterung von selbst produziertem Hanf an die eigenen Milchkühe stellt eine Anwendung von verbotenen Stoffen bei der landwirtschaftlichen Produktion zwecks Herstellung von Lebensmitteln dar und erfüllt den Straftatbestand von Art. 48 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes über die Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz [LMG; SR 817.0]; Urteil des Bundesgerichts 6B_20/2010 vom 16. Juli 2010 E. 2). 
Nach den Feststellungen der Vorinstanz hatte der Beschwerdeführer die Absicht, den von ihm angebauten Hanf zu Hanfwürfel zu verarbeiten und diese an seine eigenen Milchkühe zu verfüttern. Der durch Verfügung des Bezirksamts Arbon beschlagnahmte Hanf war somit im Sinne von Art. 69 StGB zur Begehung einer Straftat bestimmt. Die Vorinstanz geht daher, soweit sie von der Straflosigkeit der Verfütterung von Hanf an die eigenen Nutztiere ausgeht, wie die Beschwerdeführerin zu Recht vorbringt, von einer unzutreffenden Rechtsauffassung aus (angefochtenes Urteil S. 7 ff.). 
 
5. 
5.1 Gemäss Art. 69 Abs. 1 StGB verfügt das Gericht ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Sicherungseinziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden. Gemäss Abs. 2 derselben Bestimmung kann das Gericht anordnen, dass die eingezogenen Gegenstände unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden. Der Sicherungseinziehung kommt kein Strafcharakter zu. Sie ist vielmehr eine sachliche Massnahme zum Schutz der Allgemeinheit vor rechtsgutsgefährdender (Wieder-)Verwendung von gefährlichen Gegenständen. 
Die Sicherungseinziehung betrifft mithin die Einziehung von Gegenständen, die einen Bezug zu einer Straftat (Anlasstat) aufweisen, indem sie zu deren Begehung gedient haben oder hiezu bestimmt waren (Tatwerkzeuge) oder durch die Straftat hervorgebracht wurden (Tatprodukte). Erforderlich ist darüber hinaus eine konkrete künftige Gefährdung öffentlicher Rechtsgüter. Unter die Gefährdung der Sicherheit fällt auch die Gefährdung der Gesundheit von Menschen. An die Nähe und das Ausmass dieser Gefährdung sind keine hohen Anforderungen zu stellen (BGE 125 IV 185 E. 2a mit Hinweisen). Es genügt, wenn diese hinreichend wahrscheinlich ist (siehe BGE 130 IV 143 E. 3.3.1; 116 IV 117 E. 2) und wenn zumindest für einen gewissen Kreis von Menschen eine Gefahr für die Gesundheit besteht. 
Bei der Einziehung und bei der Vernichtung der eingezogenen Gegenstände ist auch der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten (BGE 125 IV 185 E. 2a; 123 IV 55 E. 3b, je mit Hinweisen). Die Massnahme darf nicht stärker in die Rechte des davon Betroffenen eingreifen als es ihr Zweck erfordert. Aus dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit ergibt sich auch, dass ein Erlös aus der allfälligen Verwertung des eingezogenen Gegenstandes an dessen ehemaligen Eigentümer herauszugeben ist (BGE 117 IV 345 E. 2). 
 
5.2 Nach der Rechtsprechung ist als wissenschaftlich erwiesen zu betrachten, dass auch durch eine normale Verfütterung von Hanf an Kühe THC in die Milch gelangen kann. Zwar mögen die THC-Mengen in der Milch gering sein, doch kann sich auch daraus, je nach den Umständen, beispielsweise eine Gefährdung der Gesundheit von Kleinkindern ergeben. Dies reicht zur Bejahung einer Gefährdung der Sicherheit von Menschen als Voraussetzung für eine Sicherungseinziehung aus (Urteil des Bundesgerichts 6B_20/2010 vom 16. Juli 2010 E. 3.2). 
Ob die Einziehung sich als verhältnismässig erweist, lässt sich aufgrund der festgestellten Tatsachen nicht abschliessend beurteilen. Der Beschwerdegegner macht geltend, da er die Hanfwürfel nicht an seine Kühe verfüttern dürfe, beabsichtige er, aus diesen einen Absud zur Pflanzenstärkung herzustellen oder sie seinen beiden Kamelen zu verfüttern (vgl. angefochtenes Urteil S. 3; Vernehmlassung des Beschwerdegegners; Untersuchungsakten act. 19 und 50; Protokoll Bezirksgericht Weinfelden, act. 47 S. 7; vgl. auch Beschwerde S. 6). Die Vorinstanz äussert sich hiezu nicht. Sie hält lediglich fest, dass die Verwendung der Hanfwürfel für einen Absud zur Herstellung eines Pflanzenschutzmittels rechtlich zulässig sei (angefochtenes Urteil S. 11). Es ist somit nicht hinreichend erstellt, dass der Beschwerdegegner die beschlagnahmten Hanfwürfel nicht auch zu anderen Zwecken als zur Verfütterung an seine Nutztiere verwenden könnte. Der Sachverhalt erweist sich in dieser Hinsicht als lückenhaft, so dass das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur ergänzenden Feststellung des Sachverhalts und neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen ist (Art. 107 Abs. 2 BGG; BGE 133 IV 293 E. 3.4.2). 
 
6. 
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gutzuheissen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist auf die Erhebung von Kosten für das bundesgerichtliche Verfahren zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführerin ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 11. Mai 2010 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 20. Dezember 2010 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Favre Boog