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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_380/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 22. Dezember 2017  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Fonjallaz, 
Gerichtsschreiber Misic. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Kai Burkart, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, 
Gewaltdelikte, Molkenstrasse 15/17, Postfach 2251, 8026 Zürich. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Nichtzulassung als Privatklägerschaft, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 10. Juli 2017 (UH170135-O/U/HEI). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich führt gegen B.________ eine Strafuntersuchung wegen sexueller Handlungen als auch wiederholter Tätlichkeiten gegenüber seinem Sohn. 
Am 25. April 2017 gab die Mutter des Geschädigten, A.________, der Staatsanwaltschaft bekannt, dass sie sich im Strafverfahren als Privatklägerin konstituiere und Schadenersatz sowie Genugtuungsansprüche geltend mache, die sie noch beziffern und begründen werde. 
Mit Verfügung vom 26. April 2017 gewährte die Staatsanwaltschaft A.________ keine Parteirechte. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 10. Juli 2017 ab. 
 
B.   
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Obergerichts. Die Beschwerdeführerin sei als Privatklägerin im Strafverfahren gegen B.________ zuzulassen. 
Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft haben auf eine Stellungnahme zur Beschwerde verzichtet. Die Beschwerdeführerin hat sich nicht mehr geäussert. 
Mit Verfügung vom 7. September 2017 wurde der Beschwerde superprovisorisch die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 78 ff. BGG sind erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist deshalb einzutreten. 
 
2.  
Die Beschwerdeführerin beruft sich auf Art. 122 Abs. 2 StPO und auf die dazu ergangene Rechtsprechung. Sie bringt vor, als Angehörige des Opfers könne sie eigene zivilrechtliche Ansprüche gegenüber der beschuldigten Person adhäsionsweise im Strafverfahren geltend machen. Die Parteifähigkeit als Privatklägerin sei ihr von der Vorinstanz zu Unrecht verweigert worden. 
 
3.   
Als Opfer gilt die geschädigte Person, die durch die Straftat in ihrer körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden ist (Art. 116 Abs. 1 StPO). Angehörige des Opfers sind namentlich auch die Eltern (Art. 116 Abs. 2 StPO). Machen die Angehörigen des Opfers eigene Zivilansprüche gegenüber der beschuldigten Person adhäsionsweise im Strafverfahren geltend (Art. 122 Abs. 2 StPO), wie vorliegend die Beschwerdeführerin als Mutter des Geschädigten, so stehen ihnen die gleichen Rechte zu wie dem Opfer (Art. 117 Abs. 3 StPO). 
In BGE 139 IV 89 E. 91 f. hat das Bundesgericht ausgeführt, unter "die gleichen Rechte" müsse namentlich das Recht des Angehörigen verstanden werden, sich als Privatklägerschaft, als Zivilkläger oder gegebenenfalls auch als Strafkläger zu konstituieren. Der Angehörige des Opfers könne indessen nur als Privatkläger zugelassen werden, wenn er im Strafverfahren eigene Zivilansprüche geltend mache. Diese Anforderung sei spezifisch für den Angehörigen des Opfers und gelte nicht für den Geschädigten und das Opfer, die sich unabhängig von Zivilanträgen als Privatklägerschaft konstituieren können (vgl. Art. 119 Abs. 2 StPO). Der Angehörige komme in den Genuss der strafprozessualen Rechte, wenn die von ihm geltend gemachten Ansprüche angesichts seiner Behauptungen glaubhaft erscheinen. Es bedürfe einer gewissen Wahrscheinlichkeit, dass die geltend gemachten Ansprüche begründet seien. Jeglicher Grundlage entbehrende ("aus der Luft gegriffene") Zivilansprüche genügten insoweit nicht.  
Nach Art. 123 Abs. 1 StPO ist die in der Zivilklage geltend gemachte Forderung nach Möglichkeit in der Erklärung (Art. 119 Abs. 2 Bst. b StPO) zu beziffern und, unter Angabe der angerufenen Beweismittel, kurz schriftlich zu begründen. Dabei handelt es sich um eine blosse Ordnungsvorschrift (statt vieler NIKLAUS SCHMID, Praxiskommentar StPO, 2. Aufl. 2013, N. 1 zu Art. 123 StPO). Der Vorbehalt der Beschwerdeführerin, sie werde ihre Forderung zu gegebener Zeit noch beziffern und begründen, hat deshalb keine prozessualen Nachteile zur Folge und steht - in Anbetracht des frühen Verfahrensstands - einer Konstituierung als Privatklägerschaft grundsätzlich nicht entgegen. Dies hat die Vorinstanz zutreffend festgehalten. 
 
4.  
Die Vorinstanz hat eine eingehende Prüfung der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Zivilforderungen vorgenommen und ist zum Ergebnis gelangt, es bestehe keine genügende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Genugtuungs- und Schadenersatzansprüche begründet seien. 
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Es ist unbestritten, dass beim derzeitigen (frühen) Stand des Strafverfahrens der rechtserhebliche Sachverhalt noch nicht vollumfänglich feststeht. Insoweit kann auch noch keine abschliessende Beurteilung der zivilrechtlichen Ansprüche erfolgen. Indem die Vorinstanz dies in diesem Stadium dennoch getan hat, hat sie sich als eigentliches Sachgericht ausgegeben. Dies wird von der Beschwerdeführerin zu Recht beanstandet. Sie führt in ihrer Beschwerdeschrift unter anderem glaubhaft und nachvollziehbar aus, die Situation sei für sie als Mutter des Opfers äusserst belastend. Sie müsse ihren traumatisierten Sohn rund um die Uhr betreuen, um ihn zu stabilisieren und die Folgen (depressive Schübe, Angstzustände, Schlaflosigkeit und Wutattacken) der in Frage stehenden Delikte zu mildern. Dies koste sie viel Zeit, Kraft und Energie. Um diese Aufgabe bewältigen zu können, bedürfe sie selber fachpsychologischer Unterstützung. 
Dass eine genügende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschwerdeführerin Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche gegenüber dem Beschuldigten aus den ihm vorgeworfenen Straftaten entstanden sein könnten, erscheint nach dem Ausgeführten nicht aus der Luft gegriffen. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass es sich hierbei um von vornherein völlig unbegründete Zivilansprüche handelt, wie dies die Vorinstanz annimmt. Darüber wird letztlich das Sachgericht zu befinden haben. Insgesamt, namentlich mit Blick auf BGE 139 IV 89, hat die Vorinstanz einen zu strengen Massstab angewandt. Damit ist die Parteifähigkeit der Beschwerdeführerin als Privatklägerin anzuerkennen. 
 
5.   
Die Beschwerde ist gutzuheissen. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben. Die Beschwerdeführerin ist als Privatklägerschaft im Strafverfahren zuzulassen. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Hingegen hat der Kanton Zürich die obsiegende Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 BGG). Mit diesem Entscheid wird der Antrag auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Beschluss vom 10. Juli 2017 des Obergerichts des Kantons Zürich wird aufgehoben. Die Beschwerdeführerin wird als Privatklägerin im Strafverfahren gegen B.________ zugelassen. 
 
2.   
Für das bundesgerichtliche Verfahren werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Der Kanton Zürich hat Rechtsanwalt Kai Burkart für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. Dezember 2017 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Misic