Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_694/2022  
 
 
Urteil vom 23. Januar 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, 
nebenamtliche Bundesrichterin Reiter, 
Gerichtsschreiber Sieber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________, 
vertreten durch Fürsprecher Ismet Bardakci, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Obergericht des Kantons Bern, 2. Zivilkammer, 
Hochschulstrasse 17, 3012 Bern, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
unentgeltliche Rechtspflege (Revision Ehescheidung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Zivilkammer, vom 11. August 2022 
(ZK 22 131). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. B.A.________ und A.A.________ wurden mit Entscheid des Regionalgerichts Emmental-Oberaargau vom 22. Juni 2017 auf Basis eines gemeinsamen Scheidungsbegehrens mit umfassender Einigung geschieden.  
 
A.b. Am 1. Februar 2020 ersuchte B.A.________ um revisionsweise Abänderung des Scheidungsurteils und verlangte die Verurteilung von A.A.________ zur Zahlung von mindestens Fr. 50'000.-- aus Güterrecht. Sie machte im Wesentlichen geltend, sie habe nachträglich erfahren, dass A.A.________ über Bankguthaben und Liegenschaften in der Türkei verfüge, die Errungenschaft darstellen würden und die bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung im Rahmen des Scheidungsverfahrens nicht berücksichtigt worden und nun noch zu teilen seien. A.A.________ widersetzte sich dieser Forderung, indem er vortrug, das behauptete Vermögen gehöre nicht ihm, sondern seinem Bruder.  
 
A.c. Dieses Revisionsbegehren wies das Regionalgericht am 15. Februar 2022 ab.  
 
B.  
Die von B.A.________ hiergegen erhobene Beschwerde hiess das Obergericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 11. August 2022 (eröffnet am 15. August 2022) gut, hob den Entscheid des Regionalgerichts auf und wies dieses an, das Scheidungsurteil vom 22. Juni 2017 aufzuheben und revisionsweise eine neue güterrechtliche Regelung zu treffen. Das von A.A.________ gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Verfahren vor Obergericht wurde unter Regelung der Kostenfolgen abgewiesen. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Zivilsachen gelangt A.A.________ (Beschwerdeführer) am 14. September 2022 ans Bundesgericht. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts in Bezug auf die unentgeltliche Rechtspflege und die Gerichtskosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuheben und die Sache zur Begründung und zu weiteren Abklärungen an das Obergericht zurückzuweisen. Eventuell sei die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das kantonale Beschwerdeverfahren zu bewilligen. Sodann ersucht er auch vor Bundesgericht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. 
Mit Verfügung vom 29. November 2022 erteilte der Präsident der II. zivilrechtlichen Abteilung nach Anhörung der weiteren Verfahrensbeteiligten der Beschwerde ans Bundesgericht die aufschiebende Wirkung. Im Übrigen hat das Bundesgericht die Akten des kantonalen Verfahrens, indes keine Vernehmlassungen in der Sache eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der angefochtene kantonal letztinstanzliche Entscheid (Art. 75 Abs. 1 BGG) heisst die gegen einen ein Revisionsbegehren abweisenden Entscheid erhobene Beschwerde gut und weist die Sache an die erste Instanz zurück. Das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wies die Rechtsmittelinstanz ab. Vor Bundesgericht wendet sich der Beschwerdeführer einzig gegen die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege. Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege für das kantonale Beschwerdeverfahren wurde durch das Obergericht abschliessend beurteilt. Der Entscheid über die unentgeltliche Rechtspflege partizipiert daher nicht am Charakter des Rückweisungsentscheids als Zwischenentscheid (vgl. BGE 144 III 253 E. 1.3 und 1.4), sondern qualifiziert in dieser Konstellation als Endentscheid gemäss Art. 90 BGG (Urteil 5D_37/2021 vom 2. Februar 2022 E. 1.2; entgegen Urteil 5A_1039/2021 vom 19. Oktober 2022 E. 1.1). Das hauptsächlich strittige Revisionsverfahren betrifft die güterrechtliche Auseinandersetzung im Rahmen einer Scheidung und damit eine Zivilsache vermögensrechtlicher Natur (Art. 72 Abs. 1 BGG). Der erforderliche Streitwert von Fr. 30'000.-- ist laut den unbestrittenen Feststellungen des Obergerichts erreicht (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen ist folglich das zutreffende Rechtsmittel, womit die eventualiter erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 BGG) unzulässig ist. Der Beschwerdeführer ist nach Art. 76 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt, die er auch fristgerecht erhoben hat (Art. 100 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten. 
 
2.  
Mit der Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht in diesem Bereich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und prüft mit freier Kognition, ob der angefochtene Entscheid Recht verletzt. Es befasst sich aber grundsätzlich nur mit formell ausreichend begründeten Einwänden. In der Beschwerde ist deshalb in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG), was eine Auseinandersetzung mit dessen Begründung erfordert (BGE 143 II 283 E. 1.2.2; 140 III 86 E. 2). Erhöhte Anforderungen gelten, wenn kantonale oder verfassungsmässige Rechte als verletzt gerügt werden. Das Bundesgericht prüft deren Verletzung nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; sog. strenges Rügeprinzip). Es prüft nur klar und detailliert erhobene und soweit möglich belegte Rügen (BGE 142 III 364 E. 2.4). Sodann ist das Bundesgericht an den festgestellten Sachverhalt grundsätzlich gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kann einzig vorgebracht werden, sie seien offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich (BGE 140 III 264 E. 2.3 mit Hinweis), oder sie würden auf einer anderen Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (z.B. Art. 29 Abs. 2 BV oder Art. 8 ZGB) beruhen. Ausserdem muss in der Beschwerde aufgezeigt werden, inwiefern die Behebung der vorerwähnten Mängel für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 137 III 226 E. 4.2 mit Hinweis). 
 
3.  
Der Beschwerdeführers macht vorab in Zusammenhang mit der Begründung des Entscheids durch das Obergericht die Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) geltend. 
 
3.1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt in seinem Teilgehalt der Begründungspflicht, dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus folgt die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 146 II 335 E. 5.1; 143 III 65 E. 5.2).  
 
3.2. Das Obergericht hat zur Begründung der Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer mit Entscheid des Regionalgerichts vom 15. Februar 2022 die unentgeltliche Rechtspflege verweigert worden sei. Es könne auf die einlässliche Begründung dieses Entscheids verwiesen werden. Insbesondere ändere sich an der Einschätzung des Regionalgerichts nichts, dass der Beschwerdeführer seine Mitwirkungspflicht verletzt habe.  
Der Beschwerdeführer rügt, dass der Entscheid des Obergerichts keine eigene Begründung enthalte. Das Wort "Mitwirkungspflichtverletzung" könne dem Entscheid des Regionalgerichts nicht entnommen werden. Ausserdem handle es sich um zwei verschiedene Verfahren, weshalb nicht einfach eine Instanz auf eine eigene Begründung verzichte und stattdessen auf die Begründung der anderen Instanz verweisen dürfe. Das Obergericht führe zwar aus, dass sich mit seinem Entscheid an der Einschätzung des Regionalgerichts nichts ändere, ohne jedoch zu begründen, warum dies so sei. 
 
3.3. Vorab ist der Beschwerdeführer daran zu erinnern, dass es einem oberen Gericht auch mit Blick auf den Anspruch auf rechtliches Gehör möglich ist, zur Begründung seines Entscheids auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils zu verweisen (BGE 123 I 31 E. 2c). Dies gilt jedenfalls, sofern vor der zweiten Instanz keine beachtlichen Gründe vorgebracht werden, zu denen die erste Instanz noch nicht Stellung bezogen hat (Urteil 4A_477/2018 und 4A_481/2018 vom 16. Juli 2019 E. 3.2.1). Der Beschwerdeführer macht nicht geltend und es ist auch nicht offensichtlich, dass diese Voraussetzung vorliegend erfüllt wäre. Entsprechendes kann insbesondere nicht aus dem ohnehin pauschalen Vorbringen abgeleitet werden, die Begründung der unteren Instanz würde ein bestimmtes von der Rechtsmittelinstanz erwähntes Wort ("Mitwirkungspflicht") nicht enthalten.  
Im Übrigen hat das Regionalgericht das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wegen mangelnder Bedürftigkeit abgewiesen. Dem Beschwerdeführer war durchaus klar, wie das Obergericht die Begründung des Regionalgerichts verstand bzw. was mit der Verletzung der Mitwirkungspflicht gemeint war und dies unbesehen der konkreten Wortwahl des Regionalgerichts. Er behauptet vor Bundesgericht denn auch nicht, dass die Begründung des erstinstanzlichen Entscheids in diesem Punkt nicht verständlich gewesen sei. Damit hat er in der Essenz auch verstanden, weshalb das Obergericht sein Gesuch abgewiesen hat und war ihm der Weiterzug von dessen Entscheid an das Bundesgericht möglich. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs erweist sich als unbegründet. 
 
4.  
Der Beschwerdeführer rügt sodann eine Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV
 
4.1. Nach Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit zur Wahrung ihrer Rechte notwendig, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. Mit Art. 117 ff. ZPO wird der als verfassungsrechtliche Minimalgarantie in Art. 29 Abs. 3 BV verankerte Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung auf Gesetzesstufe geregelt. Die Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 117 f. ZPO stimmen dabei mit denjenigen der Minimalgarantie von Art. 29 Abs. 3 BV überein, deren Einhaltung das Bundesgericht in rechtlicher Hinsicht mit freier Kognition prüft (BGE 142 III 131 E. 4.1). Bezüglich der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kann vor Bundesgericht dagegen nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte geltend gemacht werden, namentlich des Willkürverbots (Art. 9 BV; BGE 135 I 221 E. 5.1; Urteil 5D_125/2018 vom 24. Oktober 2018 E. 2).  
Die gesuchstellende Person hat sowohl nach Massgabe des Verfassungsanspruchs als auch nach Art. 119 Abs. 2 Satz 1 ZPO ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse darzulegen und sich zur Sache sowie über ihre Beweismittel zu äussern. Es trifft sie eine umfassende Mitwirkungsobliegenheit (BGE 135 I 221 E. 5.1; 120 Ia 179 E. 3a; Urteil 5A_456/2020 vom 7. Oktober 2020 E. 5.1.2 mit Hinweis). An die klare und gründliche Darstellung der finanziellen Situation durch die gesuchstellende Person dürfen umso höhere Anforderungen gestellt werden, je komplexer die Verhältnisse sind (BGE 125 IV 161 E. 4a; 120 Ia 179 E. 3a). Kommt die anwaltlich vertretene gesuchstellende Person ihren Obliegenheiten nicht (genügend) nach, kann das Gesuch mangels ausreichender Substantiierung oder mangels Bedürftigkeitsnachweis abgewiesen werden (BGE 125 IV 161 E. 4a; Urteil 5A_716/2021 vom 7. März 2022 E. 3 mit Hinweisen). 
 
4.2. Der Beschwerdeführer wendet ein, er sei im Verfahren vor Obergericht einlassungspflichtig gewesen und verfüge über ein monatliches Nettoeinkommen von Fr. 3'054.95. Sein zivilprozessualer Zwangsbedarf betrage Fr. 3'669.10. Über Vermögenswerte verfüge er nicht. Zusammen mit seiner früheren Ehefrau sei er immer ergänzend von der Sozialhilfe unterstützt worden. Zwar habe er Vermögenswerte kurz für Dritte in seinem Besitz gehabt. Die Gerichte in der Türkei hätten diese aber nicht beschlagnahmt bzw. die Vermögenssperre aufgehoben. Die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege werde zur Folge haben, dass er sich am bevorstehenden Revisionsverfahren vor dem Regionalgericht ohne Rechtsvertreter werde beteiligen müssen, währenddem seine frühere Ehefrau anwaltlich vertreten sei.  
Mit diesen Ausführungen geht der Beschwerdeführer nicht auf den Vorwurf des kantonalen Gerichts ein, unter Verletzung seiner Mitwirkungspflicht seine finanzielle Situation nicht hinreichend dargelegt zu haben. Entsprechend setzt er sich mit den diesbezüglichen Ausführungen - das Obergericht verweist insoweit auf die Erwägungen des Regionalgerichts - nicht auseinander. Namentlich legt er nicht dar, seine Mitwirkungspflicht im kantonalen Verfahren erfüllt zu haben. Folglich ist dem Vorbringen des Beschwerdeführers kein Erfolg beschieden und es bleibt dabei, dass dieser seine Bedürftigkeit nicht hinreichend belegt hat. 
 
5.  
Zusammenfassend ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kosten-, nicht hingegen entschädigungspflichtig, da in der Hauptsache keine Vernehmlassungen eingeholt wurden und das Gemeinwesen keinen Anspruch auf Entschädigung hat (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 1-3 BGG). Wie die vorstehenden Ausführungen aufzeigen, war die Beschwerde von Anfang an aussichtslos, so dass das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen ist (Art. 64 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. Januar 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Sieber