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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4C.336/2005 /ruo 
 
Urteil vom 29. November 2005 
I. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Corboz, Präsident, 
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch, 
Bundesrichter Nyffeler, 
Gerichtsschreiber Luczak. 
 
Parteien 
A.________ AG, 
Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Fürsprecher Claude Lengyel, 
 
gegen 
 
B.________ GmbH, 
Beklagte und Berufungsbeklagte. 
 
Gegenstand 
Vertrag über Personalverleih; sachliche Zuständigkeit, 
 
Berufung gegen den Beschluss des Handelsgerichts 
des Kantons Zürich vom 12. August 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Im Rahmen einer rechtlichen Auseinandersetzung zwischen der A.________ AG (Klägerin) und der B.________ GmbH (Beklagte) gelangte die Klägerin am 20. Juli 2005 an das Handelsgericht des Kantons Zürich und verlangte von der Beklagten im Wesentlichen Fr. 7'716.70 nebst Zins und diverse Betreibungs- und Verfahrenskosten. Überdies sei festzustellen, dass die Klägerin der Beklagten nichts schulde, und es sei das zuständige Betreibungsamt anzuweisen, die von der Beklagten gegen die Klägerin erhobene Betreibung zu löschen. 
B. 
Mit Beschluss vom 12. August 2005 trat das Handelsgericht mangels sachlicher Zuständigkeit nicht auf die Klage ein. Es setzte der Klägerin Frist zur Bezeichnung des zuständigen Gerichts, an welches der Prozess zu überweisen sei, unter der Androhung, dass bei Säumnis die Überweisung unterbleibe. Das Handelsgericht hielt fest, der notwendige Streitwert sei nicht erreicht, da das negative Feststellungsbegehren nicht berücksichtigt werden könne. Dabei handle es sich um eine Klage auf richterliche Aufhebung oder Einstellung einer Betreibung im Sinne von Art. 85a SchKG, für welche der Einzelrichter im beschleunigten Verfahren zuständig sei. 
C. 
Gegen diesen Beschluss führt die Klägerin eidgenössische Berufung. Sie beantragt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung zurückzuweisen. In der Berufungsantwort schildert die Beklagte im Wesentlichen die dem Streit zugrunde liegenden Vorgänge aus ihrer Sicht, ohne einen bestimmten Antrag zu stellen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die Berufungsschrift enthält keinen materiellen Antrag, wie er nach Art. 55 Abs. 1 lit. b OG erforderlich ist. Der blosse Rückweisungsantrag genügt indessen, weil das Bundesgericht, sollte es die Rechtsauffassung der Klägerin für begründet erachten, kein Sachurteil fällen kann, sondern die Streitsache zur weiteren Abklärung des Sachverhaltes an die Vorinstanz zurückweisen muss (BGE 125 III 412 E. 1b S. 414). 
2. 
2.1 Gemäss Art. 55 Abs. 1 lit. c OG muss in der Berufungsschrift dargelegt werden, welche Bundesrechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Zwar ist eine ausdrückliche Nennung bestimmter Gesetzesartikel nicht erforderlich, falls aus den Vorbringen hervorgeht, gegen welche Regeln des Bundesrechts die Vorinstanz verstossen haben soll. Unerlässlich ist aber, dass auf die Begründung des angefochtenen Urteils eingegangen und im Einzelnen dargetan wird, worin eine Verletzung von Bundesrecht liegen soll (BGE 121 III 397 E. 2a S. 400; 116 II 745 E. 3 S. 748 f.). Fehl am Platz sind dagegen Rügen der Verletzung von Verfassungsrecht (Art. 43 Abs. 1 Satz 2 OG) sowie Erörterungen über die Anwendung kantonalen Rechts (BGE 127 III 248 E. 2c S. 252 mit Hinweisen). 
2.2 Im Berufungsverfahren ist das Bundesgericht überdies an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden. Ausnahmen von dieser Bindung kommen nur in Betracht, wenn die Vorinstanz bundesrechtliche Beweisvorschriften verletzt hat, wenn ihr ein offensichtliches Versehen unterlaufen ist (Art. 63 Abs. 2 OG) oder wenn der von ihr ermittelte Sachverhalt im Hinblick auf die Anwendung des Bundesrechts der Ergänzung bedarf (Art. 64 OG). Die Partei, die den Sachverhalt berichtigt oder ergänzt wissen will, hat darüber genaue Angaben mit Aktenhinweisen zu machen (Art. 55 Abs. 1 lit. d OG; BGE 130 III 102 E. 2.2 S. 106; 115 II 484 E. 2a S. 485 f., je mit Hinweisen). Eine Ergänzung setzt zudem voraus, dass entsprechende Sachbehauptungen bereits im kantonalen Verfahren prozesskonform aufgestellt, von der Vorinstanz aber zu Unrecht für unerheblich gehalten oder übersehen worden sind, was wiederum näher anzugeben ist. Ohne diese Angaben gelten Vorbringen, die über die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil hinausgehen, als neu und sind damit unzulässig (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 127 III 248 E. 2c S. 252). Ergänzungen des Sachverhalts haben nur zu erfolgen, soweit sie entscheidwesentliche Tatsachen betreffen (BGE 128 III 163 E. 3b S. 167; 111 II 471 E. 1c S. 473). Blosse Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung ist im Berufungsverfahren unzulässig (BGE 127 III 73 E. 6a S. 81; 126 III 10 E. 2b S. 13; 119 II 84 E. 3 S. 85). 
3. 
Die Klägerin wirft der Vorinstanz vor, sie hätte ihr Begehren als gewöhnliches Feststellungsbegehren entgegennehmen müssen. Da die Klägerin Rechtsvorschlag erhoben habe, sei gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung eine Feststellungsklage gemäss Art. 85a SchKG mangels Rechtsschutzinteresses gar nicht zulässig. 
3.1 Dem betriebenen Schuldner stehen zur Feststellung, dass keine Schuld bestehe, in der Tat zweierlei Klagen mit unterschiedlichen Voraussetzungen zur Verfügung. 
3.1.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann die Feststellungsklage gemäss Art. 85a SchKG nicht angehoben werden, solange der vom Schuldner rechtzeitig erhobene Rechtsvorschlag noch nicht rechtskräftig beseitigt worden ist (125 III 149 E. 2c S. 152 f.). In diesem Zeitraum steht dem Schuldner mangels Klage gemäss Art. 85a SchKG nur die allgemeine Klage auf Feststellung des Nichtbestehens der Schuld offen, und er kann, falls mit dem Urteil die Nichtigkeit der Betreibung festgestellt wird, die Kenntnisgabe der Betreibung an Dritte gestützt auf Art. 8a Abs. 3 lit. a SchKG verhindern (BGE 128 III 334). 
3.1.2 Unter welchen Voraussetzungen die gerichtliche Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens bundesrechtlicher Ansprüche verlangt werden kann, ist eine Frage des Bundesrechts (BGE 131 III 319 E. 3.5 S. 324; 129 III 295 E. 2.2 S. 299). Die Feststellungsklage ist zuzulassen, wenn der Kläger an der sofortigen Feststellung ein erhebliches schutzwürdiges Interesse hat, welches kein rechtliches zu sein braucht, sondern auch bloss tatsächlicher Natur sein kann. Diese Voraussetzung ist namentlich gegeben, wenn die Rechtsbeziehungen der Parteien ungewiss sind und die Ungewissheit durch die richterliche Feststellung behoben werden kann. Dabei genügt nicht jede Ungewissheit; erforderlich ist vielmehr, dass ihre Fortdauer dem Kläger nicht mehr zugemutet werden darf, weil sie ihn in seiner Bewegungsfreiheit behindert (BGE 131 III 319 E. 3.5 S. 325 mit Hinweisen). Namentlich bei negativen Feststellungsklagen ist zudem auch auf die Interessen des Beklagten Rücksicht zu nehmen. Wer auf Feststellung klagt, dass eine Forderung nicht besteht, zwingt damit den beklagten Gläubiger zu vorzeitiger Prozessführung. Damit wird die Regel durchbrochen, dass grundsätzlich der Gläubiger und nicht der Schuldner den Zeitpunkt für die Geltendmachung eines Anspruches bestimmt. Der vorzeitige Prozess kann den Gläubiger benachteiligen, wenn er zur Beweisführung gezwungen wird, bevor er dazu bereit und in der Lage ist (BGE 131 III 319 E. 3.5 S. 325 mit Hinweis). 
3.2 Zu beurteilen ist indessen vorliegend nicht, ob die Voraussetzungen für die eine oder andere Feststellungsklage gegeben sind, sondern ausschliesslich, ob die Vorinstanz dadurch, dass sie sich wegen des zu niedrigen Streitwerts für sachlich unzuständig erklärte, Bundesrecht verletzt hat. 
3.2.1 Zuständigkeitsvorschriften gehören an sich zum Verfahrensrecht, das gemäss Art. 122 Abs. 2 BV den Kantonen vorbehalten ist. Auch wenn die kantonale Zuständigkeit von einer nach Bundesrecht zu entscheidenden Vorfrage abhängt, kann diese gemäss Art. 43 OG dem Bundesgericht nur unterbreitet werden, wenn das eidgenössische Recht dem kantonalen gebietet, dem Entscheid über die Vorfrage Rechnung zu tragen. Ferner ergibt sich aus dem Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts, dass die Kantone mit ihren Verfahrensvorschriften die Wirksamkeit des Bundeszivilrechts nicht beeinträchtigen oder gar verunmöglichen dürfen (BGE 115 II 237 E. 1c S. 241 mit Hinweis). 
3.2.2 Die von den Parteien gestellten Rechtsbegehren sind grundsätzlich nach dem Vertrauensprinzip auszulegen, wobei zur Auslegung der Rechtsbegehren die Klagebegründung heranzuziehen ist (Vogel/Spühler, Grundriss des schweizerischen Zivilprozessrechts, 8. Aufl. 2006, 7. Kapitel Rz. 8 S. 189). Die Auslegung von Willenserklärungen nach dem Vertrauensprinzip ist eine Frage des Bundesrechts (Art. 18 OR; vgl. auch BGE 130 III 66 E. 3.2 S. 71; 417 E. 3.2 S. 424 f.). Ob und gegebenenfalls inwieweit derartige Vorschriften des Bundesrechts auch angerufen werden können, um eine unrichtige Würdigung von Vorbringen zur ausschliesslich zuständigkeitsbegründenden Natur des eingeklagten Anspruchs zu rügen (BGE 125 III 346 unveröffentlichte E. 2a/aa), kann offen bleiben, da sich die Berufung jedenfalls als nicht hinreichend begründet erweist. 
3.3 Die Vorinstanz hielt fest, aus der Klagebegründung (S. 14 Ziff. 9) gehe hervor, dass es sich beim negativen Feststellungsbegehren um eine Klage im Sinne von Art. 85a SchKG handle. Sofern die Klägerin eine derartige Klage eingereicht hat, ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden, dass sich die Vorinstanz für unzuständig erklärt hat. Dass die Klage im beschleunigten Verfahren zu behandeln ist, ergibt sich aus Bundesrecht (Randtitel zu Art. 85a SchKG in Verbindung mit Art. 25 SchKG; BGE 127 III 41 E. 4a S. 43). Welches Gericht für im beschleunigten Verfahren zu behandelnde Klagen zuständig ist, entscheidet sich nach kantonalem Recht. Insoweit ist keine Bundesrechtsverletzung dargetan. Für eine gewöhnliche Klage auf negative Feststellung bestehen dagegen keine besonderen bundesrechtlichen Verfahrensvorschriften, so dass insoweit keine Bundesrechtsverletzung vorliegen kann. Wenn die Klägerin aber argumentiert, sie habe eine gewöhnliche Feststellungsklage eingereicht, müsste sie zumindest darlegen, weshalb der von der Vorinstanz gestützt auf das Rechtsbegehren in Verbindung mit einer bestimmten Textpassage der Klagebegründung gezogene Schluss, es handle sich um ein Feststellungsbegehren nach Art. 85a SchKG, nicht zutrifft und inwiefern er gegen Bundesrecht verstösst. 
3.4 Entsprechende Ausführungen fehlen in den Berufungsschrift. Ob eine Klage gemäss Art. 85a SchKG nach der geltenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung Aussicht auf Erfolg hätte, kann im Rahmen der Auslegung der Rechtsbegehren zwar berücksichtigt werden, ist aber nicht allein massgeblich. Es steht einer Partei frei, die Klage ungeachtet der bundesgerichtlichen Rechtsprechung einzureichen, etwa in der Hoffnung, eine Praxisänderung zu bewirken. Aus dem angefochtenen Urteil geht zudem nicht hervor, dass die Klägerin in der Betreibung Rechtsvorschlag erhoben hat. Die Klägerin behauptet zwar, dies sei aktenkundig. Damit genügt sie aber den Voraussetzungen für eine diesbezügliche Ergänzung des Sachverhaltes nicht. 
3.5 Die Klägerin setzt sich in der Berufung mit dem angefochtenen Beschluss in keiner Weise auseinander und legt insbesondere nicht dar, inwiefern die Auslegung ihres Rechtsbegehrens bundesrechtswidrig sein soll. Sie weicht vielmehr mit ihren Ausführungen von den für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz ab. Mangels genügender Begründung ist daher auf die Berufung insgesamt nicht einzutreten. Die Frage, inwieweit die Auslegung der Rechtsbegehren durch die Vorinstanz vom Bundesgericht im Rahmen der Berufung überprüft werden kann, braucht damit nicht näher behandelt zu werden. 
 
4. 
4.1 Die von der Vorinstanz angesetzte Frist zur Bezeichnung des zuständigen Gerichts, an welches die Sache zu überweisen sei, ist abgelaufen. Die Vorinstanz wird die entsprechende Frist neu festzusetzen haben. 
4.2 Dem Verfahrensausgang entsprechend hat die Klägerin die Gerichtsgebühr zu tragen. Da die Beklagte weder anwaltlich vertreten ist noch einen besonderen prozessualen Aufwand geltend macht, steht ihr keine Parteientschädigung zu. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Auf die Berufung wird nicht eingetreten. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Klägerin auferlegt. 
3. 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 29. November 2005 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: